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LG Berlin: Datingportal muss Nutzer darauf hinweisen wenn Portalbetreiber Fakeprofile verwendet - Hinweis in AGB nicht ausreichend

LG Berlin
Urteil vom 27.01.2022
16 O 62/21


Das LG Berlin hat entschieden, dass ein Datingportal seine Nutzer deutlich darauf hinweisen muss, wenn der Portalbetreiber Fakeprofile verwendet. Ein Hinweis in AGB ist dabei nicht ausreichend

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Bundeskartellamt: Sektoruntersuchung zum Scoring beim Online-Shopping eingeleitet

Das Bundeskartellamt hat eine Sektoruntersuchung zum Scoring beim Online-Shopping eingeleitet.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:
Bundeskartellamt leitet Sektoruntersuchung zum Scoring beim Online-Shopping ein

Das Bundeskartellamt hat eine verbraucherrechtliche Sektoruntersuchung zum „Scoring“ beim Online-Shopping eingeleitet. Hierbei geht es um die Vorgehensweisen von Händlern zur Überprüfung der Bonität, d. h. der Zahlungsfähigkeit von Verbraucherinnen und Verbrauchern beim Online-Shopping.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern ist nicht bewusst, dass ihre Bonität beim Online-Shopping unter Zuhilfenahme sogenannter Score-Werte geprüft wird, vor allem beim beliebten „Kauf auf Rechnung“. In unserer Sektoruntersuchung werden wir untersuchen, ob und in welcher Form die Online-Händler hierüber informieren, wie die Prüfungen ablaufen und welche Kriterien der Bonitätsprüfung eigentlich zugrunde liegen. Dabei beziehen wir Unternehmen ein, die für das Scoring relevant sein könnten, z.B. auch Wirtschaftsauskunfteien, die mit der Erstellung von Score-Werten einen wesentlichen Faktor für die Bonitätsprüfungen an die Online-Händler zuliefern.“

Bonitätsprüfungen dienen der Risikominimierung und sollen Vertragspartnern Aufschluss darüber geben, ob eine Person ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. Grundlage für Bonitätsprüfungen bilden dabei häufig individuelle Score-Werte, die von Wirtschaftsauskunfteien unter Berücksichtigung personenbezogener Daten ermittelt werden und ausdrücken, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Käuferin oder ein Käufer die Rechnung bezahlen wird. Die Durchführung von Bonitätsprüfungen ist an enge datenschutzrechtliche Voraussetzungen, wie z. B. eine freiwillige Einwilligung der betroffenen Person, in die Datenverarbeitung geknüpft.

Die Praxis bei der Bestellung von Waren über den Online-Handel ist diesbezüglich uneinheitlich und in vielen Fällen für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Transparenz- und Einwilligungsdefizite könnten Verbrau-cherrechtsverstöße auslösen.

Nach Vorgesprächen mit Expertinnen und Experten und Interessenvertretungen wird das Bundeskartellamt zeitnah schriftliche Befragungen von rund 50 ausgewähl-ten Online-Händlern und großen Wirtschaftsauskunfteien durchführen. Die Ergebnisse der Sektoruntersuchung werden nach Abschluss der Ermittlungen in einem Bericht veröffentlicht.

Die vorliegende Sektoruntersuchung Scoring beim Online-Shopping ist die sechste verbraucherrechtliche Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts. Das Bundeskartellamt kann verbraucherrechtliche Verstöße feststellen, verfügt aber nicht über Befugnisse, etwaige Verstöße zu ahnden.



EU-Kommission: Leitlinien zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern

Die neuen "Leitlinien zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt" der EU-Kommission wurden im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

OLG Düsseldorf: Sperren der Auflademöglichkeit einer Elektroauto-Batterie per Fernzugriff ist verbotene Eigenmacht - AGB-Klausel in Mietbedingungen von Renault unwirksam

OLG Düsseldorf
Urteil vom 07.10.2021
I-20 U 116/20


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass das Sperren der Auflademöglichkeit einer Elektroauto-Batterie per Fernzugriff verbotene Eigenmacht ist. Eine entsprechende AGB-Klausel in den Mietbedingungen von Renault, welche dies vorsah, ist somit unwirksam und wettbewerbswidrig.

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei der streitgegenständlichen , von der Beklagten verwendeten Klausel - Ziffer XVI. der Allgemeinen Mietbedingungen - handelt es sich unstreitig um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB. Die Klausel unterliegt gemäß §§ 307 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle.Aus dieser folgt, dass die Klausel gemäß §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist.

1. Eine AGB-Klausel benachteiligt den Vertragspartner , wenn sie seine Interessen in einer vom Gesetz abweichenden Weise regelt (Roloff/Looschelders , in: Erman, BGB, 16. Auflage 2020, § 307 Rn. 8). Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel dann anzunehmen , wenn eine Bestimmung mit wesentl ichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

Dies ist bei der streitgegenständlichen Klausel der Fall. Ziffer XVI. der Allgemeinen Mietbedingungen der Beklagten sieht vor, dass die Beklagte nach Beendigung des Mietvertrages aufgrund außerordentlicher Kündigung nach Ankündigung und Ablauf einer 14-tägigen Frist berechtigt ist, die Auflademöglichkeit der Batterie zu „sperren", d.h. das Aufladen der Batterie durch den Mieter der Batterie per „Fernzugriff" mittels Software zu unterbinden. Ob dieser Fernzugriff mit Hilfe einer sog. Blockchain, d.h. ohne Mitwirkung eines Mitarbeiters der Beklagten im Rahmen eines sog. „Smart Contracting" automatisiert geschieht (vgl. zu solchen Fallgestaltungen bei vernetzten Geräten, sog. „Smart Devices" und dem Anwendungsbereich von Smart Contracts, z.B. bei Stilllegung eines gemieteten Fahrzeugs mittels Wegfahrsperre bei Zahlungsverzug des Mieters, Blockieren des elektronischen Schlosses einer gemieteten Wohnung oder Einstellung der Grundversorgung bei Zahlungsverzug des Wohnungsmieters: Möslein, ZHR 2019, 254; Regenfus, JZ 2018 , 79; Paulus/Matzke, CR 2017, 769; dies. NJW 2018 , 1905; Fries, NJW 2019, 901; Lindner, NZM 2021, 665) oder von einem Mitarbeiter der Beklagten der Zugriff auf die Software der Batterie - ggf. nach Prüfung der Vertragsbeendigung und des Ablaufs der zweiwöchigen Frist - ausgelöst werden muss, ist für die rechtliche Bewertung des Sachverhalts ohne Relevanz und war vom Senat deshalb nicht weiter aufzuklären.

Eine solche „Sperre", d.h. das Unmöglichmachen des Aufladens nach Kündigung des Mietvertrages ist vom Gesetz nicht vorgesehen. Zwar ist der Kunde nach Kündigung des Mietvertrages zur Herausgabe der Mietsache (der Batterie) gemäß § 546 BGB sowie § 985 BGB verpflichtet. Ein Zugriffsrecht des Vermieters im Wege der Selbsthilfe gemäß § 229 BGB existiert jedoch nicht, wenn der Mieter dem Herausgabeanspruch nicht (sofort) nachkommt. Das Sperren der Auflademöglichkei t stellt vielmehr eine verbotene Eigenmacht der Beklagten i.S.d. § 858 Abs. 1 BGB dar.

Das Rechtsinstitut der verbotenen Eigenmacht (§§ 858 ff. BGB) verbietet die Entziehung oder sonstige Störung des Besitzes ohne den Willen des Besitzers. Es dient dem Schutz des staatlichen Gewaltmonopols, indem es eigenmächtige Eingriffe in Sachen , die in fremdem Besitz stehen, unabhängig von der schuldrechtlichen Rechtslage untersagt. Die §§ 858 ff. BGB sollen sicherstellen, dass ein Eingriff in die unmittelbare Sachherrschaft des Besitzers nur aufgrund eines staatlichen Vollstreckungstitels in einem geordneten Verfahren erfolgen darf (Riehm in: Fries/ Paal, Smart Contracts, 2019, Seite 89).

Verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 BGB liegt im Falle einer Besitzentziehung oder einer sonstigen Besitzstörung vor. Eine Besitzstörung liegt vor, wenn die Ausübung der Sachherrschaft in einzelnen Beziehungen verhindert wird, ohne dass der Besitz vollständig entzogen wird (Joost in: Münchner Kommentar, BGB, § 858 Rn.5). Dies ist hier der Fall: Zwar hat der Mieter der Batterie auch nach der Sperrung der W iederauflademögl ichkeit noch die faktische Sachherrschaft über die Batterie, er kann sie jedoch nicht mehr bestimmungsgemäß nutzen, um sie aufzuladen, in seinem Elektrofahrzeug einzusetzen und sich mit seinem Elektrofahrzeug fortzubewegen .

Die Möglichkeit der Nutzung ist jedoch Bestandteil der tatsächlichen Sachherrschaft und damit des Besitzes. Der Besitz besteht als Voraussetzung des Besitzschutzes in dem dauernden Zustand der tatsächlichen Gewalt, welche mit der Einwirkungsmacht auf die Sache und der Ausschlussmacht zwei Komponenten enthält (Elzer in: Erman, BGB, 16. Auflage 2020, Vorbern. vor § 854 Rdn. 1). Durch das Sperren der Auflademöglichkei t wird diese Einwirkungsmacht des Mieters eingeschränkt.

a.
Der Annahme einer Besitzstörung bei dem vorliegenden Sachverhalt steht nicht entgegen, dass der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 6. Mai 2009 (BGH NJW 2009, 1947, 1049) entschieden hat, dass in der Einstellung der vom Vermieter vertraglich geschuldeten Versorgung mit Warmwasser und Heizleistungen nach Beendigung eines Mietverhältnisses über Gewerberäume nach Kündigung wegen Zahlungsverzuges des Mieters keine Besitzstörung des Vermieters gegenüber dem Mieter zu sehen sei, weil die zur Nutzung des Mietobjekts erforderlichen Energielieferungen nicht Bestandteil des Besitzes seien und daher auch nicht Gegenstand des Besitzschutzes nach §§ 858 ff. BGB sein könnten.

Die Beklagte schuldet bei der Vermietung einer Batterie für den Antrieb eines Elektrofahrzeugs gegenüber dem Mieter gerade nicht noch zusätzlich zur Übergabe der Mietsache die Erbringung weiterer (Versorgungs-)Leistungen. Sie ist lediglich dazu verpflichtet, dem Mieter den unmittelbaren Besitz an der Batterie einzuräumen. Die für das Aufladen der Batterie notwendige Energie muss der Mieter auf eigene Kosten bereitstellen. Die unterlassene Rückgabe der Batterie an die Beklagte nach Beendigung des Mietvertrages führt deshalb zwar dazu, dass der Mieter dem Herausgabeanspruch der Beklagten aus § 546 BGB sowie § 985 BGB nicht nachkommt und der Beklagten die Sachherrschaft an der Batterie vorenthält , sie führt - anders als bei dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Sachverhalt - jedoch nicht dazu, dass der Beklagten ein weiterer Schaden droht, wenn sie die Auflademöglichkei t der Batterie nicht unterbindet. Soweit der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung darauf abgestellt hat, dass dem Vermieter der gekündigten Gewerbemieträume die Weiterbelieferung des Mieters mit Versorgungsleistungen nicht zumutbar sei, wenn dieser keine Vorauszahlungen erbracht habe, weil ihm durch die weitere Versorgung ein weiterer Schaden drohe, hat die Beklagte einen solchen - zusätzlichen - Schaden gerade nicht zu befürchten, weil der Mieter der Batterie diese gerade nicht mit von der Beklagten geliefertem Strom auflädt, sondern den Strom auf eigene Kosten von anderer Stelle beziehen muss. Bei der von der Beklagten geltend gemachten Gefahr der weitergehenden Abnutzung der Batterie bei fortgesetztem Wiederaufladen realisiert sich lediglich das typische Risiko eines Vermieters bei Nichtrückgabe und Weiternutzung .

Darüber hinaus kann der Mieter der Batterie diese nach Unterbindung der Auflademöglichkeit durch die Beklagte überhaupt nicht mehr bestimmungsgemäß

zum Betrieb seines Elektrofahrzeugs nutzen, während der Mieter einer Gewerberaumimmobilie diese auch bei einer Unterbrechung der Versorgung mit Warmwasser uind Heizleistungen noch nutzen kann, indem weil er sie weiterhin betreten und sich in ihr aufhalten kann. Für den Besitzer der Batterie wird der Besitz nach Sperrung der Auflademögl ichkeit dagegen nutzlos.

b.
Auch der Umstand, dass sich Mobilfunkanbieter im Rahmen von Mobilfunkverträgen in ihren Geschäftsbedingungen regelmäßig (insbesondere im „Prepaid"-Bereich) das Recht einräumen lassen, die Mobilfunkleistungen einzuschränken und schließlich vollständig zu sperren, wenn der Mobilfunkkunde mit seinen Zahlungen im Rückstand bzw. das Kreditlimit überschritten ist, steht der Annahme einer Besitzstörung im Sinne des § 858 BGB vorliegend nicht entgegen.

Zum einen ist eine derartige teilweise oder vollständige Sperre von Leistungen durch den Anbieter von Festnetztelefonleistungen in § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG (zukünftig § 61 Abs. 3 ff. TKG 2021) gesetzlich vorgesehen, und die Wertung dieser Regelung wird jedenfalls bei der Beurteilung der Angemessenhe it der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf den Mobilfunkbereich übertragen (BGH WM 2011, 615), während eine derartige Vorschrift bei der Vermietung von Batterien zum Antrieb eines Elektrofahrzeugs oder allgemein für Mietverträge gerade nicht existiert.

Darüber hinaus soll die Regelung des § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG den Telefondienstanbieter davor schützen, dass er verpflichtet wird , weiterhin kostenpflichtige Leistungen an einen säumigen Vertragspartner zu erbringen und damit das Insolvenzrisiko zu tragen. Dieses Risiko besteht für die Beklagte jedoch nicht, weil sie neben der Übergabe der Batterie gerade keine weiteren Leistungen an ihre Mieter erbringt. Es besteht daher auch kein Risiko, dass sie weiterhin Leistungen erbringt, die der Mieter nicht vereinbarungsgemäß vergütet.

Es dürfte zudem auch zu berücksichtigen sein, dass ein Festnetz- oder Mobilfunkkunde durch Wechsel des Anbieters in der Regel weiterhin zur Nutzung seines Telefongeräts in der Lage bleibt, auch wenn der bisherige Vertragspartner eine Sperrung von Leistungen oder der gesamten SIM-Karte vornimmt. Dagegen ist es dem Mieter einer Batterie für den Betrieb seines Renault-Elektrofahrzeugs - dies ist zwischen den Parteien unstreitig - mangels technischer Kompatibilität gerade

nicht möglich, bei einem anderen Anbieter eine Batterie zu mieten und diese zum Betrieb seines Elektrofahrzeugs zu verwenden. Ein (Weiter-)Betrieb seines Elektrofahrzeugs ist ihm nach Sperrung der Auflademögl ichkeit der Batterie durch die Beklagte deshalb gerade nicht mehr möglich.

c.
Soweit die Beklagte darauf verweist, dass für den Mieter nach Beendigung des Mietvertrages die Möglichkeit bestehe, die Batterie bei der Beklagten zu kaufen, kann auch dieser Umstand eine Besitzstörung durch Unterbinden der Auflademöglichkeit der Batterie nicht ausschließen. Es dürfte bereits fraglich sein, ob die Beklagte im Streitfall nach außerordentlicher Kündigung des Mietvertrages noch bereit ist, ein weiteres Rechtsgeschäft mit dem Mieter abzuschließen. Zudem ist davon auszugehen, dass der Mieter das Miet-Modell der Renault-Bank gerade deshalb gewählt hat, um den finanziellen Aufwand für die Nutzung eines Elektrofahrzeugs zu reduzieren. Jedenfalls kann nicht angenommen werden, dass jeder Mieter einer Batterie wirtschaftlich auch dazu in der Lage wäre, die Kosten für den Erwerb der Batterie aufzubringen .

d.
Schließlich führt auch die vereinzelt in der Literatur für den Bereich der „selbstvollziehenden Verträge" („Smart Contracts") vertretene Auffassung , das Sachenrecht mit dem Selbsthilferecht des § 859 ff. BGB stehe Verbrauchern bei der Rechtsdurchsetzung mittels Software im Rahmen von „selbstvollziehenden Verträgen" (Smart Contracts) nicht zur Verfügung, weil der dingliche Besitzschutz der
§§ 858 ff. BGB auf Beeinträchtigungen von außen gerichtet sei, weshalb Störungen von innen nicht zu verbotener Eigenmacht führten, weil die Sachherrschaft hier von vornherein mit dem Schatten einer eventuellen späteren Selbstsperrung der Sache behaftet sei (Fries, NJW 2019, 901), bei dem vorliegenden Sachverhalt nicht zu einem abweichenden Ergebnis, weshalb es auch insoweit keiner Aufklärung bedarf, ob die Beklagte die Auflademöglichkeit der Batterie mittels selbstvollziehender Software ohne Mitwirkung eines Mitarbeiters sperrt. Denn selbst nach dieser Auffassung soll jedenfalls durch Allgemeine Geschäftsbedingungen der dingliche Besitzschutz nicht ausgeschlossen werden können (Schrey/Thalhofer, NJW 2017, 1431; Fries, NJW 2019, 901, Fn. 10; Lindner, NZM 2021, 665).

2.
Es bedarf keiner weiteren Abwägung , ob die mit der streitgegenständlichen Klausel verbundene Benachteiligung der Vertragspartner der Beklagten auch unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB ist, insbesondere , ob die Beklagte missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten ihrer Vertragsgegners durchzusetzen versucht , ohne deren Interessen ausreichend zu berücksichtigen und ihnen einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. st. Rspr. BGH NJW 1997, 2598), weil sie aufgrund einer technischen Einwirkungsmöglichkeit mittels installierter Software die Möglichkeit des Zugriffs „von außen" auf die Mietsache hat, obwohl sich diese weiterhin im Besitz des Mieters befindet und hierdurch die Klage- und lnitiativlast auf den Mieter verlagert wird. Da die streitgegenständliche Klausel gegen die Vorschrift des § 858 Abs. 1 BGB verstößt bzw. eine unberechtigte Selbsthilfe im Sinne des §
229 BGB ermöglichen soll und damit mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen, von denen abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist, ist sie unwirksam (vgl. zu Entgeltklauseln BGH, NJW 2019, 3771, 3775; BGH, NJW 2017, 3649).

Der Mieter der Batterie kann durch Abschluss des Mietvertrages unter Einbeziehung der Allgemeinen Mietbedingungen auch nicht in die Sperrung der Batterie und damit in die Besitzstörung einwilligen, weil das Recht zur Selbsthilfe einer stark eingeschränkten Dispositionsbefugnis der Parteien unterliegt (RGZ 131, 213, 222; Rövekamp in: beck-online, Gsell, Großkommentar BGB, § 229 Rn. 63 ff.). Selbst für den Fall, dass der Mieter durch Abschluss des Mietvertrages der Sperrung der Batterie im Falle der außerordentlichen Vertragskündigung zugestimmt hätte, liegt trotz vorheriger Zusage im Vertrag verbotene Eigenmacht vor, wenn bei Eingriff in den Besitz der Wille des Besitzers, eine solche Maßnahme zu gestatten, nicht mehr vorhanden ist (BGH NJW 1977, 1818).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Hamburg: Kündigung per Brief muss auch bei online geschlossenen Verträgen möglich sein - Anderslautende AGB-Klausel unwirksam

LG Hamburg
Urteil vom 29.04.2021
312 O 94/20


Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine Kündigung per Brief auch bei online geschlossenen Verträgen möglich sein muss. Eine anderslautende AGB-Klausel, die nur elektronische Kommunikation zulässt, ist unwirksam.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: 3.000 EURO Streitwert für wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag wegen Verstoßes gegen die Lebensmittel-Informationsverordnung

OLG Frankfurt
Beschluss vom 07.01.2021
6 W 131/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Streitwert von 3.000 EURO für einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag wegen eines Verstoßes gegen die Lebensmittel-Informationsverordnung ausreichend sein kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.

Der Streitwert wird auf 3.000,- € festgesetzt.

[...]

1. Nach § 51 Abs. 2 GKG ist der Streitwert entsprechend der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen. Entscheidend ist bei Unterlassungsanträgen das Interesse an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße, das maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für die Träger der maßgeblichen Interessen bestimmt wird (BGH GRUR 2017, 212 - Finanzsanierung).

2. Gegenstand des Unterlassungsantrags ist ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 lit. h, 14 Abs. 1 lit. a LMIV. Danach sind im Fernabsatz verpflichtende Informationen über Name bzw. Firma und Anschrift des Lebensmittelunternehmers vorzusehen. Nach dem Vortrag der Klägerin hat die Beklagte im Internet einen Brotaufstrich angeboten, der diesen Anforderungen nicht genügte. Das Landgericht hat den Streitwert entsprechend der Anregung des Klägers auf 10.000,- € festgesetzt. Dies erscheint übersetzt.

a) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass bei Verbänden nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, § 4 UKlaG für die Streitwertfestsetzung auf das satzungsgemäß wahrgenommene Interesse der Verbraucher abzustellen ist. Dieses Interesse kann erheblich höher liegen als das eines einzelnen Mitbewerbers (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 15.1.2020 - 6 W 119/19 = WRP 2020, 632 m.w.N.). Für ein nicht unerhebliches Verbraucherinteresse spricht im Streitfall, dass die verletzte Informationspflicht die Lebensmittelsicherheit betrifft. Verbraucher sollen wissen, an wen sie sich wenden können, um zum Beispiel Inhaltsstoffe und Lebensmittelunverträglichkeiten abzuklären. Nach Ansicht des Senats wiegt der Verstoß jedoch deshalb nicht schwer, weil aus dem Internetauftritt zumindest das Unternehmensschlagwort des Lebensmittelunternehmers hervorging. Auf der in dem beanstandeten Angebot fotografisch abgebildeten Produktverpackung ist der Name „A“ deutlich erkennbar. Interessierte Verbraucher konnten anhand dieser Angabe den Lebensmittelunternehmer nebst Adresse mit geringem Aufwand selbst ermitteln. Auch handelt es sich nur um einen einzelnen Verstoß. Ein systematisches Missachten der Informationspflichten der LMIV wird der Beklagten nicht vorgeworfen. Die Gefährlichkeit der zu unterbindenden Handlung war daher gering.

b) Eine weitergehende Reduzierung auf 1.000,- € kam unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände nicht in Betracht. Die Bestimmung des § 13 a Abs. 3 UWG n.F. kommt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zur Anwendung. Die Abmahnung wurde noch vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs ausgesprochen. Außerdem betrifft die genannte Bestimmung nicht den Streitwert, sondern die Höhe der Vertragsstrafe.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EU-Kommission: Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und 23 weitere EU-Staaten wegen Nichtumsetzung von EU-Telekommunikationsvorschriften - Kodex für die elektronische Kommunikation

Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und 23 weitere EU-Staaten wegen Nichtumsetzung von EU-Telekommunikationsvorschriften ( Kodex für die elektronische Kommunikation ) eingeleitet.

Die Pressemitteilung der EU-Kommission:

Kommission leitet Vertragsverletzungsverfahren gegen 24 Mitgliedstaaten wegen Nichtumsetzung neuer EU-Telekommunikationsvorschriften ein

Die Kommission hat heute Vertragsverletzungsverfahren gegen 24 Mitgliedstaaten wegen der Nichtumsetzung der neuen EU-Telekommunikationsvorschriften eingeleitet. Mit dem europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation wird der europäische Rechtsrahmen für die elektronische Kommunikation modernisiert, um die Wahlmöglichkeiten und Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher zu verbessern, indem beispielsweise klarere Verträge, die Qualität der Dienste und wettbewerbsorientierte Märkte sichergestellt werden. Der Kodex gewährleistet auch höhere Standards für Kommunikationsdienste, einschließlich effizienterer und leichter zugänglicher Notrufverbindungen. Darüber hinaus bieten die Vorschriften den Betreibern Anreize für Investitionen in Netze mit sehr hoher Kapazität sowie eine besser vorhersehbare Regulierung, was zu innovativeren digitalen Diensten und Infrastrukturen führt.

Die Frist für die Umsetzung des Kodex in nationales Recht endete am 21. Dezember 2020. Bislang haben nur Griechenland, Ungarn und Finnland der Kommission mitgeteilt, dass sie alle erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie getroffen haben und damit ihre Umsetzung für vollständig erklärt.

Daher richtete die Kommission förmliche Aufforderungsschreiben an Belgien, Bulgarien, Tschechien, Dänemark, Deutschland, Estland, Irland, Spanien, Frankreich, Kroatien, Italien, Zypern, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, die Slowakei und Schweden, in denen sie diese Länder auffordert, unverzüglich alle einschlägigen Maßnahmen anzunehmen und zu übermitteln. Die Mitgliedstaaten müssen nun binnen zwei Monaten darauf reagieren.

Hintergrund
Der europäische Kodex für die elektronische Kommunikation, mit dem der Rechtsrahmen für den europäischen Telekommunikationssektor mit den neuen Herausforderungen in Einklang gebracht wird, ist im Dezember 2018 in Kraft getreten. Die Mitgliedstaaten hatten zwei Jahre Zeit, um seine Vorschriften umzusetzen. Es handelt sich um einen zentralen Rechtsakt, wenn es darum geht eine europäische Gigabit-Gesellschaft Wirklichkeit werden zu lassen und eine umfassende Teilhabe aller EU-Bürgerinnen und -Bürger an der digitalen Wirtschaft und Gesellschaft zu ermöglichen.

Um die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht zu unterstützen, hat die Kommission den Umsetzungsprozess begleitet und ihnen umfassende Orientierungshilfen und Hilfestellung gegeben. Darüber hinaus hat das Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) im Hinblick auf eine erfolgreiche Anwendung der neuen Vorschriften Leitlinien ausgearbeitet und veröffentlicht.

Ganz im Einklang mit dem Kodex verabschiedete die Kommission im Dezember 2020 die folgenden Rechtsvorschriften, um den Wettbewerb zu stärken, die Vorschriften zu vereinheitlichen und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktakteure zu schaffen sowie die Verbraucher zu schützen und faire Preise und vielfältige Angebote für Internet- und Telefondienste zu ermöglichen:

eine neue delegierte Verordnung, in der unionsweit einheitliche maximale Anrufzustellungsentgelte festgelegt werden, die sich die Betreiber untereinander für die Weiterleitung von Mobilfunk- und Festnetzanrufen zwischen ihren Netzen in Rechnung stellen dürfen;
eine neugefasste Empfehlung über relevante Märkte mit einer aktualisierten Liste der vorab festgelegten Märkte, die von den europäischen nationalen Regulierungsbehörden regelmäßig überprüft werden müssen.



Internet World Business-Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann - Was 2021 Recht wird - Neue Gesetze und Verordnungen für den digitalen Handel

In Ausgabe 1/2021 S. 54-55 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel "Was 2021 Recht wird". Der Beitrag gibt ein Überblick über die kommenden Gesetzesänderungen und Verordnungen für den digitalen Handel im Jahr 2021.

BGH: 2.500 EURO Regelstreitwert pro AGB-Klausel bei Verbandsprozessen nach §§ 1, 4a UKlaG auch wenn Kläger Wirtschaftsverband ist

BGH
Beschluss vom 17.11.2020
X ZR 3/19
UKlaG-Streitwert
UKlaG § 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 4a; ZPO § 3


Der BGH hat entschieden, dass ein Regelstreitwert von 2.500 EURO pro AGB-Klausel bei Verbandsprozessen nach §§ 1, 4a UKlaG auch dann anzusetzen ist, wenn der Kläger ein Wirtschaftsverband ist

Leitsatz des BGH:

Bei einer auf § 1 oder § 4a UKlaG gestützten Klage sind Gebührenstreitwert und Beschwer grundsätzlich auch dann allein nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der angegriffenen Klauseln zu bemessen, wenn der Kläger ein Wirtschaftsverband im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG ist.

BGH, Beschluss vom 17. November 2020 - X ZR 3/19 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Bundeskartellamt veröffentlicht Jahresrückblick 2020 - Bußgelder in Höhe von rund 358 Mio. Euro wegen verbotener Kartellabsprachen

Das Bundeskartellamt hat seinen Jahresrückblick 2020 veröffentlicht.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:

Bundeskartellamt – Jahresrückblick 2020

Das Bundeskartellamt hat im Jahr 2020 Bußgelder in Höhe von rund 358 Mio. Euro wegen verbotener Kartellabsprachen verhängt, rund 1.200 Zusammenschlüsse von Unternehmen geprüft, über 120 Nachprüfungsanträge in Vergabesachen erhalten und bedeutende Missbrauchsverfahren geführt. Das Amt hat zudem eine Vielzahl von Anfragen für Kooperationen bearbeitet, die Unternehmen angesichts der Corona-Krise kurzfristig gestellt hatten. Im Rahmen seiner Kompetenzen im Verbraucherschutz hat das Bundeskartellamt verbraucherunfreundliche Praktiken in den Bereichen Smart-TVs und Nutzerbewertungen im Internet offengelegt.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Auch der Wettbewerbsschutz musste in diesem Jahr auf außergewöhnliche Rahmenbedingungen reagieren. Krisenbedingt gab es in vielen Branchen den Bedarf, übergangsweise enger zusammenzuarbeiten als das normalerweise der Fall ist. Wir haben Unternehmen und Verbände schnell und unbürokratisch beraten und dabei geholfen, Kooperationen zu ermöglichen, um beispielsweise Engpässe bei Produktion, Lagerhaltung und Logistik überwinden zu können.“

Kartellverfolgung

2020 hat das Bundeskartellamt rund 358 Mio. Euro Bußgeld gegen insgesamt 19 Unternehmen und 24 natürliche Personen verhängt. Betroffen waren Branchen wie u.a. Pflanzenschutzmittel, Kfz-Schilder und Aluminium-Schmieden. 13 Unternehmen haben dem Bundeskartellamt über die Bonusregelung („Kronzeugenprogramm“) Informationen über Verstöße in ihrer Branche mitgeteilt, daneben gab es weitere Hinweise aus anderen Quellen.

Andreas Mundt: „Wirtschaftlich schwierige Zeiten sind keine Rechtfertigung für Kartellabsprachen. Wir haben auch in diesem Jahr wichtige Verfahren abgeschlossen und neue Ermittlungen angestoßen. Die Kartellverfolgung bleibt ganz oben auf unserer Agenda. Angesichts rückläufiger Kronzeugenanträge als Folge vermehrter Schadensersatzprozesse erkunden wir innovative Ermittlungsmethoden wie das „Screening“ von Märkten und werden die Möglichkeiten unseres digitalen anonymen Hinweisgebersystems ausbauen.“

Fusionskontrolle

Das Bundeskartellamt hat rund 1.200 angemeldete Vorhaben geprüft. Davon wurden sieben Zusammenschlüsse in der sogenannten zweiten Phase vertieft geprüft: In zwei Fällen (XXXLutz / Tessner, u.a. Roller; Kaufland / Real) wurde die Freigabe nur unter Auflagen erteilt. Drei Fälle wurde nach vertiefter Prüfung ohne Auflagen freigegeben (Allianz / ControlExpert; Malteser Krankenhaus / Diakonissen Flensburg; Belron, Carglass / A.T.U.). In zwei Fällen läuft das Hauptprüfverfahren derzeit noch.

Die Veräußerung der Standorte des Lebensmitteleinzelhändlers Real beschäftigt das Bundeskartellamt bisher in drei verschiedenen Verfahren. Entschieden ist bislang, dass das mittelständische Handelsunternehmen Globus bis zu 24 Standorte übernehmen und Kaufland nur unter Bedingungen bis zu 92 Standorte erwerben darf. Die Übernahmepläne von Edeka werden noch geprüft.

Andreas Mundt: „Im Laufe des Jahres hat sich der Rückgang der Fusionsanmeldungen aufgrund der Corona Pandemie weitgehend ausgeglichen. Es wurden insgesamt rund 1.200 Vorhaben geprüft - das entspricht in der Größenordnung den Zahlen aus den Vorjahren. Fusionskontrolle ist Strukturkontrolle, die auf die Zukunft gerichtet ist. Daher dürfen wir – auch wenn wir im kommenden Jahr mit schwierigen Corona-bedingten Fusionen rechnen – keinen anderen Maßstab als in der Vergangenheit anlegen.“

Digitalwirtschaft

Die Digitalwirtschaft war in 2020 wieder ein Schwerpunkt der Arbeit des Amtes.

Andreas Mundt: „Die Digitalwirtschaft bleibt Top-Priorität des Bundeskartellamtes. Wir prüfen derzeit mögliche Eingriffe seitens Amazons in die Preissetzungsfreiheit der Market-Place-Händler und mögliche Benachteiligungen dieser Händler durch Amazons Zusammenarbeit mit Markenherstellern. Wir hoffen, die konkrete Umsetzung unserer Grundsatzentscheidung zu Facebook aus dem Jahr 2019 wegen der Zusammenführung von Daten in 2021 zu Ende zu bringen. Gegen Facebook haben wir ein zweites Missbrauchsverfahren eingeleitet, das die Verknüpfung von Virtual Reality Produkten des Konzerns mit seinem sozialen Netzwerk betrifft. Wir arbeiten mit Druck an unserer grundlegenden Sektoruntersuchung zur Onlinewerbung. Weitere Fälle sind – auch im Hinblick auf die Umsetzung der GWB-Novelle und unserer neuen Instrumente – in Vorbereitung.“

Bereits 2019 hatte das Bundeskartellamt in seinem damaligen Missbrauchsverfahren Facebook weitreichende Beschränkungen bei der Verarbeitung von Nutzerdaten auferlegt. Dieser Fall befindet sich derzeit noch in der gerichtlichen Klärung.
Im Bereich der digitalen Wirtschaft ist neben den Verfahren sowie informellen Konsultationen etwa zu Kooperations- und Plattformvorhaben auch die Grundsatzarbeit von zentraler Bedeutung. Das Bundeskartellamt bringt seine Expertise in die nationale und internationale Diskussion dringender wettbewerbspolitischer Fragen im Bereich der digitalen Wirtschaft ein. Im Fokus stand in diesem Jahr besonders die 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Diese soll insbesondere die Missbrauchsaufsicht über digitale Großkonzerne weiter stärken.

Andreas Mundt: „Wir haben auch mit den geltenden gesetzlichen Vorschriften bereits zahlreiche erfolgreiche Verfahren in der Digitalwirtschaft geführt. Trotzdem ist es wichtig, dass das Wettbewerbsrecht Ergänzungen erfährt, damit wir die wettbewerbsverzerrenden Mechanismen der digitalen Wirtschaft besser erfassen und wettbewerbsrechtlich regulieren können. Im deutschen Kartellrecht werden wir hoffentlich schon bald sehr wichtige Ergänzungen sehen, um den Missbrauch von Marktmacht durch große digitale Plattformen wirksam verhindern zu können. Der Gesetzgebungsprozess zur GWB-Novelle ist weit fortgeschritten und wir bereiten uns auf die Anwendung dieses neuen Instruments ab dem kommenden Jahr vor. Ich begrüße auch die Initiativen der EU-Kommission zum Digital Markets Act (DMA). Im Gleichschritt mit den Fällen der EU-Kommission werden die nationalen Wettbewerbsbehörden durch ihre Fallpraxis die Regeln der Digitalwirtschaft weiter konkretisieren.“

Mit der 10. GWB-Novelle soll das Bundeskartellamt in die Lage versetzt werden, Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb im Kontext der digitalen Wirtschaft bestimmte Verhaltensweisen zu verbieten.

Verbraucherschutz

Im Rahmen seiner Kompetenzen im Verbraucherschutz hat das Bundeskartellamt im Juli 2020 seinen Abschlussbericht der Sektoruntersuchung Smart-TVs und im Oktober 2020 die Ergebnisse seiner Untersuchung zu Nutzerbewertungen im Internet veröffentlicht. Im November wurde eine neue verbraucherrechtliche Sektoruntersuchung zu Messenger-Diensten eingeleitet. Im vergangenen Jahr hatte das Bundeskartellamt bereits eine Untersuchung zu Vergleichsportalen im Internet abgeschlossen.

Andreas Mundt: „Mit unseren Sektoruntersuchungen im Bereich Verbraucherschutz warnen wir vor Fallstricken bei der Nutzung digitaler Angebote und machen so das Internet ein Stück weit sicherer. In diesem Jahr haben wir über die Mängel verschiedener Marktteilnehmer bei Smart-TVs und gefälschte Bewertungen auf Internetportalen aufgeklärt. In beiden Fällen haben wir gravierende Beeinträchtigungen von Verbraucherrechten festgestellt. Aktuell befassen wir uns mit der Interoperabilität von Messenger-Diensten und dem Schutz persönlicher Daten bei deren Nutzung. Unsere Sektoruntersuchungen verfolgen immer zwei Ziele. Wir entwickeln konkrete Verbesserungsvorschläge und wir klären die Verbraucher über den richtigen Umgang mit Produkten und Dienstleistungen im Internet auf. Anders als im Kartellrecht, fehlen uns leider nach wie vor die gesetzlichen Befugnisse, rechtswidrige Praktiken auch wirksam abstellen zu können.“

Vergabekammern und Wettbewerbsregister

Im Jahr 2020 wurden bei den Vergabekammern des Bundes über 120 Anträge auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gestellt. Die Fälle betrafen überwiegend die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen, gefolgt von Bauaufträgen. Schwerpunkte in diesem Jahr bildeten Aufträge aus den Bereichen IT-Hard- und Software, Arbeitsmarktdienstleistungen sowie Verteidigung und Sicherheit.

Den Aufbau des Wettbewerbsregisters des Bundes, das einen Beitrag zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und Kartellverstößen leisten soll, treibt das Bundeskartellamt mit Hochdruck voran. Mit einer einzigen elektronischen Abfrage können öffentliche Auftraggeber künftig nachprüfen, ob es bei einem Unternehmen zu relevanten Rechtsverstößen gekommen ist.

Andreas Mundt: „Den absolut widrigen Bedingungen durch die Corona Pandemie zum Trotz liegt das Wettbewerbsregister insgesamt gut im Zeitplan. Allein rund 30.000 externe Vergabestellen gilt es digital anzuschließen, daneben Zoll, Staatsanwaltschaften und andere. Die komplette Digitalisierung dieser Vorgänge ist auch für die Beteiligten eine große Herausforderung. Das Register soll nach der aktuellen Zeitplanung im ersten Quartal 2021 sukzessive seinen Betrieb aufnehmen.“

Vorgesehen ist eine gestaffelte Inbetriebnahme. Der Startschuss wird im kommenden Frühjahr mit dem Beginn der Registrierung der mitteilenden Behörden und der Auftraggeber beim Web-Portal gegeben.



BGH: Streitwert und Beschwer bei Verbandsprozessen nach §§ 1, 4 UKlaG - Regelbeschwerdewert 2500 EURO pro AGB-Klausel

BGH
Beschluss vom 13.10.2020
ZPO § 3; UKlaG § 1


Der BGH hat sich zu Streitwert und Beschwer bei Verbandsprozessen nach §§ 1, 4 UKlaG geäußert. Der Regelbeschwerdewert / Regelstreitwert liegt bei 2500 EURO pro Klausel in AGB.

Leitsätze des BGH:

a) Da sich bei Verbandsprozessen nach §§ 1, 4 UKlaG der Streitwert und die Beschwer der Parteien regelmäßig nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der beanstandeten AGB-Bestimmung richtet, kommt weder der wirtschaftlichen Bedeutung eines Klauselwerks oder der betroffenen Klauseln ein maßgebliches Gewicht zu noch dem Zugang zum Revisionsgericht (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 26. September 2012 - IV ZR 208/11, NJW 2013, 875 Rn. 20; vom 24. März 2020 - XI ZR 516/18, NJW-RR 2020,
1055 Rn. 5).

b) Eine von dem Regelbeschwerdewert (2.500 € pro beanstandeter Klausel) abweichende Bemessung der Beschwer folgt daher nicht schon daraus, dass ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird, der - wäre die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig - zu der Zulassung der Revision führen könnte.

BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2020 - VIII ZR 25/19 - KG Berlin - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BMJV: Referententwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinien zur Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen und zur Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften

Das BMJV hat den
Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in Umsetzung der EU-Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union
und den
Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen vorgelegt.

Die Pressemitteilung des BMJV:

Verbesserter Verbraucherschutz beim Kauf von Software und Apps sowie auf Online-Marktplätzen

Entwürfe zur Umsetzung der Richtlinie über digitale Inhalte und zu den vertraglichen Regelungen der Modernisierungsrichtlinie vorgelegt

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat heute den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen sowie den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in Umsetzung der EU-Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union veröffentlicht.

Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht erklärt:

„Die Regelungen bringen Verbraucherinnen und Verbrauchern zahlreiche Verbesserungen beim Kauf von Software, Apps oder E-Books sowie beim Einkauf auf den bekannten Online-Marktplätzen.

Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher Software oder Apps kaufen, ist es nicht hinnehmbar, wenn sie diese nicht über einen längeren Zeitraum nutzen können. Unser Entwurf verpflichtet die Verkäufer nun gesetzlich zur kostenfreien Bereitstellung funktionserhaltender Updates und Sicherheitsupdates.“

Wesentliche Kernpunkte des Umsetzungsgesetzes zur Richtlinie Digitale Inhalte:

Der Entwurf gibt Verbraucherinnen und Verbrauchern umfassende Gewährleistungsrechte für digitale Inhalte (z. B. Musik- und Videodateien, E-Books, Apps, Spiele und sonstige Software) und digitale Dienstleistungen (z. B. soziale Netzwerke, Cloud-Anwendungen und Cloud-Speicherdienste). Die Regelungen gelten auch für körperliche Datenträger, auf denen digitale Inhalte gespeichert sind (z. B. Musik-CDs, DVDs, etc.). Verbraucherinnen und Verbraucher erhalten unabhängig von der Vertragsart Gewährleistungsrechte, wie sie das deutsche Recht bislang nur bei Kauf-, Werk- oder Mietverträgen kennt, beispielsweise das Recht zur Nacherfüllung, zur Minderung und zur Vertragsbeendigung.
Diese Gewährleistungsrechte stehen Verbraucherinnen und Verbrauchern ferner künftig auch bei solchen Verträgen zu, bei denen der Verbraucher anstelle der Zahlung eines Preises personenbezogene Daten zur Verfügung stellt („Bezahlen mit Daten“). Dies betrifft etwa die Nutzung von sozialen Netzwerken.

Durch den Entwurf wird den Anbietern von digitalen Produkten auch eine Updateverpflichtung auferlegt. Haben Verbraucherinnen und Verbraucher ein digitales Produkt erworben, schuldet der Unternehmer auch die Bereitstellung von funktionserhaltenden Updates und Sicherheitsupdates. Bei fortlaufenden Vertragsbeziehungen gilt diese Verpflichtung über die gesamte Vertragsdauer; bei einmalig zu erfüllenden Verträgen wie Kaufverträgen gilt sie für einen Zeitraum, den der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann.

Wesentliche Kernpunkte des Umsetzungsgesetzes zur Modernisierungsrichtlinie:

Für Online-Marktplätze wie etwa eBay oder Amazon gelten zugunsten von Verbraucherinnen und Verbrauchern künftig wesentliche Hinweispflichten:

Sie sind künftig u. a. verpflichtet, bis spätestens ab Beginn des Bestellvorgangs die wesentlichen Kriterien des Rankings von Suchergebnissen und deren Gewichtung offenzulegen.

Sie müssen Verbraucherinnen und Verbraucher künftig darüber informieren, ob es sich bei deren potentiellen Vertragspartnern um Unternehmer oder Verbraucher handelt.

Der Entwurf enthält zugunsten von Verbraucherinnen und Verbrauchern auch eine Neuregelung zum Weiterverkauf von Eintrittskarten über Ticketbörsen. Der Anbieter soll künftig über den vom Veranstalter festgelegten Originalpreis der Eintrittskarte informieren.

Daneben wird für Anbieter eine Informationspflicht eingeführt, wenn ein Preis auf Basis einer automatisierten Entscheidung personalisiert wurde.

Der Entwurf sieht zudem eine Reihe von Verschärfungen bei den Sanktionen von Verstößen vor. Europaweite Verstöße gegen Regelungen des Verbrauchervertragsrechts sollen künftig mit einem Bußgeld geahndet werden können.

Die Entwürfe wurden heute an Länder und Verbände verschickt und auf unserer Homepage veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 30. November 2020 Stellung nehmen. Die Stellungnahmen werden auf der Internetseite des BMJV veröffentlicht werden.

BKartA: Abschlussbericht der Sektorenuntersuchung im Bereich Nutzerbewertungen, Bewertungsportale und Bewertungssysteme ein

Das Bundeskartellamt hat den Abschlussbericht der Sektorenuntersuchung im Bereich Nutzerbewertungen, Bewertungsportale und Bewertungssysteme vorgelegt.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:

Gefälschte und manipulierte Nutzerbewertungen beim Online-Kauf - Bundeskartellamt zeigt Hintergründe und Lösungsansätze

Das Bundeskartellamt hat heute die Ergebnisse seiner Sektoruntersuchung zu Nutzerbewertungen im Internet vorgestellt. In seinem abschließenden Bericht klärt das Bundeskartellamt über die Hintergründe von Fake-Bewertungen auf und formuliert praktikable Lösungsansätze.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Nutzerbewertungen sind eine ganz zentrale Entscheidungshilfe beim Online-Kauf. Leider sind sogenannte Fake-Bewertungen ein weit verbreitetes Phänomen. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher ist es sehr schwer, echte von unechten Bewertungen zu unterschieden. Verkaufs-, Buchungs- und Bewertungsportale oder auch Suchmaschinen müssen in Zukunft mehr Verantwortung übernehmen und alle Möglichkeiten ausschöpfen, um Fake-Bewertungen durch technische Filter- und Analysemethoden aufzuspüren und zu löschen.“

Online verkaufen sich Produkte und Dienstleistungen mit vielen und positiven Bewertungen deutlich besser, als solche mit wenigen oder negativen Bewertungen. Aus diesem Grund ist der Anreiz für Anbieter von Dienstleistungen bzw. für Hersteller und Händler von Produkten entsprechend groß, darauf einzuwirken, dass möglichst viele und positive Bewertungen veröffentlicht werden.

Der Bericht des Bundeskartellamtes beschreibt, welche Praktiken verbreitet sind und wie Fake-Bewertungen zustande kommen können. So gibt es spezialisierte Dienstleister, bei denen positive Bewertungen gekauft werden können. Dabei werden Nutzern häufig kostenlos Produkte überlassen oder andere Belohnungen für positive Bewertungen gewährt. Software, sogenannte Bots, können eingesetzt werden um Bewertungen künstlich zu erzeugen.

Andreas Mundt: „Nutzerbewertungen können sehr hilfreich sein. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich aber bewusst sein, dass es auch viele Fake-Bewertungen gibt. Achten Sie auf mögliche Hinweise wie übertriebene Sprache und wiederkehrende Muster, lesen Sie möglichst viele verschiedene Bewertungen und befassen Sie sich aufmerksam mit den Hinweisen, die manche Portale über die Verfasser der einzelnen Bewertungen machen.“

Tipps für die VerbraucherInnen im Umgang mit Nutzerbewertungen hat das Bundeskartellamt auch in einem kurzen Video zusammengefasst.

Das Bundeskartellamt ist der Auffassung, dass Portale künftig mehr Verantwortung für die Richtigkeit der veröffentlichten Bewertungen übernehmen müssen. Die Untersuchung hat gezeigt, dass viele Portale deutlich mehr gegen die Veröffentlichung gefälschter Bewertungen tun könnten. Die meisten Portale verwenden bislang lediglich Wortfilter oder verlassen sich auf nachträgliche Meldungen von auffälligen Bewertungen. Nur wenige einzelne Portale nutzen bereits ausgefeilte Methoden des Machine Learning, setzen die Metadaten der Bewertungsverfasser ein oder führen vorab Authentizitätsprüfungen durch, um wirksam gegen gefälschte Bewertungen vorzugehen.

Die Sektoruntersuchung befasst sich auch mit dem grundsätzlichen Problem, dass es in vielen Bereichen zu wenige Bewertungen gibt. Je mehr echte Bewertungen es gibt, umso hilfreicher sind diese für die Entscheidung für oder gegen einen Kauf oder eine Buchung. Mehr Bewertungen könnten dadurch generiert werden, dass Portale und Anbieter die VerbraucherInnen zum Verfassen von Bewertungen motivieren. Dies kann durch Anreize in Form von Gutscheinen, Gewinnspielen oder kleineren Geldbeträgen erfolgen. Gerade für neue Produkte kann auch der Einsatz von kostenfreien Produkttests sinnvoll sein. Solche Anreize und Produkttests sind verbraucherrechtskonform, wenn die betreffenden Bewertungen klar und deutlich gekennzeichnet sind. Allerdings müssten die Portale dafür – anders als bislang üblich – diese Art von Bewertungen auf ihren Seiten zulassen und eine geeignete Kennzeichnung vorsehen.

Das Bundeskartellamt hat die Sektoruntersuchung im Mai 2019 eingeleitet. Im Rahmen der Ermittlungen hat die Behörde über 60 große Internet-Portale befragt, die Nutzerbewertungen aus 16 Branchen anzeigen, sowie zahlreiche andere Marktteilnehmer zu Stellungnahmen aufgefordert. Der jetzt vorgelegte Bericht ist das Ergebnis dieser Ermittlungen sowie einer Konsultation zu den vorläufigen Ergebnissen im Juni 2020.

Verfahren gegen einzelne Unternehmen, bei denen der Verdacht auf Verbraucherrechtsverstöße entstanden ist, kann das Bundeskartellamt nicht einleiten, da es im Gegensatz zu seinen kartellrechtlichen Befugnissen im Bereich Verbraucherschutz nicht über die entsprechenden Durchsetzungsbefugnisse verfügt.

Der vollständige Bericht und das Video mit Verbrauchertipps zum Umgang mit Nutzerbewertungen sind auf der Internetseite des Bundeskartellamtes abrufbar.

Außerdem finden Sie eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse auch in einem neuen Beitrag zur Schriftenreihe „Wettbewerb und Verbraucherschutz in der digitalen Wirtschaft“ des Bundeskartellamtes: „Verbraucherrechtlicher Handlungsbedarf bei Nutzerbewertungen“.


Den vollständigen Abschlussbericht finden Sie hier:




Bundeskartellamt: Vorläufige Ergebnisse Sektorenuntersuchung im Bereich Nutzerbewertungen, Bewertungsportale und Bewertungssysteme

Das Bundeskartellamt hat die vorläufigen Ergebnisse seiner Sektorenuntersuchung im Bereich Nutzerbewertungen, Bewertungsportale und Bewertungssysteme veröffentlicht.

(Siehe auch zum Thema BKartA leitet Sektorenuntersuchung im Bereich Nutzerbewertungen, Bewertungsportale und Bewertungssysteme ein )

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:

Bundeskartellamt identifiziert Probleme bei Nutzerbewertungen

Das Bundeskartellamt hat heute die vorläufigen Ergebnisse seiner Sektoruntersuchung zu Nutzerbewertungen im Internet vorgestellt. Bis zum 31. Juli 2020 besteht nun die Gelegenheit, zu dem Konsultationspapier Stellung zu nehmen.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Unsere Ermittlungen zu Nutzerbewertungen im Internet zeigen vor allem eines: Portale und Plattformen müssen für die von ihnen dargestellten Bewertungen deutlich mehr Verantwortung übernehmen. Dazu gehören vor allem eine zielgenaue Filterung der abgegebenen Bewertungen und die Zulassung gekennzeichneter und damit für den Verbraucher erkennbarer Produkttests. Viele Verbraucher vertrauen bei der Suche nach einem Produkt, einem Arzt oder einer Reise im Internet auf die Bewertungen anderer Nutzer. Nutzerbewertungen sind häufig auch für das Ranking von Waren und Dienstleistungen bedeutsam. Wenn die angezeigten Bewertungen aber gar nicht von echten Nutzern stammen, inhaltlich beeinflusst oder durch die Portale verzerrend gefiltert werden, können Verbraucher getäuscht werden und eine falsche Entscheidung treffen. Dies benachteiligt auch diejenigen Unternehmen, die sich nicht an unseriösen Nutzerbewertungen beteiligen.“

Das Thema „Fake-Bewertungen“ ist in der öffentlichen Diskussion aktueller denn je. Das Bundeskartellamt hat daher im Rahmen seiner Sektoruntersuchung die Funktionsweisen von Bewertungssystemen untersucht, die Interessenlagen der verschiedenen Marktteilnehmer analysiert und eine Kategorisierung der in der Praxis relevanten Problembereiche vorgenommen sowie dazu sachgerechte Lösungsansätze formuliert.

Die Untersuchung der Bewertungssysteme hat große Unterschiede im Hinblick auf die Vorgehensweise der verschiedenen Portale bei der Erfassung, der Filterung und der Darstellung von Bewertungen ergeben. Nur einzelne Portale setzen spezifische Filter zur Identifizierung von gefälschten Bewertungen ein und sanktionieren diese auch systematisch. Die meisten Portale nehmen hingegen nur eine automatische oder manuelle Vorab-Prüfung auf Schimpfworte, Werbung oder Datenschutzverstöße vor und beschränken sich darüber hinaus auf die nachträgliche Überprüfung der als kritisch gemeldeten Bewertungen. Diese Vorgehensweise führt mitunter zur Löschung von überproportional vielen negativen Bewertungen.

Die Untersuchung hat zudem gezeigt, dass ein Großteil der Verbraucher zwar Nutzerbewertungen lesen will, aber nur wenige Verbraucher in bestimmten Situationen selbst Bewertungen schreiben. Gleichzeitig ist das Interesse der Portale und der Anbieter an Nutzerbewertungen sehr hoch, da viele Bewertungen regelmäßig zu Umsatzsteigerungen führen. So kommt es zu einer „Angebotslücke“ bei den Bewertungen. In dieser Lücke bewegt sich das Geschäftsfeld der Bewertungsvermittler, deren seriöse Vertreter allerdings zunehmend von unseriösen „5-Sterne-Garantie“-Angeboten in den sozialen Netzwerken verdrängt werden.

Andreas Mundt weiter: „Das Problem von Fake-Bewertungen wird oft mit Bewertungen, die von Computerprogrammen („Bots“) oder von Dienstleistern erstellt wurden, gleichgesetzt. Diese Pauschalisierung wird dem tatsächlichen Spannungsfeld der Interessenlagen und den unterschiedlichen Geschäftsmodellen der Portale nicht gerecht. Beispielsweise können seriöse Bewertungsvermittler durchaus einen Beitrag für die Erstellung von Bewertungen leisten. Es muss vielmehr darum gehen, für den Verbraucher Transparenz zu schaffen, ob Bewertungsvermittler eingeschaltet waren, um damit die schwarzen Schafe von den seriösen Vermittlern zu trennen.“

Das Bundeskartellamt hat die identifizierten Probleme bei Nutzerbewertungen verschiedenen Kategorien zugeordnet und dafür differenzierte Lösungsansätze entwickelt:

• Für Bewertungen, bei denen das Produkt in Wahrheit gar nicht genutzt wurde, oder inhaltlich beeinflusste Bewertungen sollten die Portale in die Pflicht genommen werden, damit solche Bewertungen unterbleiben. Dafür müssen spezifische Vorab-Prüfungen und Filtertechnologien verwendet werden. Einzelne Portale führen solche Prüfungen bereits durch.

• Bewertungen werden zum Teil durch die kostenlose Überlassung eines Produkts für einen Test oder durch andere Anreize initiiert. Solche Bewertungen können in der Regel durchaus einen Nutzen für die Verbraucher haben, sie müssen aber insbesondere auf Handelsplattformen als solche gekennzeichnet sein, damit der Verbraucher die Bewertung richtig einordnen kann.

• Auf einigen Portalen führen die existierenden Bewertungssysteme zu einer verzerrten Darstellung des tatsächlichen Meinungsbildes. Dies kann bspw. dadurch geschehen, dass die Abgabe einer positiven Bewertung für den Nutzer technisch deutlich einfacher zu bewerkstelligen ist als eine negative Bewertung. Auch bei nachträglichen Überprüfungen von Bewertungen kann es zu Verzerrungen kommen, da mehr negative als positive Bewertungen aufgrund von entsprechenden Beschwerden überprüft und entfernt werden. Abhilfe könnten hier verbesserte Bedingungen für die Prüfung der Authentizität der Bewertungen schaffen.

In Deutschland gibt es keinen behördlichen Verbraucherschutz. Daher kann nur an die betroffenen Portale appelliert werden, die vorgeschlagenen Maßnahmen freiwillig umzusetzen, oder es kann auf dem Zivilrechtsweg eine entsprechende Verantwortlichkeit der Portale eingefordert werden. Einer Klarstellung bedarf u. a. auch die Frage der Verantwortlichkeit für Verstöße gegen bestehende Vorschriften, da an der Entstehung und Verbreitung einer Bewertung meist mehrere Parteien, die Plattform, der Hersteller, ein Händler oder Dienstleister und evtl. auch ein Bewertungsvermittler beteiligt sind.

Das Bundeskartellamt kann im Bereich des Verbraucherschutzes Untersuchungen durchführen und so Defizite identifizieren. Über die Befugnis, etwaige Rechtsverstöße per behördlicher Verfügung abzustellen, verfügt das Amt hingegen nicht (vgl. Pressemitteilung vom 12. Juni 2017).

Das Bundeskartellamt hatte die Sektoruntersuchung Nutzerbewertungen im Mai 2019 auf Basis seiner seit Mitte 2017 bestehenden verbraucherrechtlichen Kompetenzen eingeleitet (vgl. Pressemitteilung vom 23. Mai 2019). Die Ermittlungen betrafen über 60 große Internet-Portale, die Nutzerbewertungen aus 16 verschiedenen Branchen anzeigen, sowie zahlreiche andere Marktteilnehmer. Nach Auswertung der Stellungnahmen wird das Bundeskartellamt im Herbst dieses Jahres einen abschließenden Bericht zur Sektoruntersuchung Nutzerbewertungen veröffentlichen.

Das Konsultationspapier ist auf der Internetseite des Bundeskartellamtes abrufbar.



EuGH: Beruft sich Verbraucher auf Missbräuchlichkeit bestimmter Vertragsklauseln muss das Gericht von sich aus auch weitere Klauseln des Vertrags die den Streitgegenstand betreffen prüfen

EuGH
Urteil vom 11.03.2020
C-511/17
Györgyné Lintner / UniCredit Bank Hungary Zrt.

Der EuGH hat entschieden, dass in Rechtsstreitigeiten, in denen sich ein Verbraucher auf Missbräuchlichkeit bestimmter Vertragsklauseln beruft, das Gericht von sich aus auch weitere Klauseln des Vertrages, die den Streitgegenstand betreffen, prüfen


Die Pressemitteilung des EuGH:

Ein Gericht, vor dem ein Verbraucher die Missbräuchlichkeit bestimmter Vertragsklauseln geltend macht, muss von sich aus weitere Klauseln des Vertrags prüfen, soweit sie mit dem Streitgegenstand des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zusammenhängen

Es hat gegebenenfalls Untersuchungsmaßnahmen zu ergreifen, um sich die für diese Prüfung erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen zu verschaffen.

Im Dezember 2007 schloss Frau Györgyné Lintner mit der UniCredit Bank Hungary, einer ungarischen Bank, einen auf eine Fremdwährung lautenden Hypothekendarlehensvertrag. Dieser Vertrag enthält bestimmte Klauseln, die der UniCredit Bank das Recht einräumen, den Vertrag später zu ändern. In der Folge erhob Frau Lintner vor den ungarischen Gerichten eine Klage, um
diese Klauseln gemäß der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln rückwirkend für unwirksam erklären zu lassen. Nach dieser Richtlinie sind missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Verbraucher mit einem Gewerbetreibenden geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich. Im Jahr 2014 erließ der ungarische Gesetzgeber Rechtsvorschriften über die Feststellung der Missbräuchlichkeit von Klauseln, die den Banken das Recht einräumen, Verbraucherdarlehensverträge einseitig zu ändern, sowie über die Konsequenzen, die aus der Missbräuchlichkeit dieser Klauseln zu ziehen sind. Die ungarischen Gerichte müssen daher nicht mehr über die Vereinbarkeit dieser Klauseln mit der Richtlinie entscheiden.

Das Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtisches Stuhlgericht, Ungarn), bei dem die Klage von Frau Lintner anhängig ist, fragt sich jedoch, ob es im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht von sich aus darüber befinden muss, ob bestimmte andere Klauseln des streitigen Darlehensvertrags, gegen die sich die Klage nicht richtet, mit der Richtlinie vereinbar sind. Diese anderen Klauseln betreffen im vorliegenden Fall die notarielle Beurkundung, die Kündigungsgründe und bestimmte vom Verbraucher zu tragende Kosten. Nach Ansicht dieses Gerichts ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass das nationale Gericht in Rechtsstreitigkeiten über Verbraucherverträge von Amts wegen, d. h. von sich aus, die Missbräuchlichkeit der Klauseln in diesen Verträgen prüfen muss, wenn es über die dazu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt.

Unter diesen Umständen möchte das Fővárosi Törvényszék vom Gerichtshof wissen, ob es nach der Richtlinie von Amts wegen die Missbräuchlichkeit aller Klauseln des streitigen Darlehensvertrags prüfen muss, auch wenn zum einen der Verbraucher in seiner Klage ihre Vereinbarkeit mit der Richtlinie nicht in Frage gestellt hat und zum anderen ihre Prüfung nicht erforderlich ist, um über diese Klage zu entscheiden.

In seinem Urteil von heute stellt der Gerichtshof klar, dass das Gericht, bei dem ein Verbraucher die Missbräuchlichkeit bestimmter Klauseln in einem mit einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrag geltend macht, nicht verpflichtet ist, von Amts wegen gesondert die etwaige Missbräuchlichkeit aller anderen Klauseln dieses Vertrags, die der Verbraucher nicht angefochten hat, zu prüfen.Allerdings muss es eine solche Prüfung bezüglich derjenigen Klauseln (auch wenn sie vom Verbraucher nicht angefochten worden sind) durchführen, die mit dem Streitgegenstand, wie er von den Parteien abgegrenzt wurde, zusammenhängen, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt. Wenn die ihm vorliegende Akte ernsthafte Zweifel hinsichtlich der Missbräuchlichkeit solcher Klauseln aufkommen lässt, muss das Gericht die Akte ergänzen, indem es die Parteien um die hierzu erforderlichen Klarstellungen und Unterlagen ersucht.

Hingegen hat das Gericht nach der Richtlinie nicht von Amts wegen die etwaige Missbräuchlichkeit anderer, nicht mit dem Streitgegenstand zusammenhängender Klauseln zu prüfen, da andernfalls die Grenzen des Streitgegenstands, wie er von den Parteien in ihren Anträgen bestimmt wurde, überschritten würden.

Der Gerichtshof weist im Übrigen darauf hin, dass es den Mitgliedstaaten weiterhin frei steht, in ihrem nationalen Recht ein höheres Schutzniveau für Verbraucher vorzusehen, indem sie eine weiter gehende Überprüfung von Amts wegen als diejenige vorsehen, die nach der Richtlinie durchzuführen ist.

Was die Folgen dieser Feststellungen für den vorliegenden Fall betrifft, weist der Gerichtshof darauf hin, dass das Fővárosi Törvényszék davon auszugehen scheint, dass die Klauseln, bezüglich deren es sich an den Gerichtshof gewandt hat, nicht mit dem Gegenstand der von Frau Lintner ursprünglich erhobenen Klage zusammenhängen. Mit dieser Klage wollte Frau Lintner die Unwirksamkeit derjenigen Klauseln feststellen lassen, die ihrer Bank die spätere Änderung ihres Darlehensvertrags gestatten. Folglich scheint dieses Gericht nach der Richtlinie nicht verpflichtet zu sein, von Amts wegen die Missbräuchlichkeit ersterer Klauseln zu prüfen.

Der Gerichtshof weist schließlich darauf hin, dass das nationale Gericht, das um Prüfung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel ersucht wird, alle anderen Klauseln des betreffenden Vertrags berücksichtigen muss, wenn es für diese Prüfung erforderlich ist, die kumulative Wirkung dieser Klauseln zu beurteilen. Daraus folgt jedoch, wie der Gerichtshof betont, nicht, dass das nationale Gericht verpflichtet ist, bei der Beurteilung der Ungültigkeit der Klausel, gegen die sich die Klage des Verbrauchers richtet, von Amts wegen alle diese anderen Klauseln eigenständig auf ihre etwaige Missbräuchlichkeit zu prüfen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: