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LG Düsseldorf: Art. 15 DSGVO ist eine Marktverhaltensregel nach § 3a UWG - Verstoß kann von Verbraucherschutzvereinen abgemahnt werden

LG Düsseldorf
15.03.2024
34 O 41/23

Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass Art. 15 DSGVO eine Marktverhaltensregel nach § 3a UWG ist. Ein Verstoß kann von Verbraucherschutzvereinen abgemahnt werden

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Unterlassungsanspruch zu 2) ist begründet gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 1, § 3, 3a UWG i.V.m. Art. 15 DSGVO.

1. Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klagebefugt (EuGH, Urteil vom 28.04.2022 – C-319/20 – Meta Platforms Ireland; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Auflage 2024, § 3a UWG, Rn. 1.40b ff.).

2. In der Auskunftserteilung liegt eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG, weil sie im Zusammenhang mit der Durchführung eines (vermeintlichen) Vertrags über Waren steht. Die Beklagte hat Herrn … erst knapp zwei Monate nach seinem Auskunftsbegehren (Anlage K 4) die geforderte datenschutzrechtliche Auskunft (Anlage K 5) erteilt und damit gegen Marktverhaltensregelungen verstoßen.

Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf die in der Vorschrift nachfolgend aufgezählten Informationen. Gemäß Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DSGVO hat der Unternehmer einer betroffenen Person die Auskunft nach Art. 15 DSGVO unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb eines Monats zu erteilen. Diese Frist hat die Beklagte unstreitig nicht eingehalten. Bei Art. 12 Abs. 3, Art. 15 DSGVO handelt es sich um Marktverhaltensvorschriften im Sinne des § 3a UWG. Marktverhalten ist jede Tätigkeit auf einem Markt, die objektiv der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient und durch die ein Unternehmer auf Mitbewerber, Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer einwirkt. Eine Norm regelt das Marktverhalten, wenn sie einen Wettbewerbsbezug aufweist, indem sie die wettbewerblichen Belange der als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommenden Personen schützt. Eine Vorschrift, die dem Schutz von Rechten, Rechtsgütern oder sonstigen Interessen von Marktteilnehmern dient, ist eine Marktverhaltensregelung, wenn das geschützte Interesse gerade durch die Marktteilnahme, also durch den Abschluss von Austauschverträgen und den nachfolgenden Verbrauch oder Gebrauch der erworbenen Ware oder in Anspruch genommenen Dienstleitung berührt wird. Dabei genügt, dass die Vorschrift zumindest auch den Schutz der wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer bezweckt. Datenschutzrechtliche Bestimmungen weisen einen wettbewerbsrechtlichen Bezug auf, soweit es um die Zulässigkeit der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Daten geht, etwa zu Zwecken der Werbung, der Meinungsforschung, der Erstellung von Nutzerprofilen, des Adresshandels oder sonstiger kommerzieller Zwecke (vgl. statt aller: OLG Stuttgart, Urteil vom 27.02.2020 – 2 U 257/19 – Reifensofortverkauf, m.w.N.).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs handelt es sich bei Art. 12, Art. 15 DSGVO um Marktverhaltensregelungen. Die Auskunftspflicht und die diesbezügliche Frist dienen dem Verbraucherschutz. Sie flankieren die Informationspflichten des Unternehmers nach Art. 13 DSGVO, wonach der Verantwortliche im Sinne von Art. 4 DSGVO vor der Entgegennahme personenbezogener Daten des Interessenten über bestimmte Umstände zu informieren hat. Beide Informations- bzw. Auskunftspflichten dienen dem Interesse des Verbrauchers und sonstigen Marktteilnehmers, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen. Bei den Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO dienen sie dem Verbraucher zur Entscheidung, ob er mit dem Unternehmen überhaupt in Kontakt treten möchte (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.). Die Auskunftspflicht nach Art. 15 DSGVO und die Frist in Art. 12 DSGVO dienen im Nachgang zur Geschäftsanbahnung der Vertragsabwicklung. Sie ermöglichen damit dem Verbraucher eine geschäftliche Entscheidung über sein weiteres Handeln in diesem Geschäftskontakt zu treffen.

4. Der Verstoß ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Die Spürbarkeitsklausel hat den Zweck, solche Fälle des Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregelung von der Verfolgung auszunehmen, die keine nennenswerte Auswirkung auf andere Marktteilnehmer haben. Denn daran besteht kein Interesse der Allgemeinheit. Ein Verbot ist vielmehr nur dann erforderlich, wenn dies der Schutz der Verbraucher, der Mitbewerber oder der sonstigen Marktteilnehmer erfordert. Das ist aber nur dann der Fall, wenn sich die unlautere geschäftliche Handlung tatsächlich auf die anderen Marktteilnehmer auswirkt oder doch auswirken kann (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., Rn. 1.96). Bei den Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern geht es in erster Linie darum, eine informierte und freie geschäftliche Entscheidung (§ 2 Abs.1 Nr. 1 UWG) treffen zu können (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., Rn. 1.98). Da die fristgerechte Auskunftserteilung dem Verbraucher ermöglicht, die weitere Durchführung eines Vertrags oder Geschäftskontakts zu gestalten, ist ein hiergegen gerichteter Verstoß als spürbar zu bewerten. Denn sie dient letztlich der informierten Entscheidung.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH legt EuGH vor: Wann liegt das Tatbestandsmerkmal "infolge einer Verarbeitung" im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO vor

BGH
Beschluss vom 10.11.2022 - I ZR 186/17
App-Zentrum II
Verordnung (EU) 2016/679 Art. 80 Abs. 2; UWG § 8 Abs. 3 Nr. 3; UKlaG §§ 1, 2 Abs. 2 Satz 1
Nr. 11, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1


Der BGH hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, wann das Tatbestandsmerkmal "infolge einer Verarbeitung" im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO vorliegt.

Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 80 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO, ABl. L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Wird eine Rechtsverletzung "infolge einer Verarbeitung" im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO geltend gemacht, wenn ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen seine Klage darauf stützt, die Rechte einer betroffenen Person seien verletzt, weil die Informationspflichten gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSGVO in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO über den Zweck der Datenverarbeitung und den Empfänger der personenbezogenen Daten nicht erfüllt worden seien ?

BGH, Beschluss vom 10. November 2022 - I ZR 186/17 - Kammergericht - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Streitwert bei Klagen von Verbraucherschutzverbänden gegen unzulässige Klauseln in AGB im Regelfall 2.500 EURO pro Klausel

BGH
Beschluss vom 19.01.2017
III ZR 296/16


Der BGH hat entschieden, dass der Streitwert bei Klagen von Verbraucherschutzverbänden gegen unzulässige Klauseln in AGB im Regelfall 2.500 EURO pro Klausel beträgt.


Aus den Entscheidungsgründen:

"Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs orientiert sich die Beschwer in Verfahren nach dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen regelmäßig an dem Interesse der Allgemeinheit am Unterbleiben des Gebrauchs der strittigen Klauseln. Um die Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Gemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenen Kostenrisiken zu schützen, hat die wirtschaftliche Bedeutung der Verbote, bestimmte Klauseln zu verwenden, bei der Bemessung der Beschwer hingegen keine ausschlaggebende Bedeutung (st. Rspr., z.B. Senatsbeschlüsse vom 28. Oktober 2015 - III ZR 64/15, BeckRS 2015, 19182 Rn. 5 und III ZR 36/15, BeckRS 2015 19181 Rn. 4; vom 8. September 2011 - III ZR 229/10, BeckRS 2011, 23098 Rn. 1; vom 28. September 2006 - III ZR 33/06, NJW-RR 2007, 497 Rn. 2; BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2015 - I ZR 106/14, BeckRS 2015, 06518 Rn. 5; vom 9. Dezember 2014 - VIII ZR 160/14, BeckRS 2014, 23598 Rn. 5; vom 6. März 2013 - IV ZR 211/11, BeckRS 2013, 05735 Rn. 3; vom 26. September
2012 - IV ZR 203/11, BeckRS 2012, 21855 Rn. 20 und IV ZR 208/11, NJW 2013, 875 Rn. 20). Dies gilt nicht nur für die Beschwer eines Verbraucherschutzverbandes, sondern auch für die Bemessung der Beschwer des im Unterlassungsprozess unterliegenden Verwenders (st. Rspr., z.B. Senatsbeschlüsse vom 28. Oktober 2015 - III ZR 64/15 aaO und III ZR 36/15 aaO; vom 8. September 2011 aaO Rn. 2; BGH, Beschlüsse vom 9. Dezember 2014 aaO und vom 6. März 2013 aaO Rn. 4 jeweils mwN).

Diesen Wert setzt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung mit 2.500 € je angegriffener Teilklausel an (z.B. Senatsbeschlüsse vom 28. Oktober 2015 - III ZR 64/15 aaO Rn. 6 und III ZR 36/15 aaO Rn. 5; vom 8. September 2011 aaO Rn. 1 und vom 28. September 2006 aaO Rn. 3; BGH, Beschlüsse vom 6. März 2013 aaO Rn. 3; vom 26. September 2012 - IV ZR 203/11, aaO Rn. 21 und IV ZR 208/11, aaO Rn. 21). Dies ist auch in dem vorliegenden Fall angemessen. Gründe dafür, den Wert der Beschwer ausnahmsweise über diesem Betrag anzusetzen, bestehen nicht. Zwar ist es nicht von
vornherein ausgeschlossen, der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer Klausel für die betroffenen Verkehrskreise im Einzelfall ausnahmsweise durch die Bemessung mit einem höheren Wert Rechnung zu tragen, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel nicht nur für deren Verwender und die Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist. Dies kommt etwa in Betracht, wenn es um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen
Ergebnissen gestritten wird (Senatsbeschlüsse vom 28. Oktober 2015 - III ZR 64/15 aaO und III ZR 36/15 aaO; BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2015 aaO Rn. 6; vom 9. Dezember 2014 aaO Rn. 6 und vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 405/12, BeckRS 2013, 22513 Rn. 6). Umstände, die im Streitfall eine solche Abweichung rechtfertigen könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. "


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Verbraucherschützer legen Jahresbericht 2015 / 2016 vor - vzbv

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände - Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) hat den Jahresbericht 2015/2016 vorgelegt.

Die Pressemitteilung des vzbv:

"vzbv legt Jahresbericht 2015/2016 vor

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) setzt sich dafür ein, dass Verbraucherinnen und Verbraucher die Chancen neuer Entwicklungen nutzen können und vor negativen Auswirkungen geschützt werden.

Ob Datenschutz, Altersvorsorge oder Lebensmittelkennzeichnung – hohe Verbraucherschutzstandards sorgen für Vertrauen der Verbraucher in Märkte, Produkte und Dienstleistungen. Davon profitieren nicht nur die Verbraucher, sondern auch Wirtschaft und Politik.

Digitale Welt – Spezial

Der Jahresbericht des vzbv bietet Einblicke in die Arbeit des Verbands, in die verbraucherpolitischen Themen und die Erfolge der Arbeit für die Verbraucher. Der Schwerpunkt liegt mit einem „Digitale Welt – Spezial“ auf der Digitalisierung des Verbraucheralltags. Hier wurden im Berichtszeitraum zwischen April 2015 und März 2016 einige Weichen gestellt worden, auch jenseits der EU-Datenschutzverordnung.

15 Jahre vzbv – 50 Jahre Rechtsdurchsetzung

Im Jahr 2015 feierte der vzbv ein doppeltes Jubiläum. Der Verband ist 15 Jahre alt geworden. Die kollektive Rechtsdurchsetzung für Verbraucher in Deutschland blickte auf eine 50jährige Geschichte zurück. Bereits 1965 haben die Vorgängerorganisationen des vzbv und andere Verbraucherorganisationen das Recht erstritten, im Namen von Verbrauchern Unternehmen abzumahnen und Rechte vor Gericht einzuklagen."