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OLG Köln: Weitere Passagen aus dem Buch und dem Hörbuch "Vermächtnis Die Kohl-Protokolle" müssen gestrichen werden

OLG Köln
Urteil vom 06.02.2024
15 U 314/19


Das OLG Köln hat entschieden, dass weitere Passagen aus dem Buch und dem Hörbuch "Vermächtnis Die Kohl-Protokolle" gestrichen werden müssen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Oberlandesgericht Köln: Berufungsverfahren Dr. Kohl-Richter gegen Dr. Schwan u.a. - Urteilsverkündung im Verfahren 15 U 314/19

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat am heutigen Tag in dem vorbezeichneten Verfahren entschieden und die angefochtene landgerichtliche Entscheidung teilweise abgeändert.

In dem Verfahren (vgl. dazu bereits die Pressemitteilung vom 07.10.2022 - PM 10/22) nimmt die Klägerin im Nachgang zu einem früheren Unterlassungsverfahren (OLG Köln, Urteil vom 29.05.2018, Az.: 15 U 65/17, teilweise aufgehoben durch BGH, Urteil vom 29.11.2021, Az. VI ZR 248/18, sodann entschieden durch Teilurteil des Senats vom 22.06.2023, Az. 15 U 65/17, n.v.) die Beklagten zu 1) bis 3) auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung weiterer Passagen aus dem von den Beklagten zu 1) und 2) verfassten und im Verlag der Beklagten zu 3) erschienenen Buch mit dem Namen „Vermächtnis Die Kohl-Protokolle“ (bzw. einem gleichnamigen Hörbuch) in Anspruch. Ferner begehrt sie Auskunft mit dem - jedenfalls primären - Ziel einer Verfolgung von Ansprüchen auf Auskehrung des sogenannten Verletzergewinns wegen eines angeblichen Eingriffs (auch) in „vermögenswerte Bestandteile“ des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Erblassers. Infolge zwischenzeitlichen Versterbens des Beklagten zu 2) ist das Verfahren insoweit unterbrochen. Soweit zwei weitere Beklagte - ehemals Beklagte zu 4) und 5) - wegen eigener Presseberichterstattungen über das Buch von der Klägerin auf Unterlassung und Löschung mehrerer Äußerungen in Anspruch genommen werden, ist das Verfahren abgetrennt und zwischenzeitlich entschieden worden (Urteil des Senats vom 22.06.2023 - 15 U 135/22, n.v.; Nichtzulassungsbeschwerde anhängig: BGH, Az. VI ZR 226/23).

Das Landgericht hat der gegen den Beklagten zu 1) auf Unterlassung gerichteten Klage im Wesentlichen und der gegen diesen im Rahmen einer Stufenklage gerichteten Auskunftsklage vollumfänglich stattgegeben. Die gegen die Beklagte zu 3) auf Unterlassung und im Rahmen einer Stufenklage auf Auskunft und Schadensersatz gerichtete Klage hat das Landgericht vollumfänglich abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben sowohl die Klägerin als auch der Beklagte zu 1) Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat der Beklagte zu 1) im Rahmen einer gegen die Klägerin gerichteten sog. Zwischenfeststellungswiderklage die Feststellung begehrt, dass in Bezug auf die geführten Memoirengespräche keine vertraglichen Geheimhaltungspflichten zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Erblasser begründet worden sind.

Der 15. Zivilsenat hat - nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen und nach Anhörung der Klägerin und des Beklagten zu 1) - die angefochtene Entscheidung mit Urteil vom heutigen Tage teilweise abgeändert. Danach haben sowohl die Berufung der Klägerin als auch die Berufung des Beklagten zu 1) teilweise Erfolg. In Bezug auf den gegen den Beklagten zu 1) gerichteten Unterlassungsantrag hat der Senat dem Grunde nach das Bestehen eines vertraglichen Unterlassungsanspruchs bejaht, aber einige geringfügige Abänderungen mit Blick auf den Umfang der Verurteilung zur Unterlassung der Veröffentlichung/Verbreitung bestimmter Passagen des Buches ausgesprochen. Den auf die Feststellung fehlender vertraglicher Geheimhaltungspflichten gerichteten Zwischenfeststellungsantrag des Beklagten zu 1) hat der Senat abgewiesen. In Bezug auf die Beklagte zu 3) hat der Senat der auf Unterlassung zahlreicher Passagen des Buches gerichteten Klage nur in geringem Umfang stattgegeben. Die weitergehende gegen die Beklagte zu 3) gerichtete Berufung der Klägerin ist zurückgewiesen worden.

Zur näheren Begründung der Entscheidung hat der Senat im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Im Verhältnis zu dem Beklagten zu 1) stehe der Klägerin dem Grunde nach ein vertraglicher Unterlassungsanspruch zu. Zwar sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung der übrigen feststehenden Umstände nicht sicher davon auszugehen, dass der Erblasser und der Beklagte zu 1) im Zusammenhang mit den Arbeiten am "Memoirenprojekt" - unter dem Dach der von ihnen jeweils nur mit dem Verlag abgeschlossenen, insoweit keine eindeutige Verschwiegenheitsverpflichtung regelnden schriftlichen Verträge - unmittelbar eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung über eine (umfassende) Verschwiegenheitspflicht des Beklagten zu 1) trafen. Den Beklagten zu 1) treffe aber aufgrund einer zwischen ihm und dem Erblasser stillschweigend begründeten auftragsähnlichen Rechtsbeziehung als vertragliche Nebenpflicht eine umfassende Verschwiegenheitspflicht. Aufgrund der hier vorliegenden besonderen Gesamtumstände sei von einem Rechtspflichten begründenden Rechtsverhältnis auszugehen. Die insoweit bestehende (Neben-)Pflicht sei auch nicht durch spätere Ereignisse in Wegfall geraten.

Folge der vertraglichen Bindung sei u.a., dass der Beklagte zu 1) sich im Verhältnis zu dem Erblasser nicht mehr auf sein Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen könne. Die vertragliche Verschwiegenheitspflicht beziehe sich inhaltlich nicht nur auf die Wiedergabe etwaiger Äußerungen des Erblassers in Form einer wörtlichen oder sinngemäßen Wiedergabe von Zitaten. Vielmehr umfasse sie auch alle anderen Informationen und Umstände aus der gesamten Memoirenarbeit sowie alle hieran anknüpfenden Wertungen des Beklagten zu 1), welche einen Rückschluss auf Äußerungen des Erblassers und /oder sonstige Vorkommnisse während der Memoirenarbeiten zuließen. Eine Ausnahme gelte nur für die Wiedergabe öffentlich vorbekannter Tatsachen und für Umstände, mit denen der Beklagte zu 1) nur "detailarm" den äußeren Rahmen der Memoirengespräche sowie die Rechtsstreitigkeiten der Parteien zutreffend beschreibe. Nach umfassender Prüfung der im Buch enthaltenen Passagen sei das Verbot der Veröffentlichung und Verbreitung in Bezug auf die vom Senat als unzulässig erkannten einzelnen Passagen auszusprechen. Weitere, im Einzelnen als zulässig erachtete Passagen seien - insoweit unter Klageabweisung - vom Verbot auszunehmen. Die Voraussetzungen für ein "Gesamtverbot" des Buches und einen daraus ableitbaren Anspruch auf Unterlassung seien zu verneinen.

Der auf die Feststellung fehlender vertraglicher Geheimhaltungspflichten gerichtete Zwischenfeststellungsantrag des Beklagten zu 1) sei entsprechend unbegründet.

Der von der Klägerin gegen den Beklagten zu 1) geltend gemachte Auskunftsanspruch sei zu bejahen. Er sei zur Vorbereitung eines der Klägerin zustehenden (unstreitig vererblichen) deliktischen Schadensersatzanspruchs wegen eines Eingriffs (auch) in die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts des Erblassers gegeben. Dem Grunde nach bestehe auch bei - hier allein feststellbarer - Fahrlässigkeit des Beklagten zu 1), der seine ungeschriebene vertragliche Bindung verkannt habe, ein Anspruch auf den sogenannten Verletzergewinn als Teil der im Immaterialgüterbereich anerkannten sogenannten dreifachen Schadensberechnung.

Gegen die Beklagte zu 3) bestehe ein Unterlassungsanspruch nur in geringem Umfang in Bezug auf einzelne Passagen. Mangels Bestehens einer vertraglichen Beziehung zwischen dem Erblasser und der Beklagten zu 3) stünden der Klägerin nach dem Tod des Erblassers gegen diese Unterlassungsansprüche nur bei Annahme einer postmortalen Persönlichkeitsrechtsverletzung zu. Unter Berücksichtigung der dazu in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien sei dies hier nur in besonderen Fällen anzunehmen, u.a. soweit dem Erblasser als unwahre Tatsachenbehauptungen angebliche Eigenaussagen zugeschrieben worden seien, die er nicht, in abweichendem Kontext oder jedenfalls in anderer Stimmungslage, Lautstärke, Tonfall etc. getätigt habe, und wenn hierdurch jeweils auch das Lebensbild des Erblassers verfälscht, seine Menschenwürde berührt werde. Diese Voraussetzungen seien jedoch nur für wenige Buchpassagen von der im Grundsatz darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin prozessual ausreichend substantiiert dargetan worden, dies insbesondere im Kontext einiger im Vorverfahren bereits beanstandeter Fehlzitate sowie unwahrer bzw. bewusst unvollständiger Tatsachenbehauptungen, so etwa bezogen auf den Abschiedsbrief der ersten Ehefrau des Erblassers. Mit Blick auf die - dem Senat nicht vollständig vorliegenden - Tonbandaufnahmen aus den Memoirengesprächen bzw. digitalen Audiokopien seien im Übrigen verfahrensrechtlich keine weitergehenden gerichtlichen Vorlageanordnungen zu treffen gewesen. Dies sei auch nicht gegenüber dem materiell-rechtlich möglicherweise herausgabepflichtigen Beklagten zu 1) geboten. Es bestehe kein Anlass, das Verfahren bis zum Abschluss des - ebenfalls im Wege der Stufenklage geführten und derzeit wieder beim Landgericht Köln anhängigen - Herausgabeverfahrens u.a. wegen der vom Beklagten zu 1) im Besitz gehaltenen Audiokopien der Tonbänder (dazu BGH, Urteil vom 03.09.2020 - III ZR 136/18, abrufbar über die Datenbank www.bundesgerichtshof.de externer Link, öffnet neues Browserfenster / neuen Browser-Tab) auszusetzen.

Die Stufenklage habe das Landgericht insgesamt zu Recht abgewiesen. Der Klägerin stehe gegen die Beklagte zu 3) mangels rechtlicher Grundlage kein Auskunftsanspruch und kein Anspruch auf Auskehr des mit dem Buchverkauf erzielten Gewinns zu. Da sich die Beklagte zu 3) - anders als der Beklagte zu 1) - im Zusammenhang mit der Buchveröffentlichung auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen und ihr kein erheblicher Verschuldensvorwurf gemacht werden könne, kämen etwa deliktische Schadensersatzansprüche oder Ansprüche wegen angemaßter Eigengeschäftsführung hier nicht in Betracht.

Der Senat hat die Revision (nur) mit Blick auf die Verurteilung des Beklagten zu 1) zur Auskunftserteilung bzw. die Abweisung der Stufenklage im Verhältnis zur Beklagten zu 3) zur höchstrichterlichen Klärung diesbezüglicher Rechtsfragen zugelassen.




BVerfG: Ansprüche auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts sind nicht vererblich - Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle

BVerfG
Beschlüsse vom 24.10.2022
1 BvR 19/22 und 1 BvR 110/22

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Ansprüche auf Geldentschädigung wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht vererblich sind. Es ging um Ansprüche der Kohl-Witwe im Zusammenhang mit der Publikation "Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle".

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:
Verfassungsbeschwerden betreffend das postmortale Persönlichkeitsrecht des verstorbenen vormaligen Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl erfolglos

Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit heute veröffentlichten Beschlüssen zwei Verfassungsbeschwerden der Witwe und Alleinerbin des verstorbenen vormaligen Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl (fortan: „Erblasser“) nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfassungsbeschwerden richteten sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen, die auf das postmortale Persönlichkeitsrecht gestützte Klagen auf Unterlassung sowie auf Zahlung einer Geldentschädigung betrafen.

Sachverhalt:

Gegenstand der einen Verfassungsbeschwerde sind gerichtliche Entscheidungen in einem zunächst vom Erblasser und nach dessen Tod von der Beschwerdeführerin gegen die Beklagten geführten Verfahren gerichtet auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung von 116 Passagen des Buches „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“. Die angegriffenen Urteile des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs sahen die Unterlassungsklage nur teilweise als begründet an.

Die andere Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen gerichtliche Urteile, die das Fortbestehen des Geldentschädigungsanspruchs wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Erblassers über dessen Tod hinaus betrafen. Der Erblasser hatte die Beklagten im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Buches „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“ auf Geldentschädigung in Höhe von 5 Millionen Euro in Anspruch genommen. Nach dem Versterben des Erblassers während des Berufungsverfahrens wies das Oberlandesgericht die von der Beschwerdeführerin als Alleinerbin fortgeführte Klage insgesamt ab. Die hiergegen gerichtete Revision blieb ohne Erfolg.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen.

I. Die Verfassungsbeschwerde betreffend die Unterlassungsklage hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Beschwerdeführerin ist als Alleinerbin des Erblassers zwar befugt, dessen postmortales Persönlichkeitsrecht im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend zu machen. Sie hat ihre Verfassungsbeschwerde jedoch nicht hinlänglich substantiiert begründet.

1. Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sind nur lebende Personen. Das Fortwirken des Persönlichkeitsrechts nach dem Tode ist zu verneinen. Über den Tod des Menschen hinaus bleibt jedoch der Schutzauftrag des Art. 1 Abs. 1 GG bestehen. Es würde mit dem verfassungsverbürgten Gebot der Unverletzlichkeit der Menschenwürde, das allen Grundrechten zugrunde liegt, unvereinbar sein, wenn der Mensch, dem Würde kraft seines Personseins zukommt, in diesem allgemeinen Achtungsanspruch nach seinem Tode herabgewürdigt oder erniedrigt werden dürfte.

a) Die Schutzwirkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind mit dem aus Art. 1 Abs. 1 GG resultierenden Schutz nicht identisch. Das Bundesverfassungsgericht betont vielmehr in ständiger Rechtsprechung die Differenz zwischen Menschenwürde und allgemeinem Persönlichkeitsrecht, wie sich etwa daraus ergibt, dass die Menschenwürde im Konflikt mit der Meinungsfreiheit nicht abwägungsfähig ist, während es bei einem Konflikt der Meinungsfreiheit mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht regelmäßig zu einer Abwägung kommt. Unabhängig von der Frage, wie weit der Achtungsanspruch Verstorbener im Einzelfall geht, reicht er jedenfalls nicht weiter als der Ehrschutz lebender Personen.

b) Zwar kann das Unterschieben nicht getätigter Äußerungen wie auch die unrichtige, verfälschte und entstellte Wiedergabe einer Äußerung, insbesondere in Zitatform, das allgemeine Persönlichkeitsrecht in besonderem Maße berühren. Um von einer die Menschenwürde in ihrem unantastbaren Kern treffenden Verletzung auszugehen, muss jedoch eine grobe Herabwürdigung und Erniedrigung des allgemeinen Achtungsanspruchs, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht, oder des sittlichen, personalen und sozialen Geltungswerts, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat, dargelegt werden.

2. Die Beschwerdeführerin hat nicht darlegen können, dass durch die angegriffenen Passagen der aus Art. 1 Abs. 1 GG folgende allgemeine Achtungsanspruch des Erblassers grob herabgewürdigt oder erniedrigt wurde. Der vom Erblasser durch seine Lebensleistung erworbene sittliche, personale und soziale Geltungswert ist jedenfalls nicht in einer den Kern der Menschenwürde erfassenden Weise verletzt worden. Durch die freiwillige Preisgabe von Erinnerungen aus der Zeit seiner politischen Verantwortungsübernahme gegenüber einem vertraglich zur Anfertigung von Entwürfen seiner Memoiren verpflichteten Journalisten ist nicht der innerste Kern der Persönlichkeit des Erblassers betroffen. Unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabs sind die angegriffenen Urteile nicht zu beanstanden. Der Bundesgerichtshof hat – wie schon das Oberlandesgericht – seinem Urteil die zutreffenden verfassungsgerichtlichen Entscheidungen zur Reichweite des postmortalen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 GG zugrundegelegt. Er ist zutreffend davon ausgegangen, dass die für die Annahme eines Verstoßes notwendige, die unantastbare Menschenwürde treffende Verletzung vorliegend nicht gegeben ist. Eine Infragestellung des durch die Lebensstellung erworbenen Geltungsanspruchs genügt nicht. Hiergegen ist aus verfassungsgerichtlicher Sicht nichts zu erinnern.

II. Die Verfassungsbeschwerde betreffend das Fortbestehen des Geldentschädigungsanspruchs wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Erblassers über dessen Tod hinaus ist unbegründet.

1. Ebenso wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines lebenden Menschen begründet der postmortale Schutz der Menschenwürde nicht selbst bestimmte materiellrechtliche Ansprüche gegenüber Verletzungen durch Private. Die Aufstellung und normative Umsetzung eines angemessenen Schutzkonzepts ist Sache des Gesetzgebers, dem grundsätzlich auch dann ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukommt, wenn er verpflichtet ist, Maßnahmen zum Schutz eines Rechtsguts zu ergreifen. Gleiches gilt, wenn die Zivilgerichte mangels einer Entscheidung des Gesetzgebers die Schutzpflicht wahrnehmen.

2. Nach diesem Maßstab haben die erkennenden Gerichte die aus Art. 1 Abs. 1 GG folgende Schutzpflicht nicht dadurch verletzt, dass sie der Beschwerdeführerin als Alleinerbin des Erblassers einen Entschädigungsanspruch wegen einer zu Lebzeiten des Erblassers entstandenen Persönlichkeitsrechtsverletzung verweigert haben.

a) Der aus der Garantie der Menschenwürde folgende Schutzauftrag gebietet nicht die Bereitstellung einer bestimmten Sanktion für Würdeverletzungen. Insbesondere gibt es keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz des Inhalts, dass eine Verletzung der Menschenwürde stets einen Entschädigungsanspruch nach sich ziehen muss.

b) Der Bundesgerichtshof hat – entsprechend dem angegriffenen Urteil des Oberlandesgerichts – in dem angegriffenen Urteil ausgeführt, der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei im Grundsatz nicht vererblich. Dies gelte auch dann, wenn der Anspruch im Zeitpunkt des Todes des Verletzten und ursprünglichen Anspruchsinhabers bereits bei Gericht anhängig oder gar rechtshängig sei. Die grundsätzliche Unvererblichkeit ergebe sich entscheidend aus der Funktion des Geldentschädigungsanspruchs. Insoweit stehe der Genugtuungsgedanke im Vordergrund. Einem Verstorbenen könne aber Genugtuung nicht mehr verschafft werden. Dass der Geldentschädigungsanspruch auch der Prävention diene, gebiete das (Fort-)Bestehen eines solchen Anspruchs nach dem Tode auch nicht unter dem Aspekt der Menschenwürde.

c) Diese Ausführungen begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Aus der Garantie der Menschenwürde folgt keine Pflicht der Zivilgerichte, die zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen des persönlichkeitsrechtlichen Sanktionensystems auszuweiten. Verfassungsrechtlich geboten ist dies jedenfalls dann nicht, wenn die Rechtsordnung andere Möglichkeiten zum Schutz der postmortalen Menschenwürde bereithält. Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass die postmortale Menschenwürde des Erblassers gegen Übergriffe durch die Beklagten schutzlos gestellt war. Dem Erblasser standen zu Lebzeiten, der Beschwerdeführerin stehen nach seinem Versterben Unterlassungsansprüche gegen die Beklagten zu.


Die Volltexte der Entscheidungen finden Sie hier:
BVerfG, Beschluss vom 24.10.2022 - 1 BvR 19/22

BVerfG, Beschluss vom 24.10.2022 - 1 BvR 110,22

Volltext BGH: Zur Reichweite des postmortalen Persönlichkeitsrechts in Bezug auf Buchveröffentlichungen - VERMÄCHTNIS - DIE KOHL-PROTOKOLLE

BGH
Urteil vom 29.11.2021
VI ZR 248/18
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; BGB § 823; § 1004; ZPO § 554 Abs. 2 Satz 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: "VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE" - Kein Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts für Kohl-Witwe da Anspruch nicht vererblich über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Der unzutreffenden Wiedergabe von (angeblichen) Äußerungen eines Verstorbenen kommt ein dessen postmortales Persönlichkeitsrecht verletzendes Gewicht zu, wenn die untergeschobenen Äußerungen nach Qualität und/oder Quantität das Lebensbild des Verstorbenen grob entstellen.

b) Das postmortale Persönlichkeitsrecht schützt den Verstorbenen grundsätzlich nicht davor, mit Aussagen zitiert zu werden, die er zu Lebzeiten im vertraulichen Gespräch mit der ausdrücklichen Erklärung, sie nicht veröffentlichen zu wollen ("Sperrvermerk"), getätigt hat.

c) Zur Reichweite des postmortalen Persönlichkeitsrechts in Bezug auf Buchveröffentlichungen ("VERMÄCHTNIS-DIE KOHL-PROTOKOLLE").

BGH, Urteil vom 29. November 2021 - VI ZR 248/18 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung wird mit Rechtskraft eines Urteils vererblich - vorläufige Vollstreckbarkeit genügt nicht

BGH
Urteil vom 29.11.2021
VI ZR 258/18
BGB § 823


Der BGH hat entschieden, dass ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung mit Rechtskraft eines Urteils vererblich ist, die vorläufige Vollstreckbarkeit jedoch insoweit nicht genügt.

Leitsatz des BGH:
Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung wird grundsätzlich erst mit Rechtskraft eines dem Verletzten die Geldentschädigung zusprechenden Urteils vererblich; ein nicht rechtskräftiges, nur vorläufig vollstreckbares Urteil genügt nicht (Fortführungen Senatsurteile vom 23. Mai 2017 - VI ZR 261/16, BGHZ 215, 117; vom 29. April 2014 - VI ZR 246/12, BGHZ 201, 45 Rn. 24).

BGH, Urteil vom 29. November 2021 - VI ZR 258/18 - OLG Köln - LG Köln

Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: "VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE" - Kein Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts für Kohl-Witwe da Anspruch nicht vererblich über die Entscheidung berichtet.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: "VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE" - Kein Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts für Kohl-Witwe da Anspruch nicht vererblich

BGH
Urteil vom 29.11.2021 - VI ZR 248/18
Urteil vom 29.11.2021 - VI ZR 258/18

Der BGH hat in den Rechtsstreitigkeiten um das Buch "VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE" zwei Urteile verkündet. Der BGH hat u.a. entschieden, das die Witwe des Altkanzlers Helmut Kohl als Erbin keinen Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat, da ein solcher Anspruch nicht vererblich ist.

Die Pressemitteilung des BGH:

Urteile in den Verfahren zum Buch "VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE" verkündet

Der unter anderem für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei Verfahren um das Buch "VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE" Urteile verkündet. Die Revision der Klägerin gegen das den von ihr geltend gemachten Geldentschädigungsanspruch verneinende Urteil des Oberlandesgerichts Köln (VI ZR 258/18) hat er zurückgewiesen. Zum Teil erfolgreich waren die Revisionen der Klägerin und des beklagten Verlags ("Drittbeklagte") hinsichtlich des sich mit den Unterlassungsansprüchen befassenden Urteils des Oberlandesgerichts Köln (VI ZR 248/18).

Sachverhalt:

Im Oktober 2014 erschien im H.-Verlag, einer Verlagsmarke der Drittbeklagten, ein vom Erstbeklagten, einem Historiker und Journalisten, zusammen mit dem inzwischen verstorbenen Zweitbeklagten, ebenfalls Journalist, verfasstes Buch mit dem Titel "VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE". Das Buch enthält eine Vielzahl angeblicher Äußerungen des vormaligen Klägers Bundeskanzler a. D. Dr. Helmut Kohl. Hinsichtlich sämtlicher Äußerungen machen die Beklagten geltend, dass sie anlässlich von Gesprächen gefallen sind, die der Erstbeklagte mit dem vormaligen Kläger zur Erstellung von dessen Memoiren geführt hatte. Der vormalige Kläger hat geltend gemacht, das Buch verletze ihn in insgesamt 116 Passagen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Er hat die Beklagten deshalb zum einen auf Unterlassung der wörtlichen oder sinngemäßen Verbreitung dieser Passagen (VI ZR 248/18) und zum anderen auf Zahlung einer Geldentschädigung in einer Größenordnung von mindestens 5 Mio. € nebst Zinsen (VI ZR 258/18) in Anspruch genommen. Bei der nunmehrigen Klägerin handelt es sich um die Witwe und Alleinerbin des am 16. Juni 2017 und damit während der Berufungsverfahren verstorbenen vormaligen Klägers, die den Rechtsstreit fortführt.

VI ZR 258/18 (Geldentschädigung)

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die drei Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 1 Mio. € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage vollumfänglich abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei nicht vererblich, weshalb der Klageanspruch jedenfalls mit dem Tod des vormaligen Klägers erloschen sei. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Sie begehrt weiterhin eine Geldentschädigung in Höhe von mindestens 5 Mio. € nebst Zinsen. Nach dem Tod des Zweitbeklagten ist der Rechtsstreit ihm bzw. seinen Erben gegenüber unterbrochen. Gegenstand des nunmehr verkündeten, die Frage der Geldentschädigung betreffenden Urteils (Teilurteil) sind deshalb nur die gegen den Erstbeklagten und gegen die Drittbeklagte geltend gemachten Ansprüche.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der VI. Zivilsenat hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Annahme des Oberlandesgerichts, der Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei grundsätzlich nicht vererblich und deshalb jedenfalls mit dem Tod des vormaligen Klägers untergegangen, trifft zu. Die grundsätzliche Unvererblichkeit eines solchen Anspruchs entspricht der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Begründet wird sie mit der Funktion des Geldentschädigungsanspruchs, bei der der Genugtuungsgedanke im Vordergrund steht; einem Verstorbenen kann Genugtuung aber nicht mehr verschafft werden. Durchgreifende Gründe, diese Rechtsprechung aufzugeben, sah der VI. Zivilsenat nicht. Schließlich lagen im Streitfall auch keine besonderen Umstände vor, die (ausnahmsweise) zur Vererblichkeit geführt hätten. Insbesondere wird der Geldentschädigungsanspruch nicht dadurch vererblich, dass er dem Erblasser noch zu dessen Lebzeiten zugesprochen wird, wenn das entsprechende Urteil bei Eintritt des Todes - wie hier - noch nicht rechtskräftig ist.

VI ZR 248/18 (Klage auf Unterlassung):

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Hinsichtlich des Erstbeklagten ist es davon ausgegangen, dieser sei bereits aufgrund einer mit dem vormaligen Kläger anlässlich der "Memoirengespräche" konkludent geschlossenen Verschwiegenheitsvereinbarung zur beantragten Unterlassung verpflichtet. Gegenüber den anderen beiden Beklagten ergebe sich der Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 830 BGB, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Denn mit der Veröffentlichung und Verbreitung der betroffenen Textpassagen hätten sie den (vormaligen) Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

Die Berufung des Erstbeklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Auch nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der Erstbeklagte aufgrund einer mit dem vormaligen Kläger konkludent getroffenen Vereinbarung zur Verschwiegenheit über sämtliche im Rahmen der Memoirengespräche erlangte Informationen verpflichtet. Diese Verpflichtung dauere fort und könne - so das Oberlandesgericht weiter - auch nach dem Tod des vormaligen Klägers durch die Klägerin geltend gemacht werden. Die Revision hat das Oberlandesgericht insoweit nicht zugelassen. Die vom Erstbeklagten dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs bereits mit Beschluss vom 23. März 2021 zurückgewiesen. Insoweit war das Verfahren bereits vor Verkündung des heutigen Urteils abgeschlossen.

Die Berufungen des Zweitbeklagten und der Drittbeklagten hatten in Bezug auf eine der 116 Textpassagen voll und in Bezug auf weitere 40 Textpassagen zum Teil Erfolg. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts trifft diese beiden Beklagten zwar eine Unterlassungsverpflichtung wegen Verletzung des - nun postmortalen - Persönlichkeitsrechts des vormaligen Klägers. Diese Unterlassungsverpflichtung sei aber auf die wörtliche Wiedergabe und Verbreitung (angeblich) wörtlicher Zitate des vormaligen Klägers beschränkt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils; der Zweitbeklagte und die Drittbeklagte begehren mit ihren Revisionen weiterhin die Abweisung der Klage. Nach dem Tod des Zweitbeklagten ist auch dieses Verfahren ihm bzw. seinen Erben gegenüber unterbrochen. Gegenstand des nun verkündeten Urteils (Teilurteil) ist deshalb alleine noch der gegen die Drittbeklagte gerichtete Unterlassungsanspruch.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revisionen beider Parteien hatten teilweise Erfolg. Der von der Klägerin geltend gemachte, deliktische Unterlassungsanspruch gegenüber der Drittbeklagten, mit der der vormalige Kläger anders als mit dem Erstbeklagten keine (konkludente) Verschwiegenheitsvereinbarung über den Tod hinaus getroffen hatte, beschränkt sich auf die Veröffentlichung und Verbreitung von im Buch vorhandenen Fehlzitaten. Nur insoweit verletzen Veröffentlichung und Verbreitung der angegriffenen Buchpassagen das von der Klägerin wahrgenommene postmortale Persönlichkeitsrecht ihres verstorbenen Ehemannes. Soweit keine Fehlzitate vorliegen, besteht keine Unterlassungspflicht der Drittbeklagten. Eine solche folgt - anders als das Oberlandesgericht meinte - insbesondere nicht daraus, dass der vormalige Kläger einer Veröffentlichung einiger Aussagen schon im Rahmen der Memoirengespräche ausdrücklich widersprochen hatte ("Sperrvermerkszitate"), noch daraus, dass die Wiedergabe wörtlicher Zitate eine unzulässige "bildnisgleiche" bzw. "intensive" Verdinglichung seiner Person darstellte. Soweit sich die Zitate auf der Grundlage der Feststellungen des Oberlandesgerichts abschließend als Fehlzitate einordnen lassen, hat der VI. Zivilsenat deshalb die Revision der Drittbeklagten zurückgewiesen, soweit sie sich abschließend als zutreffend beurteilen lassen, hat er das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Soweit sich auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht beurteilen lässt, ob das jeweilige Zitat richtig oder falsch ist, hat der Senat die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, damit die noch fehlenden Feststellungen dort getroffen werden können.

Die Revision der Klägerin hatte insoweit Erfolg, als das Oberlandesgericht die Unterlassungsverpflichtung der Drittbeklagten auch hinsichtlich der (möglichen) Fehlzitate auf die wörtliche Wiedergabe der im Buch als wörtliche Zitate gekennzeichneten Aussagen beschränkt hatte. Denn das postmortale Persönlichkeitsrecht eines Verstorbenen verletzende Fehlzitate dürfen auch nicht sinngemäß veröffentlicht oder verbreitet werden.

Vorinstanzen:

VI ZR 258/18

LG Köln - 14 O 323/15 - Urteil vom 27. April 2017

OLG Köln - 15 U 64/17 - Urteil vom 29. Mai 2018

und

VI ZR 248/18

LG Köln - 14 O 261/14 - Urteil vom 27. April 2017

OLG Köln - 15 U 65/17 - Urteil vom 29. Mai 2018

Karlsruhe, den 29. November 2021

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) […].

§ 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) […].

§ 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

(1) Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.

(2) […].

Art. 1 des Grundgesetzes (GG):

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) […].

(3) […].

Art. 2 des Grundgesetzes (GG):

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) […].

Art. 5 des Grundgesetzes (GG):

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.



BGH: Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung ist grundsätzlich nicht vererblich - gilt auch für zu Lebzeiten rechtshängige Ansprüche

BGH
Urteil vom 23. 05.2017
VI ZR 261/16
BGB § 823 Abs. 1, GG Art. 1, 2


Der BGH hat entschieden, dass Ansprüche auf angemessene Entschädigung in Geld wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen grundsätzlich nicht vererblich sind. Dies gilt - so der BGH - auch für zu Lebzeiten rechtshängige bzw. anhängige Ansprüche.

Leitsatz des BGH:

Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung ist grundsätzlich nicht vererblich. Dies gilt auch, wenn der Anspruch noch zu Lebzeiten des Geschädigten anhängig oder rechtshängig geworden ist (Fortführungvon BGH, Urteil vom 29. April 2014 - VI ZR 246/12, BGHZ 201, 45 ff.).

BGH, Urteil vom 23. Mai 2017 - VI ZR 261/16 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht vererblich

BGH
Urteil vom 29.04.2014
VI ZR 246/12


Der BGH hat entschieden, dass der Anspruchs auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht vererblich ist. Der BGH begründet dies damit, dass Hintergrund des Anspruchs der Genugtuungsgedanke sei und dieser Aspekt bei Versterben des Verletzten entfällt. Nicht entschieden hat der BGH die Frage, ob anders zu entscheiden wäre, wenn der Verletzte nach Rechtshängigkeit des Anspruchs verstirbt.

Die Pressemitteilung des BGH:

"Bundesgerichtshof entscheidet über Vererblichkeit des Anspruchs auf Geldentschädigung wegen
Verletzung des Persönlichkeitsrechts

Der Kläger ist Erbe eines bekannten, inzwischen verstorbenen Entertainers. Dieser sah sich durch in Zeitschriften der Beklagten erschienene Artikel, die unter anderem seine Trauer um seine verstorbene Tochter sowie seinen Gesundheitszustand zum Gegenstand hatten, in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und nahm die Beklagte deshalb auf Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch. Seine Klage ging bei Gericht per Fax einen Tag vor seinem Ableben ein, wurde der Beklagten aber erst einige Wochen später zugestellt.

Das Landgericht hat die – von dem Erben fortgeführte - Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Ob die angegriffenen Veröffentlichungen überhaupt einen Geldentschädigungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG rechtfertigen können, hat das Berufungsgericht dabei offengelassen. Es hat die Auffassung vertreten, ein solcher Anspruch sei aufgrund seiner höchstpersönlichen Natur jedenfalls nicht vererblich. Der unter anderem für den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Entscheidend gegen die Vererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs aufgrund einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung spricht die Funktion des Anspruchs. Bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung steht der Genugtuungsgedanke im Vordergrund. Der Gesichtspunkt der Genugtuung verliert regelmäßig an Bedeutung, wenn die Verletzung des Persönlichkeitsrechts zwar noch zu Lebzeiten des Geschädigten erfolgt, dieser aber verstirbt, bevor sein Entschädigungsanspruch erfüllt wird. Danach besteht der Anspruch über den Tod des Verletzten hinaus im Allgemeinen nicht fort. Der Präventionsgedanke rechtfertigt kein anderes Ergebnis, da er die Gewährung einer Geldentschädigung nicht alleine zu tragen vermag.

Ob anderes gilt, wenn der Verletzte erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Geldentschädigungsanspruchs verstirbt, konnte der Senat offenlassen, da der Erblasser vorliegend vor Zustellung der Klage verstorben war. Die in § 167 ZPO angeordnete Rückwirkung greift nicht. Sie beschränkt sich auf Fälle, in denen durch die Zustellung eine laufende Frist gewahrt oder die Verjährung neu beginnen oder gehemmt werden soll. Die bloße Anhängigkeit der Klage führt nicht zur Vererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs.

§ 167 ZPO. Rückwirkung der Zustellung

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

Urteil vom 29. April 2014 – VI ZR 246/12

LG Berlin vom 21. Juni 2011 – 27 O 145/11

KG Berlin vom 3. Mai 2012 – 10 U 99/11"