Skip to content

EuGH: Sanktionen bei Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Telekommunikationsanbieter können neben EU-Kommission auch nationale Behörden für andere Märkte verhängen

EuGH
Urteil vom 25.02.2021
C-857/19
Slovak Telekom a.s./ Protimonopolný úrad Slovenskej republiky


Der EuGH hat entschieden, dass bei Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch einen Telekommunikationsanbieter neben der EU-Kommission auch nationale Behörden Sanktionen für andere Märkte verhängen können.

Tenor der Entscheidung:

1. Art. 11 Abs. 6 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den [Art. 101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln ist dahin auszulegen, dass die Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten für die Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV entfällt, wenn die Kommission ein Verfahren einleitet, um eine Entscheidung zu erlassen, mit der eine Zuwiderhandlung gegen diese Bestimmungen festgestellt wird, soweit dieser formelle Rechtsakt dieselben von dem- oder denselben Unternehmen auf dem- oder denselben Produktmärkten und dem- oder denselben geografischen Märkten in dem- oder denselben Zeiträumen begangenen mutmaßlichen Zuwiderhandlungen gegen die Art. 101 und 102 AEUV betrifft wie diejenigen, die von dem oder den Verfahren, die zuvor von den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten eingeleitet worden sind, erfasst sind.

2. Der Grundsatz ne bis in idem, wie er in Art. 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist, ist dahin auszulegen, dass er auf wettbewerbsrechtliche Zuwiderhandlungen wie den Missbrauch einer beherrschenden Stellung nach Art. 102 AEUV anwendbar ist und es verbietet, dass ein Unternehmen wegen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens, in Bezug auf das es mit einer früheren, nicht mehr anfechtbaren Entscheidung mit einer Sanktion belegt oder für nicht verantwortlich erklärt wurde, erneut verurteilt oder verfolgt wird. Dieser Grundsatz gilt hingegen nicht, wenn ein Unternehmen wegen Zuwiderhandlungen gegen Art. 102 AEUV, die unterschiedliche Produktmärkte oder geografische Märkte betreffen, selbständig und unabhängig von der Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats und der Europäischen Kommission verfolgt oder mit Sanktionen belegt wird oder wenn die Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats nach Art. 11 Abs. 6 Satz 1 der Verordnung Nr. 1/2003 ihre Zuständigkeit verliert.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BKartA: Kein kartellrechtliches Verfahren gegen Google im Zusammenhang mit Leistungsschutzrecht - Beschwerde der VG Media

Das Bundeskartellamt wird kein kartellrechtliches Verfahren gegen Google im Zusammenhang mit dem Leistungsschutzrecht einleiten. Die Verwertungsgesellschaft VG Media hatte das Bundeskartellamt eingeschaltet.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamts:

"Beschluss des Bundeskartellamts zum Streit um das Leistungsschutzrecht

In dem Streit zwischen der Verwertungsgesellschaft VG Media und dem Unternehmen Google hat das Bundeskartellamt entschieden, dass wegen des bisherigen Verhaltens von Google in dem Zusammenhang mit der Einführung des Leistungsschutzrechts der Verleger kein Verfahren eingeleitet wird.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes:„Im Kern dieser Debatte steht eigentlich nicht das Kartellrecht, sondern die Frage der Reichweite des Leistungsschutzrechts. Darüber haben vor allem die Zivilgerichte zu entscheiden. Die Grenzen des kartellrechtlich erlaubten Verhaltens waren in diesem Fall nicht übertreten. Wir gehen davon aus, dass eine Veränderung der Ergebnisliste durch Google, die über die reine Relevanz für die Suchanfrage hinausgeht, aufgrund der Marktstärke des Unternehmens eine sachliche Rechtfertigung erfordern würde. In diesem Fall war ein solcher Grund allerdings gegeben. Wir haben Google hingegen deutlich gemacht, dass eine Totalauslistung einzelner Verleger einen Verstoß gegen das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot darstellen könnte.“

Die Prüfung des Bundeskartellamts erfolgte im Anschluss an eine Beschwerde der VG Media gegen das Verhalten von Google im Zusammenhang mit dem zum 1. August 2013 eingeführten Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Nach dem Leistungsschutzrecht können Verleger Suchmaschinen und ähnlichen Diensten verbieten, ihre Presseerzeugnisse zu nutzen, soweit die Nutzung über einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte (sog. Snippets) hinausgeht. Im Sommer 2014 hatte VG Media ein zivilrechtliches Verfahren gegen Google angestrengt. Daraufhin kündigte Google an, Suchergebnisse für die Webseiten der von VG Media im Rahmen des Rechtsstreits vertretenen Verlage nur noch verkürzt anzuzeigen, wenn die Verlage nicht die Einwilligung in die unentgeltliche Nutzung erklärten. Google rechtfertigte diese Vorgehensweise mit dem Risiko, aus einer etwaigen Verletzung des Leistungsschutzrechts in Anspruch genommen zu werden.

Das Bundeskartellamt sieht in diesem Vorbringen eine sachliche Rechtfertigung für das Verhalten von Google gegenüber den Verlegern. Auch ein marktbeherrschendes Unternehmen kann kartellrechtlich nicht dazu verpflichtet werden, bei einer ungeklärten Rechtslage ein erhebliches Schadensersatzrisiko einzugehen. Das Bundeskartellamt hat deshalb kein förmliches Verfahren gegen Google wegen einer möglichen Diskriminierung der VG Media eingeleitet.

Das Vorgehen des Bundeskartellamtes erfolgte in engem Kontakt mit der Europäischen Kommission.

Andreas Mundt: „Es gibt keine Überschneidung zwischen diesem speziell gelagerten Fall und dem laufenden Google-Verfahren der Kommission. Die von EU-Kommissarin Vestager in diesem Verfahren eingeschlagene Richtung kann ich nur unterstützen.“

2010 hatten mehrere nationale Wettbewerbsbehörden – darunter auch das Bundeskartellamt – sich entschieden, verschiedene Beschwerden gegen Google an die Europäische Kommission abzugeben, um die grenzübergreifenden Fragestellungen in einem Verfahren zu bündeln. Dieses Verfahren ist derzeit noch anhängig.