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OLG Hamburg: Online-Coaching ohne Überwachung des Lernerfolgs bedarf nicht der Zulassung nach § 12 FernUSG - Coaching-Anbieter hat Anspruch auf Vergütung

OLG Hamburg
Urteil vom 20.02.2024
10 U 44/23


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass Online-Coaching ohne Überwachung des Lernerfolgs nicht der Zulassung nach § 12 FernUSG bedarf, so dass der Coaching-Anbieter einen Anspruch auf Vergütung hat.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 6.366,50 Euro aus dem streitgegenständlichen Vertrag.

a) Der Vertrag ist insbesondere nicht nichtig gem. § 7 Abs. 1 FernUSG, da es sich bei dem geschlossenen Vertrag nicht um einen Vertrag i.S.d. § 1 FernUSG handelt. Fernunterricht i.S.d. § 1 FernUSG ist die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende zumindest überwiegend räumlich getrennt sind und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.

aa) Zweifelhaft ist schon, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag um einen Vertrag handelt, aufgrund dessen bestimmte Kenntnisse vermittelt werden sollten.

Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass mit dem Vertrag vereinbart worden wäre, dass es Aufgabe der Klägerin gewesen wäre, dem Beklagten bestimmte Kenntnisse „zu vermitteln“. Angeboten hat die Vertragspartnerin vielmehr ein „[...]Mentoring“ (Anlage K3). In den wöchentlichen „ [...] Calls“ sollte der Beklagte die Möglichkeit haben, „alle Fragen zu stellen, die für dich wichtig sind“ (Anlage K4). Dem Beklagten sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich mit Hilfe der Vertragspartnerin und der „1:1 Vorlagen“ einen „Print on Demand Online-Shop“ aufzubauen (Anlage B 2).

Zwar gehörte zum Vertragsinhalt auch die Möglichkeit für den Beklagten, sich durch Ansehen der von der Vertragspartnerin zur Verfügung gestellten Videos bestimmte Kenntnisse, die er aus dem zur Verfügung gestellten Material auswählen konnte, selbst anzueignen. Allerdings war dieser Vertragsbestandteil von untergeordneter Bedeutung. Allein zeitlich wurden lediglich ca. 40h Videomaterial zur Verfügung gestellt, wohingegen dem Beklagten die Möglichkeit eingeräumt wurde, 6 Monate lang an 3 ca. 2-stündigen Coachingsessions pro Woche teilzunehmen. 40h Videomaterial stehen also ca. 144 h für Coachingsessions gegenüber, der Schwerpunkt des Vertrages liegt also deutlich auf den Coachingsessions, in denen der Beklagte beraten werden sollte, und nicht auf den Inhalten der Videos. Dem entspricht auch die aus Anlage K3 hervorgehende Bezeichnung des Angebots der Vertragspartnerin des Beklagten als „[...]-Mentoring“.

Im Rahmen eines Coachings wird aber nicht systematisch didaktisch aufbereiteter Lehrstoff vermittelt, sondern es erfolgt eher eine individuelle und persönliche Beratung und Begleitung (Lach, Anmerkung zu OLG Celle, Urteil vom 01.03.2023 – 3 U 85/22, zitiert nach juris). Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ist Ziel des streitgegenständlichen Vertrages also gerade nicht die Vermittlung bestimmten „Wissens“, vielmehr steht die Coachingleistung im Vordergrund. In den Calls sollte laut Anlage K4 nur Gelegenheit gegeben werden die Fragen zu stellen, die für den jeweiligen Kursteilnehmer von Bedeutung waren.

Ein Bezug zu den zur Verfügung gestellten Videos musste dabei nicht bestehen. Schon daraus wird deutlich, dass es gerade nicht darum ging, dass der Beklagte das gesamte Videomaterial ansah und „lernte“, sondern es ging darum Informationen zur Verfügung zu stellen, aus denen der jeweilige Vertragspartner die Informationen, die für ihn relevant waren, heraussuchen konnte.

Dies ergibt sich auch aus der vom Beklagten eingereichten Anlage B2. Danach sollte dem Beklagten gezeigt werden, wie er profitable Produkte findet, dann sollte der Beklagte nach einer Vorlage einen online-shop aufbauen und anschließend sollte die Klägerin dem Beklagten zeigen, wie er über social media Kanäle Werbung schaltet, um Umsätze zu generieren. Ein bestimmtes
abgegrenztes Wissen sollte gerade nicht vermittelt werden. Aufgabe der Klägerseite sollte es nur sein, beratend zur Seite zu stehen („bei Fragen stehen dir (...) zur Seite“). Der Beklagte sollte nach einer Vorlage selbständig einen online-shop aufbauen („Du baust dir eine echte eigene Marke mit deinem Online-Shop auf“). Auch aus den in Anlage B2 aufgeführten Bewertungen ergibt sich, dass mit dem Angebot nicht ein bestimmtes Wissen vermittelt werden sollte, vielmehr heben die Kunden hervor, dass das persönliche „Mentoring“ und gerade nicht ein bestimmtes vermitteltes Wissen zum Erfolg geführt habe. Hervorgehoben wird, dass es bei dem Angebot darum geht, dem Kunden zu helfen, sich eigenständig einen online-shop aufzubauen.

So erklärt der Beklagte selbst in dem Schriftsatz vom 27.04.2023, dass der Kunde beim Finden profitabler Produkte beraten werden sollte und dass in dem Gespräch, das zu dem Vertragsschluss führte, damit geworben worden sei, dass sich nach dem absolvierten Coaching das Leben vieler Absolventen positiv verändert habe. Dass dem Beklagten ein bestimmtes Wissen hätte vermittelt werden sollen, trägt der Beklagte gerade nicht substantiiert vor.

Anders gelagert war offensichtlich der vom BGH am 15.10.2009 entschiedene Fall (III ZR 310/08, zitiert nach juris), auf den der Beklagte Bezug nimmt: Hier sollte ein „Lehrgang“ durchgeführt werden, mit „Lehreinheiten“, „Lehrmaterialsendungen“, die Vertragspartner wurden als „Absolventen“ bezeichnet, die nach Beendigung des „Studiums“ ein „Zertifikat“ erhalten sollten. Es sollte also - anders als hier - ein bestimmter abgeschlossener Komplex als „Wissen“ vermittelt werden.

bb) Jedenfalls aber ergibt sich aus dem Vortrag der Parteien nicht, dass eine „Überwachung“ des Lernerfolges vertraglich geschuldet gewesen wäre. Zwar ist dieses Tatbestandsmerkmal nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weit auszulegen, da mit dem FernUSG der Schutz der Lehrgangsteilnehmer gestärkt werden und die Enttäuschung der Bildungswilligkeit verhindert werden sollte (BGH, Urteil vom 15.10.2009 – III ZR 310/08, zitiert nach juris). Aus dem Gesetzgebungsverfahren ergibt sich, dass eine wiederholte Überwachung des Lernerfolges nicht notwendig, sondern die einmalige Überwachung ausreichend sein sollte (BT Drs 7/4965, S. 7). Ausreichend sein soll, dass der Lernende das Recht hat, eine Überwachung des Lernerfolges einzufordern, um den Lernerfolg kontrollieren zu lassen (BGH Urteil vom 15.10.2009
- III ZR 310/08).

Dass der Beklagte nach dem streitgegenständlichen Vertrag das Recht gehabt hätte, eine solche Kontrolle einzufordern, hat der Beklagte aber gerade nicht dargelegt. Aus dem von den Parteien vorgetragenen Inhalt des Vertrages ergibt sich ein solches Recht nicht. Geschuldet wird in dem streitgegenständlichen Vertrag gerade keine „Überwachung“ des Lernerfolges, sondern
der Vertragspartner sollte dem Beklagten nur für individuelle Fragen im Rahmen des „Coachings“ bzw. „Mentorings“ zur Verfügung stehen. Dem Wort „Überwachung“ wohnt ein Kontrollelement inne (vgl. https://www.dwds.de/wb/%C3%9Cberwachung und https://www.wortbedeutung.info/%C3%9Cberwachung/). Allein die Gelegenheit des Beklagten im Rahmen des Coachings Fragen zu stellen, stellt schon dem Wortsinne nach keine „Überwachung“ dar. Eine Kontrolle eines etwaigen Lernerfolges schuldete die Klägerseite gerade nicht. Den Anwendungsbereich des Gesetzes auch auf solche Fälle auszudehnen, in denen gerade keine Kontrolle des Lernerfolges vereinbart wurde, sondern lediglich die Möglichkeit des Vertragspartners besteht, Fragen zu stellen, würde insofern dem klaren Wortlaut widersprechen.

Ein solches Verständnis von der Norm widerspricht auch nicht der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.10.2009 (III ZR 310/08, zitiert nach juris). Im dortigen Fall hatte die Klägerin den Anspruch, eine persönliche Lernkontrolle herbeizuführen, „ob das bisher Erlernte richtig verstanden wurde“ und „sitzt“. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall lässt sich ein solcher Anspruch gerade nicht aus dem Vertrag herleiten, denn im streitgegenständlichen Fall wurde gerade kein Vertrag über einen „Lehrgang“ oder ein „Studium“ geschlossen, der Beklagte sollte kein „Absolvent“ sein und auch kein „Zertifikat“ erhalten. Keiner der im streitgegenständlichen Fall verwendeten Begriffe („Mentoring“, „Coaching“) lässt darauf schließen, dass eine Lernerfolgskontrolle stattfinden sollte.

Dem steht auch nicht das Urteil des OLG Celle vom 01.03.2023 - 3 U 85/22 entgegen. Im dort entschiedenen Fall hatte die Beklagte - anders als der Beklagte im streitgegenständlichen Fall -Zugang zu einer „Akademie“, die auch „Prüfungen“ beinhaltete und das jeweils nächste Videokursmodul wurde erst dann freigeschaltet, wenn der vorangehende Abschnitt angesehen worden war. Entsprechende Bestandteile einer Erfolgskontrolle wies der streitgegenständliche Vertrag gerade nicht auf.

Eine „Überwachung“ des Lernerfolges i.S.d. § 1 FernUSG war damit gerade nicht geschuldet. Der Vertrag ist daher nicht nichtig gem. § 7 Abs. 1 FerUSG.

b) Der Beklagte hat auch nicht ausreichend substantiiert dargelegt, dass der streitgegenständliche Vertrag sittenwidrig und damit nichtig wäre (§ 138 Abs. 1 BGB). Ein gegen die guten Sitten verstoßendes Rechtsgeschäft liegt dann vor, wenn es gegen das
Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Weder aus dem dargelegten Vertragsinhalt noch aus den Umständen des Vertragsschlusses ergibt sich dementsprechend ein Anhaltspunkt für Sittenwidrigkeit. Auch nach § 138 Abs. 2 BGB liegt keine Sittenwidrigkeit vor. Sittenwidrigkeit ist gem. § 138 Abs. 2 BGB dann gegeben, wenn jemand sich für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen und dabei eine Zwangslage, die Unerfahrenheit, ein Mangel an Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche eines anderen ausgenutzt werden.

Dass ein solches auffälliges Missverhältnis bestehe, hat der Beklagte nicht nachgewiesen. Die Klägerin hat bestritten, dass die Inhalte der verkauften Videos einfach so kostenfrei im Internet zu finden seien. Seinen Vortrag näher substantiiert und Beweis angeboten hat der Beklagte daraufhin nicht. Auch fehlt es an konkretem Vortrag zu einer „Zwangslage“ des Beklagten. Zwar
mögen die finanziellen Verhältnisse des Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses schwierig gewesen sein. Eine Zwangslage, welche die Vertragspartnerin ausgenutzt hätte, ergibt sich allein daraus aber nicht.

Sonstige Umstände, welche eine Qualifizierung des Vertrages als „sittenwidrig“ i.S.d. § 138 BGB begründen würden, wurden nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich.



LG Hamburg: Online-Coaching bedarf der Zulassung nach § 12 FernUSG - Coaching-Vertrag bei Verstoß nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig und kein Anspruch auf Vergütung

LG Hamburg
Urteil vom 19.07.2023
304 O 277/22


Das LG Hamburg hat entschieden, dass Online-Coaching der Zulassung nach § 12 FernUSG bedarf. Fehlt die Zulassung, so ist der Coaching-Vertrag nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig und der Anbieter hat keinen Anspruch auf Zahlung seiner Vergütung.

Hinweis: Die Entscheidung wurde vom OLG Hamburg mit Urteil vom 20.02.2024 - 10 U 44/23 (siehe dazu OLG Hamburg: Online-Coaching ohne Überwachung des Lernerfolgs bedarf nicht der Zulassung nach § 12 FernUSG - Coaching-Anbieter hat Anspruch auf Vergütung) aufgehoben.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch aus dem „Coaching“ Vertrag zu, da dieser Vertrag gem. § 7Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 1 FernUSG nichtig ist. Schließlich handelt es sich bei dem Angebot der Klägerin um einen Fernunterrichtsvertrag (hierzu 1.), für den die Klägerin nicht über die erforderliche Zulassung gem. § 7 Abs. 1 FernUSG verfügt (hierzu 2.)

1. Bei dem von der Klägerin angebotenen Coaching handelt es sich - entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin - um Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG.

a) Nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 1 FernUSG ist Fernunterricht im Sinne dieses Gesetzes die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind (Nr. 1) und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen (Nr. 2).

b) Bei der Auslegung des Gesetzes und der Qualifikation des streitgegenständlichen Lehrgangs war die Intention des Gesetzgebers beim Erlass des FernUSG zu berücksichtigen. Dieser wollte wegen eines gestiegenen Interesses an Fernlehrgängen den Verbraucherschutz in diesem Bereich stärken. Insbesondere waren Mängel beim Angebot von Fernlehrgängen dergestalt festgestellt worden, dass Angebote von geringer methodischer und fachlicher Qualität angeboten wurden, die nicht geeignet waren, das in der Werbung genannte Lehrgangsziel zu erreichen.

Die bislang geltenden Rechtsvorschriften waren als nicht hinreichend angesehen worden, da sie nicht die besondere Situation eines Fernunterrichtsinteressenten berücksichtigten, der immer Schwierigkeiten haben wird, seine eigenen Fähigkeiten, die Qualität des angebotenen Fernlehrgangs und dessen Eignung für seine Bedürfnisse einzuschätzen. Insbesondere konnten sie zur Verhinderung des für den Fernunterricht typischen „Schadens“, nämlich Enttäuschung der Bildungswilligkeit, weniger beitragen (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2009, NJW 2010, 608).

Diese Intention des Gesetzgebers findet auch in der Formulierung des FernUSG ihren Niederschlag. So regelt § 8 FernUSG ein Umgehungsverbot, wonach §§ 2 bis 7 des Gesetzes auf Verträge, die darauf abzielen, die Zwecke eines Fernunterrichtsvertrages in einer anderen Rechtsform zu erreichen, entsprechende Anwendung finden. Die Kammer war daher gehalten, das Gesetz weit auszulegen (vgl. LG Berlin, Urteil vom 15. Februar 2022 – 102 O 42/21 –, Rn. 29 - 30, juris). Hiervon ausgehend war der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag als Fernunterrichtsvertrag zu qualifizieren.

c) Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Ziff. 1 FernUSG waren erfüllt. Schließlich sah das gesamte „Kurskonzept“ der Klägerin vor, dass der Lehrende und er Lernende räumlich getrennt sind, da das Coaching ausschließlich Online – mittels Video-Coaching und Lernvideos – stattfinden sollte.

Dem steht insbesondere die Rechtsmeinung der Beklagten entgegen, dass die Coachingmodule - die einen deutlichen Schwerpunkt des „Kurskonzepts“ ausmachen, trotz der Videoübertragung keinen Fall der räumlichen Trennung darstellen.

Zwar sieht die Kammer, dass Teile der (spärlichen) Literatur und Rechtsprechung zum FernUSG die Teilnahme mittels Videokonferenz nicht als Fall einer räumlichen Trennung i.S.d. § 1 FernUSG ansehen, da es auf den direkten Kontakt zwischen Lehrendem und Lernendem bei der Wissensvermittlung ankomme (vgl. VG München, Urt. v. 14.0 September 1988 - M 6 K 86.7044 - NVwZ-RR 1989, 473; Nomos-BR/Vennemann FernUSG/Michael Vennemann, 2. Aufl. 2014, FernUSG § 1 Rn. 10).

Hiergegen spricht jedoch bereits der Wortlaut des § 1 FernUSG, welcher einzig und allein auf eine räumliche Trennung zwischen Lehrenden und Lernenden abstellt. Auch das OLG Köln geht in einer Entscheidung in einer Bußgeldsache dann von einer räumlichen Trennung aus, wenn weniger als die Hälfte des Lehrgangsstoffes im herkömmlichen Nah- oder Direktunterricht vermittelt würde (OLG Köln, Beschl. v. 24. November 2006 - 81 Ss-OWi 71/06 - 210 B Rn. 10).

Auch der Gesetzesbegründung ist keine derartig weite Auslegung des Wortlauts und damit einhergehende Einschränkung des Anwendungsbereichs des FernUSG zu entnehmen. So heißt es dort hinsichtlich der überwiegenden Trennung von Lernenden und Lehrenden, dieses Merkmal grenze

„den Fernunterricht einerseits gegenüber dem herkömmlichen Unterricht ab, der sich nur ausnahmsweise eines Mediums bedient, um eine ebenfalls nur in Ausnahmefällen vorhandene, unerhebliche räumliche Trennung von Lehrer und Schüler zu überbrücken (z. B. Tonübertragung in einen anderen Unterrichtsraum oder ein anderes Gebäude), und der jedenfalls weniger als die Hälfte des gesamten Lehrstoffs einer Unterrichtseinheit ohne die genannte räumliche Trennung anbietet“ (BT-Drs. 7/4245, S. 14).

Ein Fall der räumlichen Trennung war somit auch etwa eine Tonübertragung in einen anderen Unterrichtsraum bzw. ein anderes Gebäude. Dabei ist zwar zu sehen, dass Techniken der Videokonferenz zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu erahnen waren. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass die Gesetzesbegründung auf eine räumliche Trennung im Wortsinne abstellt, ungeachtet technischer Möglichkeiten der Teilnahme am Unterricht – wenn auch nur durch Audioübertragung – aus Nebenräumen.

Dabei sieht das Gericht zwar auch, dass die Zeit augenscheinlich über das FernUSG hinweggegangen ist. Gleichzeitig ist hier – erneut – der bereits geschilderte Sinn und Zweck des FernUSG in den Blick zu nehmen. Schließlich war es insbesondere auch ein – augenscheinlich auch in der Gegenwart bedeutsames – Anliegen des Gesetzes, die teilweise mangelnde Seriosität der Fernlehrinstitute zu beheben (Fernunterrichtsschutzgesetz, Einleitung Rn. 7, beck-online).

d) Zudem sieht der streitgegenständliche Vertrag Lernerfolgskontrollen im Sinne des § 1 Nr. 2 FernUSG vor. Dabei handelt es sich um ein entscheidendes Abgrenzungsmerkmal zu reinen Selbstlernmaterialien. Lernerfolgskontrolle ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der vom BGH in seiner Entscheidung vom 15. Oktober 2009 (III ZR 310/08, NJW 2010, 608) konkretisiert wurde. Danach sind nur geringe Anforderungen an die Lernerfolgskontrolle zu stellen. Es reicht die Möglichkeit aus, dass Teilnehmende im Rahmen der von dem Anbieter z.B. organisierten Informationsveranstaltungen oder begleitenden Unterrichtsveranstaltungen Fragen stellen und anhand der Antworten ihren Lernfortschritt feststellen können, um eine Lernerfolgskontrolle zu bejahen. Für die Lernerfolgskontrolle waren dabei die Zoom-Calls mit dem Vorstand der Klägerin persönlich vorgesehen.

Hierfür ist auch gerade nicht notwendig, dass innerhalb des Gesprächs eine gezielte Wissensabfrage durch den Lernenden vorgesehen ist, beispielsweise durch vorbereitete Kontrollfragen. Es genügt bereits, dass ein persönlicher Austausch zwischen Lernendem und Lehrendem vorgesehen ist, in dessen Rahmen die Möglichkeit zu Rückfragen im Kontext der Lerninhalte besteht. Es muss davon ausgegangen werden, dass im Rahmen der Gespräche mit dem Vorstand der Klägerin auch Themen im Kontext des Coaching-Programms besprochen werden, die sich (un-)mittelbar auf Lerninhalte beziehen und in diesem Rahmen auch die Möglichkeit zu Verständnisfragen besteht. Durch den Vergleich der Antwort auf die eigenen Nachfragen können die Coaching-Teilnehmer den eigenen Wissensstand überprüfen und nachvollziehen, ob sie bestimmte Inhalte entsprechend dem Coaching-Konzept bereits im Sinne des Vorstandes der Klägerin hinreichend verstanden haben. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit einer (wenn auch nicht als solchen deklarierten) Lernerfolgskontrolle.

e) Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es für die Anwendbarkeit des FernUSG zudem weder darauf an, ob der Beklagte bei Vertragsschluss als Verbraucher oder Unternehmer gehandelt hat, noch darauf, ob er sich durch seine Aussagen als Unternehmerin gerierte (vgl. OLG Celle 3. Zivilsenat, Urteil vom 01. März 2023 - 3 U 85/22 - noch nicht rechtskräftig).

Der Wortlaut des FernUSG macht seine Anwendbarkeit nämlich an keiner Stelle von der Verbrauchereigenschaft des Lernenden abhängig. Soweit die Klägerin behauptet, dem Beklagten sei der Schutz durch das FernUSG zu verwehren, da das Gesetz dem Verbraucherschutz diene und der Beklagte sich an dem Rechtsschein halten lassen müsse, den er durch seine Aussage vor dem Vertragsschluss am 21. März 2022 gesetzt habe, verkennt die Klägerin, dass die Rechtsfolge des § 7 Abs. 1 FernUSG, die Nichtigkeit des Vertrages, ohne Geltendmachung eines Gestaltungsrecht durch die Beklagte kraft Gesetzes eintritt. Die Rechtsfolge steht nicht zur Disposition der Parteien; es fehlt damit der Anknüpfungspunkt für den Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens.

f) Zudem erfordert die Subsumtion des streitgegenständlichen Vertrages unter des FernUSG insbesondere auch nicht die Einvernahme des Herrn T. G. von der staatlichen Zulassungsstelle für Fernunterricht als sachverständigen Zeugen. Schließlich liegt die rechtliche Bewertung und Würdigung des streitgegenständlichen Vertrages in den Händen des Gerichts.

2. § 7 Abs. 1 FernUSG schreibt eine generelle Zulassungspflicht für alle Fernlehrgänge mit Ausnahme sog. Hobbylehrgänge vor, die lediglich anzeigepflichtig sind (Abs. 1 Satz 3). Die Behauptung des Beklagten, die Klägerin verfüge nicht über eine entsprechende Zulassung, wurde nicht bestritten und ist damit gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen. Auch fehlt von Klägerseite jeder Vortrag dazu, der eine Ausnahme von dem Zulassungserfordernis gem. § 12 Abs. 1 S. 2 in Betracht kommen ließe.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BMJV: Leistungsschutzrecht an Presseveröffentlichungen - Referentenentwurf eines Ersten Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts

Der Referentenentwurf eines Ersten Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts wurde veröffentlicht.

Aus dem Entwurf:

"Der Entwurf führt ein Leistungsschutzrecht an Presseveröffentlichungen nach Maßgabe des Artikels 15 DSM-RL ein. Gleichzeitig werden die neuen gesetzlichen Erlaubnisse der Artikel 3 bis 7 DSM-RL umgesetzt, die künftig auch das neue Schutzrecht des Presseverlegers beschränken. Des Weiteren ordnet der Entwurf nach Maßgabe des Artikels 16 DSM-RL zugunsten von Verlegern einen gesetzlichen Beteiligungsanspruch an bestimmten Vergütungsansprüchen von Urhebern an.

Das Leistungsschutzrecht tritt am Tag nach Verkündung des Gesetzes – zunächst erneut als nationales Schutzrecht – in Kraft, die übrigen Bestimmungen nach Maßgabe des Artikels 26 Absatz 2 DSM-RL zum 7. Juni 2021.

Im Einzelnen:

– Die §§ 87f bis 87k des Urheberrechtsgesetzes in der Entwurfsfassung (UrhG-E) beinhalten das neue Leistungsschutzrecht des Presseverlegers. Die unionsrechtliche Bestimmung des Artikels 15 DSM-RL orientiert sich zwar strukturell am bislang bestehenden deutschen Schutzrecht, unterscheidet sich hiervon aber in etlichen Details, sodass es geboten war, die Bestimmungen neu zu fassen.

– Die gesetzlichen Erlaubnisse der Artikel 3 bis 7 DSM-RL sind ausdrücklich auch auf das Schutzrecht an Presseveröffentlichungen nach Artikel 15 DSM-RL anzuwenden. Deshalb setzt dieser Entwurf auch die unionsrechtlichen Erlaubnisse für das Text und Data Mining (§§ 44b, 60d UrhG-E), für den digitalen und grenzüberschreitenden Unterricht und die Lehre (§§ 60a, 60b UrhG-E) sowie für die Erhaltung des Kulturerbes (§§ 60e, 60f UrhG-E) um. Zugleich werden die §§ 60a bis 60h UrhG entfristet.

– Die Änderungen in § 63a UrhG-E sowie in den §§ 27 bis 27b des Verwertungsgesellschaftengesetzes in der Entwurfsfassung (VGG-E) regeln die Verlegerbeteiligung neu. § 63a Absatz 3 und 4 UrhG-E beinhaltet den neuen gesetzlichen Beteiligungsanspruch des Verlegers. Er setzt voraus, dass der Urheber dem Verleger ein Recht an dem verlegten Werk eingeräumt hat. Neben dem neuen gesetzlichen Beteiligungsanspruch bleibt die Option zur nachträglichen Verlegerbeteiligung nach § 27a VGG erhalten. Ihr Fortbestand dürfte insbesondere Musikverlegern dienen, die mangels Einräumung eines Rechts an dem verlegten Werk nicht auf Grundlage des gesetzlichen Anspruchs nach § 63a UrhG-E an gesetzlichen Vergütungen beteiligt werden können. Damit dem Urheber in jedem Fall ein fairer Anteil der Vergütung verbleibt, bestimmt § 27b VGGE, dass dem Urheber hiervon mindestens zwei Drittel zustehen.

– Artikel 3 des Entwurfs regelt, dass das Leistungsschutzrecht am Tag nach der Verkündung in Kraft tritt, die übrigen Bestimmungen hingegen zum 7. Juni 2021. Das gespaltene Inkrafttreten beruht auf Artikel 26 Absatz 2 DSM-RL, der aus Gründen des Vertrauensschutzes bestimmt, dass die Richtlinie Handlungen und Rechte, die vor dem 7. Juni 2021 abgeschlossen bzw. erworben wurden, nicht berührt. Dies hindert den deutschen Gesetzgeber allerdings nicht, ein Schutzrecht des Presseverlegers – zunächst als nationales Recht – zeitnah in Kraft zu setzen."



BGH: Pflegedienst hat keinen Vergütungsanspruch wenn Pflegekräfte nicht über die in dem Pflegevertrag vorausgesetzte Qualifikation verfügen

BGH
Urteil vom 08.10.2015
III ZR 93/15
BGB § 611 Abs. 1; SGB V § 37 Abs. 1 Satz 1, § 132a Abs. 2


Ein Pflegedienst hat keinen Vergütungsanspruch, soweit die eingesetzten Pflegekräfte nicht über die in dem Pflegevertrag vorausgesetzte Qualifikation verfügten und und die sozialrechtlichen Abrechnungsgrundsätze vereinbart worden waren. Dies gilt unabhängig davon, ob die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurden.


Leitsatz des BGH:

Zum Vergütungsanspruch eines ambulanten Pflegedienstes, dessen Mitarbeiter nicht über die vertraglich vereinbarte Qualifikation verfügen.

BGH, Urteil vom 8. Oktober 2015 - III ZR 93/15 - OLG Karlsruhe - LG Karlsruhe

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Arbeitnehmererfinder hat keinen einklagbaren Anspruch auf Auskunft- und Rechnungslegung über den mit der Erfindung erzielten Umsatz

BGH
Urteil vom 17. November 2009
X ZR 137/07 -
Türinnenverstärkung
ArbEG § 9; BGB § 242 A


Leitsatz des BGH:
Dem Arbeitnehmererfinder stehen zur Vorbereitung seines Vergütungsanspruchs im Klagewege durchsetzbare Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung über den mit dem Gegenstand der Erfindung gemachten Gewinn regelmäßig nicht zu (insoweit Aufgabe von BGHZ 137, 162 - Copolyester II, Leitsatz c; Sen.Urt. v. 13.11.1997 - X ZR 6/96, GRUR 1998, 684, 688 - Spulkopf; v. 16.4.2002 - X ZR 127/99, GRUR 2002, 801, 803 - abgestuftes Getriebe).



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