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OLG Frankfurt: Bei Augenbrauenpigmentierung besteht ein gewisser künstlerischer Gestaltungsspielraum - kein Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld

OLG Frankfurt
Hinweisbeschluss vom 05.07.2022
17 U 116/21


Das OLG Frankfurt hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass bei eine kosmetischen Behandlung in Form einer Augenbrauenpigmentierung ein gewisser künstlerischer Gestaltungsspielraum besteht und bei Geschmacksabweichungen kein Anspruch auf Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Kein Mangel bei Geschmacksabweichungen über eine Augenbrauenpigmentierung

Eine Augenbrauenpigmentierung betrifft neben der reinen handwerklichen Leistung auch künstlerische Aspekte. Der Besteller hat deshalb grundsätzlich einen künstlerischen Gestaltungsspielraum des Unternehmers hinzunehmen, so dass Geschmacksabweichungen keinen Mangel begründen. Dies ist nur anders, wenn konkrete Vorgaben im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung gemacht wurden. Da derartige Vorgaben nicht feststellbar waren, hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichter Entscheidung den mit der Berufung weiterverfolgten Ansprüchen auf Schmerzensgeld und Ersatz der Kosten einer Korrekturbehandlung keinen Erfolg beigemessen.

Der Kläger unterzog sich einer kosmetischen Behandlung seiner Augenbrauen in einem Kosmetikstudio der Beklagten in Wiesbaden. Er bestätigte mit seiner Unterschrift unter anderem, dass vor der Pigmentierung das Permanent Make-up vorgezeichnet und mittels Spiegel gezeigt worden sei. Gleiches gelte für das ungefähre Farbendergebnis. Der Kläger unterzeichnete zudem einen als „Abnahme“ bezeichneten Passus, wonach er das Permanent Make-up genauestens überprüft und nach der Behandlung als einwandfrei und ordnungsgemäß beurteilt habe.

Für die Behandlung zahlte er 280 €. Einen Tag später beschwerte er sich über die zu dunkle Farbe; weitere drei Tage später verlangte er das Honorar wegen eines nicht zufriedenstellenden Behandlungsergebnisses zurück. Drei Monate später unterzog er sich einer korrigierenden Laserbehandlung an den Augenbrauen. Diese kostete 289 €.

Der Kläger verlangt nunmehr Schmerzensgeld i.H.v. 3.500 € sowie Erstattung der Kosten der Korrekturbehandlung. Er behauptet, es sei ein so genanntes Micro-Blading vereinbart worden, bei welchem die Linien der Härchen der Augenbrauen eingeschnitten und mit Farbpigmenten in die Haut eingearbeitet würden. Die vorgenommene Pigmentierung der Beklagten entstelle ihn dagegen; ihm seien „zwei schwarze Balken“ in Höhe der Augenbrauen tätowiert worden.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Auch das OLG maß der Berufung keinen Erfolg bei. Der Kläger habe weder Anspruch auf Zahlung der Kosten der Laserbehandlung noch auf Entrichtung eines Schmerzensgeldes, führte das OLG im Hinweisbeschluss aus. Der Kläger habe mit der Beklagten ausweislich der Einwilligungserklärung einen Vertrag zur Durchführung eines Permanent-Make-Ups geschlossen, nicht aber für eine Härchenzeichnung mittels Micro-Blading. Ausweislich der Erklärung habe der Kläger sich ausdrücklich mit einem Permanent Make-up einverstanden erklärt. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass die danach geschuldete Permanent Make-up-Behandlung fehlerhaft durchgeführt worden sei.

Das Werk der Beklagten sei auch nicht wegen etwaiger optischer Abweichungen mangelhaft. „Da bei einer Augenbrauenpigmentierung neben der reinen handwerklichen Leistung auch künstlerische Aspekte betroffen sind, hat der Besteller grundsätzlich einen künstlerischen Gestaltungsspielraum des Unternehmers hinzunehmen ..., so dass Geschmacksabweichungen nicht geeignet sind, einen Mangel zu begründen“, betont das OLG. Dies wäre nur anders, wenn der Besteller konkrete Vorgaben gemacht hätte. Dies könne hier nicht festgestellt werden. Der Kläger habe - so das OLG - vielmehr nicht bewiesen, „dass die auf den Lichtbildern erkennbare von der Augenbrauenlinie, der Augenform und der Dicke der Augenbrauen abweichende, zum Teil oberhalb derselben liegende, balkenförmig mit Spitzzulauf ausgeführte Tätowierung von der Absprache abweicht, die der Kläger mit der Beklagten zur Gestaltung der Augenbrauen getroffen hat“. Darüber hinaus habe der Kläger durch Unterzeichnung der Abnahmeerklärung das Werk als einwandfreien ordnungsgemäß gebilligt. Soweit der Farbton der Segmentierung als zu dunkel gerügt werde, habe der Kläger nicht dargelegt, welchen konkreten anderen Farbton er ausgewählt habe.

Der Kläger hat auf diesen Hinweisbeschluss in die Berufung zurückgenommen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 5.7.2022, Az. 17 U 116/21

(vorausgehend Landgericht Wiesbaden, Urteil vom 13.10.2021, Az. 1 O 24/21)



In Heft 5/22 der com! professional - Interview mit Rechtsanwalt Marcus Beckmann zum IT-Sicherheit und Cyberversicherungen

In Ausgabe 5/22, S.60 der Zeitschrift com! professional erschien im Rahmen des Beitrags "Elementarschutz des 21. Jahrhunderts - Die Firma für den Ernstfall absichern" von Konstantin Pfliege ein Interview mit Rechtsanwalt Marcus Beckmann zum Thema IT-Sicherheit und Cyberversicherungen.

Im kostenpflichtigen Plus-Bereich der Internet World - Statements von Rechtsanwalt Marcus Beckmann zum Thema Lieferkettengesetz

Im kostenpflichtigen Plus-Bereich der Internet World erschien ein Beitrag von Bärbel Edel mit dem Titel "Kampf gegen Ausbeutung - Neues Lieferkettengesetz: Was müssen Onlinehändler tun?" mit einigen Statements von Rechtsanwalt Marcus Beckmann zu den relevanten rechtlichen Aspekten.

LG Düsseldorf: Auch ein im Binnenschiffsregister eingetragenes Schiff wird rechtswirksam bei eBay an Höchstbietenden versteigert - MS Stadt Düsseldorf

LG Düsseldorf
Urteil vom 12.04.2022
8 O 321/20


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass auch ein im Binnenschiffsregister eingetragenes Schiff rechtswirksam bei eBay an den Höchstbietenden den versteigert wird. Vorliegend ging es um das Schiff "MS Stadt Düsseldorf" der "Weiße Flotte GmbH".

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Rheinschiff bei eBay ersteigert

Die 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (8 O 321/20) hat am 12. April 2022 entschieden, dass das Fahrgastschiff « MS Stadt Düsseldorf » wirksam über die Internetplattform eBay gekauft worden ist. Die Veräußerin hat das Schiff Zug-um-Zug gegen Zahlung von 75.050,-- € an den klagenden Ersteigerer herauszugeben. Im August 2020 hatte die Weiße Flotte GmbH das Fahrgastschiff « MS Stadt Düsseldorf », das im Binnenschiffsregister des Amtsgerichts Duisburg-Ruhrort eingetragen ist, bei eBay zum Kauf gegen Höchstgebot bis zum 29.08.2020 angeboten. Das Höchstgebot zum Ende der Auktion gab der Kläger mit 75.050,- - € ab. Die beklagte Weiße Flotte aus Düsseldorf verweigerte jedoch die Herausgabe des Schiffs. Sie meint, die eBay-Auktion sei nicht ordnungsgemäß abgelaufen. Wegen einer Sicherheitsfunktion bei eBay, die bei Geboten von über 50.000,-- € zu einer Verifizierung auffordere, hätten potentielle Bieter ihre Gebote nicht abgeben können. Ebenso wie ein Grundstück, dürfe auch ein Schiff, das im Binnenschiffsregister eingetragen sei, nicht über eBay versteigert werden. Die Versteigerung sei unwirksam, weil die Schiffshypothek über 1,4 Mio EUR bei der Artikelbeschreibung nicht angegeben worden sei.

Die 8. Zivilkammer hält die Versteigerung bei eBay für wirksam und verurteilt die beklagte Weiße Flotte GmbH zur Herausgabe. Denn der Kaufvertrag eines eingetragenen Binnenschiffes – anders als ein Grundstückskaufvertrag – könne ohne Einhaltung von Formvorschriften geschlossen werden. Der Kaufvertrag sei mit dem Kläger als Höchstbietendem zustande gekommen. Die beklagte Weiße Flotte könne sich nicht nachträglich durch eine Anfechtung wegen Irrtums, nämlich wegen der angeblich vergessenen Angabe der Schiffshypothek, von dem Vertrag lösen. Schließlich sei auch eine Störung der Auktion nicht ersichtlich. Soweit einzelne Bieter kein Gebot über 50.000,-- € abgeben konnten, beruhe dies auf einer von eBay vorgesehenen Verifizierungsfunktion.



In Heft 12/21-1/22 der com! professional - Statements von Rechtsanwalt Marcus Beckmann zum Thema Homeoffice

In Ausgabe 12/21-1/22, S. 15 ff. der Zeitschrift com! professional erschien ein Beitrag von Konstantin Pfliegel mit dem Titel "Streitfall Homeoffice - Das Büro stirbt auch mit Corona nicht aus" mit einigen Statements von Rechtsanwalt Marcus Beckmann zu den relevanten rechtlichen Aspekten.

LG München: Zur internationalen und örtlichen Zuständigkeit bei unberechtigter Sperrung eines deutschen Amazon Marketplace-Händlers durch Amazon mit Sitz in Luxemburg

LG München
Urteil vom 03.09.2021
37 O 9343/21


Das LG München hat sich mit der internationalen und örtlichen Zuständigkeit bei unberechtigter Sperrung eines deutschen Amazon Marketplace-Händlers durch Amazon mit Sitz in Luxemburg befasst.

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Das Landgericht München I ist für die geltend gemachten kartell- und wettbewerbsrechtlichen Ansprüche zwar international, nicht aber örtlich zuständig. Für den vertraglichen Erfüllungsanspruch fehlt es bereits an einer internationalen Zuständigkeit.

1. Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I für die geltend gemachten kartell- und wettbewerbsrechtlichen Ansprüche beurteilt sich vorliegend nach Maßgabe des Art. 7 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel-Ia-VO).

Die Verfügungsklägerin beruft sich unter anderem darauf, dass die Verfügungsbeklagte mit der Deaktivierung des Verkäuferkontos ihre marktbeherrschende Stellung i.S.d. §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 3 S. 1 GWB missbraucht hat bzw. als Mitbewerberin die Verfügungsklägerin im geschäftlichen Verkehr behindert hat i.S.d. §§ 3, 4 Nr. 4, 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 UWG. Damit macht sie auf eine unerlaubte Handlung i.S.d. Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO gestützte Ansprüche geltend.

a) Die Brüssel-Ia-VO ist auf das vorliegende Verfahren anwendbar, da es sich um eine Zivilsache handelt und die Verfügungsbeklagte ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat der EU, nämlich in Luxemburg, hat (vgl. Art. 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO).

b) Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten schließt das Bestehen einer Vertragsbeziehung zwischen den Parteien die Beurteilung des Klageanspruchs als deliktischen Anspruch i.S.d. Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO nicht aus. Entscheidend für die Abgrenzung des besonderen Gerichtsstands des Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO von dem besonderen Gerichtsstand des Art. 7 Nr. 1 Brüssel-Ia-VO ist vielmehr, ob ein gesetzlicher Anspruch geltend gemacht wird, der unabhängig von einem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien besteht. Dies ist dann der Fall, wenn die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der mit der Klage beanstandeten Handlung des Anspruchsgegners nicht vom Inhalt der beiderseitigen vertraglichen Rechte und Pflichten abhängt, sondern hiervon unabhängig nach Deliktsrecht zu beurteilen ist (EuGH, Urt. v. 24.11.2020 - C- 59/19, Rn. 32f. - Wikingerhof; BGH, Urteil vom 10.02.2021 - KZR 66/17, Rn. 11, juris).

c) So verhält es sich im vorliegenden Fall. Für die Kartellrechtswidrigkeit des beanstandeten Verhaltens kommt es allein darauf an, ob der Verfügungsbeklagten eine marktbeherrschende Stellung zukommt und sie diese missbräuchlich ausgenutzt hat. Auf den Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen ASE-Vertrags oder der sonstigen dem Vertragsverhältnis zugrundeliegenden Bestimmungen kommt es dagegen nicht an. Es ist deshalb im Sinne der Abgrenzungsformel des EuGH (EuGH, Urt. v. 24.11.2020 - C-59/19, Rn. 32 - Wikingerhof) zur Beurteilung der Begründetheit der Klage nicht unerlässlich, den Vertrag zwischen den Parteien auszulegen.

Zwar erfordert die nach § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 GWB stets gebotene Interessenabwägung im Einzelfall bei einer Vertragsbeziehung der Parteien auch eine Betrachtung der vertragstypischen Rechte und Pflichten und der zwischen den Parteien getroffenen Regelungen. Für die Qualifikation des Klageanspruchs als deliktischen Anspruch ist dies jedoch ohne Belang, zumal dabei Interessen nicht berücksichtigt werden dürfen, deren Durchsetzung insbesondere nach den kartellrechtlichen Wertungen rechtlich missbilligt werden (BGH, Urt. v. 10.02.2021 - KZR 66/17, Rn. 13, juris).

d) Soweit die Verfügungsbeklagte unter Berufung auf Urteile der Landgerichte Düsseldorf und Wiesbaden die Unanwendbarkeit von Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO damit begründet, dass die geltend gemachten deliktsrechtlichen Ansprüche in untrennbarem Zusammenhang mit der vertraglichen Vereinbarung der Parteien stehen (LG Wiesbaden, Urt. v. 11.02.2020 - 2 O 130/20 - Anlage HM 23, S.6), bzw. der Vertrag nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass der Anspruch entfiele (LG Düsseldorf, Urt. v. 15.07.2020 - 12 O 285/19, Anlage HM 24 S. 9) kann ihr nicht gefolgt werden. Zwar knüpft der hier geltend gemachte Anspruch insofern an das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien an, als die Verfügungsklägerin ohne den Abschluss des ASE-Vertrages nicht über die Plattform der Verfügungsbeklagten hätte verkaufen können und es somit auch nicht zu einer Deaktivierung ihres Verkäuferkontos hätte kommen können. Dies dürfte jedoch bereits mit der vom EuGH in seiner früheren Rechtsprechung noch angeführten Anknüpfung an ein Vertragsverhältnis (EuGH Urt. v. 13.03.2014 - C-548/12, Rn. 27 - Brogsitter zur Vorgängernorm Art. 5 Nr. 3 VO (EG) 44/2001 (Brüssel-I-VO)) nicht gemeint gewesen sein. Maßgeblich ist vielmehr, wie der EuGH nunmehr - den beiden angeführten Urteilen des LG Wiesbaden und LG Düsseldorf zeitlich nachgelagert - klargestellt hat (EuGH, Urt. v. 24.11.2020 - C-59/19, Rn. 32 - Wikingerhof) und wie oben bereits ausgeführt wurde, dass sich die Verfügungsklägerin in ihrer Antragsschrift auf einen Verstoß gegen das deutsche Wettbewerbsrecht beruft, das den Missbrauch einer beherrschenden Stellung unabhängig von einem Vertrag oder einer anderen freiwillig eingegangenen Verpflichtung allgemein verbietet. Der kartellrechtliche Missbrauchsanspruch kann sich aus dem Gesetz unabhängig davon ergeben, ob die Verfügungsbeklagte sich mit der Deaktivierung im Rahmen ihrer vertraglichen Befugnisse gehalten hat. Eine Auslegung des Vertrages ist für die Beurteilung dieses Anspruchs daher nicht unerlässlich.

e) Auch bei den von der Verfügungsklägerin geltend gemachten lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO, da es sich hierbei um quasi-deliktische Ansprüche im Sinne dieser Norm handelt (Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, Artikel 7 (Artikel 5 LugÜ) EuGVVO, Rn. 54). Für die Einordnung der beanstandeten Verhaltensweisen als unlauter, kommt es auf eine Auslegung des zwischen den Parteien bestehenden Vertragswerks nicht an. Die Frage, ob die Parteien Mitbewerber sind und die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin im geschäftlichen Verkehr unbillig behindert hat, bemisst sich allein nach den Vorschriften des anwendbaren Lauterkeitsrechts. Dabei ist es unschädlich, dass die aufgrund der Vertragsbeziehung gegebene Interessenlage gegebenenfalls bei der Beurteilung einer etwaigen Unbilligkeit in die Abwägung einzubeziehen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 10.02.2021 - KZR 66/17, Rn. 13, juris).

f) Die durch Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO begründete Zuständigkeit deutscher Gerichte ist nicht durch eine zwischen den Parteien geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 25 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO ausgeschlossen. Zwar haben die Parteien in Ziff. 17 des ASE-Vertrages eine Zuständigkeit der Gerichte von Luxemburg Stadt, Luxemburg, vereinbart. Diese steht der Annahme der Zuständigkeit deutscher Gerichte jedoch nicht entgegen, da sie bereits nach ihrem Wortlaut keinen ausschließlichen Gerichtsstand begründet.

2. Soweit die Verfügungsklägerin ihr Unterlassungsbegehren dagegen auf einen vertraglichen Anspruch aus dem ASE-Vertrag stützt, besteht hierfür keine internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I. Für vertragliche Ansprüche ist gem. Art. 7 Nr. 1 a) Brüssel-Ia-VO das Gericht an dem Ort zuständig, an dem die vertragliche Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Bei Dienstleistungen ist dies der Ort, an dem die Dienstleistung erbracht worden ist oder hätte erbracht werden müssen, Art. 7 Nr. 1 b) Brüssel-IA-VO. Wo im Einzelfall der mit der Dienstleistung bezweckte Erfolg eintritt, ist grundsätzlich unbeachtlich (Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 61. EL Januar 2021, VO (EG) 1215/2012 Art. 7 Rn. 124). Da die Verfügungsbeklagte ihre Dienstleistungen nach dem Parteivorbringen von ihrem Sitz in Luxemburg aus erbringt, sind die dortigen Gerichte für vertragliche Ansprüche zuständig.

Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO begründet im Falle einer Anspruchskonkurrenz auch keine Annexzuständigkeit kraft Sachzusammenhangs auch für die vertraglichen Ansprüche (EuGH, Urt. v. 27.09.1988 - C 189/87, Rn. 19 f.; BGH, Beschluss vom 10.12.2002 - X ARZ 208/02, Rn. 19, juris; OLG Bamberg, Urt. v. 24.04.2013 - 3 U 198/12, Rn. 64, juris; aA Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, Artikel 7 (Artikel 5 LugÜ) Brüssel-Ia-VO, Rn. 106 m.w.N.).

Die besonderen Zuständigkeiten der Art. 7,8 Brüssel-Ia-VO sind als Ausnahmen zur Allzuständigkeit des Wohnsitzstaates des Beklagten (Art. 4 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO) einschränkend auszulegen. Die Gerichte des nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO international zuständigen Mitgliedstaates sind daher nicht auch dafür zuständig, über die Klage unter anderen, nichtdeliktischen Gesichtspunkten entscheiden. Zwar kann dies dazu führen, dass einzelne Aspekte eines Rechtsstreits von verschiedenen Gerichten entschieden werden, doch hat der Kläger stets die Möglichkeit, seine Klage unter sämtlichen Gesichtspunkten vor das Gericht des Wohnsitzes des Beklagten zu bringen (EuGH, Urt. v. 27.09.1988 - C 189/87, Rn. 19 f.).

3. Dem Landgericht München I fehlt, soweit es vorliegend international zuständig ist, jedoch die örtliche Zuständigkeit.

a) Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO regelt neben der internationalen auch die örtliche Zuständigkeit. Ein Deliktsgerichtsstand ist dabei sowohl am Handlungs- als auch am Erfolgsort gegeben (EuGH, Urt. v. 21.05.2015 - C-352/13, Rn. 38 - CDC Hydrogene Peroxide; BGH, Urt. v. 06.11.2007 - VI ZR 34/07, Rn. 17). Dabei ist der Handlungsort der Ort des ursächlichen Geschehens, der hier angesichts des Sitzes der handelnden Verfügungsbeklagten in Luxemburg liegt. Der Erfolgsort ist der Ort, an dem sich der behauptete Schaden konkret zeigt.

b) Der Erfolgsort liegt hier - worauf die Kammer in der Verhandlung mündlich hingewiesen hat - jedenfalls in Mannheim als Sitz der Verfügungsklägerin, weil diese hier durch die Sperrung ihres Verkäuferkontos in ihrem Geschäftsbetrieb unmittelbar getroffen wird (vgl. auch EuGH, Urt. v. 21.05.2015 - C-352/13, Rn. 52 - CDC Hydrogene Peroxide). Ein Erfolgsort i.S.d. Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO ist dagegen nicht in München gegeben.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Erfolgsort i.S.d. Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO auch in München gegeben ist, ist zu berücksichtigen, dass Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO als Ausnahmeregelung autonom und eng auszulegen ist (EuGH, Urt. v. 21.05.2015 - C- 352/13, Rn. 37 CDC Hydrogene Peroxide). Zudem beruht die Zuständigkeitsregel nach ständiger Rechtsprechung des EuGH darauf, dass zwischen der Streitigkeit und den Gerichten des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses eine Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt. Bei unerlaubten Handlungen oder ihnen gleichgestellten Handlungen ist nämlich das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, insbesondere wegen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme in der Regel am besten in der Lage, den Rechtsstreit zu entscheiden. Die Ermittlung eines der Anknüpfungspunkte, die nach dieser Rechtsprechung anerkannt sind, muss es somit erlauben, die Zuständigkeit des Gerichts zu begründen, das objektiv am besten beurteilen kann, ob die Voraussetzungen für die Haftung des Beklagten vorliegen, so dass nur das Gericht zulässigerweise angerufen werden kann, in dessen Zuständigkeitsbereich der relevante Anknüpfungspunkt liegt (EuGH, Urt. v. 21.05.2015 - C-352/13, Rn. 39-41 - CDC Hydrogene Peroxide).

c) Zwar können konkrete Auswirkungen des Verhaltens der Verfügungsbeklagten auch in München auftreten. Die Verkaufsplattform der Verfügungsbeklagten AHZOn.deMarketplace richtet sich in erster Linie an Kunden auf dem deutschen Markt. Daher kann der Ausschluss von einzelnen Verkäufern, gleich welchen Sitzlandes, den Wettbewerb auf dem gesamten deutschen Endkundenmarkt, mithin auch in München, beeinträchtigen (vgl. LG München I, Urt. v. 12.05.2021 - 37 O 32/21, Rn. 55, juris).

Der Zweck des Deliktsgerichtsstands ist es nach der zitierten Rechtsprechung des EuGH jedoch, eine möglichst enge Verbindung von Gericht und Streitgegenstand herzustellen. Die Maxime des EuGH, dass das „am besten“ zur Entscheidung geeignete Gericht zur Entscheidung berufen ist, sowie der Ausnahmecharakter des Art. 7 Brüssel-Ia-VO sprechen dafür, dass trotz der durch den Verstoß möglichen Auswirkungen auf den gesamten deutschen Markt nicht alle deutschen Gerichte für den Rechtsstreit zuständig sein sollen. Zwar ist es fraglich, welche tatsächlichen Vorteile eine Verhandlung am Sitz der Verfügungsklägerin gegenüber anderen deutschen Gerichten bietet, zumal es vorliegend nicht um die Ermittlung eines bei der Verfügungsklägerin eingetretenen Schadens, sondern um die Entscheidung über einen Unterlassungsanspruch geht. Hiervon kann jedoch nicht in jedem Einzelfall die Zuständigkeit abhängen, da dies dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit und der Rechtssicherheit zuwiderliefe, die der gesamten Zuständigkeitsordnung der Brüssel-Ia-VO inhärent ist (vgl. Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 61. EL Januar 2021, VO (EG) 1215/2012 Art. 7 Rn. 138).

Eine Abweichung von der Zuständigkeit am Ort des Geschäftssitzes kommt insbesondere in Betracht, wenn die Verfügungsklägerin außerhalb der EU ansässig ist und daher innerhalb des international zuständigen Mitgliedsstaates keine besonders enge Verbindung zu einem bestimmten Gerichtsort besteht (vgl. LG München I, Urt. v. 12.05.2021 - 37 O 32/21, Rn. 55, juris). Vorliegend ist dagegen eine örtliche Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO lediglich in Mannheim begründet, da die Verfügungsklägerin ihren Sitz in Deutschland hat. Auch weist die Streitigkeit vorliegend nach dem Parteivorbringen keinen sonstigen Bezug zum örtlichen Zuständigkeitsbereich des Landgerichts München I auf.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Köln: Bei Verlängerung eines Mobilfunkvertrages mit neuem Smartphone ist Vertragsbindung über 2 Jahre hinaus zulässig

OLG Köln
Urteil vom 28.05.2021
6 U 160/20


Das OLG Köln hat entschieden, dass bei der Verlängerung eines Mobilfunkvertrages mit neuem Smartphone eine Vertragsbindung über 2 Jahre hinaus zulässig ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Mobilfunkvertrag: Vertragsbindung bei Verlängerung mit neuem Smartphone über 2 Jahre hinaus zulässig

Ein Mobilfunkvertrag kann sich bei einem vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit seitens des Kunden gewünschten Tarifwechsel mit neuem Endgerät in zulässiger Weise um weitere 24 Monate ab dem Ende der jeweiligen Vertragslaufzeit verlängern. Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln mit Urteil vom 28.05.2021 - 6 U 149/20 - entschieden und damit ein vorangegangenes Urteil des Landgerichts Bonn bestätigt.

Der klagende Verbraucherverband hatte ein bundesweit agierendes Fest- und Mobilfunknetzunternehmen wegen Unterlassung in Anspruch genommen, weil dessen Vorgehensweise bei einer vorzeitigen Tarif- und Preisänderung mit neuem Endgerät zu einer unzulässigen bindenden Laufzeit des Vertrages von mehr als zwei Jahren führen könne. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt war der ursprüngliche Mobilfunkvertrag mehrfach verlängert worden, zuletzt im September 2019 ca. 5 Monate vor Ablauf der Mindestlaufzeit. Hierbei übernahm der Sohn des ursprünglichen Kunden den Vertrag, wobei ein Tarifwechsel stattfand und ein neues Endgerät erworben wurde. In ihrem Bestätigungsschreiben zu den geänderten Vertragsdetails führte die Beklagte u.a. aus, dass sich die Mindestvertragslaufzeit ab dem ursprünglichen Ende der Laufzeit um 24 Monate verlängere. Das Landgericht Bonn hatte mit Urteil vom 01.12.2020 (Az. 11 O 31/20) den seitens des Klägers u.a. auf § 309 Nr.9a BGB gestützten Unterlassungsanspruch abgelehnt und die Klage abgewiesen.

Dieser Auffassung hat sich der Senat angeschlossen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht von einem an der Vorschrift des § 309 Nr. 9a BGB zu messenden erstmaligen Abschluss eines Mobilfunkvertrages, sondern von einer Verlängerung des ursprünglichen Vertrages auszugehen sei. Dies ergebe die Auslegung der zugrundeliegenden Vertragserklärungen, wo ausdrücklich von einer Vertragsverlängerung die Rede sei, der der Kunde zustimme. Die mit dem Tarifwechsel verbundene umfassende Änderung der Vertragsdetails ändere hieran nichts. Gegen die Annahme eines Neuabschlusses spreche insbesondere, dass die Leistungen nach der Änderung sofort wirksam wurden und die für die Zukunft vereinbarten Leistungen unmittelbar vor Ablauf des ursprünglichen Vertrages als vereinbart gelten sollten. Dieses Verständnis trage auch den Interessen der Vertragsparteien Rechnung: Zwar habe der Kunde ein Interesse, den Vertrag möglichst zeitnah zu beenden, um - ohne vertragliche Bindung - einen neuen Mobilfunkvertrag abschließen zu können, der sich an den aktuellen Konditionen orientiert. Dem stehe aber das Interesse des Unternehmens entgegen, die zulässige und vereinbarte Vertragslaufzeit einzuhalten, so dass aus seiner Sicht allein die Änderung des Vertrages mit neuen Konditionen zweckmäßig erscheine. Der Kunde erhalte somit im Gegenzug für eine verlängerte Bindung eine Änderung der Vertragskonditionen und die Möglichkeit, ein Handy zu vergünstigten Konditionen zu erwerben.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen.

Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 28.05.2021 - Az. 6 U 160/20.


OLG Nürnberg: Zur Auslegung eines Sponsoring-Vertrags zwischen Sportartikelhersteller und Vermarkter eines international bekannten Sportlers bei Vertragsverstößen

OLG Nürnberg
Urteil vom 27.06.2019
3 U 2801/19


Das OLG Nürnberg hat sich in dieser Entscheidung mit der Auslegung eines Sponsoring-Vertrags zwischen einem Sportartikelhersteller und dem Vermarkter eines international bekannten Sportlers bei Vertragsverstößen befasst.

Leitsätze des Gerichts:

1. Zur Auslegung eines englisch-sprachigen Sponsoring-Vertrags zwischen einem Sportartikelhersteller und einem Unternehmen, das über Vermarktungsrechte eines international bekannten Sportlers verfügt (im Folgenden Vermarkter).

2. Ergibt die Auslegung des Sponsoring-Vertrags, dass der Vermarkter die Pflichten des Sportlers, die Produkte des Sportartikelherstellers zu bewerben, als eigene Pflichten übernommen hat, ist der Sportler bei Vertragsverstößen regelmäßig als Erfüllungsgehilfe des Vermarkters anzusehen.

3. Sind in dem Sponsoring-Vertrag konkrete, terminbezogene Veranstaltungen aufgeführt, zu denen der Sportler die Produkte des Sportartikelherstellers bewerben soll, tritt, wenn der Sportler diese Produkte während der in der Vergangenheit liegenden Veranstaltungen nicht trug, grundsätzlich Unmöglichkeit der Leistungspflicht des Vermarkters für den abgelaufenen Zeitabschnitt ein.

4. Sind die Leistungen des Vermarkters aufgrund der vorangegangenen Kündigung des Rechtevertrags durch den Sportler für den Sportartikelhersteller ohne Interesse und völlig unbrauchbar, besteht in der Regel kein Vergütungsanspruch des Vermarkters.

5. Auch wenn die Auslegung ergibt, dass der im Sponsoring-Vertrag geregelte Anspruch des Sportartikelherstellers auf Zahlung von pauschaliertem Schadensersatz in einem synallagmatischen Verhältnis zum Vergütungsanspruch des Vermarkters steht, führt die Geltendmachung des pauschalierten Schadensersatzes nicht stets dazu, dass der Vermarkter dem Schadensersatzanspruch ohne weiteres seine Vergütungsansprüche entgegensetzen kann.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Detmold: Vertrag bei unberechtigter Datenweitergabe unter Verstoß gegen Vorgaben von DSGVO / BDSG nicht nach § 134 BGB nichtig

LG Detmold
Urteil vom 06.03.2020
01 O 392/18


Das LG Detmold hat entschieden, dass ein Vertrag bei unberechtigter Datenweitergabe unter Verstoß gegen die Vorgaben von DSGVO bzw. BDSG nicht nach § 134 BGB nichtig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Verträge sind auch nicht nach § 134 BGB nichtig, selbst für den Fall, dass eine unberechtigte Datenweitergabe durch die Klägerin erfolgte. Unterstellt, es läge ein Verstoß gegen das BDSG bzw. die DSGVO vor, so wären die Voraussetzungen des § 134 BGB nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich dabei nämlich nicht um ein Verbotsgesetz iSv § 134 BGB. Daran habe sich auch mit dem Inkrafttreten der DSGVO nichts geändert (BGH NJW 2011, 3024; Vossler, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.10.2019, § 134, Rn. 344).

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Hamm: Werbevertrag mit nordrhein-westfälischer Großstadt ist kein Scheingeschäft

OLG Hamm
Urteil vom 25.09.2020
12 U 91/18


Die Pressemitteilung des Gerichts:

Werbevertrag mit nordrhein-westfälischer Großstadt ist kein Scheingeschäft

Der Werbevertrag einer nordrhein-westfälischen Großstadt mit einem Bochumer Unternehmen stellt kein Scheingeschäft dar. Dies hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm heute entschieden.

Die klagende Großstadt aus Nordrhein-Westfalen schloss mit der Beklagten, die ihren Sitz in Bochum hat und sich mit der Überlassung von gesponserten Kraftfahrzeugen an Leistungssportler und Funktionäre befasst, im Jahr 2004 einen mit “Werbevertrag“ überschriebenen Vertrag.

Mit diesem Vertrag verpflichtete sich die Beklagte, alle über die Kfz-Zulassungsstelle der klagenden Großstadt zugelassenen Kraftfahrzeuge mit einem 30 cm x 5 cm großen Werbeaufkleber der klagenden Großstadt, den diese zur Verfügung stellen sollte, zu versehen. Die Beklagte sollte für jedes während der Vertragslaufzeit über die Kfz-Zulassungsstelle der Beklagten zugelassene Kfz, das mit einem entsprechenden Werbeaufkleber versehen worden ist, 8,70 Euro netto erhalten. Die Beklagte ließ bis Anfang des Jahres 2016 Fahrzeuge über die Kfz-Zulassungsstelle der Klägerin zu.

Die klagende Großstadt verlangt in dem vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten die Rückzahlung von in den Jahren 2013, 2014 und 2015 nach diesem Werbevertrag geflossenen Zahlungen von insgesamt gut 225.000 €. Ihre Forderung begründet sie damit, dass die Beklagte die von ihr zugesagten und in diesen Jahren abgerechneten Werbeleistungen nicht erbracht habe, weil die Werbeaufkleber auf den zugelassenen Fahrzeugen nicht angebracht worden seien.

Dagegen hat sich die Beklagte auf den Standpunkt gestellt, der Werbevertrag sei nur der Form halber aufgesetzt worden, um die Zahlungen an sie als Kostenposition haushaltsmäßig besser darstellen zu können.

Die klagende Großstadt habe vom hohen Wiedererkennungswert der typischen Nummernschilder für die Stadt profitieren wollen und auch ein Interesse gehabt, die Einnahmen aus den Zulassungskosten von etwa 26,00 € pro Fahrzeug, insgesamt also bis zu einer Viertelmillionen Euro pro Jahr, zu erhalten. Die Aufkleber seien nur eine zusätzliche Idee gewesen, um die Leistungspflicht der Beklagten nach außen und für den schriftlichen Vertrag etwas handfester und griffiger definieren zu können. Allein aus der Tatsache, dass die Klägerin über viele Jahre hinweg Quartal für Quartal Rechnungen in jeweils vier- bis fünfstelliger Höhe erhalten und anstandslos bezahlt habe, obwohl sie gewusst habe, keine weiteren Aufkleber mehr geliefert zu haben, ergebe sich, dass die Aufkleber von untergeordneter Bedeutung gewesen seien und die klagende Großstadt stets davon ausgegangen sei, die Beklagte habe lediglich die Pflicht gehabt, die Fahrzeuge in der Großstadt zuzulassen.

Das Landgericht Bochum hat die zunächst nur auf die Zahlungen für die Jahre 2013 und 2014 gerichtete Klage mit Urteil vom 06.06.2018 abgewiesen (Az. I-13 O 13/17). Zur Begründung hat es ausgeführt, der “Werbevertrag“ aus dem Jahr 2004 habe nicht den tatsächlich getroffenen Vertragsabsprachen entsprochen. Insbesondere sei die Regelung zur Anbringung der Werbeaufkleber – wie sich aus den Aussagen von vernommenen Zeugen ergebe – nur zum Schein getroffen worden, um eine nach dem Gebührenrecht unzulässige Reduzierung der gesetzlich bundesweit vorgeschriebenen Zulassungsgebühren zu verschleiern.

Die Berufung der klagenden Großstadt gegen dieses Urteil hatte ganz überwiegend Erfolg. Die Großstadt könne – so der Senat – die Rückzahlung von insgesamt gut 225.000 € für die Jahre 2013 bis 2015 verlangen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts handele es sich bei dem “Werbevertrag“ aus dem Jahr 2004 nicht um ein zum Schein abgeschlossenes Geschäft.

Dass die Vereinbarung „Vergütung gegen Aufkleber“ nicht dem wirklichen Willen der Parteien entsprochen habe, sei insbesondere den Aussagen der bereits vom Landgericht vernommenen Zeugen nicht zu entnehmen. Vielmehr spreche unter anderem die Bestellung von 13.200 Aufklebern zu Beginn des Vertragsverhältnisses eher dafür, dass der abgeschlossene “Werbevertrag“ – jedenfalls zunächst – tatsächlich gelebt worden sei. Dass das Anbringen der Aufkleber später eingestellt worden oder eingeschlafen sei, lasse keinen Rückschluss auf den Willen der Parteien bei Abschluss des Vertrags zu.

Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Abschluss des “Werbevertrags“ gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen habe oder sittenwidrig sei. Insbesondere ein zur Unwirksamkeit des Werbevertrags führendes gesetzliches Verbot, Zulassungsgebühren nicht unterhalb der in der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr festgesetzten Gebühren zu erheben, sei nicht zu erkennen. Soweit sich bei einer wirtschaftlichen Betrachtung eine geringere Zahlungspflicht der Beklagten ergeben habe, sei es den Parteien zwar offensichtlich darum gegangen, der Beklagten einen finanziellen Anreiz zu schaffen, ihre Fahrzeuge bei der Klägerin zuzulassen. Dieser Anreiz sei aber über den Werbevertrag geschaffen worden, dessen Inhalt an sich nicht gegen die grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung verstoße und dessen (indirekte) Koppelung an die Zulassung nicht im krassen Widerspruch zum Gemeinwohl stehe. Der klagenden Großstadt seien die Zulassungsgebühren im gesetzlich festgesetzten Umfang zugekommen und der gezahlten Vergütung habe nach dem Vertrag eine (Werbe-)Leistung gegenübergestanden.

Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25.09.2020 (Az. 12 U 91/18, OLG Hamm)


Volltext BGH liegt vor: Zulässige Klausel in AGB zur automatischen Verlängerung eines Makleralleinauftrags

BGH
Urteil vom 28.05.2020
I ZR 40/19
BGB § 305 Abs. 2, § 307 Abs. 1 Satz 1, § 652 Abs. 1 Satz 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Zulässige Klausel in AGB zur automatischen Verlängerung eines auf 6 Monate Vertrages um je 3 Monate wenn nicht innerhalb einer Frist von 4 Wochen gekündigt wird" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Ein einfacher Makleralleinauftrag, mit dem sich der Makler zum Tätigwerden verpflichtet und durch den der Maklerkunde auf sein Recht verzichtet, einen weiteren Makler mit der Suche nach geeigneten Vertragspartnern zu beauftragen, kann grundsätzlich wirksam unter Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschlossen werden.

b) Bei einem einfachen Makleralleinauftrag kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine an dem Zeitbedarf für eine erfolgversprechende Tätigkeit orientierte Mindestlaufzeit vereinbart werden. Eine Bindungsfrist von sechs Monaten ist für einem Immobilienmakler erteilte Alleinaufträge regelmäßig angemessen.

c) Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene automatische Verlängerung der zunächst auf sechs Monate vereinbarten Vertragslaufzeit eines einfachen Makleralleinauftrags um jeweils drei Monate bei unterbliebener Kündigung des Maklerkunden ist grundsätzlich unbedenklich und nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

d) Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene vierwöchige Frist zur Kündigung eines einfachen Makleralleinauftrags benachteiligt den Maklerkunden bei Vereinbarung einer ersten Vertragslaufzeit von sechs Monaten und automatischen Verlängerungen des Vertrags um jeweils drei Monate nicht unangemessen.

e) Sehen Allgemeine Geschäftsbedingungen die automatische Verlängerung eines einfachen Makleralleinauftrags für den Fall einer unterbliebenen Kündigung vor und wird die Länge der Kündigungsfrist in weiteren allgemeinen Regelungen bestimmt, auf die der Verwender in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ausdrücklich hinweist und die deshalb nicht wirksam in das Regelungswerk einbezogen sind, ist die Verlängerungsklausel insgesamt unwirksam.

BGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - I ZR 40/19 - OLG Stuttgart - LG Stuttgart

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Zulässige Klausel in AGB zur automatischen Verlängerung eines auf 6 Monate Vertrages um je 3 Monate wenn nicht innerhalb einer Frist von 4 Wochen gekündigt wird

BGH
Urteil vom 28.05.2020
I ZR 40/19


Der BGH hat entschieden, das eine Klausel zur automatischen Verlängerung eines auf 6 Monate befristeten Makler-Alleinauftrags um je 3 Monate, wenn nicht innerhalb einer Frist von 4 Wochen gekündigt wird, zulässig und wirksam ist.

Die Pressemitteilung des BGH:

Zur Wirksamkeit einer Klausel zur automatischen Verlängerung eines Makler-Alleinauftrags

Der unter anderem für das Maklerrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass einem Immobilienmakler in Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich ein auf sechs Monate befristeter Makleralleinauftrag erteilt werden kann, der sich automatisch um jeweils drei weitere Monate verlängert, wenn er nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen gekündigt wird.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist als Maklerin tätig. Die Beklagte wollte ihre Eigentumswohnung verkaufen und schloss mit der Klägerin eine als "Alleinverkaufsauftrag" bezeichnete Vereinbarung. Nach dem von der Klägerin vorformulierten Vertragsdokument war der Auftrag zunächst auf sechs Monate befristet und sollte sich jeweils um weitere drei Monate verlängern, falls er nicht gekündigt wird. In dem Alleinverkaufsauftrag wird um Beachtung von "Informationen für den Verbraucher" gebeten. Dabei handelt es sich um drei von der Klägerin ebenfalls vorformulierte Anlagen. In einer dieser Anlagen heißt es unter anderem: "Der Vertrag verlängert sich automatisch, wenn er nicht von einer Partei unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen gekündigt wird." Nach dem Alleinverkaufsauftrag sollte die Klägerin von der Beklagten beim Verkauf der Wohnung eine Provision erhalten und auch von dem Erwerber der Wohnung eine Provision fordern dürfen.

Die Beklagte kündigte die Maklervereinbarung mit der Klägerin nicht und beauftragte kurz vor Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von sechs Monaten einen anderen Makler. Dieser wies der Beklagten eine Käuferin nach, an die die Beklagte ihre Eigentumswohnung verkaufte. Dieser Makler erhielt sowohl von der Beklagten als auch von der Käuferin eine Provision.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz in Höhe der ihr entgangenen Provisionen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die Maklervereinbarung der Parteien sei vor dem Verkauf der Eigentumswohnung ausgelaufen, weil sich ihre Laufzeit nicht automatisch verlängert habe. Die entsprechende Klausel in der vorformulierten Vereinbarung sei unwirksam, weil sie den Auftraggeber eines Makleralleinauftrags im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteilige.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt:

Ein Makleralleinauftrag, mit dem sich der Makler zum Tätigwerden verpflichtet und durch den der Maklerkunde auf sein Recht verzichtet, einen weiteren Makler mit der Suche nach geeigneten Vertragspartnern zu beauftragen, kann grundsätzlich wirksam unter Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschlossen werden. Bei einem solchen Makleralleinauftrag kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch eine an dem Zeitbedarf für eine erfolgversprechende Tätigkeit orientierte Mindestlaufzeit vereinbart werden; für den einem Immobilienmakler erteilten Alleinauftrag ist eine Bindungsfrist von sechs Monaten regelmäßig angemessen. Auch eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene automatische Verlängerung der zunächst auf sechs Monate vereinbarten Vertragslaufzeit eines Makleralleinauftrags um jeweils drei Monate bei unterbliebener Kündigung ist grundsätzlich unbedenklich und - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Schließlich wird ein Maklerkunde bei Vereinbarung einer ersten Vertragslaufzeit von sechs Monaten und von automatischen Verlängerungen um jeweils drei Monaten durch eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene vierwöchige Frist zur Kündigung des einfachen Makleralleinauftrags nicht unangemessen benachteiligt.

Im Streitfall ist die Regelung über die automatische Verlängerung des Maklervertrags bei unterbliebener Kündigung allerdings deshalb unwirksam, weil sich das Erfordernis der Einhaltung einer Kündigungsfrist von vier Wochen lediglich aus einer der Anlagen zum Formularvertrag ergibt. Aus dem Hinweis im Formularvertrag, die Anlagen zum Vertrag mit "Informationen für Verbraucher" seien zu "beachten", ergibt sich entgegen § 305 Abs. 2 BGB nicht ausdrücklich, dass diese Anlagen auch Regelungen zum Vertragsinhalt enthalten. Die Regelung zur Einhaltung einer vierwöchigen Kündigungsfrist ist daher nicht Bestandteil des Vertrags. Da die Verlängerungsklausel nach dem Willen der Klägerin zusammen mit der Regelung der Kündigungsfrist gelten sollte, ist die Verlängerungsklausel damit insgesamt unwirksam.

Danach ist der mit der Klage geltend gemachte Schadensersatzanspruch unbegründet. Die Beklagte hat zwar gegen ihre vertraglichen Pflichten verstoßen, weil sie noch vor Ende der vereinbarten sechsmonatigen Laufzeit des der Klägerin erteilten Alleinauftrags einen anderen Makler beauftragt hat. Da sich die spätere Käuferin nach Ablauf der Mindestlaufzeit des von der Beklagten mit der Klägerin geschlossenen Vertrags auch bei der Klägerin als Interessentin gemeldet hatte, war ferner davon auszugehen, dass die Klägerin sowohl von der Beklagten als auch von der Käuferin eine Provision erhalten hätte, wenn sich der Makleralleinauftrag verlängert und die Beklagte keinen anderen Makler beauftragt hätte. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus §§ 252, 280 BGB auf Schadensersatz in Höhe der ihr entgangenen Provision besteht aber nicht, weil sich der Vertrag wegen der Unwirksamkeit der Verlängerungsklausel nicht verlängert hat.

Vorinstanzen:

LG Stuttgart - Urteil vom 22. Juni 2018 - 30 O 19/18

OLG Stuttgart - Urteil vom 6. Februar 2019 - 3 U 146/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 252 BGB:

Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB:

Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen.

§ 305 Abs. 2 BGB:

Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss

1.die andere Vertragspartei ausdrücklich … auf sie hinweist und

2.der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise … von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,

und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.

§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB:

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.



EuGH: Beruft sich Verbraucher auf Missbräuchlichkeit bestimmter Vertragsklauseln muss das Gericht von sich aus auch weitere Klauseln des Vertrags die den Streitgegenstand betreffen prüfen

EuGH
Urteil vom 11.03.2020
C-511/17
Györgyné Lintner / UniCredit Bank Hungary Zrt.

Der EuGH hat entschieden, dass in Rechtsstreitigeiten, in denen sich ein Verbraucher auf Missbräuchlichkeit bestimmter Vertragsklauseln beruft, das Gericht von sich aus auch weitere Klauseln des Vertrages, die den Streitgegenstand betreffen, prüfen


Die Pressemitteilung des EuGH:

Ein Gericht, vor dem ein Verbraucher die Missbräuchlichkeit bestimmter Vertragsklauseln geltend macht, muss von sich aus weitere Klauseln des Vertrags prüfen, soweit sie mit dem Streitgegenstand des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zusammenhängen

Es hat gegebenenfalls Untersuchungsmaßnahmen zu ergreifen, um sich die für diese Prüfung erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen zu verschaffen.

Im Dezember 2007 schloss Frau Györgyné Lintner mit der UniCredit Bank Hungary, einer ungarischen Bank, einen auf eine Fremdwährung lautenden Hypothekendarlehensvertrag. Dieser Vertrag enthält bestimmte Klauseln, die der UniCredit Bank das Recht einräumen, den Vertrag später zu ändern. In der Folge erhob Frau Lintner vor den ungarischen Gerichten eine Klage, um
diese Klauseln gemäß der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln rückwirkend für unwirksam erklären zu lassen. Nach dieser Richtlinie sind missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Verbraucher mit einem Gewerbetreibenden geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich. Im Jahr 2014 erließ der ungarische Gesetzgeber Rechtsvorschriften über die Feststellung der Missbräuchlichkeit von Klauseln, die den Banken das Recht einräumen, Verbraucherdarlehensverträge einseitig zu ändern, sowie über die Konsequenzen, die aus der Missbräuchlichkeit dieser Klauseln zu ziehen sind. Die ungarischen Gerichte müssen daher nicht mehr über die Vereinbarkeit dieser Klauseln mit der Richtlinie entscheiden.

Das Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtisches Stuhlgericht, Ungarn), bei dem die Klage von Frau Lintner anhängig ist, fragt sich jedoch, ob es im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht von sich aus darüber befinden muss, ob bestimmte andere Klauseln des streitigen Darlehensvertrags, gegen die sich die Klage nicht richtet, mit der Richtlinie vereinbar sind. Diese anderen Klauseln betreffen im vorliegenden Fall die notarielle Beurkundung, die Kündigungsgründe und bestimmte vom Verbraucher zu tragende Kosten. Nach Ansicht dieses Gerichts ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass das nationale Gericht in Rechtsstreitigkeiten über Verbraucherverträge von Amts wegen, d. h. von sich aus, die Missbräuchlichkeit der Klauseln in diesen Verträgen prüfen muss, wenn es über die dazu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt.

Unter diesen Umständen möchte das Fővárosi Törvényszék vom Gerichtshof wissen, ob es nach der Richtlinie von Amts wegen die Missbräuchlichkeit aller Klauseln des streitigen Darlehensvertrags prüfen muss, auch wenn zum einen der Verbraucher in seiner Klage ihre Vereinbarkeit mit der Richtlinie nicht in Frage gestellt hat und zum anderen ihre Prüfung nicht erforderlich ist, um über diese Klage zu entscheiden.

In seinem Urteil von heute stellt der Gerichtshof klar, dass das Gericht, bei dem ein Verbraucher die Missbräuchlichkeit bestimmter Klauseln in einem mit einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrag geltend macht, nicht verpflichtet ist, von Amts wegen gesondert die etwaige Missbräuchlichkeit aller anderen Klauseln dieses Vertrags, die der Verbraucher nicht angefochten hat, zu prüfen.Allerdings muss es eine solche Prüfung bezüglich derjenigen Klauseln (auch wenn sie vom Verbraucher nicht angefochten worden sind) durchführen, die mit dem Streitgegenstand, wie er von den Parteien abgegrenzt wurde, zusammenhängen, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt. Wenn die ihm vorliegende Akte ernsthafte Zweifel hinsichtlich der Missbräuchlichkeit solcher Klauseln aufkommen lässt, muss das Gericht die Akte ergänzen, indem es die Parteien um die hierzu erforderlichen Klarstellungen und Unterlagen ersucht.

Hingegen hat das Gericht nach der Richtlinie nicht von Amts wegen die etwaige Missbräuchlichkeit anderer, nicht mit dem Streitgegenstand zusammenhängender Klauseln zu prüfen, da andernfalls die Grenzen des Streitgegenstands, wie er von den Parteien in ihren Anträgen bestimmt wurde, überschritten würden.

Der Gerichtshof weist im Übrigen darauf hin, dass es den Mitgliedstaaten weiterhin frei steht, in ihrem nationalen Recht ein höheres Schutzniveau für Verbraucher vorzusehen, indem sie eine weiter gehende Überprüfung von Amts wegen als diejenige vorsehen, die nach der Richtlinie durchzuführen ist.

Was die Folgen dieser Feststellungen für den vorliegenden Fall betrifft, weist der Gerichtshof darauf hin, dass das Fővárosi Törvényszék davon auszugehen scheint, dass die Klauseln, bezüglich deren es sich an den Gerichtshof gewandt hat, nicht mit dem Gegenstand der von Frau Lintner ursprünglich erhobenen Klage zusammenhängen. Mit dieser Klage wollte Frau Lintner die Unwirksamkeit derjenigen Klauseln feststellen lassen, die ihrer Bank die spätere Änderung ihres Darlehensvertrags gestatten. Folglich scheint dieses Gericht nach der Richtlinie nicht verpflichtet zu sein, von Amts wegen die Missbräuchlichkeit ersterer Klauseln zu prüfen.

Der Gerichtshof weist schließlich darauf hin, dass das nationale Gericht, das um Prüfung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel ersucht wird, alle anderen Klauseln des betreffenden Vertrags berücksichtigen muss, wenn es für diese Prüfung erforderlich ist, die kumulative Wirkung dieser Klauseln zu beurteilen. Daraus folgt jedoch, wie der Gerichtshof betont, nicht, dass das nationale Gericht verpflichtet ist, bei der Beurteilung der Ungültigkeit der Klausel, gegen die sich die Klage des Verbrauchers richtet, von Amts wegen alle diese anderen Klauseln eigenständig auf ihre etwaige Missbräuchlichkeit zu prüfen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




LG Osnabrück: Schadensersatz von 3,25 Mio EURO gegen Hersteller von angeblichem "Wasser-Diesel"

LG Osnabrück
Urteil vom 29.04.2019
18 O 5/17


Das LG Osnabrück hat den Hersteller von angeblichem "Wasser-Diesel" sowie ehemalige und aktuelle Geschäftsführer zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von rund 3,25 Mio EURO verurteilt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Landgericht Osnabrück verurteilt Hersteller von angeblichem „Wasser-Diesel“ zu Schadensersatz

Ein nicht alltägliches Verfahren hat schon vor einigen Monaten das Landgericht Osnabrück abschließen können. Mit Urteil vom 29. April 2019 (Az. 18 O 5/17) verurteilte die 5. Kammer für Handelssachen ein Unternehmen aus Papenburg und zwei ehemalige bzw. aktuelle Geschäftsführer des Unternehmens aus Leer und Papenburg zur Leistung von rund 3,25 Mio. Euro Schadensersatz.

Vorausgegangen war ein mehrjähriges Verfahren. Geklagt hatte ein Unternehmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, hinter dem chinesische Investoren standen. Diese Investoren waren spätestens Anfang 2013 mit dem beklagten Unternehmen aus Papenburg und seinen beiden Geschäftsführern in Kontakt gekommen. Das beklagte Unternehmen warb zu diesem Zeitpunkt damit, mit einem sogenannten „EGM Bounding System“ gewöhnlichen Diesel durch mechanische und chemische Bearbeitung dergestalt mit Wasser verbinden zu können, dass sich beides untrennbar verbinde. Entstehen sollte dadurch ein Wasser-Diesel-Gemisch, das annähernd den doppelten Energiegehalt wie der ursprüngliche Diesel aufweisen sollte, obgleich nur Wasser hinzugefügt wurde.

Die chinesischen Investoren waren zunächst von dieser Technologie überzeugt. Sie kamen deshalb im weiteren Verlauf des Jahres 2019 mit dem Unternehmen aus Papenburg überein, gemeinsam eine kommerzielle Anlage für die neuartige Technologie in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu bauen. Zu diesem Zweck gründeten sie das Gemeinschaftsunternehmen, das später die Klage erheben sollte. Im Laufe des Jahres 2013 überwiesen die chinesischen Investoren dann auf Rechnung des noch in Gründung befindlichen Gemeinschaftsunternehmens insgesamt rund 3,25 Mio. Euro nach Papenburg. Im Gegenzug wurde ihnen eine Beteiligung an einer angeblich bereits in den Vereinigten Arabischen Emiraten betriebenen Anlage zur Erzeugung des neuartigen Wasser-Diesels eingeräumt. Zudem wurde versprochen, elf weitere Anlagen von Papenburg dorthin zu liefern.

Im April 2014 bestätigte das Papenburger Unternehmen dann, dass die elf Anlagen zur Verschiffung bereitstünden. Kurz darauf, im Mai 2014, kam es jedoch zum Bruch zwischen den Parteien und die Klägerin, das nun gegründete Gemeinschaftsunternehmen, forderte die Rückzahlung der von den chinesischen Investoren vorgestreckten Gelder. Als die geforderte Rückzahlung ausblieb, erhob das Gemeinschaftsunternehmen schließlich im Jahr 2017 vor dem Landgericht Osnabrück Klage gegen das Papenburger Unternehmen und seine beiden Geschäftsführer.

In dem Verfahren machte die Klägerin geltend, die vermeintliche Technologie zur Dieselvermehrung durch Beigabe von Wasser - die nach Angaben der Beklagten von einem russischen Bauingenieur und einem aus Sibirien stammenden Oberarzt entwickelt worden sei - funktioniere nicht. Es habe auch nie einen überprüfbaren Beleg für die Funktionsfähigkeit der Technologie gegeben. Dennoch hätten das Papenburger Unternehmen und seine Geschäftsführer in betrügerischer Absicht mit der Vermarktung der vermeintlichen Wundertechnik begonnen. Sie hätten so über mehrere Jahre, auch schon vor dem Jahr 2013, die chinesischen Investoren und andere Geldgeber umworben. Konkret sei versprochen worden, man könne jederzeit eine Anlage aufbauen, die im kommerziellen Stil aus 1l Wasser und 1l Diesel durch Verbindung beider Komponenten 1,7l eines neuartigen Diesels erzeugen könne. Dieser habe denselben Energiegehalt wie gewöhnlicher Diesel, sodass es rein durch Wasserzugabe und mechanische Bearbeitung zu einer Energiemehrung um 70% komme. All dies sei jedoch gelogen gewesen. Die in die Vereinigten Arabischen Emirate gelieferte Anlage sei überdies mangelhaft und weise laufend Schäden auf. Die Beklagten seien daher verpflichtet, die erhaltenen knapp 3,25 Mio. Euro zurückzuzahlen.

Die Beklagten lehnten eine Zahlung dagegen ab. Sie machten geltend, die Klage sei aus diversen rechtlichen Gründen schon unzulässig. U.a. fehle es an einer Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Konkrete Versprechen zum Wirkungsgrad der neuen Technologie und der Leistungsfähigkeit habe man außerdem nie abgegeben. Tatsache sei aber gleichwohl, dass die Technologie funktionsfähig sei und man mit ihr sehr wohl aus 1l Wasser und 1l Diesel etwa 1,7l bis 1,8l Output-Diesel erzeugen könne. Die Anlage in den Vereinigten Arabischen Emiraten laufe nach ihrer Kenntnis auch störungsfrei.

Das Landgericht Osnabrück sah sich als zuständig an und beauftragte schließlich einen Sachverständigen damit, die Funktionsfähigkeit der angeblichen Dieselvermehrungstechnologie zu prüfen. Als daraufhin das beklagte Papenburger Unternehmen Standorte seiner Anlagen zur Prüfung nennen sollte, machte es zunächst geltend, die entwickelte Anlage sei für Diesel und Wasser in den Vereinigten Arabischen Emiraten optimiert. Sie könne nur getestet werden, wenn man je 200.000l Diesel und Wasser von dort importiere.

Schließlich teilten die Beklagten dann mit, in einem Container seien Komponenten für elf weitere Anlagen gelagert. Diese sollte der Sachverständige nun auf Vorgabe durch das Gericht prüfen. Der Sachverständige konnte im Jahr 2018 letztlich den Container - der zwischenzeitlich durch die Polizei im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gegen die beklagten beschlagnahmt worden war - mithilfe der Polizei öffnen. Darin fand er diverse Metallkomponenten vor. Aus seiner Sicht konnten diese jedoch, auch unter Berücksichtigung der Planungsunterlagen des Papenburger Unternehmens, die zwischenzeitlich von Polizei und Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden waren, keinesfalls zu einer funktionsfähigen Anlage zusammengesetzt werden. Erst recht konnten sie nach seinen Feststellungen nicht Grundlage einer Diesel-Vermehrung sein.

Auf Grundlage dieser Angaben verurteilte das Landgericht Osnabrück das beklagte Papenburger Unternehmen und seine beiden Geschäftsführer wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und Betruges zur Erstattung der erhaltenen 3,25 Mio. Euro. Alle drei hätten immer wieder, auch im Prozess, behauptet, die Wasser-Diesel-Technologie sei grundsätzlich funktionstüchtig und könne eine Energievermehrung von Diesel bewirken. Sie hätten jedoch trotz mehrfacher Aufforderung keinerlei funktionsfähige Anlage oder andere Belege hierfür vorweisen können. Der Sachverständige habe sehr eindeutig dargelegt, dass sich aus den ihm präsentierten Teilen aus dem Container keine funktionsfähige Anlage, gar mit den versprochenen Eigenschaften, zusammensetzen lasse. Dem hätten die Beklagten nichts Substantielles entgegenzusetzen gehabt. Dies lasse keinen anderen Schluss zu, als dass die angebliche Technologie nicht funktioniere und dies den Beklagten von Beginn an bewusst gewesen sei. Ihre gegenteiligen Aussagen seien daher als bewusste Täuschung anzusehen, um Investoren anzulocken.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Berufung ist vor dem Oberlandesgericht Oldenburg unter dem Az. 8 U 120/19 anhängig.



OLG Frankfurt: Wirksame Kündigung eines Kooperationsvertrags wegen unberechtigter Rechnungskürzungen und Auslistungen - Alnatura gegen DM

OLG Frankfurt
Urteil vom 13.02.2019
12 U 13/17


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Kündigung des Kooperationsvertrags zwischen Alnatura und der Drogeriemarktkette DM durch Allnatura wegen unberechtigter Rechnungskürzungen und Auslistungen rechtmäßig war.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Kooperationsvertrag wirksam beendet

Der Kooperationsvertrag zwischen einer Drogeriemarktkette und ihrer früheren Lieferantin ist wirksam außerordentlich von der Lieferantin gekündigt worden. Rechnungskürzungen, Rückforderungsandrohungen sowie die Auslistung ihrer Produkte seitens der Klägerin hätten ein Festhalten an dem Vertrag unzumutbar gemacht. Der Drogeriekette muss zudem unberechtigt gekürzte Rechnungsbeträge an die Lieferantin nachzahlen, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute verkündetem Urteil.

Die Klägerin ist ein Drogerie- und Einzelhandelsunternehmen; die Beklagte ein Bio-Lebensmittelunternehmen. Vertreter beider Parteien entwickelten die Idee, Bioprodukte zu vertreiben und schlossen 1987 einen Kooperationsvertrag ab. Sein Ziel war die langfristige Zusammenarbeit zur Schaffung eines „niveauvollen Angebots an naturbelassenen Produkten“. Die Beklagte verpflichtete sich, die Produkte exklusiv für die Klägerin zu beschaffen und für ihre Qualitätssicherung zu sorgen; die Klägerin verpflichtete sich zum Vertrieb dieser Produkte in ihrem bereits vorhandenen Filialnetz. Die Vergütung der Beklagten sollte zumindest zunächst auf Basis kostenorientierter Festbeträge erfolgen. Langfristig sollte die Beklagte die Stellung einer Zwischenhändlerin einnehmen.

Die Beklagte stellte 1990 ihre Abrechnungsweise gegenüber der Klägerin von der kostenbasierten Abrechnung auf eine Abrechnung auf Basis eigener Preislisten um. Diese Preislisten waren nachfolgend Grundlage der Bestellungen der Klägerin.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass dauerhaft der ursprüngliche kostenbasierte Abrechnungsmodus habe gelten sollen. Die Beklagte habe über ihre Preislisten dagegen weit überteuerte Preise abgerechnet. Ab Sommer 2014 kürzte die Klägerin deshalb die Lieferantenrechnungen der Beklagten. Zudem kündigte sie im November 2014 an, Produkte einer eigenen biologischen Lebensmittelmarke in ihren Märkten anzubieten. Die Beklagte kündigte am 18.11.2014 ihrerseits den Kooperationsvertrag außerordentlich u.a. im Hinblick auf offene Lieferantenrechnungen in Höhe von fast 2 Mio. €. Nachfolgend listete die Klägerin den weit überwiegenden Anteil der von der Beklagten gelieferten Artikel in ihren Märkten aus. Die Beklagte wiederum wandte sich ebenfalls anderen Vertragspartnern zu.

Mit ihrer beim Landgericht Darmstadt eingereichten Klage begehrte die Klägerin u. a. Rückzahlung zu viel gezahlten Warenentgelts sowie die Feststellung, dass der Kooperationsvertrag nicht wirksam gekündigt worden sei. Die Beklagte nahm widerklagend die Klägerin auf Zahlung der seit Sommer 2014 von der Klägerin einbehaltenen offene Rechnungsbeträge in Höhe von über 2 Millionen € in Anspruch.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen und auf die Widerklage der Beklagten hin die Klägerin zur Zahlung von über 2 Millionen € verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Auch nach Einschätzung des OLG stehen der Klägerin keine Rückzahlungsansprüche wegen überhöhter Rechnungen zu. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten sei wirksam, so das OLG, und die Klägerin zur Zahlung der unberechtigt einbehaltenen Beträge verpflichtet.

Die von der Beklagten gestellten Abrechnungen entsprächen der einvernehmlich seit 1990 gehandhabten Abrechnungsbasis. Die Parteien hätten die anfänglich kostenbasierte Abrechnung hin zu einer preislistenbasierten Bezahlung geändert. Der Wortlaut des Kooperationsvertrages decke bereits nicht die Ansicht der Klägerin, dass die Beklagte dauerhaft nur ihre Einkaufspreise zuzüglich der Kosten hätte abrechnen dürfen. Die Klägerin habe auch nicht nachweisen können, dass abweichend von diesem Wortlaut die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass die Vergütung unverändert kostenbasiert erfolgen sollte. Weder die vernommenen Zeugen noch der angehörte Geschäftsführer der Beklagten hätten dies bestätigt.

Die Beklagte habe den Vertrag auch wirksam außerordentlich gekündigt. Ihr sei aufgrund der Gesamtsituation „ein Festhalten an dem Kooperationsvertrag bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist... nicht mehr zumutbar“ gewesen. Zu dieser Gesamtsituation gehörten insbesondere die Kürzungen der Rechnungen durch die Klägerin, die Ankündigung weiterer Rückforderungen, die Auslistung von Produkten der Beklagten bei Fortgeltung der Exklusivbindung und die Einführung einer eigenen Bio-Lebensmittelmarke seitens der Klägerin. Eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung hätte für die Beklagte bedeutet, dass sie aufgrund der Exklusivbindung keine anderen Vertriebswege ohne Zustimmung der Klägerin hätte aufbauen können, während gleichzeitig die Klägern die Produkte der Beklagten nach Belieben aus ihren Filialen hätte auslisten und durch Produkte anderer Hersteller ersetzen können. „Damit wäre bei Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zu dessen fristgerechter Beendigung die Beklagte in eine einseitige wirtschaftliche Abhängigkeit von der Klägerin geraten, die der Senat als nicht vom Wesen der bisherigen Zusammenarbeit der Parteien gedeckt und der Beklagten als nicht zumutbar erachtet“, fasst das OLG zusammen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH die Zulassung der Revision begehren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 13.02.2019, Az. 12 U 13/17
(vorausgehend Landgericht Darmstadt, Urteil vom 09.12.2016, Az. 14 O 240/15)