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Volltext BGH Vorlagebeschluss an EuGH: Öffentliche Wiedergabe durch Weiterleitung per Satellit empfangener Radio- und Fernsehprogramme durch Seniorenwohnheimbetreiber

BGH
Beschluss vom 08.02.2024
I ZR 34/23
Seniorenwohnheim
Richtlinie 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1; UrhG § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3, Abs. 3, §§ 20, 20b Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 Satz 1

Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH legt EuGH Fragen zur Klärung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe vor - Weiterleitung per Satellit empfangener Radio- und Fernsehprogramme durch Seniorenwohnheimbetreiber über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Handelt es sich bei den Bewohnern eines kommerziell betriebenen Seniorenwohnheims, die in ihren Zimmern über Anschlüsse für Fernsehen und Hörfunk verfügen, an die der Betreiber des Seniorenwohnheims über eine eigene Satellitenempfangsanlage empfangene Rundfunkprogramme zeitgleich, unverändert und vollständig durch sein Kabelnetz weitersendet, um eine "unbestimmte Anzahl potentieller Adressaten" im Sinne der Definition der "öffentlichen Wiedergabe" gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ?

2. Hat die bisher vom Gerichtshof der Europäischen Union verwendete Definition, wonach die Einstufung als "öffentliche Wiedergabe" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG erfordert, dass "die Wiedergabe des geschützten Werks unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder ansonsten für ein neues Publikum erfolgt, das heißt für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe seines Werks erlaubte", weiterhin allgemeine Gültigkeit, oder hat das verwendete technische Verfahren nur noch in Fällen Bedeutung, in denen eine Weiterübertragung von zunächst terrestrisch, satelliten- oder kabelgestützt empfangenen Inhalten in das offene Internet stattfindet ?

3. Handelt es sich um ein "neues Publikum" im Sinne der Definition der "öffentlichen Wiedergabe" gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG, wenn der zu Erwerbszwecken handelnde Betreiber eines Seniorenwohnheims über eine eigene Satellitenempfangsanlage empfangene Rundfunkprogramme zeitgleich, unverändert und vollständig durch sein Kabelnetz an die vorhandenen Anschlüsse für Fernsehen und Hörfunk in den Zimmern der Heimbewohner weitersendet? Ist für diese Beurteilung von Bedeutung, ob die Bewohner unabhängig von der Kabelsendung die Möglichkeit haben, die Fernseh- und Rundfunkprogramme in ihren Zimmern terrestrisch zu empfangen? Ist für diese Beurteilung weiter von Bedeutung, ob die Rechtsinhaber bereits für die Zustimmung zur ursprünglichen Sendung eine Vergütung erhalten ?

BGH, Beschluss vom 8. Februar 2024 - I ZR 34/23 - OLG Zweibrücken LG Frankenthal (Pfalz)

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG München: Ansprüche gegen TikTok wegen Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Videos - keine bestmögliche Anstrengungen zur Lizenzierung nach § 4 Abs. 1 S. 1 UrhDaG

LG München
Urteil vom 09.02.2024
42 O 10792/22


Das LG München hat entschieden, dass Rechteinhaber Ansprüche gegen den Betreiber der Plattform TikTok wegen Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Videos zustehen. Der Plattformbetreiber hat keine bestmögliche Anstrengungen zu Lizenzierung im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 1 UrhDaG unternommen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
„Verhandlungspflicht für digitale Plattform“
Die für das Urheberrecht zuständige 42. Zivilkammer hat heute eine digitale Plattform zu Unterlassung und Auskunft für das öffentliche Zugänglichmachen von Filmproduktionen verurteilt und ihre Verpflichtung zum Schadenersatz festgestellt, da die Plattform bestmögliche Anstrengungen im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 1 UrhDaG hat vermissen lassen, um die seitens der Klägerin hierfür angebotenen Nutzungsrechte zu erwerben (42 O 10792/22). Eine derartige Obliegenheit fordert das Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Dienstanbietern für das Teilen von Online-Inhalten zur Anwendung vom 21.05.2021, das die sogenannte DSM Richtlinie im deutschen Recht umsetzt.

Die Beklagte betreibt eine digitale Plattform insbesondere zum Erstellen und Teilen von Videos. Die vornehmlich von Nutzern generierten und hochgeladenen Videos werden von der Beklagten gespeichert, organisiert und anderen Nutzern öffentlich zugänglich gemacht. Die Klägerin hat die Beklagte auf diverse unberechtigte Veröffentlichungen verschiedener Filme auf ihrer Plattform hingewiesen und angeboten, diese kostenpflichtig zu lizenzieren. Die zwischen den Parteien geführten Verhandlungen blieben allerdings ohne Ergebnis.

Die Beklagte ist antragsgemäß zu verurteilen, da sie für die erfolgten öffentlichen Wiedergaben der Filmproduktionen urheberrechtlich verantwortlich ist und sich nicht auf eine Enthaftung nach § 1 Abs. 2 UrhDaG berufen kann. Während die Klägerin ihren Obliegenheiten bei den Lizenzverhandlungen nachgekommen ist und ein konkretes Angebot unterbreitet hat, hat die Beklagte die erforderlichen bestmöglichen Anstrengungen im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 1 UrhDaG vermissen lassen, um die seitens der Klägerin angebotenen Nutzungsrechte zu erwerben.

Ob der Diensteanbieter bestmögliche Anstrengungen unternommen hat, ist auf Grundlage einer umfassenden Betrachtung des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu beurteilen. Nach den Leitlinien zu Art. 17 der RL 2019/790/EU sind die Verhandlungen zwischen den Diensteanbietern und Rechteinhabern fair und zügig zu führen, wobei für die konkrete Ausgestaltung auf die bereits in Art. 16 der RL 2014/26/EU statuierten Verhandlungsgrundsätze zurückgegriffen werden kann, die im deutschen Recht ihre Umsetzung in § 36 VGG gefunden haben und Ausdruck verallgemeinerbarer Grundsätze sind.

Das konkrete Verhalten der Beklagte ließ nicht das Ziel erkennen, alsbald zu einem beiderseits interessengerechten Ergebnis zu gelangen. Die Verhandlungen waren vielmehr von einem einseitigen Informationsfluss von der Klägerin zur Beklagten geprägt.

Da die Beklagte gegen ihre Lizenzobliegenheit nach § 4 UrhDaG verstoßen hat, kann dahinstehen, ob die Beklagten ihre Pflichten zur einfachen und qualifizierten Blockierung nach §§ 7, 8 UrhDaG erfüllt hat. Um in den Vorteil der Enthaftung zu kommen, hat die Beklagte die Pflichten aus §§ 4, 7 bis 11 UrhDaG kumulativ zu erfüllen. Die folgt nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus dem regulatorischen Kontext der genannten Vorschriften. Die §§ 1 ff. UrhDaG bezwecken in Umsetzung von Art. 17 der RL 2019/790/EU diejenigen, deren urheberrechtlich geschützte Inhalte auf Upload-Plattformen genutzt werden, an der dabei stattfindenden Wertschöpfung partizipieren zu lassen. Die Entwicklung des Marktes für die Vergabe von Lizenzen zwischen Rechteinhabern und Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten soll gefördert und den Rechtsinhabern die Erzielung höherer Lizenzeinnahmen ermöglicht werden. Die angestrebte Teilhabe des Rechteinhabers an der Wertschöpfung liefe indes leer, wenn es der Diensteanbieter in der Hand hätte, in den Fällen des § 4 Abs. 2 UrhDaG zwischen Lizenzierung und Blockierung zu wählen und sich im Falle eines Verstoßes gegen die Lizenzierungsobliegenheit auf die getroffenen Maßnahmen zur qualifizierten Blockierung (§ 7 UrhDaG) und einfachen Blockierung (§ 8 UrhDaG) zurückzuziehen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.



Zum Hintergrund:

Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Dienstanbietern für das Teilen von Online-Inhalten

§ 4 UrhDaG - Pflicht zum Erwerb vertraglicher Nutzungsrechte; Direktvergütungsanspruch des Urhebers
(1) Ein Diensteanbieter ist verpflichtet, bestmögliche Anstrengungen zu unternehmen, um die vertraglichen Nutzungsrechte für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke zu erwerben. Der Diensteanbieter erfüllt diese Pflicht, sofern er Nutzungsrechte erwirbt, die

1.
ihm angeboten werden,

2.
über repräsentative Rechtsinhaber verfügbar sind, die der Diensteanbieter kennt, oder

3.
über im Inland ansässige Verwertungsgesellschaften oder abhängige Verwertungseinrichtungen erworben werden können.
(2) Nutzungsrechte nach Absatz 1 Satz 2 müssen

1.
für Inhalte gelten, die der Diensteanbieter ihrer Art nach offensichtlich in mehr als geringfügigen Mengen öffentlich wiedergibt,

2.
in Bezug auf Werke und Rechtsinhaber ein erhebliches Repertoire umfassen,

3.
den räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes abdecken und

4.
die Nutzung zu angemessenen Bedingungen ermöglichen.

(3) Hat der Urheber das Recht der öffentlichen Wiedergabe eines Werkes einem Dritten eingeräumt, so hat der Diensteanbieter für vertragliche Nutzungen gleichwohl dem Urheber eine angemessene Vergütung für die öffentliche Wiedergabe des Werkes zu zahlen. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn der Dritte eine Verwertungsgesellschaft ist oder der Urheber den Dritten als Digitalvertrieb einschaltet.

(4) Der Urheber kann auf den Direktvergütungsanspruch nach Absatz 3 nicht verzichten und diesen im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abtreten. Er kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden.




BGH legt EuGH Fragen zur Klärung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe vor - Weiterleitung per Satellit empfangener Radio- und Fernsehprogramme durch Seniorenwohnheimbetreiber

BGH
Beschluss vom 08.02.2024 - I ZR 34/23 ("Seniorenwohnheim") und
Beschluss vom 08.02.2024 - I ZR 35/23


Der BGH hat dem EuGH Fragen zur Klärung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe im Zusammenhang mit der Weiterleitung per Satellit empfangener Radio- und Fernsehprogramme durch Seniorenwohnheimbetreiber vorgelegt.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof legt Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur weiteren Klärung des Begriffs
der öffentlichen Wiedergabe vor

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen vorgelegt, mit denen geklärt werden soll, ob der Betreiber eines Seniorenwohnheims, der über eine Satellitenempfangsanlage empfangene Rundfunkprogramme durch ein Kabelnetz an die Heimbewohner weitersendet, eine öffentliche Wiedergabe vornimmt.

Sachverhalt:

Die Klägerinnen sind Verwertungsgesellschaften, die die urheberrechtlichen Nutzungsrechte von Musikurhebern (I ZR 34/23) und Sendeunternehmen (I ZR 35/23) wahrnehmen. Die Beklagte betreibt ein Senioren- und Pflegezentrum. In dessen Pflegebereich wohnen in 88 Einzel- und 3 Doppelzimmern auf Dauer 89 pflegebedürftige Seniorinnen und Senioren, die umfassend pflegerisch versorgt und betreut werden. Zusätzlich zum Pflegebereich verfügt die Einrichtung über verschiedene Gemeinschaftsbereiche wie Speisesäle und Aufenthaltsräume.

Die Beklagte empfängt über eine eigene Satellitenempfangsanlage Rundfunkprogramme (Fernsehen und Hörfunk) und sendet diese zeitgleich, unverändert und vollständig durch ihr Kabelnetz an die Anschlüsse für Fernsehen und Hörfunk in den Zimmern der Heimbewohner weiter.

Die Klägerinnen sehen in der Weitersendung der Rundfunkprogramme einen Eingriff in die von ihnen wahrgenommenen urheberrechtlichen Nutzungsrechte und haben die Beklagte deshalb - erfolglos - zum Abschluss von Lizenzverträgen aufgefordert.

Bisheriger Prozessverlauf:

In beiden Verfahren hat das Landgericht den Klagen stattgegeben und der Beklagten dem Antrag der Klägerin entsprechend die Weitersendung der Rundfunkprogramme untersagt.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klagen abgewiesen. Die Weitersendung der Rundfunkprogramme erfülle nicht die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe, weil sich die Wiedergabe auf den begrenzten Personenkreis der Bewohner der Einrichtung beschränke, die - ähnlich den Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft - einen strukturell sehr homogenen und auf dauernden Verbleib in der Einrichtung ausgerichteten stabilen Personenkreis mit eher niedriger Fluktuation bildeten. Die Gemeinschaftsräume böten die Möglichkeit zu gemeinsamen Mahlzeiten, persönlichem Austausch und sozialem Miteinander der Bewohner. Anders als in einem Hotel oder einer Reha-Einrichtung bestehe durch die Wahl der Heimeinrichtung als Wohnung für den letzten Lebensabschnitt zwischen den Bewohnern eine enge Verbundenheit.

Mit ihren Revisionen verfolgen die Klägerinnen ihre Klageanträge weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

In dem Verfahren I ZR 34/23 hat der Bundesgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union drei Fragen zur Auslegung des in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft enthaltenen Begriffs der öffentlichen Wiedergabe vorgelegt.

Zunächst soll durch den Gerichtshof der Europäischen Union geklärt werden, ob es sich bei den Bewohnern eines kommerziell betriebenen Seniorenwohnheims, die in ihren Zimmern über Anschlüsse für Fernsehen und Hörfunk verfügen, an die der Betreiber des Seniorenwohnheims über eine eigene Satellitenempfangsanlage empfangene Rundfunkprogramme zeitgleich, unverändert und vollständig durch sein Kabelnetz weitersendet, im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Begriff der "öffentlichen Wiedergabe" gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG um eine "unbestimmte Anzahl potentieller Adressaten" (die - wie etwa Gäste eines Hotels oder Patienten eines Rehabilitationszentrums - eine Öffentlichkeit bilden können) oder um "besondere Personen, die einer privaten Gruppe angehören" (die keine Öffentlichkeit bilden) handelt.

Fraglich ist außerdem, ob die bisher vom Gerichtshof der Europäischen Union verwendete Definition, wonach die Einstufung als "öffentliche Wiedergabe" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG erfordert, dass "die Wiedergabe des geschützten Werks unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet (wie hier die Kabelweitersendung eines über eine Satellitenempfangsanlage empfangenen Rundfunkprogramms), oder ansonsten für ein neues Publikum erfolgt, das heißt für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe seines Werks erlaubte", weiterhin allgemeine Gültigkeit hat, oder ob das verwendete technische Verfahren nur noch in Fällen Bedeutung hat, in denen eine Weiterübertragung von zunächst terrestrisch, satelliten- oder kabelgestützt empfangenen Inhalten (anders als im Streitfall) in das offene Internet stattfindet.

Ferner ist bislang nicht eindeutig geklärt, ob es sich um ein "neues Publikum" im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Begriff der "öffentlichen Wiedergabe" gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG handelt, wenn der zu Erwerbszwecken handelnde Betreiber eines Seniorenwohnheims über eine eigene Satellitenempfangsanlage empfangene Rundfunkprogramme zeitgleich, unverändert und vollständig durch sein Kabelnetz an die vorhandenen Anschlüsse für Fernsehen und Hörfunk in den Zimmern der Heimbewohner weitersendet. Fraglich ist insbesondere, ob es für diese Beurteilung von Bedeutung ist, ob die Bewohner unabhängig von der Kabelsendung die Möglichkeit haben, die Fernseh- und Rundfunkprogramme in ihren Zimmern terrestrisch zu empfangen, sowie, ob die Rechtsinhaber bereits für die Zustimmung zur ursprünglichen Sendung eine Vergütung erhalten.

Das Verfahren I ZR 35/23 hat der Bundesgerichtshof bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Verfahren I ZR 34/23 ausgesetzt.

Vorinstanzen:

I ZR 34/23

LG Frankenthal - Urteil vom 13. Juli 2022 - 6 O 272/21

OLG Zweibrücken - Urteil vom 16. März 2023 - 4 U 101/22

und

I ZR 35/23

LG Frankenthal - Urteil vom 13. Juli 2022 - 6 O 318/21

OLG Zweibrücken - Urteil vom 16. März 2023 - 4 U 102/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3 UrhG

Der Urheber hat … das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere … 3. das Senderecht

§ 20 UrhG

Das Senderecht ist das Recht, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk, Satellitenrundfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

§ 20b Abs. 1 Satz 1 UrhG

Das Recht, ein gesendetes Werk im Rahmen eines zeitgleich, unverändert und vollständig weiterübertragenen Programms weiterzusenden (Weitersendung), kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden.

Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke … zu erlauben oder zu verbieten.




OLG Hamm: Drohnenaufnahmen sind nicht von der Panoramafreiheit nach § 59 UrhG gedeckt

OLG Hamm
Urteil vom 27.04.2023
4 U 247/21


Das OLG Hamm hat entschieden, dass Drohnenaufnahmen nicht von der Panoramafreiheit nach § 59 UrhG gedeckt sind.

Die Pressemitteilung des OLG Hamm:
OLG Hamm zum Urheberrecht: Drohnenaufnahmen nicht von der Panoramafreiheit gedeckt

In einer urheberrechtlichen Streitigkeit zwischen der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst und einem Verlag aus dem Ruhrgebiet hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm entschieden, dass mittels einer Drohne gefertigte Bildaufnahmen nicht von der urheberrechtlichen Panoramafreiheit gedeckt sind.

Die klagende Verwertungsgesellschaft nimmt den beklagten Verlag auf Unterlassung, Schadensersatz und Abmahnkosten in Anspruch. In zwei von der Beklagten veröffentlichten Büchern werden Kunstwerke auf Bergehalden im Ruhrgebiet vorgestellt. Dabei hat die Beklagte auch Fotografien der im Streit stehenden Kunstwerke „Sonnenuhr mit Geokreuz“, „Spurwerkturm“, „Nachtzeichen“, „Himmelstreppe“, „Tetraeder“ und „Landmarke Geleucht“ verwendet, die mit einer Drohne aufgenommen wurden. Eine Lizenz von der Klägerin hat die Beklagte vor der Veröffentlichung dieser Bilder nicht erworben. Vielmehr vertritt die Beklagte die Auffassung, die Verwendung der Fotografien sei von der Panoramafreiheit des Urheberrechtsgesetzes gedeckt.

Das Landgericht Bochum hat der Klage insgesamt stattgegeben. Mit ihrer Berufung hat die Beklagte ihr Ziel auf Klageabweisung vor dem Oberlandesgericht Hamm weiterverfolgt. Abgesehen von einer geringfügigen Reduzierung des Schadensersatzes hat der für das Urheberrecht zuständige 4. Zivilsenat das Urteil des Landgerichts bestätigt und die Berufung zurückgewiesen. Die in § 59 Abs. 1 Satz 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) geregelte Panoramafreiheit gestatte zwar auch die gewerbliche Nutzung von hierunter fallenden Fotografien. Im Rahmen der Panoramafreiheit sei es nämlich zulässig, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, unter anderem mit Mitteln der Fotografie zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Auch befänden sich die hier in Rede stehenden Kunstwerke an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, da die Bergehalden, auf denen die Kunstwerke errichtet wurden, entweder selbst öffentlich zugänglich seien oder jedenfalls von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus wahrgenommen werden könnten. Die Einschränkung des Urheberrechts durch die Panoramafreiheit, die eine unentgeltliche Nutzung gestatte, schließe jedoch nur diejenigen Perspektiven ein, die von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus bestehen. Hierzu gehöre nicht der Luftraum. Der Einsatz von Hilfsmitteln zur Erlangung einer anderen Perspektive sei nicht mehr von der Panoramafreiheit gedeckt. Dies habe der Bundesgerichtshof bereits für den Einsatz einer Leiter entschieden. Für den Einsatz einer Drohne könne nichts anderes gelten.

Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm muss die Beklagte die Wiedergabe der angegriffenen Drohnenbilder und deren Verbreitung unterlassen und der Klägerin Schadensersatz in Form einer Lizenzgebühr über 1.824 Euro sowie gut 2.000 Euro Abmahnkosten, jeweils zuzüglich Zinsen, zahlen. Da noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Bewertung von Drohnenaufnahmen im Rahmen der Panoramafreiheit vorliegt, hat der Senat die Revision der Beklagten zugelassen. Die Beklagte hat Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt, so dass das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm nicht rechtskräftig ist.

Die Entscheidung wird in Kürze auf www.nrwe.de veröffentlicht.

Vorinstanz:
Landgericht Bochum, Urteil vom 18. November 2021 (Az. 8 O 97/21)

Für die Entscheidung wichtige Vorschiften:

§ 59 UrhG Werke an öffentlichen Plätzen

(1) Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Bei Bauwerken erstrecken sich diese Befugnisse nur auf die äußere Ansicht.



BGH: § 54b Abs. 1 UrhG ist weder direkt noch analog auf Internet-Marktplätze anzuwenden so dass diese keine Urheberrechtsabgabe zahlen müssen

BGH
Urteil vom 10.11.2022
I ZR 10/22
rakuten.de
Richtlinie 2001/29/EG Art. 5 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 5; UrhG § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 und 2, § 54f Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass § 54b Abs. 1 UrhG weder direkt noch analog auf Internet-Marktplätze anzuwenden ist, so dass diese keine Urheberrechtsabgabe zahlen müssen.

Leitsätze des BGH:
a) Händler im Sinne des § 54b Abs. 1 UrhG ist, wer gewerblich Geräte und Speichermedien erwirbt und weiterveräußert, also Kaufverträge über diese Produkte abschließt.

b) Es ist mit Blick auf die aus Art. 5 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG folgende Ergebnispflicht bei der Gewährung des gerechten Ausgleichs für die Anfertigung von privaten Vervielfältigungen nicht geboten, Online-Marktplätze, die die Vermittlung von Kaufverträgen über vergütungspflichtige Geräte und Speichermedien ermöglichen, in den Kreis der Schuldner der Gerätevergütung (§ 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 und 2 UrhG) aufzunehmen.

c) Die analoge Anwendung des § 54b Abs. 1 UrhG auf Internet-Marktplätze kommt mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht.

BGH, Urteil vom 10. November 2022 - I ZR 10/22 - OLG München

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Für Speicherung einer zu privaten Zwecken erstellten Kopie eines geschützten Werkes in einer Cloud ist Ausnahme für Privatkopien gemäß Urheberrechtsrichtlinie anwendbar

EuGH
Urteil vom 24.03.2022
C-433/20
Austro-Mechana Gesellschaft zur Wahrnehmung mechanisch-musikalischer Urheberrechte Gesellschaft mbH
gegen
Strato AG

Der EuGH hat entschieden, dass für die Speicherung einer zu privaten Zwecken erstellten Kopie eines geschützten Werkes in einer Cloud die Ausnahme für Privatkopien gemäß Urheberrechtsrichtlinie anwendbar ist.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Auf die Speicherung einer zu privaten Zwecken erstellten Kopie eines geschützten Werkes in einer Cloud ist die sogenannte Ausnahme für „Privatkopien“ gemäß der Urheberrechtsrichtlinie anwendbar

Die Rechtsinhaber müssen einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei hierfür nicht unbedingt der Cloud-Anbieter aufkommen muss Austro-Mechana ist eine Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte, die u. a. die Nutzungsrechte und die aufgrund der Ausnahme für Privatkopien geschuldeten Vergütungsansprüche treuhändig wahrnimmt. Sie klagte beim Handelsgericht Wien (Österreich) gegen die Strato AG, die Dienstleistungen der Speicherung im Rahmen des Cloud-Computing anbietet, auf Zahlung dieser Vergütung. Diese Klage wurde mit der Begründung abgewiesen, dass die Strato AG keine Speichermedien an ihre Kunden abgebe, sondern für diese eine Dienstleistung der internetgestützten Speicherung erbringe.

Das mit dem Berufungsverfahren befasste Oberlandesgericht Wien möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Speicherung von Inhalten im Rahmen des Cloud-Computing unter die Ausnahme für Privatkopien im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 fällt.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die Ausnahme für Privatkopien anwendbar ist, wenn Werke auf einem Server in einen Speicherplatz kopiert werden, den der Anbieter von CloudComputing-Dienstleistungen einem Nutzer zur Verfügung stellt. Die Mitgliedstaaten sind jedoch nicht verpflichtet, die Anbieter von Dienstleistungen der Speicherung im Rahmen des Cloud-Computing zur Zahlung eines gerechten Ausgleichs im Sinne dieser Ausnahme heranzuziehen, sofern der zugunsten der Rechtsinhaber zu leistende gerechte Ausgleich anderweitig geregelt ist.

Würdigung durch den Gerichtshof
Erstens sieht die Richtlinie 2001/29 vor, dass die Ausnahme für Privatkopien in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern gilt . Der Gerichtshof befindet über die Anwendbarkeit dieser Ausnahme auf Kopien von Werken in einer Cloud.

Der Gerichtshof stellt zum Begriff „Vervielfältigung“ klar, dass die Erstellung einer Sicherungskopie von einem Werk auf einem Speicherplatz in einer Cloud eine Vervielfältigung dieses Stückes darstellt. Beim Hochladen (upload) eines Werkes in die Cloud wird eine Kopie desselben gespeichert.

Zum Ausdruck „auf beliebigen Trägern“ führt der Gerichtshof aus, dass dieser alle Träger umfasst, auf denen ein geschütztes Werk vervielfältigt werden kann, einschließlich der im Rahmen des Cloud-Computing verwendeten Server. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass der Server einem Dritten gehört. Folglich kann die Ausnahme für Privatkopien auch auf Vervielfältigungen Anwendung finden, die von einer natürlichen Person mit Hilfe einer Vorrichtung, die einem Dritten gehört, erstellt werden. Zudem besteht eines der Ziele der Richtlinie 2001/29 darin, sicherzustellen, dass der Urheberrechtsschutz in der Union im Zuge der technologischen Entwicklung nicht veraltet und obsolet wird. Dieses Ziel würde beeinträchtigt, wenn die Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf den Schutz des Urheberrechts dergestalt ausgelegt würden, dass eine Berücksichtigung der digitalen Medien und der Cloud-Computing-Dienstleistungen ausgeschlossen wäre.

Somit wird ein Server, auf dem der Anbieter einer Cloud-Computing-Dienstleistung einem Nutzer Speicherplatz zur Verfügung stellt, von dem Begriff „auf beliebigen Trägern“ erfasst.

Zweitens befindet der Gerichtshof darüber, ob die Anbieter von Dienstleistungen zur Speicherung im Rahmen des Cloud-Computing zur Zahlung eines gerechten Ausgleichs verpflichtet sind, und stellt fest, dass eine solche Verpflichtung beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts unter das weite Ermessen fällt, über das der nationale Gesetzgeber bei der Festlegung der verschiedenen Elemente der Regelung des gerechten Ausgleichs verfügt.

Der Gerichtshof weist insoweit darauf hin, dass die Mitgliedstaaten, wenn sie die für Privatkopien geltende Ausnahme umsetzen, eine Regelung des gerechten Ausgleichs vorsehen müssen, um die Rechtsinhaber zu entschädigen.

Was die Frage betrifft, wer den gerechten Ausgleich zu zahlen hat, ist es grundsätzlich die Person, die die Privatkopie erstellt, d. h. der Nutzer der Dienstleistungen zur Speicherung im Rahmen des Cloud-Computing, der den Ausgleich zu finanzieren hat.

Bestehen jedoch praktische Schwierigkeiten bei der Identifizierung der Endnutzer, so können die Mitgliedstaaten eine Abgabe für Privatkopien einführen, die vom Hersteller oder Importeur der Server, mit deren Hilfe Privatpersonen Cloud-Computing-Dienstleistungen angeboten werden, zu zahlen ist. Diese Abgabe wird wirtschaftlich auf den Käufer solcher Server abgewälzt und letztlich vom privaten Nutzer getragen, der diese Vorrichtungen verwendet oder für den eine Vervielfältigungsleistung erbracht wird.

Bei der Festlegung der Abgabe für Privatkopien steht es den Mitgliedstaaten zwar frei, den Umstand zu berücksichtigen, dass bestimmte Geräte und Speichermedien im Rahmen des Cloud-Computing zum Erstellen von Privatkopien genutzt werden können. Doch haben sie sich zu vergewissern, dass die so gezahlte Abgabe, soweit im Rahmen dieses einheitlichen
Prozesses mehrere Geräte und Speichermedien von ihr betroffen sind, nicht über den sich für die Rechtsinhaber ergebenden etwaigen Schaden hinausgeht.

Somit steht die Richtlinie 2001/29 einer nationalen Regelung, wonach die Anbieter von Dienstleistungen der Speicherung im Rahmen des Cloud-Computing keinen gerechten Ausgleich für Sicherungskopien leisten müssen, nicht entgegen, sofern diese Regelung anderweitig die Zahlung eines gerechten Ausgleichs vorsieht.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




Volltext BGH liegt vor: Verwertungsgesellschaft darf per Vertragsklausel wirksame technische Maßnahmen gegen Framing digitaler Inhalte verlangen

BGH
Urteil vom 09.09.2021
I ZR 113/18
Deutsche Digitale Bibliothek II
Richtlinie 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1; Richtlinie 2014/26/EU Art. 16; UrhG § 15 Abs. 2, § 19a; VGG § 34 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Verwertungsgesellschaft darf per Vertragsklausel wirksame technische Maßnahmen gegen Framing digitaler Inhalte verlangen über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Die Einbettung eines mit Einwilligung des Rechtsinhabers auf einer frei zugänglichen Internetseite verfügbaren Werks in die Internetseite eines Dritten im Wege des Framing stellt einen Eingriff in das Recht zur öffentlichen Wiedergabe nach § 15 UrhG dar, wenn sie unter Umgehung von Schutzmaßnahmen gegen Framing erfolgt, die der Rechtsinhaber getroffen oder veranlasst hat (Anschluss an EuGH, Urteil vom 9. März 2021 - C-392/19, GRUR 2021, 706 = WRP 2021, 600 - VG Bild-Kunst).

b) Bedingungen einer Nutzungsrechtseinräumung können im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 VGG angemessen sein, wenn sie der Gefahr von Rechtsverletzungen vorbeugen sollen, die nicht durch den zukünftigen Vertragspartner der Verwertungsgesellschaft, sondern durch Drittnutzer begangen werden.

c) Bei der nach § 34 Abs. 1 VGG vorzunehmenden Interessenabwägung ist nicht auf das tatsächlich bestehende Interesse einzelner Urheber abzustellen, sondern auf die typische, auf Rechtswahrung gerichtete Interessenlage der von der Verwertungsgesellschaft treuhänderisch vertretenen Urheberrechtsinhaber.

BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 113/18 - Kammergericht - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG München: Ausschüttungen der VG Wort an Herausgeber und Zuwendungen an Förderungsfonds Wissenschaft der VG Wort rechtswidrig

LG München
Urteil vom 04.10.2021
42 O 13841/19


Das LG München hat entschieden, dass die Ausschüttungen der VG Wort an Herausgeber und die Zuwendungen an den Förderungsfonds Wissenschaft der VG Wort in den Jahren 2016 - 2019 rechtswidrig waren.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Ausschüttungen der VG Wort an Herausgeber und Förderungsfonds rechtswidrig

Die 42. Zivilkammer für Urheberrecht hat heute der Klage eines Autors gegen die Verwertungsgesellschaft VG Wort e.V. überwiegend stattgegeben, mit welcher der Kläger gegen Ausschüttungen der VG Wort an Herausgeber sowie Zuwendungen an den Förderungsfonds Wissenschaft der VG Wort in den Jahren 2016 bis September 2019 vorgeht (42 O 13841/19).

Die Ausschüttungen und Zuwendungen erfolgten zur Überzeugung der Kammer rechtswidrig.

In der ersten Stufe wurde dem klägerischen Antrag auf Feststellung vollumfänglich stattgegeben:

Der Kläger als Autor und Urheber hat gegenüber der Beklagten hinsichtlich seiner Werke Ansprüche auf Ausschüttungen, da die Beklagte für ihn die ihm gesetzlich zustehenden Vergütungsansprüche aus der Bibliothekstantieme und der Geräte- und Speichermedienvergütung wahrnimmt. Diese Ausschüttungen hat die Beklagte zu Unrecht gemindert, indem sie unberechtigt Ausschüttungen an Herausgeber und Zuwendungen an den Förderungsfonds der Wissenschaft der VG Wort vornahm.

Im Hinblick auf die Ausschüttungen an Herausgeber stellte das Gericht fest, dass die Wahrnehmung von Rechten von Herausgebern schon nicht vom bis ins Jahr 2018 geltenden satzungsgemäßen Aufgabenumfang der Beklagten umfasst war. Selbst wenn man die Satzung weiter auslegen wollte, wären die Ausschüttungen dennoch zu Unrecht erfolgt, da die Regelungen des Verteilungsplans der Beklagten, die die Ausschüttungen im Einzelnen zuweisen, nicht an eine tatsächliche Berechtigung anknüpfen und daher willkürlich und unwirksam sind.

In Bezug auf die Ausschüttungen nach der Satzungsänderung, gemäß der nunmehr die Beklagte die Rechte von Urhebern und Nutzungsrechtsinhabern an Sammelwerken wahrnimmt, stellte das Gericht fest, dass die Satzungsänderung mangels wirksamer schriftlicher Mitteilung gegenüber den Inhabern von Altverträgen schon nicht wirksam geworden war, und zudem der Verteilungsplan der Beklagten und ihre Verwaltungspraxis nicht sicherstellen, dass tatsächlich nur Ausschüttungen an Berechtigte, nämlich an Urheber oder Inhaber von Nutzungsrechten an Sammelwerken vorgenommen werden. Daher waren auch die Ausschüttungen an Herausgeber nach der erfolgten Satzungsänderung unwirksam, so die Kammer.

Die Ausschüttungen an den Förderungsfonds Wissenschaft der VG Wort waren ebenfalls unwirksam. Nach höchstrichterlicher und europarechtlicher Rechtsprechung müssen die Einnahmen aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen nach §§ 27, 54 ff UrhG unbedingt unmittelbar und originär berechtigten Urhebern zu Gute kommen (BGH, GRUR 2016, 596 - Verlegeranteil; EuGH, GRUR 2013, 1025 - Amazon/AustroMechana). Die von der VG Wort vorgenommenen Zuschüsse an den Förderungsfonds Wissenschaft GmbH erfüllen diese Voraussetzungen nicht.

Die Kammer bejahte zudem einen Auskunftsanspruch der Klageseite, um welche Beträge sich die Ausschüttungen an die Klageseite in der Zeit vom 01.01.2016 bis zum 30.09.2019 durch die in den Feststellungsanträgen genannten Ausschüttungen an Herausgeber und Zuwendungen an den Förderungsfonds Wissenschaft der VG Wort GmbH vermindert haben, soweit dieser nicht verjährt war.

In welcher Höhe der Kläger aufgrund der rechtswidrigen Ausschüttungen und Zuwendungen Rückzahlungen von der Beklagten erhält, bleibt einer Entscheidung nach Auskunftserteilung vorbehalten.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.



BGH: Verwertungsgesellschaft darf per Vertragsklausel wirksame technische Maßnahmen gegen Framing digitaler Inhalte verlangen

BGH
Urteil vom 09.09.2021
I ZR 113/18
Deutsche Digitale Bibliothek II

Der BGH hat entschieden, dass eine Verwertungsgesellschaft per Vertragsklausel wirksame technische Maßnahmen gegen Framing digitaler Inhalte verlangen darf.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Urheberrechtsverletzung durch Framing

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine Verwertungsgesellschaft den Abschluss eines Vertrags über die Nutzung von Digitalisaten urheberrechtlich geschützter Werke im Internet davon abhängig machen darf, dass der Nutzer wirksame technische Maßnahmen gegen sogenanntes "Framing" ergreift. Unter "Framing" versteht man das Einbetten der auf dem Server eines Nutzers gespeicherten und auf seiner Internetseite eingestellten Inhalte auf der Internetseite eines Dritten.

Sachverhalt:

Die Klägerin, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ist Trägerin der Deutschen Digitalen Bibliothek. Diese bietet eine Online-Plattform für Kultur und Wissen an, die deutsche Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen miteinander vernetzt. Auf der Internetseite der Bibliothek sind über elektronische Verweise ("Links") digitalisierte Inhalte abrufbar, die in den Webportalen dieser Einrichtungen gespeichert sind. Die Bibliothek speichert Vorschaubilder dieser digitalisierten Inhalte. Einige dieser Inhalte, wie etwa Werke der bildenden Kunst, sind urheberrechtlich geschützt.

Die Beklagte, die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, nimmt die urheberrechtlichen Befugnisse der ihr angeschlossenen Urheber an Werken der bildenden Kunst wahr. Die Klägerin verlangt von der Beklagten den Abschluss eines Vertrags, der ihr das Recht zur Nutzung dieser Werke in Form von Vorschaubildern einräumt. Die Beklagte macht den Abschluss eines solchen Nutzungsvertrags von der Aufnahme folgender Bestimmung in den Vertrag abhängig:

"Die Lizenznehmerin verpflichtet sich, bei der Nutzung der vertragsgegenständlichen Werke und Schutzgegenstände wirksame technische Maßnahmen zum Schutz dieser Werke oder Schutzgegenstände gegen Framing anzuwenden."

Die Klägerin lehnt eine solche Vertragsbestimmung ab und hat mit ihrer Klage die Feststellung beantragt, dass die Beklagte zum Abschluss eines Nutzungsvertrages ohne diese Regelung verpflichtet ist.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Kammergericht die Verpflichtung der Beklagten zum Abschluss eines Nutzungsvertrags ohne diese Klausel festgestellt.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 25. April 2019 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Frage zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vorgelegt (dazu Pressemitteilung Nr. 54/2019 vom 25. April 2019).

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Kammergericht zurückverwiesen.

Die Beklagte ist als Verwertungsgesellschaft nach § 34 Abs. 1 Satz 1 VGG verpflichtet, aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen. Sie ist allerdings auch verpflichtet, dabei die Rechte der ihr angeschlossenen Urheber wahrzunehmen und durchzusetzen. Bei der hier vorzunehmenden Abwägung der Interessen der Beteiligten hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, Rechte der Urheber seien nicht betroffen, wenn die von der Klägerin genutzten Vorschaubilder von Werken der bildenden Kunst unter Umgehung technischer Schutzmaßnahmen zum Gegenstand von Framing würden. Ein solches Framing verletzt ein den Urhebern zustehendes unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe, das sich aus § 15 Abs. 2 UrhG ergibt, der mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG richtlinienkonform auszulegen ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden, dass die Einbettung eines mit Einwilligung des Rechtsinhabers auf einer frei zugänglichen Internetseite verfügbaren Werks in die Internetseite eines Dritten im Wege des Framing eine öffentliche Wiedergabe des Werks im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt, wenn sie unter Umgehung von Schutzmaßnahmen gegen Framing erfolgt, die der Rechtsinhaber getroffen oder veranlasst hat (EuGH, Urteil vom 9. März 2021 - C-392/19, GRUR 2021, 706 = WRP 2021, 600 - VG Bild-Kunst/Stiftung Preußischer Kulturbesitz).

Für die vom Berufungsgericht erneut vorzunehmende Beurteilung hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass nicht auf das Interesse einzelner, mit dem Framing durch Dritte einverstandener Urheber, sondern auf die typische, auf Rechtswahrung gerichtete Interessenlage der von der Beklagten vertretenen Urheberrechtsinhaber abzustellen ist.

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 25. Juli 2017 - 15 O 251/16

Kammergericht - Urteil vom 18. Juni 2018 - 24 U 146/17

Maßgebliche Vorschriften:

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

§ 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG

Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe).

§ 34 Abs. 1 Satz 1 VGG

Die Verwertungsgesellschaft ist verpflichtet, aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen.


EuGH: Europäische Verwertungsgesellschaften müssen Künstlern außerhalb des EWR die gleiche Vergütung wie Künstlern aus Mitgliedstaaten zahlen

EuGH
Urteil vom 18.09.2020
C-265/19
Recorded Artists Performers Limited / Attorney General u. a.


Der EuGH hat entschieden, dass die europäische Verwertungsgesellschaften Künstlern außerhalb des EWR die gleiche Vergütung wie Künstlern aus Mitgliedstaaten zahlen müssen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Das Unionsrecht steht dem entgegen, dass ein Mitgliedstaat Künstler, die die Staatsangehörigkeit eines Staates besitzen, der nicht zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gehört, vom Anspruch auf eine einzige angemessene
Vergütung für die Wiedergabe aufgenommener Musik ausschließt

Die Recorded Artists Actors Performers Ltd (RAAP) und die Phonographic Performance (Ireland) Ltd (PPI) sind Verwertungsgesellschaften. RAAP nimmt die Rechte von ausübenden Künstlern wahr, PPI die Rechte von Tonträgerherstellern. Die beiden Verwertungsgesellschaften haben einen Vertrag geschlossen, in dem geregelt ist, wie die Vergütung, die in Irland für die öffentliche Wiedergabe in Kneipen und an anderen öffentlich zugänglichen Orten oder für die Funksendung aufgenommener Musik zu zahlen ist, nachdem sie von den Nutzern an PPI gezahlt worden ist, auf den Tonträgerhersteller und die ausübenden Künstler aufzuteilen und hierzu teilweise von PPI an RAAP weiterzuleiten ist. Streitig ist, inwieweit der Vertrag auf an PPI gezahlte Vergütungen Anwendung findet, wenn der betreffende ausübende Künstler weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats des Europäischen irtschaftsraums (EWR) besitzt noch sich in einem solchen Staat aufhält.

RAAP meint, die Vergütung müsse immer aufgeteilt werden, unabhängig von der Staatsangehörigkeit und dem Aufenthaltsort des ausübenden Künstlers. Folgte man dem Standpunkt von RAAP, würden ausübende Künstler aus Drittstaaten in Irland stets eine Vergütung erhalten. PPI meint, dies gehe nicht an, da irische ausübende Künstler in Drittstaaten keine angemessene Vergütung erhielten. PPI beruft sich insoweit auf das irische Recht.

In seinem Urteil vom 8. September 2020 entscheidet der Gerichtshof, dass die Richtlinie 2006/1151 bei der Nutzung von Tonträgern in der Union dem entgegensteht, dass ein Mitgliedstaat von den Künstlern, die Anspruch auf die einzige angemessene Vergütung haben, die Künstler ausschließt, die die Staatsangehörigkeit eines Staates besitzen, der
nicht zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gehört. Er entscheidet außerdem, dass von Drittstaaten gemäß dem Vertrag der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) über Darbietungen und Tonträger (WPPT) notifizierte Vorbehalte als solche den Anspruch der Künstler der betreffenden Drittstaaten auf eine einzige angemessene Vergütung in der Union nicht einschränken.

Zwar können solche Einschränkungen unter der Voraussetzung, dass sie im Einklang mit dem durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) geschützten Recht des geistigen Eigentums stehen, vom Unionsgesetzgeber eingeführt werden. Die Richtlinie 2006/115 enthält aber keine solche Einschränkung und steht daher dem entgegen, dass ein Mitgliedstaat den Anspruch auf eine einzige angemessene Vergütung bei ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern, die die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzen, einschränkt. Der Gerichtshof entscheidet schließlich, dass die Richtlinie 2006/115 auch dem entgegensteht, dass nur der Tonträgerhersteller eine Vergütung erhält, ohne sie mit dem ausübenden Künstler, der einen Beitrag zu dem Tonträger erbracht hat, teilen zu müssen.

Zur Begründung seiner Entscheidung stellt der Gerichtshof als Erstes fest, dass der Anspruch auf eine einzige angemessene Vergütung im Unionsrecht die Anwendung des WPPT sicherstellt und vom nationalen Gesetzgeber nicht den Personen vorbehalten werden darf, die die Staatsangehörigkeit eines EWR-Mitgliedstaats besitzen.

Der Gerichtshof führt hierzu weiter aus, dass die Richtlinie 2006/115, die bei dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten ein Recht mit Entschädigungscharakter verleiht, die Verpflichtung vorsieht, eine Vergütung zu gewährleisten, die angemessen ist und auf den Tonträgerhersteller und den ausübenden Künstler aufgeteilt wird. Diese Verpflichtung kommt zum Tragen, wenn die Nutzung des Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks in der Union erfolgt. Die Richtlinie 2006/115 verlangt aber nicht, dass der ausübende Künstler oder der Tonträgerhersteller die
Staatsangehörigkeit eines EWR-Staats besitzt oder dass er auf eine andere Weise einen Bezug zum EWR hat, etwa, weil er dort seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort hat oder die schöpferische oder künstlerische Arbeit dort ausgeführt worden ist.

Vielmehr gebieten der systematische Zusammenhang und die Ziele der Richtlinie 2006/115 sowie der Vorrang der von der Union geschlossenen internationalen Übereinkünfte, die Richtlinie 2006/115 nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit dem WPPT auszulegen. Diese internationale Übereinkunft, die einen integrierenden Bestandteil der Unionsrechtsordnung bildet, verpflichtet die Union und ihre Mitgliedstaaten grundsätzlich dazu, den Anspruch auf eine einzige angemessene Vergütung auch den ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern zuzuerkennen, die die
Staatsangehörigkeit anderer Vertragsparteien des WPPT besitzen.

Als Zweites stellt der Gerichtshof fest, dass von Drittstaaten gemäß dem WPPT notifizierte Vorbehalte als solche in der Union bei den Personen, die die Staatsangehörigkeit der betreffenden Drittstaaten besitzen, nicht zu Einschränkungen des Anspruchs auf eine einzige angemessene Vergütung führen. Nach dem im Wiener Übereinkommen verbürgten Grundsatz der Gegenseitigkeit sind die Union und ihre Mitgliedstaaten zwar nicht verpflichtet, den Anspruch auf
eine einzige angemessene Vergütung unbeschränkt zuzuerkennen. Die Notwendigkeit, angemessene Bedingungen für die Teilnahme am Handel mit aufgezeichneten Tonträgern zu erhalten, kann durchaus eine Einschränkung des Anspruchs auf eine einzige angemessene Vergütung rechtfertigen.

Dieses dem Urheberrecht verwandte Schutzrecht stellt aber ein Recht des geistigen Eigentums dar, das durch die Charta geschützt ist. Folglich muss nach den Bestimmungen der Charta jede Einschränkung der Ausübung dieses Rechts gesetzlich klar und genau vorgesehen sein. Das bloße Bestehen eines Vorbehalts gemäß dem WPPT genügt insoweit nicht. Deshalb ist es allein Sache des Unionsgesetzgebers, der in diesem Bereich über die ausschließliche Außenkompetenz verfügt, über eine solche Einschränkung zu entscheiden.

Als Drittes stellt der Gerichtshof fest, dass sich bereits aus dem Wortlaut der Richtlinie 2006/115 ergibt, dass sowohl die ausübenden Künstler als auch die Tonträgerhersteller Anspruch auf eine einzige angemessene Vergütung haben, da diese auf sie „aufzuteilen“ ist. Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 steht daher dem entgegen, dass das Recht eines Mitgliedstaats den ausübenden Künstler von einer einzigen angemessenen Vergütung ausschließt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




BVerwG: Verwertungsgesellschaft darf Tarife über die Vergütung nur nach dem Umfang der von ihr wahrgenommenen Rechte festsetzen

BVerwG
Urteil vom 17.06.2020
8 C 7.19


Das BVerwG hat entschieden, dass eine Verwertungsgesellschaft Tarife über die Vergütung nur nach dem Umfang der von ihr wahrgenommenen Rechte festsetzen darf.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Tarife für die Nutzung von Urheberrechten nur auf Grundlage der wahrgenommenen Rechte

Eine Verwertungsgesellschaft, die Urheber- und Leistungsschutzrechte wahrnimmt, ist verpflichtet, Tarife über die Vergütung für die Nutzung dieser Rechte nach dem Umfang der von ihr wahrgenommenen Rechte festzusetzen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft, die für private Sendeunternehmen (TV und Hörfunk) Urheber- und Leistungsschutzrechte wahrnimmt. Für die Lizenzierung dieser Rechte an Nutzer erhält sie eine Vergütung, die sie an die Inhaber der Rechte verteilt. Die Höhe der Vergütung, welche die Klägerin von Nutzern erzielt, richtet sich nach von ihr festgesetzten Tarifen.

Am 12. April 2013 veröffentlichte die Klägerin im Bundesanzeiger einen Tarif für die Wiedergabe von Funksendungen, der für die öffentliche Wahrnehmbarmachung urheberrechtlich geschützter Werke in Funksendungen galt. Mit Bescheid vom 20. März 2015 stellte das Deutsche Patent- und Markenamt als Aufsichtsbehörde fest, dass dieser Tarif unangemessen sei, und gab der Klägerin unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, den Tarif zurückzunehmen. Den Widerspruch der Klägerin wies die Behörde zurück.

Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil teilweise geändert und die Klage gegen die Rücknahmeanordnung abgewiesen, weil die Klägerin den Umfang der von ihr wahrgenommenen Rechte nicht ausreichend ermittelt habe. Die Aufhebung der Feststellung, der Tarif sei unangemessen, hat es nicht beanstandet.

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil im Ergebnis bestätigt. Die angefochtene Rücknahmeanordnung konnte auf § 19 Abs. 2 Satz 2 des hier noch anwendbaren Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes gestützt werden. Danach kann die Aufsichtsbehörde alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Verwertungsgesellschaft die ihr obliegenden Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt. Dies schließt die Befugnis ein zu überprüfen, ob die von der Verwertungsgesellschaft veröffentlichten Tarife entsprechend den dafür geltenden Rechtsvorschriften aufgestellt wurden. Das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz verpflichtet die Verwertungsgesellschaft, aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte angemessene Tarife festzusetzen. Die Gesellschaft ist deshalb verpflichtet, ihre Tarife nach dem Umfang der von ihr wahrgenommenen Rechte zu bemessen. Außerdem muss die Höhe des Tarifs im Verhältnis zum Umfang dieser Rechte angemessen sein. Der von der Klägerin festgesetzte Tarif erfüllt schon die erste Anforderung nicht. Die vorgelegten Unterlagen waren nicht geeignet zu belegen, dass sie über die dem Tarif zugrunde gelegten Rechte verfügte. Die von der Behörde weiterhin getroffene Feststellung, der von der Klägerin veröffentlichte Tarif sei unangemessen, ist dagegen rechtswidrig. Ein Missverhältnis der Höhe des Tarifs zum Umfang der wahrgenommenen Rechte lässt sich ohne Erkenntnisse zu diesem Umfang nicht feststellen.

BVerwG 8 C 7.19 - Urteil vom 17. Juni 2020

Vorinstanzen:
VGH München, 22 B 17.1219 - Urteil vom 25. Februar 2019 -
VG München, M 16 K 15.5333 - Urteil vom 25. Oktober 2016 -



EuGH: Vermietung von mit Autoradio ausgestatteten Fahrzeugen ist keine öffentliche Wiedergabe und Autovermieter muss keine Gebühr an Verwertungsgesellschaft zahlen

EuGH
Urteil vom 02.04.2020
C-753/18
Föreningen Svenska Tonsättares Internationella Musikbyrå u.p.a. (Stim), Svenska artisters och musikers intresseorganisation ek. för. (SAMI) gegen Fleetmanager Sweden AB,Nordisk Biluthyrning AB


Der EuGH ha entschieden, dass die Vermietung von mit einem Autoradio ausgestatteten Fahrzeugen keine öffentliche Wiedergabe ist und vom Autovermieter somit keine Gebühr an Verwertungsgesellschaften zu zahlen ist.

Tenor der Entscheidung:

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums sind dahin auszulegen, dass die Vermietung von mit einem Radioempfangsgerät ausgestatteten Fahrzeugen keine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BGH: Vorlagebeschluss zur Haftung von YouTube für Urheberrechtsverletzungen durch Nutzervideos

BGH
Beschluss vom 13.09.2018
I ZR 140/15
YouTube
RL 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1, Art. 8 Abs. 3; RL 2000/31/EG Art. 14 Abs. 1, Art. 15; RL 2004/48/EG Art. 11 Satz 1, Art. 13


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH legt EuGH Fragen zur Haftung von YouTube für Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Videos vor" über die Entscheidung berichtet.

Tenor der Entscheidung:

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10), Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr"; ABl. L 178 vom 17. Juli 2000, S. 1) sowie Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157 vom 30. April 2004, S. 45) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Nimmt der Betreiber einer Internetvideoplattform, auf der Nutzer Videos mit urheberrechtlich geschützten Inhalten ohne Zustimmung der Rechtsinhaber öffentlich zugänglich machen, eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vor, wenn er mit der Plattform Werbeeinnahmen erzielt,

- der Vorgang des Hochladens automatisch und ohne vorherige Ansicht oder Kontrolle durch den Betreiber erfolgt,

- der Betreiber nach den Nutzungsbedingungen für die Dauer der Einstellung des Videos eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz an den Videos erhält,

- der Betreiber in den Nutzungsbedingungen und im Rahmen des Hochladevorgangs darauf hinweist, dass urheberrechtsverletzende Inhalte nicht eingestellt werden dürfen,

- der Betreiber Hilfsmittel zur Verfügung stellt, mit deren Hilfe Rechtsinhaber auf die Sperrung rechtsverletzender Videos hinwirken können,

- der Betreiber auf der Plattform eine Aufbereitung der Suchergebnisse in Form von Ranglisten und
inhaltlichen Rubriken vornimmt und registrierten Nutzern eine an von diesen bereits angesehenen Videos orientierte Übersicht mit empfohlenen Videos anzeigen lässt, sofern er keine konkrete Kenntnis von der Verfügbarkeit urheberrechtsverletzender Inhalte hat oder nach Erlangung der Kenntnis diese Inhalte unverzüglich löscht oder unverzüglich den Zugang zu ihnen sperrt?

2. Für den Fall, dass die Frage 1 verneint wird:
Fällt die Tätigkeit des Betreibers einer Internetvideoplattform unter den in Frage 1 beschriebenen Umständen in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG?

3. Für den Fall, dass die Frage 2 bejaht wird:
Muss sich die tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information und das Bewusstsein der Tatsachen oder Umstände, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG auf konkrete rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen beziehen?

4. Weiter für den Fall, dass die Frage 2 bejaht wird:
Ist es mit Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar, wenn der Rechtsinhaber gegen einen Diensteanbieter, dessen Dienst in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht und von einem Nutzer zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt worden ist, eine gerichtliche Anordnung erst dann erlangen kann, wenn es nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung erneut zu einer derartigen Rechtsverletzung gekommen ist?

5. Für den Fall, dass die Fragen 1 und 2 verneint werden:
Ist der Betreiber einer Internetvideoplattform unter den in Frage 1 beschriebenen Umständen als Verletzer im Sinne von Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG anzusehen?

6. Für den Fall, dass die Frage 5 bejaht wird:
Darf die Verpflichtung eines solchen Verletzers zur Leistung von Schadensersatz nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG davon abhängig gemacht werden, dass der Verletzer sowohl in Bezug auf seine eigene Verletzungshandlung als auch in Bezug auf die Verletzungshandlung des Dritten vorsätzlich gehandelt hat und wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass Nutzer die Plattform für konkrete Rechtsverletzungen nutzen?

BGH, Beschluss vom 13. September 2018 - I ZR 140/15 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH legt EuGH Fragen zur Haftung von YouTube für Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Videos vor

BGH
Beschluss vom 13.09.2018
I ZR 140/15
YouTube


Der BGH hat dem EuGH diverse Fragen zur Haftung von YouTube für Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Videos vorgelegt.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof legt dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Haftung von YouTube für
Urheberrechtsverletzungen vor

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Haftung des Betreibers der Internetvideoplattform YouTube für von Dritten hochgeladene urheberrechtsverletzende Inhalte vorgelegt.

Der Kläger ist Musikproduzent. Er hat mit der Sängerin Sarah Brightman im Jahr 1996 einen Künstlerexklusivvertrag geschlossen, der ihn zur Auswertung von Aufnahmen ihrer Darbietungen berechtigt. Im November 2008 erschien das Studioalbum "A Winter Symphony" mit von der Sängerin interpretierten Musikwerken. Zugleich begann die Künstlerin die Konzerttournee "Symphony Tour", auf der sie die auf dem Album aufgenommenen Werke darbot. Der Kläger behauptet, er habe dieses Album produziert.

Die Beklagte zu 3, die YouTube LLC, betreibt die Internetplattform "YouTube", auf die Nutzer kostenlos audiovisuelle Beiträge einstellen und anderen Internetnutzern zugänglich machen können. Die Beklagte zu 1, die Google Inc., ist alleinige Gesellschafterin der Beklagten zu 3.

Anfang November 2008 waren bei "YouTube" Videos mit Musikwerken aus dem Repertoire von Sarah Brightman eingestellt, darunter private Konzertmitschnitte und Musikwerke aus ihren Alben. Der Kläger wandte sich mit anwaltlichem Schreiben an eine Schwestergesellschaft der Beklagten zu 3, mit dem er die Schwestergesellschaft und die Beklagte zu 1 aufforderte, strafbewehrte Erklärungen abzugeben, es zukünftig zu unterlassen, Tonaufnahmen oder Musikwerke aus seinem Repertoire zu vervielfältigen oder öffentlich zugänglich zu machen. Die Schwestergesellschaft leitete das Schreiben an die Beklagte zu 3 weiter. Diese sperrte jedenfalls einen Teil der Videos. Am 19. November 2008 waren bei "YouTube" erneut Videos abrufbar.

Der Kläger hat die Beklagten auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich dreier Musiktitel stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagten verurteilt, es zu unterlassen, Dritten in Bezug auf sieben näher bezeichnete Musiktitel zu ermöglichen, Tonaufnahmen oder Darbietungen der Künstlerin Sarah Brightman aus dem Studioalbum "A Winter Symphony" öffentlich zugänglich zu machen. Ferner hat es die Beklagten zur Erteilung der begehrten Auskunft über die Nutzer der Plattform verurteilt, die diese Musiktitel unter Pseudonymen auf das Internetportal hochgeladen haben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger verfolgt mit seiner Revision seine Klageanträge weiter. Die Beklagten erstreben mit ihrer Revision die vollständige Abweisung der Klage.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehrs und der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vorgelegt.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs stellt sich die Frage, ob der Betreiber einer Internetvideoplattform, auf der Nutzer Videos mit urheberrechtlich geschützten Inhalten ohne Zustimmung der Rechtsinhaber öffentlich zugänglich machen, eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vornimmt, wenn

- er mit der Plattform Werbeeinnahmen erzielt, der Vorgang des Hochladens automatisch und ohne vorherige Ansicht oder Kontrolle durch den Betreiber erfolgt,

- der Betreiber nach den Nutzungsbedingungen für die Dauer der Einstellung des Videos eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz an den Videos erhält,

- der Betreiber in den Nutzungsbedingungen und im Rahmen des Hochladevorgangs darauf hinweist, dass urheberrechtsverletzende Inhalte nicht eingestellt werden dürfen,

- der Betreiber Hilfsmittel zur Verfügung stellt, mit deren Hilfe Rechtsinhaber auf die Sperrung rechtsverletzender Videos hinwirken können,

- der Betreiber auf der Plattform eine Aufbereitung der Suchergebnisse in Form von Ranglisten und inhaltlichen Rubriken vornimmt und registrierten Nutzern eine an von diesen bereits angesehenen Videos orientierte Übersicht mit empfohlenen Videos anzeigen lässt,

sofern er keine konkrete Kenntnis von der Verfügbarkeit urheberrechtsverletzender Inhalte hat oder nach Erlangung der Kenntnis diese Inhalte unverzüglich löscht oder unverzüglich den Zugang zu ihnen sperrt.

Mit weiteren Vorlagefragen möchte der Bundesgerichtshof wissen, ob die Tätigkeit des Betreibers einer solchen Internetvideoplattform in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG fällt und ob sich die in dieser Vorschrift genannte tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information und das Bewusstsein der Tatsachen oder Umstände, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, auf konkrete rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen beziehen muss.

Weiter fragt der Bundesgerichtshof danach, ob es mit Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar ist, wenn der Rechtsinhaber gegen einen Diensteanbieter, dessen Dienst in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht und von einem Nutzer zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt worden ist, eine gerichtliche Anordnung erst dann erlangen kann, wenn es nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung erneut zu einer derartigen Rechtsverletzung gekommen ist.

Für den Fall, dass die vorgenannten Fragen verneint werden, fragt der Bundesgerichtshof schließlich danach, ob der Betreiber einer Internetvideoplattform unter den in der ersten Frage beschriebenen Umständen als Verletzer im Sinne von Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG anzusehen ist und ob die Verpflichtung eines solchen Verletzers zur Leistung von Schadensersatz nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG davon abhängig gemacht werden darf, dass der Verletzer sowohl in Bezug auf seine eigene Verletzungshandlung als auch in Bezug auf die Verletzungshandlung des Dritten vorsätzlich gehandelt hat und wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass Nutzer die Plattform für konkrete Rechtsverletzungen nutzen.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 3. September 2010 - 308 O 27/09

OLG Hamburg - Urteil vom 1. Juli 2015 - 5 U 175/10

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß im Fall eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, der Diensteanbieter nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen verantwortlich ist, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a) Der Anbieter hat keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information, und, in bezug auf Schadenersatzansprüche, ist er sich auch keiner Tatsachen oder Umstände bewußt, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder

b) der Anbieter wird, sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewußtsein erlangt, unverzüglich tätig, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.

Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden.

Art. 11 Satz 1 der Richtlinie 2004/48/EG

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte bei Feststellung einer Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums eine Anordnung gegen den Verletzer erlassen können, die ihm die weitere Verletzung des betreffenden Rechts untersagt.

Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte auf Antrag der geschädigten Partei anordnen, dass der Verletzer, der wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine Verletzungshandlung vornahm, dem Rechtsinhaber zum Ausgleich des von diesem wegen der Rechtsverletzung erlittenen tatsächlichen Schadens angemessenen Schadensersatz zu leisten hat.

Bei der Festsetzung des Schadensersatzes verfahren die Gerichte wie folgt:

a) Sie berücksichtigen alle in Frage kommenden Aspekte, wie die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen, einschließlich der Gewinneinbußen für die geschädigte Partei und der zu Unrecht erzielten Gewinne des Verletzers, sowie in geeigneten Fällen auch andere als die rein wirtschaftlichen Faktoren, wie den immateriellen Schaden für den Rechtsinhaber,

oder

b) sie können stattdessen in geeigneten Fällen den Schadensersatz als Pauschalbetrag festsetzen, und zwar auf der Grundlage von Faktoren wie mindestens dem Betrag der Vergütung oder Gebühr, die der Verletzer hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums eingeholt hätte.

(2) Für Fälle, in denen der Verletzer eine Verletzungshandlung vorgenommen hat, ohne dass er dies wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, können die Mitgliedstaaten die Möglichkeit vorsehen, dass die Gerichte die Herausgabe der Gewinne oder die Zahlung von Schadensersatz anordnen, dessen Höhe im Voraus festgesetzt werden kann.

BVerfG: Unzulässige Verfassungsbeschwerde gerichtet auf die Ausschüttungspraxis von Verwertungsgesellschaften

BVerfG
Beschluss vom 18.04.2018
1 BvR 1213/16


Das Bundesverfassungsgericht hat heute die Verfassungsbeschwerde eines Verlages gerichtet auf die Ausschüttungspraxis von Verwertungsgesellschaften als unzulässig verworfen

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:

Unzulässige Verfassungsbeschwerde gerichtet auf die Ausschüttungspraxis von Verwertungsgesellschaften

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde eines Verlags nicht zur Entscheidung angenommen. Diese richtete sich gegen ein Urteil des Bundesgerichtshofs, wonach Verwertungsgesellschaften nicht berechtigt sind, Einnahmen aus der Wahrnehmung von urheberrechtlichen Rechten und Ansprüchen auch an Verlage auszuschütten, da diese nur den Urhebern zustünden. Die Verfassungsbeschwerde ist bereits unzulässig, da sie nicht den Anforderungen an eine hinreichende Darlegung der behaupteten Grundrechtsverletzung entspricht. Die Beschwerdeführerin hat nicht substantiiert vorgetragen, durch das Urteil unter anderem in ihren Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt zu sein.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin ist ein Verlag, der unter anderem die Werke des Klägers des Ausgangsverfahrens verlegt. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens ist eine Verwertungsgesellschaft. Der Kläger und die Beklagte schlossen einen Wahrnehmungsvertrag, wonach der Kläger als Urheber seine gesetzlichen Vergütungsansprüche für alle bereits geschaffenen und noch zukünftig zu schaffenden Werke der Beklagten zur treuhänderischen Wahrnehmung übertrug. Bestandteil des Wahrnehmungsvertrags war zudem ein Verteilungsplan, durch den auch der Verlag nach einem bestimmten Schlüssel an dem Erlös beteiligt wurde. Der von dem Kläger gegen diese Ausschüttungspraxis gerichteten Feststellungsklage wurde überwiegend stattgegeben. Das Landgericht begründete die Entscheidung damit, dass die Ausschüttungspraxis willkürlich sei und gegen § 7 des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (UrhG) verstoße. Nachdem das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil im Wesentlichen bestätigte, entschied der Bundesgerichtshof die Revision ebenfalls zu Gunsten des Klägers. Als Treuhänderin dürfte die Beklagte die Erlöse nicht an Nichtberechtigte auskehren. Ein solcher Anspruch ergebe sich weder aus § 63a Satz 2 Fall 2 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) noch aus § 8 des Gesetzes über das Verlagsrecht oder unionsrechtlichen Vorschriften. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin, die in der Revisionsinstanz als Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten beigetreten ist, unter anderem eine Verletzung ihres Eigentumsrechts und den Entzug des gesetzlichen Richters.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, da sie den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung nicht gerecht wird.

1. Eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG in Gestalt ihres Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechts hat die Beschwerdeführerin nicht ausreichend dargelegt.

a) Gesetzliche Vergütungsansprüche sollen nach dem Willen des Gesetzgebers ausschließlich dem Urheber zugutekommen. Dafür ist es unerheblich, dass dieser Vergütungsanspruch zunächst von einer Verwertungsgesellschaft wahrgenommen wird und erst im Anschluss an den Urheber ausgeschüttet wird. Auch aus der ständigen Praxis der Verlegerbeteiligung kann die Beschwerdeführerin keinen Anspruch herleiten.

b) Die Beschwerdeführerin greift mittelbar die urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen selbst an, zeigt jedoch nicht auf, von welchen urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen sie sich konkret betroffen sieht, und setzt sich auch nicht mit der Unterscheidung zwischen Schranken auseinander, die schon vor dem Erwerb des Verlagsrechts bestanden, und solchen, die erst nachträglich dieses Recht beschränkten.

c) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil festgestellt, dass eine Beteiligung von Verlegern an Rechten und Ansprüchen von Urhebern grundsätzlich möglich ist, wenn die Ansprüche wirksam an diese abgetreten worden sind. Eine wirksame Abtretung scheitert aber, wenn die Rechte und Ansprüche zuvor an Dritte wie die Beklagte abgetreten worden sind. Wie der Beschwerdeführerin dennoch abgeleitete Ansprüche der Urheber zustehen können, hat sie nicht dargelegt.

2. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG rügt, da sie gegenüber Tonträger- und Filmherstellern ungleich behandelt werde, ist ihr Vortrag unsubstantiiert. Die Beschwerdeführerin hat nicht dargelegt, inwieweit die Leistung der Verleger mit denen von Tonträgern und Filmherstellern vergleichbar ist, und befasst sich nicht mit den Gründen, warum der Gesetzgeber diesen im Vergleich zu Verlegern Leistungsschutzrechte zugesprochen hat.

3. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin nicht substantiiert dargelegt, dass ihr der gesetzliche Richter entzogen wurde, indem der Bundesgerichtshof die Entscheidung nicht dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV vorlegte. Der Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts ist auf die Frage beschränkt, ob der Bundesgerichtshof die Vorlagepflicht in vertretbarer Art und Weise gehandhabt hat. Dies ist vorliegend der Fall. Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs geht hervor, dass er keine Zweifel hinsichtlich der richtlinienkonformen Auslegung des § 63a Satz 2 Fall 2 UrhG hatte. Dass die Rechtsprechung bezüglich weiterer entscheidungserheblicher Normen unvollständig wäre und damit eine Vorlagepflicht bestanden hätte, hat die Beschwerdeführerin nicht aufgezeigt.



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: