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BGH legt EuGH Fragen zur Preistransparenz bei Tarifrechnern für Stromtarife von Energieversorgern vor

BGH
Beschluss vom 27.07.2023
I ZR 65/22
Doppeltarifzähler
Richtlinie 2005/29/EG Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 Buchst. c; UWG § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 1 Nr. 3


Der BGH hat dem EuGH Fragen zur Preistransparenz bei Tarifrechnern für Stromtarife von Energieversorgern zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 149 vom 11. Juni 2005, S. 22; Berichtigung ABl. L 253 vom 25. September 2009, S. 18) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Muss die vom Gewerbetreibenden nach Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG zu erteilende Information über die Art der Preisberechnung bei einer vom Verbrauch abhängigen Preisgestaltung so beschaffen sein, dass der Verbraucher auf Grundlage der Information selbständig eine Preisberechnung vornehmen kann, wenn er den ihn betreffenden Verbrauch kennt?

BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 - I ZR 65/22 - OLG Düsseldorf - LG Mönchengladbach

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Meta / Facebook - Bundeskartellamt darf im Rahmen des Missbrauchsverfahrens auch DSGVO-Verstöße feststellen

EuGH
Urteil vom 04.07.2023
C-252/21
Meta Platforms Inc., vormals Facebook Inc., Meta Platforms Ireland Ltd, vormals Facebook Ireland Ltd, Facebook Deutschland GmbH
gegen
Bundeskartellamt,
Beteiligte:
Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.,
(Allgemeine Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks)


Der EuGH hat entschieden, dass das Bundeskartellamt im Rahmen eines Missbrauchsverfahrens auch DSGVO-Verstöße feststellen darf, wobei das Bundeskartellamt etwaige Entscheidungen und Feststellungen der zuständigen Datenschutzbehörde berücksichtigen muss.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Eine nationale Wettbewerbsbehörde kann im Rahmen der Prüfung, ob eine beherrschende Stellung missbraucht wird, einen Verstoß gegen die DSGVO feststellen

Aufgrund ihrer Bindung an den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit muss sie jedoch eine etwaige Entscheidung oder Untersuchung seitens der nach der DSGVO zuständigen Aufsichtsbehörde berücksichtigen.

Meta Platforms Ireland betreibt in der Union das soziale Online-Netzwerk Facebook. Durch die Anmeldung bei Facebook stimmen die Nutzer den von diesem Unternehmen festgelegten Allgemeinen Nutzungsbedingungen und damit auch den Richtlinien für die Verwendung von Daten und Cookies zu. Nach diesen Richtlinien erfasst Meta Platforms Ireland Daten über Nutzeraktivitäten innerhalb und außerhalb des sozialen Netzwerks und ordnet sie den Facebook-Konten der betroffenen Nutzer zu. Bei den Daten, die Aktivitäten außerhalb des sozialen Netzwerks betreffen (auch „Off-Facebook-Daten“ genannt), handelt es sich zum einen um Daten über den Aufruf dritter Websites und Apps und zum anderen um Daten über die Nutzung anderer zum Meta-Konzern gehörender OnlineDienste (darunter Instagram und WhatsApp). Die dementsprechend erhobenen Daten ermöglichen es insbesondere, die an die Facebook-Nutzer gerichteten Werbenachrichten zu personalisieren.

Das deutsche Bundeskartellamt verbot es insbesondere, in den Allgemeinen Nutzungsbedingungen die Nutzung des sozialen Netzwerks Facebook durch in Deutschland wohnhafte private Nutzer von der Verarbeitung ihrer OffFacebook-Daten abhängig zu machen und diese Daten ohne ihre Einwilligung zu verarbeiten. Es begründete seinen Beschluss damit, dass diese Verarbeitung, da sie nicht mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)1 im Einklang stehe, eine missbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung von Meta Platforms Ireland auf dem deutschen Markt für soziale Online-Netzwerke darstelle.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf, bei dem eine Beschwerde gegen diesen Beschluss anhängig ist, fragt den Gerichtshof, ob die nationalen Wettbewerbsbehörden prüfen dürfen, ob eine Datenverarbeitung den Anforderungen der DSGVO entspricht. Außerdem fragt dieses Gericht, wie bestimmte Vorschriften der DSGVO auszulegen und auf eine Datenverarbeitung durch den Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks anzuwenden sind.

In seinem heute verkündeten Urteil führt der Gerichtshof aus, dass es sich für die Wettbewerbsbehörde des betreffenden Mitgliedstaats im Rahmen der Prüfung, ob ein Unternehmen eine beherrschende Stellung missbraucht, als notwendig erweisen kann, auch zu prüfen, ob das Verhalten dieses Unternehmens mit anderen als den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften, etwa mit den Vorschriften der DSGVO, vereinbar ist. Wenn die nationale Wettbewerbsbehörde einen Verstoß gegen die DSGVO feststellt, tritt sie allerdings nicht an die Stelle der durch diese Verordnung eingerichteten Aufsichtsbehörden. Die Prüfung, ob die DSGVO eingehalten wird, erfolgt nämlich ausschließlich, um den Missbrauch einer beherrschenden Stellung festzustellen und gemäß den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften Maßnahmen zur Abstellung dieses Missbrauchs aufzuerlegen.

Um eine kohärente Anwendung der DSGVO zu gewährleisten, sind die nationalen Wettbewerbsbehörden verpflichtet, sich abzustimmen und loyal mit den Behörden, die die Einhaltung dieser Verordnung überwachen, zusammenzuarbeiten. Hält es eine nationale Wettbewerbsbehörde für erforderlich, die Vereinbarkeit des Verhaltens eines Unternehmens mit der DSGVO zu prüfen, so muss sie insbesondere ermitteln, ob dieses oder ein ähnliches Verhalten bereits Gegenstand einer Entscheidung durch die zuständige Aufsichtsbehörde oder auch durch den Gerichtshof war. Ist dies der Fall, darf sie davon nicht abweichen, wobei es ihr aber freisteht, daraus eigene Schlussfolgerungen unter dem Gesichtspunkt der Anwendung des Wettbewerbsrechts zu ziehen.

Darüber hinaus weist der Gerichtshof darauf hin, dass die von Meta Platforms Ireland vorgenommene Datenverarbeitung offenbar auch besondere Kategorien von Daten betrifft, die u. a. die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse Überzeugungen oder die sexuelle Orientierung offenbaren können und deren Verarbeitung nach der DSGVO grundsätzlich untersagt ist. Das nationale Gericht wird daher zu prüfen haben, ob bestimmte der erhobenen Daten tatsächlich die Offenlegung solcher Informationen ermöglichen, unabhängig davon, ob diese Informationen einen Nutzer des sozialen Netzwerks oder eine andere natürliche Person betreffen.

Was die Frage betrifft, ob die Verarbeitung solcher sogenannten „sensiblen Daten“ ausnahmsweise zulässig ist, weil die betroffene Person diese Daten offensichtlich öffentlich gemacht hat, stellt der Gerichtshof klar, dass die bloße Tatsache, dass ein Nutzer Websites oder Apps aufruft, die solche Informationen offenbaren können, keineswegs bedeutet, dass er seine Daten im Sinne der DSGVO offensichtlich öffentlich macht. Ebenso verhält es sich, wenn ein Nutzer Daten auf solchen Websites oder in solchen Apps eingibt oder darin eingebundene Schaltflächen betätigt, es sei denn, er hat zuvor explizit seine Entscheidung zum Ausdruck gebracht, die ihn betreffenden Daten einer unbegrenzten Zahl von Personen öffentlich zugänglich zu machen.

In Bezug auf die von Meta Platforms Ireland vorgenommene Verarbeitung in einem allgemeineren Sinne (einschließlich der Verarbeitung „nicht sensibler“ Daten) prüft der Gerichtshof sodann, ob diese unter die in der DSGVO genannten Rechtfertigungsgründe fällt, nach denen eine Datenverarbeitung rechtmäßig sein kann, ohne dass die betroffene Person ihre Einwilligung erteilt hat. Insoweit stellt der Gerichtshof fest, dass die Erforderlichkeit, den mit dieser Person geschlossenen Vertrag zu erfüllen, die streitige Praxis nur dann rechtfertigt, wenn die Datenverarbeitung insofern objektiv unerlässlich ist, als der Hauptgegenstand des Vertrags ohne sie nicht erfüllt werden könnte. Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das nationale Gericht äußert der Gerichtshof Zweifel daran, dass die Personalisierung der Inhalte oder die durchgängige und nahtlose Nutzung der Dienste des Meta-Konzerns diese Kriterien erfüllen können. Zudem befindet der Gerichtshof, dass die Personalisierung der Werbung, mit der das soziale Netzwerk Facebook finanziert wird, nicht als berechtigtes Interesse von Meta Platforms Ireland die fragliche Datenverarbeitung rechtfertigen kann, sofern keine Einwilligung der betroffenen Person vorliegt.

Abschließend stellt der Gerichtshof fest, dass der Umstand, dass der Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks als für die Verarbeitung Verantwortlicher eine beherrschende Stellung auf dem Markt für soziale Netzwerke einnimmt, für sich genommen nicht ausschließt, dass die Nutzer dieses Netzwerks im Sinne der DSGVO wirksam in die Verarbeitung ihrer Daten durch diesen Betreiber einwilligen können. Da eine solche Stellung aber geeignet ist, die Wahlfreiheit der Nutzer zu beeinträchtigen und ein klares Ungleichgewicht zwischen den Nutzern und dem Verantwortlichen zu schaffen, ist sie ein wichtiger Aspekt für die Prüfung, ob die Einwilligung tatsächlich wirksam, insbesondere freiwillig, erteilt wurde, wofür der betreffende Betreiber die Beweislast trägt.


Tenor der Entscheidung:

1. Die Art. 51 ff. der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) sowie Art. 4 Abs. 3 EUV

sind dahin auszulegen, dass

eine mitgliedstaatliche Wettbewerbsbehörde im Rahmen der Prüfung, ob ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung durch ein Unternehmen im Sinne von Art. 102 AEUV vorliegt, vorbehaltlich der Erfüllung ihrer Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden feststellen kann, dass die Allgemeinen Nutzungsbedingungen dieses Unternehmens, soweit sie sich auf die Verarbeitung personenbezogener Daten beziehen, und die Durchführung dieser Nutzungsbedingungen nicht mit der Verordnung 2016/679 vereinbar sind, wenn diese Feststellung erforderlich ist, um das Vorliegen eines solchen Missbrauchs zu belegen.

Angesichts dieser Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit darf die nationale Wettbewerbsbehörde von einer Entscheidung der zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde oder der zuständigen federführenden Aufsichtsbehörde in Bezug auf diese Allgemeinen Nutzungsbedingungen oder ähnliche allgemeine Bedingungen nicht abweichen. Wenn sie Zweifel hinsichtlich der Tragweite einer solchen Entscheidung hat, wenn die fraglichen Bedingungen oder ähnliche Bedingungen gleichzeitig Gegenstand einer Prüfung durch diese Behörden sind oder wenn sie bei Nichtvorliegen einer Untersuchung oder Entscheidung dieser Behörden der Auffassung ist, dass die fraglichen Bedingungen nicht mit der Verordnung 2016/679 vereinbar sind, muss die Wettbewerbsbehörde diese Aufsichtsbehörden konsultieren und um deren Mitarbeit bitten, um ihre Zweifel auszuräumen oder zu klären, ob sie eine Entscheidung der Aufsichtsbehörden abwarten muss, bevor sie mit ihrer eigenen Beurteilung beginnt. Wird von den Aufsichtsbehörden innerhalb einer angemessenen Frist kein Einwand erhoben oder keine Antwort erteilt, so kann die nationale Wettbewerbsbehörde ihre eigene Untersuchung fortsetzen.

2. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass

in dem Fall, dass ein Nutzer eines sozialen Online-Netzwerks Websites oder Apps mit Bezug zu einer oder mehreren der in dieser Bestimmung genannten Kategorien aufruft und dort gegebenenfalls Daten eingibt, indem er sich registriert oder Online-Bestellungen aufgibt, die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betreiber dieses sozialen Online-Netzwerks, die darin besteht, dass dieser Betreiber die aus dem Aufruf dieser Websites und Apps stammenden Daten sowie die vom Nutzer eingegebenen Daten über integrierte Schnittstellen, Cookies oder ähnliche Speichertechnologien erhebt, die Gesamtheit dieser Daten mit dem jeweiligen Nutzerkonto des sozialen Netzwerks verknüpft und diese Daten verwendet, als eine „Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten“ im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, die vorbehaltlich der in Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2016/679 vorgesehenen Ausnahmen grundsätzlich untersagt ist, wenn diese Datenverarbeitung die Offenlegung von Informationen ermöglicht, die in eine dieser Kategorien fallen, unabhängig davon, ob diese Informationen einen Nutzer dieses Netzwerks oder eine andere natürliche Person betreffen.

3. Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass

ein Nutzer eines sozialen Online-Netzwerks, wenn er Websites oder Apps mit Bezug zu einer oder mehreren der in Art. 9 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Kategorien aufruft, die diesen Aufruf betreffenden Daten, die der Betreiber dieses sozialen Online-Netzwerks über Cookies oder ähnliche Speichertechnologien erhebt, nicht im Sinne der erstgenannten Bestimmung offensichtlich öffentlich macht.

Gibt ein solcher Nutzer Daten auf solchen Websites oder in solchen Apps ein oder betätigt er darin eingebundene Schaltflächen – wie etwa „Gefällt mir“ oder „Teilen“ oder Schaltflächen, die es dem Nutzer ermöglichen, sich auf diesen Websites oder in diesen Apps unter Verwendung der Anmeldedaten, die mit seinem Konto als Nutzer des sozialen Netzwerks, seiner Telefonnummer oder seiner E‑Mail-Adresse verknüpft sind, zu identifizieren –, so macht er die eingegebenen oder sich aus der Betätigung dieser Schaltflächen ergebenden Daten nur dann im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung 2016/679 offensichtlich öffentlich, wenn er zuvor, gegebenenfalls durch in voller Kenntnis der Sachlage vorgenommene individuelle Einstellungen, explizit seine Entscheidung zum Ausdruck gebracht hat, die ihn betreffenden Daten einer unbegrenzten Zahl von Personen öffentlich zugänglich zu machen.

4. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass

die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks, die darin besteht, dass Daten der Nutzer eines solchen Netzwerks, die aus anderen Diensten des Konzerns, zu dem dieser Betreiber gehört, stammen oder sich aus dem Aufruf dritter Websites oder Apps durch diese Nutzer ergeben, erhoben, mit dem jeweiligen Nutzerkonto des sozialen Netzwerks verknüpft und verwendet werden, nur dann als im Sinne dieser Vorschrift für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragsparteien die betroffenen Personen sind, erforderlich angesehen werden kann, wenn diese Verarbeitung objektiv unerlässlich ist, um einen Zweck zu verwirklichen, der notwendiger Bestandteil der für diese Nutzer bestimmten Vertragsleistung ist, so dass der Hauptgegenstand des Vertrags ohne diese Verarbeitung nicht erfüllt werden könnte.

5. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass

die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks, die darin besteht, dass Daten der Nutzer eines solchen Netzwerks, die aus anderen Diensten des Konzerns, zu dem dieser Betreiber gehört, stammen oder sich aus dem Aufruf dritter Websites oder Apps durch diese Nutzer ergeben, erhoben, mit dem jeweiligen Nutzerkonto des sozialen Netzwerks verknüpft und verwendet werden, nur dann als zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden kann, wenn der fragliche Betreiber den Nutzern, bei denen die Daten erhoben wurden, ein mit der Datenverarbeitung verfolgtes berechtigtes Interesse mitgeteilt hat, wenn diese Verarbeitung innerhalb der Grenzen dessen erfolgt, was zur Verwirklichung dieses berechtigten Interesses absolut notwendig ist und wenn sich aus einer Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen unter Würdigung aller relevanten Umstände ergibt, dass die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten dieser Nutzer gegenüber dem berechtigten Interesse des Verantwortlichen oder eines Dritten nicht überwiegen.

6. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass

die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks, die darin besteht, dass Daten der Nutzer eines solchen Netzwerks, die aus anderen Diensten des Konzerns, zu dem dieser Betreiber gehört, stammen oder sich aus dem Aufruf dritter Websites oder Apps durch diese Nutzer ergeben, erhoben, mit dem jeweiligen Nutzerkonto des sozialen Netzwerks verknüpft und verwendet werden, nach dieser Vorschrift gerechtfertigt ist, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, der der Verantwortliche gemäß einer Vorschrift des Unionsrechts oder des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats unterliegt, tatsächlich erforderlich ist, diese Rechtsgrundlage ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgt und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Ziel steht und diese Verarbeitung in den Grenzen des absolut Notwendigen erfolgt.

7. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. d und e der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass

die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks, die darin besteht, dass Daten der Nutzer eines solchen Netzwerks, die aus anderen Diensten des Konzerns, zu dem dieser Betreiber gehört, stammen oder sich aus dem Aufruf dritter Websites oder Apps durch diese Nutzer ergeben, erhoben, mit dem jeweiligen Nutzerkonto des sozialen Netzwerks verknüpft und verwendet werden, grundsätzlich – vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht – nicht als im Sinne von Buchst. d erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen, oder als im Sinne von Buchst. e für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde, angesehen werden kann.

8. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a und Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2016/679

sind dahin auszulegen, dass

der Umstand, dass der Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks eine beherrschende Stellung auf dem Markt für soziale Online-Netzwerke einnimmt, für sich genommen nicht ausschließt, dass die Nutzer eines solchen Netzwerks im Sinne von Art. 4 Nr. 11 dieser Verordnung wirksam in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch diesen Betreiber einwilligen können. Gleichwohl ist dieser Umstand ein wichtiger Aspekt für die Prüfung, ob die Einwilligung tatsächlich wirksam, insbesondere freiwillig, erteilt wurde, wofür der betreffende Betreiber die Beweislast trägt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Düsseldorf legt EuGH vor: Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Facebook - rechtswidrige Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten

OLG Düsseldorf
Beschluss vom 24.03.2021
VI-Kart 2/19 (V)


Das OLG Düsseldorf hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, ob Facebook seine marktbeherrschende Stellung durch die rechtswidrige Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten missbraucht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Facebook gegen Bundeskartellamt: Ergebnisse des Verhandlungstermins

Der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat heute unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Jürgen Kühnen über die Beschwerden von Facebook gegen die Abstellungsverfügung des Bundeskartellamts vom 6. Februar 2019 (B6 – 22/16) verhandelt (vgl. die ankündigende Pressemitteilung).

Das Amt hatte der irischen Facebook-Gesellschaft, welche die für kartellrechtswidrig erachtete Datenerhebung und Datenverwendung vornimmt, ferner deren deutschen Schwestergesellschaft, zudem der amerikanischen Muttergesellschaft des Facebook-Konzern sowie schließlich allen mit den drei genannten Gesellschaften "verbundenen Unternehmen" untersagt, nutzer- und gerätebezogene Daten der Facebook-Nutzer, die bei der gleichzeitigen Nutzung von WhatsApp, Instagram und Oculus erhoben und gespeichert werden, mit den Facebook-Daten zu verknüpfen und zu verwenden, ferner die geräte- und nutzerbezogenen Daten, die bei dem Besuch dritter Webseiten oder der Nutzung mobiler Apps dritter Anbieter generiert werden (Facebook Business Tools), zu verknüpfen und zu verwenden, sofern der Facebook-Nutzer in diese Datenerhebung und Datenverwendung nicht zuvor nach den Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eingewilligt hat.

Der Senat hat in der Verhandlung im Einzelnen zur Sach- und Rechtslage Stellung genommen.

1.

Hinsichtlich der Erwägungen, mit denen das Amt seine Entscheidung in der angefochtenen Verfügung begründet hatte, ist der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass über die Facebook-Beschwerden erst nach Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) entschieden werden kann. Die Frage, ob Facebook seine marktbeherrschende Stellung als Anbieter auf dem bundesdeutschen Markt für soziale Netzwerke deshalb missbräuchlich ausnutzt, weil es die Daten seiner Nutzer unter Verstoß gegen die DSGVO erhebt und verwendet, kann ohne Anrufung des EuGH nicht entschieden werden. Denn zur Auslegung europäischen Rechts ist der EuGH berufen. Der Senat folgt mit einer Vorlage der Anregung, die das Bundeskartellamt selbst im Eilverfahren gegen die angefochtene Amtsentscheidung geäußert hatte.

2.

Zu den Ausführungen, mit denen der Bundesgerichtshof im Eilverfahren das einstweilige Rechtsschutzbegehren von Facebook zurückgewiesen hatte und auf welche sich das Amt im Beschwerdeverfahren ergänzend stützt, hat der Senat auf mehrere rechtliche Gesichtspunkte hingewiesen.

Der Bundesgerichtshof hatte angenommen, dass sich die Amtsverfügung aus dem Gesichtspunkt der aufgedrängten Leistungserweiterung rechtfertige. Facebook sei vorzuwerfen, dass die Nutzer ihres sozialen Netzwerks keine Wahlmöglichkeit zwischen einer Nutzung des Netzwerks nur aufgrund ihrer dem Netzwerk Facebook.com selbst überlassenen Daten (kleine Datenmenge) und einer Nutzung des Netzwerks auch aufgrund ihrer außerhalb des Netzwerks, d.h. u.a. bei WhatsApp, Instagram und Oculus sowie auf dritten Webseiten und Apps hinterlassenen Daten (große Datenmenge) eingeräumt werde. Dadurch, so der Bundesgerichtshof, werde den Facebook-Nutzern eine Leistungserweiterung aufgezwungen.

Der Senat hat ausgeführt, dass ein Kartellgericht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht befugt ist, die Begründung der Amtsverfügung in einem Umfang auszuwechseln, dass sich das Wesen der kartellbehördlichen Entscheidung ändert, und dass unter Berücksichtigung der dazu bislang ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts vieles dafür spricht, dass es sich bei dem Vorwurf der aufgedrängten Leistungserweiterung um einen gänzlich anderen, wesensverschiedenen Kartellverstoß handelt.

Der Senat hat ferner die Frage aufgeworfen, ob der Kartellverstoß einer fehlenden Wahlmöglichkeit des Facebook-Nutzers überhaupt vom Verbotsausspruch des Amtes umfasst wird. Er hat in diesem Zusammenhang ferner darauf verwiesen, dass sich eine "aufgedrängte" Leistungserweiterung möglicherweise auch dadurch verhindern lässt, dass der Facebook-Nutzer in die streitbefangene Datenerhebung und Datenverwendung "eingewilligt" haben muss. Daneben kommen weitere Möglichkeiten in Betracht, mit denen Facebook den in Rede stehenden Kartellverstoß abstellen kann. Facebook kann nicht nur sein soziales Netzwerk in Deutschland schließen, sondern – wie der Bundesgerichtshof meint – in seinen Nutzungsbedingungen auch eine Wahlmöglichkeit zwischen der Erhebung und Verwendung einer erlaubten kleinen Datenmenge und der unerlaubten großen Datenmenge einräumen. Die Auswahl unter diesen Abstellungsalternativen wird Facebook unter Verstoß gegen § 32 GWB womöglich genommen, wenn ihm aufgegeben wird, einen kartellrechtmäßigen Zustand dadurch herzustellen, dass der Facebook-Nutzer vor einer Datenerhebung und Datenverwendung eingewilligt haben muss.

Darüber hinaus hat der Senat näher dargelegt, dass sich jedenfalls für einen Teil der streitbefangenen Nutzerdaten, nämlich insbesondere für diejenigen von Instagram und Oculus, keine tragfähigen Feststellungen zu den vom Bundesgerichtshof für relevant erachteten Fragen treffen lassen, ob den Facebook-Nutzern eine Leistung aufgedrängt werde, die sie möglicherweise nicht wollen und die im Wettbewerb nicht zu erwarten gewesen wäre, und ob durch diese Leistungserweiterung die Facebook-Konkurrenten im Wettbewerb behindert werden.

3.

Abschließend hat der Senat begründet, dass der Verbotsausspruch des Amtes fehlerhaft ist, soweit die verbundenen Unternehmen der drei verfahrensbeteiligten Facebook-Gesellschaften in die Pflicht genommen werden, und ferner auch, soweit das Amt die deutsche Schwestergesellschaft der datenerhebenden irischen Facebook-Gesellschaft und die amerikanische Muttergesellschaft des Facebook-Konzerns in Anspruch genommen hat. Den verbundenen Unternehmen ist vor Erlass der angefochtenen Amtsentscheidung schon kein rechtliches Gehör gewährt worden. Die Inanspruchnahme der deutschen Schwestergesellschaft ist fehlerhaft, weil diese keinen bestimmenden Einfluss auf ihr irisches Schwesterunternehmen besitzt und deshalb zur Abstellung des Kartellverstoßes nicht maßgeblich beitragen kann. Der Verfügungserlass gegen die Facebook-Muttergesellschaft ist rechtswidrig, weil sie im Ermessen des Amtes steht und das Amt keinerlei Ermessenserwägungen angestellt hat. Das Amt hat überdies keine Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass die irische Facebook-Gesellschaft dem kartellbehördlichen Gebot keine Folge leisten wird und aus diesem Grund auch das Mutterunternehmen in die Pflicht genommen werden muss.

Der Senat hat am Ende der mündlichen Verhandlung zur Auslegung von Bestimmungen der DSGVO einen Vorlagebeschluss an den EuGH seinem wesentlichen Inhalt nach verkündet. Der Beschluss wird in den nächsten Wochen schriftlich abgesetzt und den Verfahrensbeteiligten zugestellt werden.


BGH-Enscheidung zum Einbetten von Youtube-Videos und embedded content liegt im Volltext vor

BGH
Beschluss vom 16.03.2013
I ZR 46/12
Die Realität
Richtlinie 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Der EuGH muss über Haftung für Embedded Content und Zulässigeit von Framing entscheiden - Einbinden von Youtube-Videos - Die Realität" über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22.6.2001, S. 10) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stellt die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite unter Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar, auch wenn das fremde Werk damit nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet?

BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 - I ZR 46/12 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Der EuGH muss über Haftung für Embedded Content und Zulässigeit von Framing entscheiden - Einbinden von Youtube-Videos - Die Realität

BGH
Beschluss vom 16.05.2013
I ZR 46/12
Die Realität


Der BGH hat entschieden, dass der EuGH über die Haftung für Embedded Content und Zulässigeit von Framing entscheiden muss. Zwar handelt es sich beim einbetten fremder Inhalte nicht um ein öffentliches Zugänglichmachen eine urheberrechtliche geschützten Werkes nach § 19a UrHG, jedoch kann es sich um ein unbenanntes Verwertungsrecht handelt, welches sich bei richtlieninenkonformer Auslegung aus § 15 Abs. 2 UrhG ergeben kann.

Aus der Pressemitteilung des BGH:

"Das Berufungsgericht hat zwar - so der Bundesgerichtshof - mit Recht angenommen, dass die bloße Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereitgehaltenen Werkes mit der eigenen Internetseite im Wege des "Framing" grundsätzlich kein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19a UrhG darstellt, weil allein der Inhaber der fremden Internetseite darüber entscheidet, ob das auf seiner Internetseite bereitgehaltene Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Eine solche Verknüpfung könnte jedoch bei einer im Blick auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG ein unbenanntes Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe verletzen. Der Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union daher die - auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht zweifelsfrei zu beantwortende - Frage vorgelegt, ob bei der hier in Rede stehenden Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vorliegt."

Die vollständige Pressemitteilung des BGH finden Sie hier:

"BGH: Der EuGH muss über Haftung für Embedded Content und Zulässigeit von Framing entscheiden - Einbinden von Youtube-Videos - Die Realität" vollständig lesen