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EuGH: TC-Strings der IAB Europe sind personenbezogene Daten im Sinne der DSGVO - Zur Zulässigkeit von Werbung per Real Time Bidding

EuGH
Urteil vom 07.03.2024
C-604/22
IAB Europe gegen Gegevensbeschermingsautoriteit


Der EuGH hat entschieden, dass die TC-Strings der IAB Europe personenbezogene Daten im Sinne der DSGVO sind.

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 4 Nr. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass eine aus einer Kombination von Buchstaben und Zeichen bestehende Zeichenfolge wie der TC‑String (Transparency and Consent String), die die Präferenzen eines Internetnutzers oder Nutzers einer Anwendung in Bezug auf dessen Einwilligung in die Verarbeitung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten durch Anbieter von Websites oder Anwendungen sowie durch Datenbroker und Werbeplattformen enthält, ein personenbezogenes Datum im Sinne dieser Bestimmung darstellt, soweit sie, wenn sie mit vertretbarem Aufwand einer Kennung wie insbesondere der IP‑Adresse des Geräts dieses Nutzers zugeordnet werden kann, es erlaubt, die betreffende Person zu identifizieren. Unter diesen Umständen schließt der Umstand, dass eine Branchenorganisation, die im Besitz dieser Zeichenfolge ist, ohne einen Beitrag von außen weder Zugang zu den Daten hat, die von ihren Mitgliedern im Rahmen der von ihr aufgestellten Regeln verarbeitet werden, noch diese Zeichenfolge mit anderen Elementen kombinieren kann, nicht aus, dass diese Zeichenfolge ein personenbezogenes Datum im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

2. Art. 4 Nr. 7 und Art. 26 Abs. 1 der Verordnung 2016/679 sind dahin auszulegen, dass

– zum einen eine Branchenorganisation, soweit sie ihren Mitgliedern einen von ihr aufgestellten Regelungsrahmen in Bezug auf die Einwilligung im Bereich der Verarbeitung personenbezogener Daten anbietet, der nicht nur verbindliche technische Vorschriften enthält, sondern auch Vorschriften, die detailliert festlegen, wie personenbezogene Daten, die diese Einwilligung betreffen, gespeichert und verbreitet werden müssen, als „gemeinsam Verantwortlicher“ im Sinne dieser Bestimmungen einzustufen ist, wenn sie unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles aus Eigeninteresse auf die betreffende Verarbeitung personenbezogener Daten Einfluss nimmt und damit gemeinsam mit ihren Mitgliedern die Zwecke der und die Mittel zur betreffenden Verarbeitung festlegt. Der Umstand, dass eine solche Branchenorganisation selbst keinen unmittelbaren Zugang zu den von ihren Mitgliedern innerhalb dieses Regelungsrahmens verarbeiteten personenbezogenen Daten hat, schließt nicht aus, dass sie ein gemeinsam Verantwortlicher im Sinne dieser Bestimmungen sein kann;

– zum anderen sich die gemeinsame Verantwortlichkeit dieser Branchenorganisation nicht automatisch auf die Weiterverarbeitung personenbezogener Daten durch Dritte, wie beispielsweise Anbieter von Websites oder Anwendungen, erstreckt, was die Nutzerpräferenzen für gezielte Online-Werbung betrifft.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Versteigerung von personenbezogenen Daten für Werbezwecke: der Gerichtshof stellt die Regeln auf der Grundlage der DSGVO klar

Wenn ein Nutzer eine Website oder eine Anwendung mit einem Werbeplatz aufruft, können Werbeunternehmen, Datenbroker und Werbeplattformen, die Tausende von Werbetreibenden vertreten, anonym in Echtzeit Gebote abgeben, um diesen Werbeplatz zu erhalten und dort auf das Profil des Nutzers abgestimmte Werbung anzuzeigen (Real Time Bidding).

Bevor jedoch eine solche gezielte Werbung angezeigt wird, muss die vorherige Einwilligung des Nutzers zur Erhebung und Verarbeitung seiner Daten (insbesondere seinen Standort, sein Alter, den Verlauf seiner Suchanfragen und seine zuletzt getätigten Einkäufe betreffend) für bestimmte Zwecke, wie u. a. Marketing oder Werbung, oder zum Austausch dieser Daten mit bestimmten Anbietern eingeholt werden. Der Nutzer kann dem auch widersprechen.

IAB Europe ist ein Verband ohne Gewinnerzielungsabsicht mit Sitz in Belgien, der Unternehmen der digitalen Werbe- und Marketingindustrie auf europäischer Ebene vertritt. IAB Europe hat eine Lösung entwickelt, die dieses Versteigerungssystem mit der DSGVO in Einklang bringen können soll. Die Nutzerpräferenzen werden in einem aus einer Kombination von Buchstaben und Zeichen bestehenden String kodiert und gespeichert, der als „Transparency and Consent String“ (TC-String) bezeichnet wird und der mit Brokern für personenbezogene Daten und Werbeplattformen geteilt wird, damit diese wissen, worin der Nutzer eingewilligt oder wogegen er Widerspruch eingelegt hat. Auf dem Gerät des Nutzers wird auch ein Cookie gespeichert. Miteinander kombiniert, können der TC-String und das Cookie der IP-Adresse dieses Nutzers zugeordnet werden.

Im Jahr 2022 stellte die belgische Datenschutzbehörde fest, dass der TC-String ein personenbezogenes Datum im Sinne der DSGVO darstelle und dass IAB Europe als Verantwortlicher aufgetreten sei, ohne die Vorschriften der DSGVO vollständig einzuhalten. Die Behörde verhängte gegen IAB Europe mehrere Abhilfemaßnahmen sowie eine Geldbuße. IAB Europe focht diese Entscheidung an und wandte sich an den Appellationshof Brüssel, der dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.

Mit seinem Urteil bestätigt der Gerichtshof, dass der TC-String Informationen über einen identifizierbaren Nutzer enthält und somit ein personenbezogenes Datum im Sinne der DSGVO darstellt. Anhand der in einem TC-String enthaltenen Informationen kann nämlich, wenn sie einer Kennung wie insbesondere der IP-Adresse des Geräts des Nutzers zugeordnet werden, ein Profil dieses Nutzers erstellt und die betreffende Person identifiziert werden.

Darüber hinaus ist IAB Europe als „gemeinsam Verantwortlicher“ im Sinne der DSGVO anzusehen. Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen scheint diese Organisation nämlich bei der Speicherung der Einwilligungspräferenzen der Nutzer in einem TC-String auf die Verarbeitungen personenbezogener Daten Einfluss zu nehmen und gemeinsam mit ihren Mitgliedern sowohl die Zwecke dieser Verarbeitungen als auch die ihnen zugrunde liegenden Mittel festzulegen. Allerdings kann, unbeschadet einer etwaigen im nationalen Recht vorgesehenen zivilrechtlichen Haftung, IAB Europe für Datenverarbeitungen, die nach der Speicherung der Einwilligungspräferenzen der Nutzer in einem TC-String erfolgen, nur dann als im Sinne der DSGVO verantwortlich angesehen werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass dieser Verband Einfluss auf die Festlegung der Zwecke und Modalitäten dieser Weiterverarbeitungen ausgeübt hat.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Inbox-Werbung durch Einblendung von Werbung durch den E-Mail-Dienst-Betreiber bedarf der Einwilligung des Nutzers nach genauer Belehrung über Werbemodalitäten

BGH
Urteil vom 13.01.2022
I ZR 25/19
Inbox-Werbung II
Richtlinie 2002/58/EG Art. 2 Satz 2 Buchst. h, Art. 13 Abs. 1; UWG § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2 Nr.


Der BGH hat auf die Entscheidung des EuGH hin entschieden, dass Inbox-Werbung durch Einblendung von Werbung durch den E-Mail-Dienst-Betreiber der Einwilligung des Nutzers nach genauer Belehrung über die Werbemodalitäten bedarf.

Leitsatz des BGH:
Eine wirksame Einwilligung in eine Inbox-Werbung (automatisierte Werbeeinblendung auf bestimmten dafür vorgesehenen Flächen in der E-Mail-Inbox des Nutzers), die eine Werbung unter Verwendung elektronischer Post im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG darstellt, liegt nicht vor, wenn der Nutzer, der eine unentgeltliche, durch Werbung finanzierte Variante eines E-Mail-Dienstes gewählt hat, sich allgemein damit einverstanden erklärt, Werbeeinblendungen zu erhalten, um kein Entgelt für die
Nutzung des E-Mail-Dienstes zahlen zu müssen. Erforderlich ist vielmehr, dass der betroffene Nutzer vor einer Einwilligungserklärung klar und präzise über die genauen Modalitäten der Verbreitung einer solchen Werbung und insbesondere darüber informiert wird, dass Werbenachrichten in der Liste der empfangenen privaten E-Mails angezeigt werden.

BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - I ZR 25/19 - OLG Nürnberg - LG Nürnberg-Fürth

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Stendal: Verstoß gegen § 7 UWG und Unterlassungsanspruch wenn Newsletter-Bestätigungsmail im Double-opt-in-Verfahren selbst Werbung enthält

LG Stendal
Urteil vom 12.05.2021
22 S 87/20


Das LG Stendal hat entschieden, dass ein Verstoß gegen § 7 UWG vorliegt und ein Unterlassungsanspruch besteht, wenn die Newsletter-Bestätigungsmail im Double-opt-in-Verfahren selbst Werbung enthält.

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch im tenorierten Umfang gemäß §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1 BGB.

Gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB kann der Inhaber eines absoluten Rechtsguts im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB im Falle einer Beeinträchtigung des Rechtsguts gegen den Störer auf Unterlassung klagen, wenn weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

1. Durch die Zusendung der E-Mail, Anlage K 1, Bl. 9 d.A., an die nahezu ausschließlich geschäftlich genutzte E-Mail-Adresse des Klägers ":::::::::@web.de" am 23. Mai 2020 um 15:29 Uhr hat die Beklagte in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers rechtswidrig eingegriffen.

a) Der Zugang der E-Mail bei dem Kläger ist durch den von ihm vorgelegten Ausdruck der E-Mail, die als Empfänger die E-Mail-Adresse des Klägers im Adressfeld ausweist, zur Überzeugung der Kammer belegt. Es ist unstreitig, dass die Beklagte zum streitgegenständlichen Zeitpunkt E-Mails desselben Inhalts im Double-opt-in-Verfahren versandt hat. Dafür, dass es sich nicht um einen Ausdruck einer in diesem Verfahren von der Website der Beklagten generierten E-Mail, sondern um einen zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs eigenständig gefertigten Text handelt, fehlen konkrete Anhaltspunkte. Weder die allgemeine Lebenserfahrung noch die mehrfache Mandatierung des Prozessbevollmächtigten des Klägers in Unterlassungsklagen gegen Bestätigungsmails im Double-opt-in-Verfahren legen einen solchen Missbrauch nahe.

b) Die Zusendung der E-Mail stellt einen rechtswidrigen Eingriff in den Gewerbebetrieb des Klägers dar.

aa) Geschützt ist gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB nur der unmittelbare Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. Sprau in: Palandt, BGB, 79. Aufl., § 823 Rn 135 mwN). Ein solcher liegt bereits bei dem Zugang nur einer einzelnen unverlangt zugesendeten Werbe-E-Mail an einen Gewerbetreibenden vor.

Im Rahmen der Prüfung eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB kommen zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen die Maßstäbe des § 7 UWG zur Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2017 -VI ZR 721/15, BeckRS 2017, 106320, Rn 15 mwN). Gemäß § 7 Abs. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belä-stigt worden ist, unzulässig. Eine unzumutbare Belästigung ist gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stets anzunehmen, wenn Werbung unter Verwendung elektronischer Post, ohne dass vorher eine ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt, versandt wird. Dabei sind Marktteilnehmer gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG neben Mitbewerbern und Verbrauchern alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind, also auch der Consulting-Dienstleistungen erbringende Kläger (vgl. Bähr in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Aufl., § 2 Rn 198 ff (199)).

Gegenstand des Schutzes des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes ist die Verhinderung des Eindringens des Werbenden in die geschäftliche Sphäre, insbesondere die Ungestörtheit der Betriebsabläufe des sonstigen Marktteilnehmers. Es soll verhindert werden, dass dem Marktteilnehmer Werbemaßnahmen gegen seinen erkennbaren und mutmaßlichen Willen aufgedrängt werden. Verhindert werden soll darüber hinaus, dass die belästigende Werbung zu einer Bindung von Ressourcen des Empfängers führt. Unverlangt zugesendete E-Mail-Werbung erfolgt betriebsbezogen und beeinträchtigt den Betriebsablauf im Unternehmen des Empfängers. Das Verwenden von E-Mails mit unerbetener Werbung, die der Empfänger jeweils einzeln sichten muss und bei denen ein Widerspruch erforderlich ist, um eine weitere Zusendung zu unterbinden, führt zu einer nicht unerheblichen Belästigung (vgl. BGH aaO; BGH, Urteil vom 12. September 2013 -I ZR 208/12, juris, Rn 15; Urteil vom 20. Mai 2009 -I 218/07, juris). Zudem können, soweit kein festes Entgelt vereinbart ist, zusätzliche Kosten für die Herstellung der Online-Verbindung und die Übermittlung der E-Mail durch den Provider anfallen. Die Zusatzkosten für den Abruf einer einzelnen E-Mail können zwar gering sein. Auch der Arbeitsaufwand für das Aussortieren einer E-Mail kann sich in engen Grenzen halten, wenn sich bereits aus dem Betreff entnehmen lässt, dass es sich um Werbung handelt. Anders fällt die Beurteilung aber aus, wenn es sich um eine größere Zahl unerbetener E-Mails handelt oder wenn der Empfänger der E-Mail ausdrücklich dem weiteren Erhalt von E-Mails widersprechen muss (vgl. BGH, Urteil vom 12. September 2013 -I ZR 208/12-, juris, Rn 15). Mit der häufigen Übermittlung von Werbe-E-Mails ohne vorherige Einwilligung des Empfängers durch verschiedene Absender ist aber immer dann zu rechnen, wenn die Übermittlung einzelner E-Mails zulässig ist. Denn im Hinblick auf die billige, schnelle und durch Automatisierung arbeitssparende Versendungsmöglichkeit ist ohne Einschränkung der E-Mail-Werbung mit einem immer weiteren Umsichgreifen dieser Werbeart zu rechnen. Dies macht bereits die Zusendung einer einzelnen unverlangten Werbe-E-Mail unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2009 -I ZR 218/07-, juris, Rn 12).

bb) Die streitgegenständliche E-Mail war rechtswidrig, da sie unverlangt zugesandte Werbung im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG enthält.

Zwar ist die Bestätigungsmail im Double-opt-in-Verfahren, bei dem nach einer Anmeldung mit einer E-Mail-Adresse das Unternehmen dem Anmeldenden eine Bestätigungsmail zur Verifizierung der Anmeldung schickt, unter Berücksichtigung der Wertungen des § 7 UWG zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 -I ZR 164/09, juris, Rn 37; BGH, Beschluss vom 16. August 2012 -I ZB 2/12, MMR 2013, 169). Denn die Bestätigungsmail dient dem schützenswerten Zweck, dass sich der Unternehmer des tatsächlich vorliegenden Einverständnisses des Anmeldenden in das nachfolgende Versenden von Werbung versichert. Mit dem Verfahren wird sichergestellt, dass es nicht auf Grund von Falscheingaben zu einer Versendung von E-Mail-Werbung ohne Einwilligung kommt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2011, aaO). Danach ist eine Bestätigungsmail im Double-opt-in-Verfahren auch dann zulässig, wenn sie einen Adressaten erreicht, der sich nicht bei dem werbenden Unternehmen angemeldet hatte (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17. März 2016 -I-15 U 64/15, juris, Rn 17; OLG Celle, Urteil vom 15. Mai 2014 -13 U 15/14, juris, Rn 19; wohl auch OLG München, Urteil vom 23. Januar 2017 -21 U 4747/15, juris, Rn 8; Micklitz/Schirmbacher in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl., § 7 UWG, Rn 136; aA OLG München, Urteil vom 27. September 2012 -29 U 1682/12, juris, Rn 52).

Dies gilt selbstverständlich nur, wenn die Bestätigungsmail aus dem schützenswerten Motiv versandt wurde, aufgrund einer tatsächlich erfolgten Anmeldung mit einer E-Mail-Adresse zu verifizieren, ob diese dem Anmeldenden gehört. Eine missbräuchlich versendete Bestätigungsmail bleibt nach den Wertungen des § 7 UWG unzulässig. Einen solchen Missbrauch hat der Kläger vorliegend zwar behauptet, indem er in den Raum gestellt hat, die Beklagte habe E-Mail-Adressen angekauft, mithin die angekaufte streitgegenständliche E-Mail-Adresse selbst auf seiner Website eingegeben oder eingeben lassen, um eine an sich zulässige Bestätigungsmail zur werbenden erstmaligen Kontaktaufnahme mit dem Kläger zu nutzen. Es fehlen indes konkrete Anhaltspunkte, von einem solchen Missbrauch seitens der Beklagten auszugehen. Weder hat der Kläger solche dargetan noch sind sie sonst ersichtlich. Zwar mag es der Lebenswirklichkeit entsprechen, dass unlautere Werbemethoden zwar nicht die Regel, aber auch keine vernachlässigenswerte Ausnahme darstellen (vgl. BGH, aaO, Rn 30; Leible in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Aufl., § 7 UWG, Rn 174). Der von der Kammer persönlich angehörten Geschäftsführers der Beklagten hat vorliegend indes den Vorwurf der eigenen Eingabe von angekauften E-Mail-Adressen überzeugend zurückgewiesen und erklärt, außer im streitgegenständlichen Fall keine weiteren Abmahnungen erhalten zu haben, was gegen einen systematischen Missbrauch durch die Beklagte spricht.

Danach ist die streitgegenständliche E-Mail, soweit mit ihr zu einer Bestätigung einer Anmeldung auf der Website der Beklagten aufgefordert wird, zulässig. Da die E-Mail über die reine Aufforderung zur Bestätigung hinaus aufgrund der Verwendung des Logos sowie der Sätze "Welcome to ZzZzZzZzZ" und "Hast du Fragen zum Newsletter? Kontaktiere uns über: info@ZzZzZzZzZ.de" einen werbenden Inhalt hat, stellt sie aber einen rechtwidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Beklagten dar. Im Einzelnen:

Der Begriff der Werbung umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung -beispielsweise in Form der Imagewerbung oder des Sponsoring - erfasst. Werbung ist deshalb in Übereinstimmung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/113/EG über irreführende und vergleichende Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (vgl. BGH, Urteil vom 12. September 2013 -I ZR 218/12, Rn 17).

Gemessen an dieser weiten Definition des Begriffs Werbung hat die streitgegenständliche Bestätigungsmail werbenden Charakter. Ihr Inhalt geht über den einer zulässigen, schlichten Transaktionsmail hinaus; diese wird durch die Hinzufügung werbender Elemente unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 -VI ZR 134/15, Rn 19; Härting in: Härting, Internetrecht, 6. Aufl., Rn 2182; Dr. Ott, Anmerkung zu OLG München, Urteil vom 27. September 2012 -29 U 1682/12, VuR 2013, 99; aA Micklitz/Schirmbacher in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl., § 7 UWG, Rn 137, 173 f; Simon Apel/Steffen Henn, Automatisch generierte Bestätungs-E-Mails als unerlaubte Werbung?, K & R, 2016, 236 ff). Das Logo und der einladende Spruch "Welcome to ZzZzZzZzZ" sind geeignet, anders als durch eine bloße Absenderangabe auf die Marke "ZzZzZzZzZ" einprägsam aufmerksam zu machen und ein Absatz förderndes Kundeninteresse zu erzeugen. Dies hat der Geschäftsführer der Beklagten persönlich angehört indirekt bestätigt, indem er erklärt hat, durch das Weglassen des Logos und des Spruchs "Welcome to ZzZzZzZzZ" sei die Nachfrage nach den Newslettern zurückgegangen. Aber auch der Zusatz "Hast Du Fragen zum Newsletter? Kontaktiere uns über info@ZzZzZzZzZ.de" wirkt mittelbar Absatz fördernd, da mit ihm ein Service, der das Ziel der Kundengewinnung hat, angeboten wird. Diese werbende Wirkung ist umso größer bei einem Adressaten, der durch die Bestätigungsmail erstmals mit der Beklagten in Kontakt kommt, da die Eingabe seiner E-Mail-Adresse auf der Website der Beklagten nicht von ihm veranlasst wurde. Nach Sinn und Zweck des Double-opt-in-Verfahrens sind aber gerade solche Erstkontakte durch die Bestätigungsmail nicht auszuschließen. Darüber hinaus wird einer missbräuchlichen Generierung an sich zulässiger Bestätigungsmails nur dann nachhaltig Einhalt geboten, wenn ein strenger Maßstab an den zulässigen Inhalt der Bestätigungsmail angelegt wird. Ist keinerlei werbender Zusatz erlaubt, so entfällt auch der Anreiz für einen Missbrauch. Für einen strengen Maßstab spricht schließlich auch die gesetzgeberische Wertung in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Danach gibt es keine Bagatellgrenze. Auch "ein bisschen" Werbung in einer E-Mail ist ohne vorherige Einwilligung schlicht unzulässig. Dies gilt unabhängig davon, ob der Adressat ein Verbraucher oder wie vorliegend Gewerbetreibender ist. Dem Gewerbetreibenden ist danach, um einem Umsichgreifen unzulässiger E-Mail-Werbung im Sinne des Gesetzgebers entgegenzuwirken, ein Unterlassungsanspruch wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auch dann zuzugestehen, wenn er eine Bestätigungsmail im Double-opt-in-Verfahren erhält, die nur mit "dezenter" Werbung (vgl. Micklitz/Schirmbacher, aaO, Rn 174) ohne seine vorherige ausdrückliche Einwilligung versehen ist.

Eine Einwilligung des Klägers in die werbenden Elemente der Bestätigungsmail, die in einer von dem Kläger veranlassten Eingabe seiner E-Mail-Adresse auf der Website der Beklagten liegen könnte, hat die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte vorliegend nicht nachgewiesen.

Da es sich bei der streitgegenständlichen E-Mail um Werbung im Sinne von § 7 UWG handelt, hat die Beklagte ferner in rechtswidriger Weise gegen § 7 Abs. 2 Nr. 4 b) UWG iVm § 6 Abs. 1 Nr. 2 TMG verstoßen, da keine ausreichende Identifizierbarkeit der werbenden Beklagten z.B. durch ein Impressum gegeben war.

2. Aufgrund vorangegangener rechtswidriger Beeinträchtigung ist eine Wiederholungsgefahr im Sinne von § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB zu vermuten (vgl. Herrler in: Palandt, BGB, 79. Aufl. § 1004 Rn 32 mwN). Diese Vermutung hat die Beklagte nicht widerlegt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH: Inbox-Werbung durch Einblendung von Werbung durch den E-Mail-Dienst-Betreiber bedarf der Zustimmung des Nutzers - andernfalls unzulässige Werbung

EuGH
Urteil vom 25.11.2021
C-102/20
StWL Städtische Werke Lauf a.d Pegnitz


Der EuGH hat entschieden, dass die Inbox-Werbung durch Einblendung von Werbung durch den E-Mail-Dienst-Betreiber der Zustimmung des Nutzers bedarf. Andernfalls handelt es sich um unzulässige Werbung.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Inbox advertising: Die Einblendung von Werbenachrichten in der E-Mail-Inbox in einer Form, die der einer tatsächlichen E‑Mail ähnlich ist, stellt eine Verwendung elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung im Sinne der Richtlinie 2002/58 dar

Diese Nachrichten begründen eine Verwechslungsgefahr, die dazu führen kann, dass ein Nutzer, der auf die der Werbenachricht entsprechende Zeile klickt, gegen seinen Willen auf eine die betreffende Werbung enthaltende Internetseite weitergeleitet wird.

Die Städtische Werke Lauf a.d Pegnitz GmbH (im Folgenden: StWL) und die eprimo GmbH sind zwei miteinander im Wettbewerb stehende Stromlieferanten. Im Auftrag von eprimo schaltete eine Werbeagentur Werbeanzeigen, die in der Einblendung von Bannern in E‑Mail-Postfächern von Nutzern des kostenfreien E‑Mail-Dienstes T-Online bestanden.

Diese Nachrichten wurden eingeblendet, sobald die Nutzer des E-Mail-Dienstes ihre Inbox öffneten, wobei sowohl die betroffenen Nutzer als auch die eingeblendeten Nachrichten zufällig ausgewählt wurden (sog. „Inbox advertising“). Sie unterschieden sich optisch von der Liste der anderen E-Mails des Kontonutzers nur dadurch, dass das Datum durch die Angabe „Anzeige“ ersetzt war, dass kein Absender angegeben war und dass der Text grau unterlegt war. Die Betreffangabe des Listeneintrags enthielt einen Text zur Bewerbung vorteilhafter Preise für Strom und Gas.

StWL war der Ansicht, dass diese Werbepraxis, bei der elektronische Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten verwendet werde, gegen die Vorschriften über unlauteren Wettbewerb verstoße. Daher nahm StWL eprimo vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth (Deutschland) auf Unterlassung in Anspruch. Dieses Gericht gab der Klage von StWL statt und
verurteilte eprimo, eine solche Werbung zu unterlassen, da diese eine unzumutbaren Belästigung darstelle und irreführend sei.

Auf die von eprimo beim Oberlandesgericht Nürnberg (Deutschland) eingelegte Berufung stellte dieses Gericht fest, dass diese Werbemaßnahme keine wettbewerbsrechtlich unzulässige geschäftliche Handlung sei.

Der mit der von StWL eingelegten Revision befasste Bundesgerichtshof (Deutschland) ist der Auffassung, dass der Erfolg der Revision von der Auslegung des Unionsrechts abhänge, und hat dem Gerichtshof daher Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Er ersucht den Gerichtshof insbesondere, sich zu der Frage zu äußern, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Praxis, bei der Werbenachrichten in der Inbox eines Nutzers eines E-Mail-Dienstes, der diesem Nutzer unentgeltlich zur Verfügung gestellt und durch die von den Werbekunden bezahlte Werbung finanziert wird, angezeigt werden, als mit den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinien 2002/58 und 2005/291 vereinbar angesehen werden kann.

Der Gerichtshof weist erstens darauf hin, dass die Richtlinie 2002/58 u. a. darauf abzielt, die Teilnehmer gegen die Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung, insbesondere durch automatische Anrufsysteme, Faxgeräte und elektronische Post, einschließlich SMS, zu schützen. Dieses Ziel muss unabhängig von der zugrunde liegenden Technologie gewährleistet sein, weshalb ein weiter und aus technologischer Sicht entwicklungsfähiger Begriff der von dieser Richtlinie erfassten Art von Kommunikation geboten ist.

In Anbetracht der Modalitäten der Verbreitung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Werbenachrichten ist der Gerichtshof der Ansicht, dass eine solche Vorgehensweise eine Verwendung elektronischer Post darstellt, die geeignet ist, das Ziel, die Nutzer vor einer Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung zu
schützen, zu beeinträchtigen.

Zweitens ist der Gerichtshof der Auffassung, dass bereits die Art der Werbenachrichten, die die Bewerbung von Diensten zum Gegenstand haben, und der Umstand, dass sie in der Form einer E-Mail verbreitet werden, es erlauben, diese Nachrichten als „Nachrichten für die Zwecke der Direktwerbung“ einzustufen. Dem Umstand, dass der Adressat dieser Werbenachrichten nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wird, kommt nach Ansicht des Gerichtshofs keinerlei Bedeutung zu; entscheidend ist, dass eine zu kommerziellen Zwecken vorgenommene Kommunikation vorliegt, die einen oder mehrere Nutzer von E-Mail-Diensten direkt und individuell erreicht.

Drittens stellt der Gerichtshof klar, dass die Verwendung elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung unter der Voraussetzung gestattet ist, dass ihr Empfänger zuvor darin eingewilligt hat. Eine solche Einwilligung muss in einer Willensbekundung der betroffenen Person zum Ausdruck kommen, die ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt.

Der E-Mail-Dienst T-Online wird den Nutzern in Form zweier Kategorien von E-Mail-Diensten angeboten, nämlich zum einen eines unentgeltlichen E-Mail-Dienstes, der durch Werbung finanziert wird, und zum anderen eines entgeltlichen E-Mail-Dienstes ohne Werbung. Der Gerichtshof ist daher der Ansicht, dass der Bundesgerichtshof festzustellen haben wird, ob der betroffene Nutzer, der sich für die unentgeltliche Variante des E-Mail-Dienstes T-Online entschieden hat, ordnungsgemäß über die genauen Modalitäten der Verbreitung einer solchen Werbung informiert wurde und tatsächlich darin einwilligte, Werbenachrichten zu erhalten.

Viertens ist der Gerichtshof zwar der Ansicht, dass die Einblendung dieser Werbenachrichten in der Liste der privaten E-Mails des Nutzers den Zugang zu diesen E-Mails in ähnlicher Weise behindert wie dies bei unerbetenen E-Mails (auch als „Spam“ bezeichnet) der Fall ist, weist aber darauf hin, dass die Richtlinie 2002/58 nicht das Erfordernis vorschreibt, festzustellen, dass die Belastung des Nutzers über eine Belästigung hinausgeht. Zugleich stellt der Gerichtshof fest, dass eine solche Einblendung von Werbenachrichten dem Nutzer jedenfalls tatsächlich eine Belastung auferlegt.

Schließlich ist der Gerichtshof der Ansicht, dass ein Vorgehen, das darin besteht, in der Inbox eines Nutzers eines E-Mail-Dienstes Werbenachrichten in einer Form, die der einer tatsächlichen E-Mail ähnlich ist, einzublenden, unter den Begriff des „hartnäckigen und unerwünschten Ansprechens“ der Richtlinie 2005/29 fällt, wenn die Einblendung dieser Werbenachrichten zum einen so häufig und regelmäßig war, dass sie als „hartnäckiges“ Ansprechen eingestuft werden kann, und zum anderen bei Fehlen einer von diesem Nutzer zuvor erteilten Einwilligung als „unerwünschtes“ Ansprechen eingestuft werden kann.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH-Generalanwalt: Inbox-Werbung durch Einblendung von Werbung durch den E-Mail-Dienst-Betreiber bedarf der Zustimmung des Nutzers

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 24.06.2021
C-102/20
StWL Städtische Werke Lauf a.d. Pegnitz GmbH gegen eprimo GmbH,
Beteiligte: Interactive Media CCSP GmbH


Der EuGH-Generalanwalt kommt zu dem Ergebnis, dass Inbox-Werbung durch Einblendung von Werbung durch den E-Mail-Dienst-Betreiber der Zustimmung des Nutzers bedarf.

Schlussanträge:

1. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Einblendung von Werbenachrichten in der Inbox eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes in einer Form, die der von E‑Mails ähnlich ist, und an derselben Stelle wie diese E‑Mails, eine „Verwendung … elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wobei es insoweit ohne Bedeutung ist, dass die Empfänger dieser Nachrichten nach dem Zufallsprinzip bestimmt werden, und keine Belastung des Nutzers festgestellt werden muss, die über eine Belästigung hinausgeht. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob der Nutzer vor der Einblendung solcher Werbenachrichten in der Inbox seines E‑Mail-Kontos eine zumindest ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgte Einwilligung erteilt hat.

2. Der Begriff „hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über … E‑Mail“ im Sinne von Nr. 26 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) ist dahin auszulegen, dass er Verhaltensweisen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erfassen kann, die darin bestehen, dass in der Inbox eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes Werbenachrichten in einer Form, die der von E‑Mails ähnlich ist, und an derselben Stelle wie diese eingeblendet werden. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zum einen zu prüfen, ob die Einblendung dieser Werbenachrichten so häufig und regelmäßig war, dass sie als „hartnäckiges Ansprechen“ eingestuft werden kann, und zum anderen, ob die Einblendung dieser Nachrichten als „unerwünschtes Ansprechen“ eingestuft werden kann, wobei das Vorliegen oder Fehlen einer von diesem Nutzer vor der Einblendung erteilten Einwilligung und der von ihm geäußerte Widerspruch gegen ein solches werbliches Vorgehen zu berücksichtigen sind.

Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:




BGH legt EuGH vor: (Un-)Zulässigkeit von Werbung im Posteingang eines Freemail-Anbieters - Inbox-Werbung

BGH
Beschluss vom 30.01.2020
I ZR 25/19
Inbox-Werbung
Richtlinie 2002/58/EG Art. 2 Satz 2 Buchst. h, Art. 13 Abs. 1; Richtlinie 2005/29/EG Nr. 26 des Anhangs I; UWG § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a


Der BGH hat dem EuGH diverse Fragen im Zusammenhang mit der (Un-)Zulässigkeit von Werbung im Posteingang eines Freemail-Anbieters vorgelegt.

Siehe zur Vorinstanz OLG Nürnberg: Werbeanzeigen im Posteingang eines kostenlosen E-Mail-Postfachs ist keine unzumutbare Belästigung nach § 7 UWG

Leitsatz des BGH:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 2 Satz 2 Buchst. h und Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) sowie Nr. 26 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist der Begriff des Verschickens im Sinne von Art. 2 Satz 2 Buchst. h der Richtlinie 2002/58/EG erfüllt, wenn eine Nachricht nicht von einem Nutzer eines elektronischen Kommunikationsdienstes an einen anderen Nutzer durch ein Dienstleistungsunternehmen an die elektronische "Anschrift" des zweiten Nutzers übersandt wird, sondern infolge des Öffnens der passwortgeschützten Internetseite eines E-Mail-Kontos automatisiert von Adservern auf bestimmten dafür vorgesehene Flächen in der E-Mail-Inbox eines nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Nutzers angezeigt wird (Inbox-Werbung)?

2. Setzt ein Abrufen einer Nachricht im Sinne von Art. 2 Satz 2 Buchst. h der Richtlinie
2002/58/EG voraus, dass der Empfänger nach Kenntniserlangung vom Vorliegen einer
Nachricht durch ein willensgetragenes Abrufverlangen eine programmtechnisch vorgegebene Übermittlung der Nachrichtendaten auslöst oder genügt es, wenn das Erscheinen einer Nachricht in der Inbox eines E-Mail-Kontos dadurch ausgelöst wird, dass der Nutzer die passwortgeschützte Internetseite seines E-Mail-Kontos öffnet?

3. Liegt eine elektronische Post im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG auch dann vor, wenn eine Nachricht nicht an einen bereits vor der Übermittlung konkret feststehenden individuellen Empfänger verschickt wird, sondern in der Inbox eines nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Nutzers eingeblendet wird?

4. Liegt die Verwendung einer elektronischen Post für die Zwecke der Direktwerbung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG nur dann vor, wenn eine Belastung des Nutzers festgestellt wird, die über eine Belästigung hinausgeht?

5. Liegt eine die Voraussetzungen eines "Ansprechens" erfüllende Individualwerbung im Sinne von Nr. 26 Satz 1 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG nur dann vor, wenn ein Kunde mittels eines herkömmlich zur Individualkommunikation zwischen einem Absender und einem Empfänger dienenden Mediums kontaktiert wird, oder reicht es aus, wenn - wie bei der im Streitfall in Rede stehenden Werbung - ein Individualbezug dadurch hergestellt wird, dass die Werbung in der Inbox eines privaten E-Mail-Kontos
und damit in einem Bereich angezeigt wird, in dem der Kunde individuell an ihn gerichtete Nachrichten erwartet?

BGH, Beschluss vom 30. Januar 2020 - I ZR 25/19 - OLG Nürnberg- LG Nürnberg-Fürth

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Nürnberg: Werbeanzeigen im Posteingang eines kostenlosen E-Mail-Postfachs ist keine unzumutbare Belästigung nach § 7 UWG

OLG Nürnberg
Urteil vom 15.01.2019
3 U 724/18


Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass Werbeanzeigen im Posteingang eines kostenlosen E-Mail-Postfachs keine unzumutbare Belästigung nach § 7 UWG darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:

3. Es liegt auch keine unzumutbare Belästigung nach § 7 UWG vor.

a) Es handelt sich bei den streitgegenständlichen Anzeigen nicht um Werbung unter Verwendung elektronischer Post im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG.

aa) Folgender Rechtsrahmen ist für den Senat streitentscheidend.(1) Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist eine unzumutbare Belästigung bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt, anzunehmen.

Mit § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG wurde Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.07.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (im Folgenden: Datenschutzrichtlinie) umgesetzt. Aufgrund des Gebots richtlinienkonformer Auslegung sind daher die Bestimmungen der Datenschutzrichtlinie auch für § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG maßgeblich (BGH, Urteil vom 01. Februar 2018 - III ZR 196/17, Rn. 19 - mehrere Werbekanäle).

Nach Art. 13 Abs. 1 Datenschutzrichtlinie darf die Verwendung von automatischen Anrufsystemen ohne menschlichen Eingriff (automatische Anrufmaschinen), Faxgeräten oder elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer gestattet werden. Dabei ist nach der Begriffsbestimmung in Art. 2 S. 2 lit. h Datenschutzrichtlinie elektronische Post „jede über ein öffentliches Kommunikationsnetz verschickte Text-, Sprach-, Ton- oder Bildnachricht, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird.“

Die Erwägungsgründe einer Richtlinie haben für die am Richtlinienzweck ausgerichtete Auslegung einer Richtlinienvorschrift eine gleich hohe Bedeutung wie die betreffende Vorschrift selbst (vgl. Jaeger, in Münchener Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 2018, Band 3, Rn. 201). Maßgeblich sind hier insbesondere Erwägungsgrund 27, der auszugsweise wie folgt lautet: „Bei der elektronischen Post ist die Übermittlung dann abgeschlossen, wenn der Adressat die Nachricht - üblicherweise vom Server seines Diensteanbieters - abruft.“ Darüber hinaus ist Erwägungsgrund 44 - der auszugsweise wie folgt lautet: „Bei einigen elektronischen Postsystemen können die Teilnehmer Absender und Betreffzeile einer elektronischen Post sehen und darüber hinaus diese Post löschen, ohne die gesamte Post oder deren Anlagen herunterladen zu müssen“ - für die Auslegung heranzuziehen.

(2) Nach der Kommentarliteratur umfasst der Begriff der Werbung unter Verwendung elektronischer Post folgende Dienste:

Von der Definition der elektronischen Post in Art. 2 S. 2 lit. h Datenschutzrichtlinie werden sowohl E-Mails (Electronic Mails) als auch Dienste wie SMS (Short Message Service) oder MMS (Mobile Message Service) erfasst. Bei der Kommunikation mittels E-Mail versendet der Absender einen elektronischen Datensatz von seinem elektronischen Briefkasten, der auf dem Server seines Diensteanbieters gespeichert ist, über diesen und meist noch verschiedene andere Server an den elektronischen Briefkasten des Empfängers. Der Empfänger kann die dann auf dem Server seines Diensteanbieters gespeicherten E-Mails verwalten, sie also z.B. löschen, abrufen oder auf seinem Rechner speichern (Leible, in MüKoUWG, 2. Aufl. 2014, § 7 UWG Rn. 157, 158). Voraussetzung für das Vorliegen von E-Mail-, Telefon- oder Faxwerbung ist, dass eine dem Empfänger dauerhaft zugeordnete individuelle Kontaktadresse mit Werbung beliefert wird (Leible, a.a.O., § 7 UWG Rn. 280).

Bekannter als der Begriff der elektronischen Post ist der gleichbedeutende Begriff der E-Mail (= Electronic Mail), der im Folgenden ebenfalls verwendet werden soll. Allerdings fällt auch die sog SMS (short message service) und die MMS (multimedia messaging service) unter den Begriff der elektronischen Post (Köhler, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. 2019, § 7 Rn. 196). Dabei findet der elektronische Datenaustausch über einen Diensteanbieter (Provider) statt. Die Teilnehmer benötigen einen mit individueller Adresse ausgestatteten elektronischen Briefkasten (Mailbox), der ihnen von einem Diensteanbieter zur Verfügung gestellt wird. Dieser Diensteanbieter unterhält einen ständig erreichbaren Mail-Server. Der Absender einer Botschaft übermittelt sie elektronisch an seinen Anbieter. Dieser leitet sie an den Anbieter des Adressaten weiter. Bei ihm wird die Botschaft gespeichert. Der Adressat kann die ihm zugeordnete Mailbox unter Verwendung eines Geheimcodes abfragen und die eingegangenen, zunächst nur mit Absender und Betreff gekennzeichneten Mitteilungen entweder löschen oder auf seinen Rechner übertragen (Köhler, a.a.O., § 7 Rn. 197).

Mit dem Begriff der Werbung unter Verwendung elektronischer Post ist jede Form der elektronischen Kommunikation gemeint, bei der die Nachricht in ein Postfach des Empfängers gelangt und dort von diesem - gegebenenfalls zeitversetzt - abgerufen werden kann. Damit fallen insbesondere auch Nachrichten in Online-Plattformen wie X… oder F… unter die Vorschrift. Nicht erfasst sind dagegen Echtzeitkommunikationen, etwa in Chats, bei denen die Nachricht nicht in einem Endgerät des Empfängers oder einem ihm zugeordneten Postfach gespeichert wird (Micklitz/Schirmbacher, in Spindler/Schuster, Elektron. Medien, 3. Aufl. 2015, § 7 UWG Rn. 94). Unter Verwendung elektronischer Post meint, dass die elektronische Post für die Kommunikation zum Einsatz kommen muss (Micklitz/Schirmbacher, a.a.O., § 7 UWG Rn. 96).

Neben E-Mails fallen unter den Begriff der elektronischen Post auch SMS (short message service) und MMS (multimedia messaging service) sowie elektronische Nachrichten innerhalb von sozialen Netzwerken. Da die elektronische Post den Empfänger direkt und individuell erreicht, ist ihr Werbepotential um einiges höher als eine allgemeine Publikumswerbung (Schöler, in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl. 2016, § 7 Rn. 288, 289).

Unter elektronischer Post ist die asynchrone Übermittlung von Nachrichten zu verstehen, bei der Nachrichten gespeichert werden, bis der Empfänger sie abruft. Neben E-Mails fallen hierunter auch Nachrichten über soziale Netzwerke, SMS und Instant Messaging (Lotze/Heinson, in Hasselblatt, MAH Gewerblicher Rechtsschutz, 5. Aufl. 2017, § 30 Rn. 110; Solmecke, in Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, 46. EL Januar 2018, Teil 21.1 Rn. 54). In der Sache geht es um Werbung mit über das Internet versandter E-Mail (Electronic Mail) oder mit Hilfe eines (Mobil-)Telefons abrufbarer SMS-Nachricht (Short Message Service) bzw. der in technischen Entwicklung fortgeschrittenen MMS-Nachricht (Multimedia Messaging Service), die hier eine Bild- und Tonübermittlung erlaubt (Habermeier/Ludyga, in Martinek/Semler/Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Aufl. 2016, § 43 Rn. 29). Beispiele sind neben E-Mails, SMS und MMS sämtliche Nachrichten über Social Media-Dienste wie Xing, Facebook, LinkedIn oder WhatsApp (Ziegenaus, in Bräutigam/Rücker, E-Commerce, 1. Aufl. 2017, 2. Teil, Kapitel B. Rn. 5).

(3) Nach der Rechtsprechung fallen jedenfalls E-Mails unter § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - I ZR 65/14, Rn. 29 - Freunde finden). Darüber hinaus umfasst elektronische Post die Kommunikationswege E-Mail, SMS und MMS (BGH, Urteil vom 01. Februar 2018 - III ZR 196/17, Rn. 19 - mehrere Werbekanäle).

bb) Der Senat geht von folgender - zwischen den Parteien in der Berufung nicht (mehr) im Streit stehender - Funktionsweise und Gestaltung der streitgegenständlichen Werbeanzeigen aus.

(1) Bei den von der Klägerin beanstandeten Werbeanzeigen handelt es sich um eine spezielle Werbefläche im Postfach des E-Mail-Dienstes der ... Deutschland GmbH, die als „...-Online.de Mail Ad“ bezeichnet wird. Werbekunden können die Schaltung von Werbung auf dieser Werbefläche in den kostenlosen E-Mail-Postfächern des E-Mail-Dienstes der ... buchen.

Statt der direkten Einbindung eines Werbebanners und dem direkten Link auf die Internetpräsenz des Werbenden, wird bei einem Adserver an der entsprechenden Stelle der Internetseite ein JavaScript-Code des Adservers - auch TAG genannt - eingebunden. Hierdurch wird durch das Öffnen einer Seite eine Anfrage (Adrequest) an den Adserver geschickt, ein Werbebanner aus dem Pool, ggf. mit entsprechendem Targeting (s. u.), einzublenden. Der Adserver schickt dann die entsprechenden Parameter an den Browser des Benutzers, wodurch ein Werbebanner eingeblendet wird, und protokolliert diese Einblendung. Klickt der Anwender auf das Banner, wird er zunächst an den Adserver weitergeleitet, der den Klick protokolliert und den Browser schließlich auf die Seite des Werbenden weiterleitet. Der Anwender merkt von diesem Vorgang in der Regel nichts (vgl. Wikipedia-Ausdruck in Anlage B 3).

Werbebanner sind mit herkömmlichen Werbeanzeigen in Printmedien vergleichbare Werbeflächen auf einer Website. Sie können bei mannigfaltiger graphischer Gestaltung selbst eine Werbeaussage enthalten und zudem mittels eines Hyperlinks mit einer anderen Website verknüpft sein, so dass sie den Benutzer nach dem Anklicken des Banners beispielsweise zu weiteren Werbeaussagen oder der Website des Werbenden führen (vgl. Hoeren/Sieber/Ho/znage, Multimedia-Recht Handbuch, Teil 11, Rn. 78).

(2) Die streitgegenständliche Werbeanzeige ist - anders als die „normalen“ E-Mails im Postfach - grau unterlegt und mit dem Hinweis „Anzeige“ versehen, die durch die daneben enthaltene Einblendung „x“ weggeklickt werden kann. Sie enthält keine Datumsanzeige, keinen Absender und keine Optionen zur Bearbeitung, wie z.B. die Archivierung, oder zur Beantwortung oder Weiterleitung. Auch wird sie nicht in die Anzahl der ungelesenen E-Mails des jeweiligen Kunden eingerechnet.

cc) Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen und technischen Rahmens sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für das Vorliegen von elektronischer Post i.S.v. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG i.V.m. Art. 2 S. 2 lit. h Datenschutzrichtlinie nicht erfüllt.

(1) Dagegen spricht bereits der Wortlaut von Art. 2 S. 2 lit. h Datenschutzrichtlinie unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe.

(a) Aus der Gesamtschau der in der Definition von Art. 2 S. 2 lit. h Datenschutzrichtlinie verwendeten Begriffe „Post“, „Kommunikationsnetz“ und „Verschicken“ ergibt sich, dass elektronische Post nur bei der Versendung einer Nachricht von einem Nutzer an einen anderen Nutzer durch ein Dienstleistungsunternehmen (wie beispielsweise ein E-Mail-Provider), welches die elektronische Beförderung an die elektronische „Anschrift“ (wie beispielsweise eine E-Mail-Adresse) des zweiten Nutzers übernimmt, vorliegt. Diese Bedeutung wird bestätigt durch Erwägungsgrund 44, der von einem elektronischen Postsystem - welches begriffsnotwendig die Möglichkeit von Kommunikation voraussetzt - spricht. Auch aus den Erwägungsgründen 1, 12 und 40 sowie Art. 1 Abs. 1 Datenschutzrichtlinie ergibt sich, dass diese Regelungen dem Schutz der Privatsphäre der Nutzer im Bereich der elektronischen Kommunikation dienen sollen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 - VI ZR 225/17, Rn. 15 - Kundenzufriedenheitsbefragung).

Bei der streitgegenständlichen Einblendung von Werbung erfolgt ein Versenden der Nachricht in diesem Sinn nicht. Es erfolgt lediglich über einen Adserver die Darstellung der Werbung in einer bestimmten definierten Fläche einer Internetseite über in der Webseite eingebundene, vordefinierte „AdTags/AdSlots“, ohne dass eine Adressierung an bestimmte Kunden erfolgt.

(b) Nach Art. 2 S. 2 lit. h Datenschutzrichtlinie muss die Nachricht so lange gespeichert sein, bis sie vom Empfänger abgerufen wird. Dem entspricht Erwägungsgrund 27, wonach bei der elektronischen Post die Übermittlung dann abgeschlossen ist, wenn der Adressat die Nachricht - üblicherweise vom Server seines Diensteanbieters - abruft.

Ein derartiges Abrufen der Nachricht im Sinne dieser Vorschrift setzt ein bewusstes Verhalten des Adressaten voraus. Der Empfänger der Nachricht muss, nachdem er Kenntnis von der Mitteilung erhalten hat, durch eine Handlung - also einem auf einem Willensentschluss beruhenden Eingreifen in die Außenwelt - auf die Daten im Online-Betrieb zugreifen. Entscheidend ist, dass der Abrufende mit seinem Abrufverlangen einen programmtechnisch vorgegebenen Übermittlungsvorgang der Daten auslösen kann (vgl. von Lewinski, BeckOK DatenschutzR, 25. Ed. 01.05.2018, § 10 BDSG Rn. 6).

Im vorliegenden Fall ist ein Abruf der Nachricht in diesem Sinne nicht gegeben. Vielmehr muss der Benutzer des E-Mail-Dienstes lediglich auf der Webseite der ... den E-Mail-Service mit einem Webbrowser öffnen, damit der Werbebanner mittels eines Ad-Servers in Echtzeit angezeigt wird, ohne dass der Anwender von diesem Vorgang etwas merkt und sich durch einen Willensentschluss für oder gegen das Anzeigen entscheiden kann.

(2) Die systematische Auslegung von Art. 2 S. 2 lit. h Datenschutzrichtlinie spricht dagegen, die streitgegenständliche Einblendung von Werbung unter § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG fallen zu lassen.

(a) Nach der Rechtsprechung und der einhelligen Kommentarliteratur sind unter den Begriff der elektronischen Post lediglich die E-Mail, die SMS (Short Message Service) und die MMS (Mobile Message Service) zu subsumieren. Bei der streitgegenständlichen Einblendung von Werbung handelt es sich aber um keinen dieser Dienste. Insbesondere ist die streitgegenständliche Werbung nicht als E-Mail zu qualifizieren. Die streitgegenständliche Werbung ist auch mit einer E-Mail nicht vergleichbar.

Dies verdeutlicht bereits das Erscheinungsbild der Anzeige. Sie ist - anders als die „normalen“ E-Mails im Postfach - grau unterlegt und mit dem Hinweis „Anzeige“ versehen, die durch die daneben enthaltene Einblendung „x“ weggeklickt werden kann. Sie enthält keine Datumsanzeige und keinen Absender. Auch die Funktionen entsprechen nicht einer E-Mail. So enthält die Werbeanzeige keine Optionen zur Bearbeitung, wie z.B. die Archivierung, oder zur Beantwortung oder Weiterleitung. Auch wird sie nicht in die Anzahl der ungelesenen E-Mails des jeweiligen Kunden eingerechnet.

E-Mail (elektronische Post) basiert im Kern auf dem „Simple Mail Transfer Protocol“ (SMTP) und ermöglicht eine der traditionellen Briefpost vergleichbare Kommunikation der Teilnehmer im Internet (vgl. Sieber, in Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, 45. EL Juli 2017, Teil 1, Technische Grundlagen Rn. 112). Die Teilnehmer benötigen einen mit individueller Adresse ausgestatteten elektronischen Briefkasten (Mailbox), der ihnen von einem Diensteanbieter zur Verfügung gestellt wird. Dieser Diensteanbieter unterhält einen Mail-Server. Der Absender einer Botschaft übermittelt sie elektronisch an seinen Anbieter. Dieser leitet sie an den Anbieter des Adressaten weiter. Bei diesem wird die Botschaft gespeichert. Der Adressat kann die ihm zugeordnete Mailbox unter Verwendung eines Geheimcodes abfragen und die eingegangenen, zunächst nur mit Absender und Betreff gekennzeichneten Mitteilungen entweder löschen oder auf seinen Rechner übertragen (Köhler, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. 2019, § 7 Rn. 197).

Die Funktionsweise ist bei den beanstandeten Werbeanzeigen anders. Die streitgegenständliche Werbung ist von der Beklagten nicht unter Verwendung einer individuellen E-Mail-Anschrift über einen E-Mail-Provider in den elektronischen Briefkasten des Klägers versandt worden. Ein elektronischer Datenaustausch über einen Mail-Server findet demgegenüber gerade nicht statt. Vielmehr ist die Werbung auf der Webseite von ...-Online geschaltet und nur in Echtzeit über einen Ad-Server im Postfach des Kunden von ...-Online sichtbar gemacht worden, wenn ein Kunde auf der Webseite der ... den E-Mail-Service mit einem Webbrowser öffnet. Die Anzeige des Werbebanners erfolgt dabei durch den Ad-Server in Echtzeit über in der Webseite eingebundene, vordefinierte „AdTags/AdSlots“, und zwar in Rotation nach dem Zufallsprinzip. Auf die Ausführungen unter B. II. 3. a) bb) (1) wird Bezug genommen.

(b) Die Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG erfasst als weitere Tatbestandsvarianten die Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine und eines Faxgerätes. In beiden Fällen wird die Werbung als Kommunikationsinhalt in Form eines Anrufs oder Telefaxes erfasst. Dies spricht nach der Systematik der Norm ebenfalls dafür, dass unter den Begriff der elektronischen Post nur die elektronische Übermittlung von Nachrichten zu subsumieren ist, die der Individualkommunikation - wie beispielsweise die E-Mail - dient.

Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass auch Werbe-E-Mails massenhaft versandt werden und dann keiner Individualkommunikation im eigentlichen Sinn dienen. Entscheidend ist, dass die Funktionsweise der Versendung „individuell“ - also an konkret adressierte Empfänger - erfolgt.

(c) § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG macht die dort genannten Werbeformen von einer vorherigen ausdrücklichen Einwilligung des Adressaten abhängig.

Die Einwilligung muss vom Anschlussinhaber bzw. Inhaber der E-Mail-Adresse erteilt worden sein, an den der Unternehmer die Werbung versendet. Zum Nachweis muss der Werbende die konkrete Einverständniserklärung jedes einzelnen Empfängers vollständig dokumentieren. Verfahren, bei denen unklar ist, ob eine Einverständniserklärung tatsächlich von dem adressierten Verbraucher stammt, sind für den erforderlichen Nachweis ungeeignet. Verwendet der Unternehmer für Werbe-E-Mails Adressdaten, für die ein Einverständnis der Verbraucher nicht oder nicht ausreichend dokumentiert ist, hat er die sich daraus ergebenden rechtlichen Folgen zu tragen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 17. März 2016 - I-15 U 64/15, Rn. 6 - Werbeanfragen im Reisebuchungssystem).

Das Erfordernis einer derartigen vorherigen ausdrücklichen Einwilligung setzt denknotwendig das Vorhandensein eines konkreten Adressaten voraus, der sich gegenüber dem Werbenden dazu äußern kann, ob er in die Werbung einwilligt. Die streitgegenständliche Werbeanzeige wird jedoch aufgrund eines Zufallsprinzips bei Kunden des kostenfreien E-Mail-Dienstes der ... Deutschland GmbH eingeblendet, ohne dass eine vorherige Kommunikation über das Einverständnis des Kunden möglich ist.

(d) § 7 Abs. 3 UWG enthält eine Ausnahme vom Erfordernis der Einwilligung des Adressaten in die Zusendung elektronischer Post. Danach ist eine Einwilligung für die Direktwerbung eines Unternehmers mit elektronischer Post dann nicht erforderlich, wenn er die elektronische Postadresse eines Kunden im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung erhalten hat und bestimmte weitere Voraussetzungen vorliegen.
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Diese Ausnahmevorschrift, die nach ihrem Wortlaut auf alle Arten von elektronischer Post anwendbar ist, setzt das Vorhandensein einer elektronischen Postadresse voraus. Eine solche ist bei der streitgegenständlichen Werbeeinblendung jedoch nicht vorhanden.

(3) Schließlich spricht auch der Sinn und Zweck von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG gegen eine Anwendung der Vorschrift auf die beanstandete Werbung.

(a) Die Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG geht über das Verbot der Telefonwerbung hinaus und verlangt eine ausdrückliche Einwilligung nicht nur bei ihrer Verwendung gegenüber Verbrauchern, sondern ebenfalls gegenüber Unternehmern. Dies wird damit begründet, dass automatische Anrufmaschinen die Möglichkeit bieten, bestimmte Personen ohne größeren Aufwand automatisch immer wieder anrufen zu lassen, ohne dass diese mehr tun können, als immer wieder aufzulegen. Bei der Telefaxwerbung kommt die mit ihr verbundene Beeinträchtigung der ökonomischen Interessen des Werbeempfängers hinzu, da bei ihm über das „Übliche“ hinausgehende Kosten verursacht werden: Sein Gerät wird blockiert, sein Toner, Papier und Strom verbraucht usw. Ähnliches gilt für die Werbung mittels elektronischer Post. Deren Abruf kostet Onlinezeit bzw. belastet ein eventuell beschränktes Kontingent an Datenvolumen. Hinzu kommt der Arbeitsaufwand für die Trennung zwischen wichtigen elektronischen Nachrichten und elektronischem Werbemüll (Leible, in MüKoUWG, 2. Aufl. 2014, § 7 UWG Rn. 149).

Auch Erwägungsgrund 40 Datenschutzrichtlinie führt aus, dass Vorkehrungen getroffen werden sollten, um die Teilnehmer gegen die Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung, insbesondere durch automatische Anrufsysteme, Faxgeräte und elektronische Post, einschließlich SMS, zu schützen. Diese Formen von unerbetenen Werbenachrichten können zum einen relativ leicht und preiswert zu versenden sein und zum anderen eine Belastung und/oder einen Kostenaufwand für den Empfänger bedeuten. Darüber hinaus kann in einigen Fällen ihr Umfang auch Schwierigkeiten für die elektronischen Kommunikationsnetze und die Endgeräte verursachen.

(b) Das streitgegenständliche Werbebanner führt - über die „normale“ belästigende Wirkung von Werbung hinaus - nicht zu Belastungen oder einem Kostenaufwand des Nutzers des ...-Online-E-Mail-Dienstes. Insbesondere wird sie nicht in die Anzahl der ungelesenen E-Mails des jeweiligen Kunden eingerechnet und nimmt auch keinen Speicherplatz des Postfacheingangs in Beschlag. Dem Werbebanner ist lediglich ein Hyperlink zu einer Zielseite hinterlegt, die sich in einem neuen Tap öffnet. Aufgrund der optischen Unterschiede zwischen E-Mails und der Werbeeinblendung besteht auch kein Arbeitsaufwand für die Trennung zwischen wichtigen elektronischen Nachrichten und elektronischem Werbemüll.

Auch die Funktionsweise der streitgegenständlichen Werbung entspricht generell der Platzierung von Werbebannern mittels Adservern. Wenn diese Werbungsformen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG unterfallen würden, wären sie - wie beispielsweise auch Google Adwords - nur bei vorheriger Zustimmung des Adressaten zulässig. Da - wie oben ausgeführt - mangels vorheriger Kommunikation zwischen Werbenden und Adressaten eine vorherige Zustimmung nicht erteilt werden kann, wäre die Werbung mittels Adservern generell unzulässig. Dies kann jedoch mit der Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG nicht gemeint sein. Dabei kann es für die Beurteilung des Anwendungsbereichs von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG keinen Unterschied machen, ob die Werbung innerhalb oder außerhalb des Eingangspostfachs platziert ist, zumal der Gesetzeswortlaut diese Unterscheidung nicht trifft.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass - im Unterschied zu E-Mail-, Telefon- oder Faxwerbung - bei der streitgegenständlichen Form der Werbung keine dem Empfänger dauerhaft zugeordnete individuelle Kontaktadresse mit Werbung beliefert wird, so dass Eigentums- oder Besitzstörungen ausgeschlossen sind (vgl. Leible, in MüKoUWG, 2. Aufl. 2014, § 7 UWG Rn. 280).
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b) Auch die Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 4 lit. a UWG ist nicht einschlägig. Denn es liegt keine „Werbung mit Nachrichten“ vor. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG ist eine „Nachricht” jede Information, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst ausgetauscht oder weitergeleitet wird. Damit erstreckt sich der Anwendungsbereich der Vorschrift auf Sprachtelefone, Faxgeräte und elektronische Post, also E-Mail, SMS und MMS (Köhler, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. 2019, § 2 Rn. 112). Eine derartige Kommunikationsform ist vorliegend nicht streitgegenständlich, weshalb es auf die Frage, ob der Anwendungsbereich richtlinienkonform auf das Versenden elektronischer Post zu beschränken ist (vgl. (Köhler, a.a.O., § 2 Rn. 112), nicht ankommt.

c) Die Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG ist nach richtlinienkonformer Auslegung auf die streitgegenständliche Werbung nicht anwendbar.

Da es in richtlinienkonformer Auslegung Zweck dieser Vorschrift ist, Verbraucher vor einer Gefährdung ihrer Entscheidungsfreiheit durch Belästigung zu schützen, kommen nur solche Fernkommunikationsmittel in Betracht, die für ein „Ansprechen“ im Sinne eines „Bedrängens“ eines Verbrauchers eingesetzt werden. Dies bestätigen die in Nr. 26 S. 1 Anhang I der Richtlinie 2005/29/EG vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt erwähnten Beispiele des Ansprechens über Telefon, Fax, E-Mail. Denn nur dann kann sich ein Durchschnittsverbraucher überhaupt angesprochen fühlen und Anlass haben, eine bestimmte Kaufentscheidung zu treffen. Daher scheiden von vornherein solche Fernkommunikationsmittel aus, die sich an die Allgemeinheit richten, wie beispielsweise Werbung im Fernsehen, im Hörfunk, im Internet und in Presseerzeugnissen (Köhler, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. 2019, § 7 Rn. 106).

Nach den obigen Ausführungen handelt es sich bei der streitgegenständlichen Werbung um ein an die Allgemeinheit gerichtetes Fernkommunikationsmittel, welches nicht unter § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG fällt.
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d) Die streitgegenständliche Werbung stellt schließlich auch keine unzumutbare Belästigung im Sinne der Generalklausel des § 7 Abs. 1 S. 1 UWG dar.

aa) Folgender Rechtsrahmen ist für den Senat streitentscheidend.

(1) Nach § 7 Abs. 1 S. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, unzulässig.

Belästigend ist eine Werbung, die dem Empfänger aufgedrängt wird und die bereits wegen ihrer Art und Weise unabhängig von ihrem Inhalt als störend empfunden wird. Unzumutbar ist die Belästigung, wenn sie eine solche Intensität erreicht, dass sie von einem großen Teil der Verbraucher als unerträglich empfunden wird, wobei der Maßstab des durchschnittlich empfindlichen Adressaten zugrunde zu legen ist. Dabei kommt es nicht einseitig auf die Perspektive des Adressaten der geschäftlichen Handlung an. Die Unzumutbarkeit ist vielmehr zu ermitteln durch eine Abwägung der auch verfassungsrechtlich geschützten Interessen des Adressaten, von der Werbung verschont zu bleiben, und des werbenden Unternehmers, der seine gewerblichen Leistungen durch Werbung zur Geltung bringen will (BGH, Urteil vom 03. März 2011 - I ZR 167/09, Rn. 17 - Kreditkartenübersendung).

Im Rahmen der umfassenden Abwägung sind einerseits die Interessen des Handelnden (z.B. Förderung des Waren- oder Dienstleistungsabsatzes durch kostengünstige und effektive Werbemethoden) und andererseits der Adressaten der geschäftlichen Handlung (z.B. Schutz der Privatsphäre, Kostenvermeidung) zu berücksichtigen. Entscheidende Faktoren im Abwägungsprozess sind der Grad und die Intensität des Einwirkens auf den Werbeadressaten und - damit meist, aber nicht notwendig korrelierend - der Aufwand, den er betreiben muss, um der Werbung zu entgehen (Leible, in MüKoUWG, 2. Aufl. 2014, § 7 UWG Rn. 49 f.).

Bei der Interessenabwägung gelten folgende Grundsätze (vgl. Ohly, in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl. 2016, § 7 Rn. 25):
- Je erheblicher die Störung, desto eher ist sie unzumutbar. Geringfügige Belästigungen hingegen sind vom Adressaten hinzunehmen.
- Eingriffe in die Privatsphäre haben größeres Gewicht als Störungen in der Öffentlichkeit oder die Störung betrieblicher Abläufe.
- Je größer die Bedeutung der betreffenden Werbemethode für den Werbenden und je geringer seine Ausweichmöglichkeiten auf andere, ähnlich effektive Werbemittel, desto eher ist die Werbung vom Adressaten hinzunehmen.
- Je höher der Aufwand für den Adressaten, der belästigenden Handlung zu entgehen, desto weniger ist sie hinnehmbar.
- Bei der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung muss der Summen- bzw. Nachahmungseffekt berücksichtigt werden. Gerade bei der Verwendung kostengünstiger Werbemethoden liegt die Vermutung nahe, dass sich andere Mitbewerber zur Nachahmung veranlasst sehen. Auch wenn eine einzelne Handlung als unerhebliche Belästigung anzusehen wäre, kann sich die Unlauterkeit in diesen Fällen daraus ergeben, dass für die Zukunft mit einer erheblichen Zahl gleichartiger Handlungen zu rechnen wäre, die in ihrer Summe eine wesentliche Belästigung darstellen würden.

(2) In der Literatur wird bei Internetwerbung bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Belästigung ein insgesamt großzügiger Maßstab angelegt.

Soweit die Werbung klar erkennbar ist - wie bei der Banner-Werbung - ist dies ebenso wenig zu beanstanden wie die Anzeigenwerbung in der Zeitung. Auch Werbung mittels Interstitials oder Pop-Up-Fenstern ist nicht zu beanstanden, wenn sich der Nutzer der Werbung in kurzer Zeit durch Wegklicken oder durch Verlassen der Seite entziehen kann oder wenn das Interstitial in kurzer Zeit von selbst verschwindet. Wer einen kostenlosen Push-Dienst, d.h. die Übermittlung bestimmter Informationen über das Internet, in Anspruch nimmt, erklärt damit konkludent seine Zustimmung zur Zusendung auch von Werbung. Denn er muss davon ausgehen, dass derartige Dienstleistungen - ähnlich wie beim Free-TV - durch Werbung finanziert werden (Köhler, in Köhler/Bornkamm, UWG, 37. Aufl 2019, § 7 Rn. 93).

Dass Werbemittel, die beim Surfen auf dem Bildschirm erscheinen, eine unzumutbare Belästigung darstellen, ist die Ausnahme. Grundsätzlich sind Werbemittel als Informationsquelle und Mittel zur Finanzierung der besuchten Website hinzunehmen. Insbesondere Pop-Ups, Layer-Ads, Video-Ads und Interstitials sind dem Nutzer zumutbar. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die Werbemittel ohne Weiteres sofort oder nach einer kurzen Zeit, die der Dauer eines Werbespots im Fernsehen entsprechen kann, wegklicken lassen (Micklitz/Schirmbacher, in Spindler/Schuster, Elektron. Medien, 3. Aufl. 2015, § 7 UWG Rn. 19 f.).

Werbung im Internet bedient sich gerne so genannter Pop-Up-Fenster oder Pre- bzw. Interstitials. Bei Ersterem handelt es sich um Webseiten mit Werbeinhalt, die sich automatisch neben der eigentlich aufgerufenen Internetseite öffnen. Ein Prestitial ist der aufgerufenen Internetseite vorgeschaltete, zumeist ganzseitige Werbung, während unter Interstitials Werbung verstanden wird, die bei dem Wechsel zwischen zwei Seiten oder vor dem Start einer bestimmten Funktion (etwa eines Videos) eingeblendet wird. Gegen diese Formen der Werbung ist, zumindest sofern sie sich wieder schließen lassen oder dies von selbst tun, nichts einzuwenden, auch wenn es lästig sein mag, das zusätzlich geöffnete Fenster wieder zu schließen. Eine unzumutbare Belästigung liegt jedenfalls nicht vor, zumal der Nutzer selbst es war, der die entsprechende Seite aufgesucht hat. Außerdem ist heute jedermann bekannt, dass viele Internetseiten überhaupt nur werbefinanziert existieren können. Unzulässig sind Werbeunterbrechungen im Internet nur, wenn der Nutzer praktisch keine Möglichkeit hat, ihnen auszuweichen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn er gegen seinen ausdrücklich geäußerten Willen gezwungen wird, den Kontakt zur besuchten Seite aufrechtzuerhalten und die dortigen Angebote zur Kenntnis zu nehmen, weil sich etwa, obwohl bei einem Sicherheitshinweis „nein“ angeklickt wurde, mehrere Pop-Up-Fenster öffnen und der Versuch, eines zu schließen, zu einer schier endlosen Kette neuer Pop-Ups führt (Leible, in MüKoUWG, 2. Aufl. 2014, § 7 UWG Rn. 280).

Das Einstellen (meist rechteckig geformter) optisch getrennter Werbeflächen anderer Unternehmer in die vom Benutzer angesteuerte Internetseite wird als Bannerwerbung bezeichnet. Eine solche Werbung ist unter dem Gesichtspunkt einer „unzumutbaren Belästigung“ regelmäßig unbedenklich, wenn nicht die Werbung außergewöhnlich unerwartet lange Downloadzeiten für die Seite mit sich bringt und der Benutzer einer Internetseite hinreichend über den werblichen Charakter der Anzeige aufgeklärt wird (Habermeier/Ludyga, in Martinek/Semler/Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Aufl. 2016, § 43 Rn. 41).

(3) Die Rechtsprechung hat folgende Werbeformen im Internet als zulässig angesehen: Pop-Up-Fenster - also Werbeanzeigen, die unaufgefordert auf der vom Internetnutzer aufgerufenen Internetseite erscheinen - sind in der Regel nicht als unzumutbare Belästigung anzusehen. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der mit einer solchen Werbung verbundenen Belästigung ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass der Internetnutzer, der eine mit derartiger Werbung finanzierte Internetseite aufsucht, von der Werbung insofern profitiert, als ihm aufgrund der daraus erzielten Einnahmen die Inhalte der Internetseite kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Die Schwelle zur Unzumutbarkeit der Werbung ist (jedenfalls dann) noch nicht überschritten, wenn eine störende Internet-Werbung der in Rede stehenden Art innerhalb kurzer Zeit weggeklickt werden kann oder alsbald von selbst verschwindet (KG Berlin, Urteil vom 18. Oktober 2013 - 5 U 138/12, Rn. 23 ff.)

Vorschaltwerbung (Pre-Roll-Werbung) stellt jedenfalls dann keine unzumutbare Belästigung dar, wenn die Werbung innerhalb kurzer Zeit weggeklickt werden kann oder alsbald von selbst verschwindet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Internetnutzer die Internetseite kostenlos nutzen kann, weil sie durch die von ihm als lästig empfundene Werbung finanziert wird (OLG Köln, Urteil vom 12. April 2013 - I-6 U 132/12, Rn. 33 ff. - SpielAffe).

Interstitial-Werbung - ein Werbeblock, der entweder für bestimmte Zeit eingeblendet wird oder per Mausklick beendet werden kann - stellt keine unzumutbare Belästigung dar, wenn er nach 10 Sekunden automatisch verschwindet oder nach 5 Sekunden weggeklickt werden kann. Im Interesse des Wettbewerbs ist zu berücksichtigen, dass mit jeder Werbung ein gewisses Maß an Beeinflussung und Belästigung verbunden ist. Ein Interstitial kann zwar als störend oder auch nervend angesehen werden. Es überschreitet jedoch nicht die Schwelle zur unzumutbaren Belästigung, denn der Nutzer kann sich der Werbung nach kurzer Zeit durch Wegklicken entziehen. Die Belästigungsintensität liegt damit weitgehend in seiner Hand. Außerdem stellt das Wegklicken ein relativ einfaches Mittel dar, um die Belästigung zu beheben (LG Berlin, Urteil vom 14. September 2010 - 103 O 43/10, Rn. 41).

bb) Im vorliegenden Fall ergibt die Abwägung der maßgeblichen Umstände, dass ein durchschnittlich empfindlicher Adressat durch die streitgegenständlichen Werbebanner zwar belästigt wird. Dies erfolgt aber nicht in unzumutbarer Weise.

(1) Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass Grad und Intensität des Einwirkens auf Werbeadressaten nicht unerträglich sind.

Die Werbung ist klar als solche erkennbar, da sie - anders als die „normalen“ E-Mails im Postfach - grau unterlegt und an der Stelle, an der bei E-Mails die Uhrzeit des Eingangs der Mail angezeigt ist, mit dem deutlichen Hinweis „Anzeige“ versehen ist. Sie enthält anstelle eines Absenders den - regelmäßig in Farbe gehaltenen (vgl. Bl. 291 d.A.) - Firmennamen des Werbenden. Den von der Klagepartei vorgelegten Anlagen mit der streitgegenständlichen Verletzungshandlung kann entnommen werden, dass sie immer an der gleichen Stelle des Postfachs erscheint, weshalb der Verbraucher beim mehrfachen Öffnen des Postfachs daran gewöhnt ist, an dieser Stelle eine Werbeanzeige zu sehen.

Durch die Einblendung der Werbeanzeigen werden keine sonstigen Inhalte - wie beispielsweise E-Mails - verdeckt. Der Kunde wird zu keinem Zeitpunkt daran gehindert, E-Mails zu lesen. Die streitgegenständliche Werbung führt damit nicht zu Beeinträchtigungen wie andere (zulässige) Werbeformen im Internet - wie beispielsweise Pop-Ups oder Prestitials - die sich über Teile des Bildschirms legen.

Durch Anklicken des „X“ kann die Werbung aus der inbox entfernt werden, sodass sich die allein durch die einzelne Werbeanzeige verursachte Zeitverschwendung beim Empfänger in Grenzen hält. Der Aufwand für den Adressaten, der belästigenden Handlung zu entgehen, ist als relativ gering einzustufen.

Nach dem Vortrag der Klägerin erschien die streitgegenständliche Werbeanzeige der Beklagten insgesamt nur drei Mal im E-Mail-Postfach des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, und zwar am 12.12.2016, 13.01.2017 und 15.01.2017. Bei dieser Anzahl ist von einer eher geringfügigen Belästigung auszugehen. Zwar ist bei der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung der Summen- bzw. Nachahmungseffekt im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen. Jedoch kann die Unzumutbarkeit der Belästigung nicht allein daraus abgeleitet werden, dass andere - von der Beklagten völlig unabhängige - Unternehmen an der beanstandeten Stelle im Posteingangsfach Werbung schalten lassen.

(2) Andererseits hat in die Abwägung einzufließen, dass durch das Erscheinen der Werbung innerhalb des Posteingangs - eingereiht in die neu eingegangenen E-Mails - diese für den flüchtigen Betrachter wie eine E-Mail wirken und damit stärker wahrgenommen werden kann als Werbebanner außerhalb des Eingangspostfachs. Damit ist der Belästigungsgrad höher einzustufen als die am Bildrand des Postfachs eingeblendete Werbung.

(3) Entscheidend ist jedoch, dass die streitgegenständlichen Werbeanzeigen auf einer kostenfreien Webseite erfolgen, über die ein kostenloser E-Mail-Dienst zugänglich gemacht wird. Es handelt sich dabei um ein klassisches Werbeumfeld, bei der Werbung vom Durchschnittsverbraucher erwartet wird, weil er die bewusste Entscheidung für einen kostenlosen und werbefinanzierten E-Mail-Dienst getroffen hat. Darüber hinaus wird der Kunde bei der Registrierung des kostenlosen E-Mail-Dienstes der ... ausdrücklich auf die Finanzierung durch Werbung hingewiesen.

Es besteht außerdem die Möglichkeit, durch die Bezahlung eines Entgelts den ...-Online-E-Mail-Dienst werbefrei zu nutzen. Auch darauf wird bei der Registrierung hingewiesen (vgl. Anlage StV 3). Schließlich trug die Beklagte unwidersprochen vor, dass bei Verwendung eines E-Mail-Clients (wie beispielsweise Microsoft Outlook) die Werbeanzeige nicht eingeblendet wird.

e) Eine Unzulässigkeit der streitgegenständlichen Werbung ergibt sich auch nicht aus § 7 UWG i.V.m. Art. 13 Abs. 3 Datenschutzrichtlinie.

Nach Art. 13 Abs. 3 Datenschutzrichtlinie sollen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass unerbetene Nachrichten zum Zwecke der Direktwerbung, die entweder ohne die Einwilligung der betreffenden Teilnehmer oder Nutzer erfolgen oder an Teilnehmer oder Nutzer gerichtet sind, die keine solchen Nachrichten erhalten möchten, nicht gestattet sind; welche dieser Optionen gewählt wird, wird im innerstaatlichen Recht geregelt, wobei berücksichtigt wird, dass beide Optionen für den Teilnehmer oder Nutzer gebührenfrei sein müssen.

Diese Vorschrift dient, wie aus der Bezeichnung der Richtlinie und ihrem Art. 1 Abs. 1 hervorgeht, dem Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen vor unerbetener Direktwerbung. Sie wird durch § 7 Abs. 2 Nr. 3, 4 und Abs. 3 UWG umgesetzt (vgl. Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, Drucksache 15/1487, S. 21). Denn Art. 13 Abs. 3 Datenschutzrichtlinie bezieht sich auf die Telefonwerbung, die einen nationalen Gestaltungsspielraum vorsieht, was sich aus Erwägungsgrund 42 dieser Richtlinie ergibt (vgl. Ohly, in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl. 2016, § 7 Rn. 8). Die Umsetzung in § 7 Abs. 2 Nr. 3, 4 und Abs. 3 UWG erfolgte auch in unionsrechtskonformer Weise (Ohly, a.a.O., § 7 Rn. 9; vgl. auch BGH, GRUR 2011, 936, Rn. 23 - Double-opt-in-Verfahren; BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - I ZR 65/14, Rn. 24 - Freunde finden). Daraus ergibt sich in Bezug auf die streitgegenständliche Werbung, dass Art. 13 Abs. 3 Datenschutzrichtlinie keinen über § 7 Abs. 2 Nr. 3, 4 und Abs. 3 UWG hinausgehenden Anwendungsbereich hat.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht aufgrund von Art. 2 S. 2 lit. d Datenschutzrichtlinie veranlasst, wonach „Nachricht“ jede Information ist, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst ausgetauscht oder weitergeleitet wird. Diese Definition entspricht wortwörtlich § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG. Der dabei verwendete Begriff des elektronischen Kommunikationsdienstes ist definiert in Art. 2 lit. c der Richtlinie 2002/21/EG 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste und bezieht sich auf gewöhnlich gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen. Darunter fallen Sprachtelefonie, Telefaxdienste, und elektronische Post, also E-Mails, SMS, MMS (vgl. Sosnitza, in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl. 2016, § 2 Rn. 81), nicht aber die streitgegenständlichen Werbebanner. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass vom Nachrichtenbegriff nur Informationen für bestimmte identifizierbare Kommunikationsdiensteteilnehmer oder Nutzer erfasst werden, nicht aber Informationen, die der elektronische Kommunikationsdienst der Öffentlichkeit als einem unbestimmten Empfängerkreis zuleitet. Dies setzt das Bestehen individueller Kontakte zwischen Absender und Empfänger voraus (vgl. Sosnitza, a.a.O., § 2 Rn. 80)."

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OLG Stuttgart bestätigt Sedo-Entscheidung der Vorinstanz - Domainhandelsplattform haftet ab Kenntnis für Markenrechtsverletzung durch geparkte Domains

OLG Stuttgart
Urteil vom 19.04.2012
2 91/11
Sedo


Das OLG Stuttgart hat zutreffend entschieden, dass die Domainhandelsplattform Sedo für Markenrechtsverletzungen durch von Kunden geparkte Domains haftet, wenn sie über die Rechtsverletzung in Kenntnis gesetzt wird und diese nicht innerhalb einer angemessenen Frist abgestellt. Damit hat das OLG Stuttgart die Vorinstanz bestätigt (siehe dazu unsere Meldung zur Entscheidung der Vorinstanz und Kommunikation & Recht - Heft 9/11: Kommentar von Rechtsanwalt Marcus Beckmann zur Sedo-Entscheidung des LG Stuttgart).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Stuttgart: Domaininhaber kann für Markenrechtsverletzung haften, wenn auf einer geparkten Domain "sponsored Links" zu finden sind

LG Stuttgart
Beschluss vom 11.11.2011
17 O 706
sponsored Links


Das LG Stuttgart hat entschieden, dass der Inhaber einer Internetdomain für Markenrechtsverletzungen haften kann, wenn auf einer geparkten Domain gesponserte Links zu finden sind. Viele Anbieter von Domain-Parking-Diensten bieten entsprechende Werbemöglichkeiten an. Im Regelfall stehen der wirtschaftliche Nutzern und das rechtliche Risiko bei derartigen Werbemethoden außer Verhältnis.

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Kommunikation & Recht - Heft 9/11: Kommentar von Rechtsanwalt Marcus Beckmann zur Sedo-Entscheidung des LG Stuttgart

In Heft 9/2011 der Zeitschrift Kommunikation & Recht (K&R) kommentiert Rechtsanwalt Marcus Beckmann die
Sedo-Entscheidung des LG Stuttgart, Urteil vom 28.07.2011 -17 O 73/11.

LG Stuttgart: Domainhandelsbörse Sedo haftet für Markenrechtsverletzung durch geparkte Domain, wenn diese trotz Inkenntnissetzung nicht abgestellt wird

LG Stuttgart
Urteil vom 28.07.2011
17 O 73/11
Sedo


Das LG Stuttgart hat entschieden, dass die Domainhandelsplattform Sedo für Markenrechtsverletzungen durch von Kunden geparkte Domains haftet, wenn sie über die Rechtsverletzung in Kenntnis gesetzt wurde und diese nicht innerhalb einer angemessenen Frist abgestellt hat.

Das LG Stuttgart wendet die allgemeinen Haftungsgrundsätze zur Störerhaftung konsequent an, so dass die Entscheidung nicht überraschend ist (siehe zur Problematik auch BGH, Urteil vom 18.11.2010 - I ZR 155/09).

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung der Kammer war die Beklagte verpflichtet, auf die E-Mail vom 12.04.2010 zu reagieren und die Markenverletzung zeitnah abzustellen. Im Zeitpunkt der Abmahnung bestand gegenüber der Beklagten ein Unterlassungsanspruch (Artikel 6, 9 GMV, 4, 14 Abs. 1, Abs. 5, 15 Abs. 1 und 5 MarkenG), so dass die Beklagte jedenfalls aus Geschäftsführung ohne Auftrag verpflichtet ist, die Abmahnkosten zu erstatten, §§ 683, 670 BGB."

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

BGH: Anbieter von Domain-Parking-Diensten haftet erst ab Kenntnis von einer Kennzeichenrechtsverletzung durch von Kunden geparkte Domains- Sedo


BGH
Urteil vom 18.11.2010
I ZR 155/09 -
Sedo
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5, 6 und 7, § 15 Abs. 2, 4, 5 und 6

Leitsätze des BGH:


a) Eine markenmäßige Verwendung eines Domainnamens liegt regelmäßig vor, wenn auf der unter dem Domainnamen erreichbaren Internetseite ein elektronischer Verweis (Link) angebracht ist, der zu einem Produktangebot führt.

b) Bietet ein Diensteanbieter im Sinne des Teledienstegesetzes a.F. - Entsprechendes ist unter Geltung des Telemediengesetzes anzunehmen - seinen Kunden ein sogenanntes Domain-Parking-Programm an, in das der Kunde unter seinem Domainnamen eine Internetseite mit elektronischen Werbeverweisen (Werbelinks) einstellen kann, bei deren Aufruf aufgrund vorher bestimmter Schlüsselwörter Werbung von Drittunternehmen erscheint, haftet der Diensteanbieter weder als Täter noch als Teilnehmer von Kennzeichenverletzungen, wenn die Auswahl des Schlüsselworts ohne seine Mitwirkung oder Kenntnis erfolgt und dem Diensteanbieter die Kennzeichenverletzungen seines Kunden auch nicht bekannt sind.

c) Ist mit dem entsprechenden Programm des Diensteanbieters keine besondere Gefahr für die Verletzung von Kennzeichenrechten Dritter verbunden, trifft dessen Anbieter auch im Rahmen einer Störerhaftung keine allgemeine Pflicht, die in sein System von Kunden eingestellten Domainnamen auf Kennzeichenverletzungen zu prüfen.

d) Die Kunden des Diensteanbieters, die unter ihren Domainnamen Internetseiten mit Werbeverweisen in ein solches Programm des Diensteanbieters einstellen, sind nicht seine Beauftragten im Sinne von § 14 Abs. 7, § 15 Abs. 6 MarkenG.
BGH, Urteil vom 18. November 2010 - I ZR 155/09 - OLG München
LG München I

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OLG Köln: Kein Anspruch auf Freigabe der Domain einer Fanseite - dsds-news.de

OLG Köln
Urteil vom 19.03.2010
6 U 180/09
MarkenG: §§ 14 Abs. 2 Nr. 2 u.3, 15 Abs. 2 u. 3
dsds-news.de

Das OLG Köln hat entschieden, dass der Betreiber einer Fanseite im Internet nicht verpflichtet ist, eine Domain, welche aus dem Titel einer Fernsehsendung und einem Zusatz besteht, freizugeben geschweige denn an den Inhaber der Rechte an der Zeichenfolge zu übertragen. Sehr wohl kann dem Betreiber einer Fanseite die konkrete geschäftsmäßige Nutzung untersagt werden.

In den Entscheidungsgründen heißt es:

"Im Streitfall ist nicht anzunehmen, dass jede Benutzung des Domain-Namens "www.dsds-news.de" zu einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr mit dem geschützten Kennzeichen "DSDS" der Fernsehsendereihe oder jedenfalls zu einer Beeinträchtigung oder Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder Wertschätzung des innerhalb der Medienbranche als bekannt anzusehenden Zeichens führen muss.
[..]
Für weitere Domain-Namen, in denen die Buchstabenfolge "dsds" mit – auch nur schwach kennzeichnungskräftigen – Zusätzen kombiniert ist, bietet die Prioritätsregel einen angemessenen Interessenausgleich: Die Klägerin hätte die "Domain "www.dsds-news.de" früher für sich registrieren lassen können und kann von dem Beklagten, der den betreffenden Antrag vor ihr gestellt hat, aus § 12 BGB nicht allein wegen des Bestandteils "dsds" den Verzicht oder – wie in ihrer ersten Abmahnung vom 06.03.2009 – sogar die Übertragung der Domain beanspruchen. "


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"OLG Köln: Kein Anspruch auf Freigabe der Domain einer Fanseite - dsds-news.de" vollständig lesen

BGH: Haftung des Anbieters eines Affiliateprogramms für Markenrechtsverletzungen seiner Affiliates - Partnerprogramm

BGH
Urteil vom 07.10.2009
I ZR 109/06
Partnerprogramm
MarkenG § 14 Abs. 2 und 7


Leitsätze des BGH:

a) Erscheint bei der Eingabe eines Suchbegriffs in der Trefferliste einer Suchmaschine ein Text, dem der Verkehr eine markenmäßige Benutzung des für einen Dritten als Marke geschützten Begriffs entnimmt, so genügt der Markeninhaber mit dem Vortrag dieses Geschehens im Regelfall seiner Darlegungslast für eine markenmäßige Benutzung seines Zeichens durch den Inhaber der unterhalb des Textes angegebenen, über einen elektronischen Verweis (Link) zu erreichenden Internetadresse. Macht dieser geltend, er benutze den betreffenden Begriff auf seiner Internetseite nur in einer beschreibenden Bedeutung, trägt er hinsichtlich der dafür maßgeblichen kon-kreten Umstände die sekundäre Darlegungslast.

b) Unterhält ein Unternehmen ein Werbepartnerprogramm, bei dem seine Werbepartner auf ihrer Website ständig einen Link auf die das Angebot dieses Unternehmens enthaltende Internetseite bereitstellen, so sind diese Werbepartner jedenfalls dann als Beauftragte des Unternehmens i.S. von § 14 Abs. 7 MarkenG anzusehen, wenn ihnen für jeden Besucher, der über diesen Link zu dem Unternehmen gelangt und mit diesem einen Geschäftsabschluss tätigt, eine Provision gezahlt wird und der betreffende Werbepartner erst nach einer Überprüfung durch den Unternehmer selbst, der den Werbepartnern eine Auswahl für die Gestaltung der Werbemittel vorgibt, in das Partnerprogramm aufgenommen wird. Die Haftung nach § 14 Abs. 7 MarkenG beschränkt sich dabei auf das Handeln des Beauftragten auf eine bestimmte zum Partnerprogramm angemeldete Website, wenn nur über diese Website getätigte Links abgerechnet werden und der Auftraggeber auch nicht damit rechnen muss, dass der Beauftragte noch anderweitig für ihn tätig wird.

BGH, Urteil vom 7. Oktober 2009 - I ZR 109/06 -

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Köln: Contentklau auch bei fehlender Schöpfungshöhe unzulässig

Das LG Köln hat mit Urteil vom 20.07.2007 - 28 O 798/04 entschieden, dass die Übernahme von fremdem Content unter dem Gesichtpunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes unzulässig sein kann, auch wenn die übernommenen Texte und Werbebanner mangels Schöpfungshöhe nicht urheberrechtlich geschützt sind.

LG Köln, Urteil vom 20.07.2007 - 28 O 798/04


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: "LG Köln: Contentklau auch bei fehlender Schöpfungshöhe unzulässig" vollständig lesen