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LG Berlin: LinkedIn darf Do-Not-Track-Einstellung des Browsers nicht ignorieren - Zustimmung zur Sichtbarkeit von Profildaten außerhalb von Linkedin darf nicht vorkonfiguriert sein

LG Berlin
Urteil vom 24.08.2023
16 O 420/19


Das LG Berlin hat entschieden, dass LinkedIn die Do-Not-Track-Einstellung des Browsers nicht ignorieren darf. Ferner darf die Zustimmung zur Sichtbarkeit von Profildaten außerhalb von Linkedin nicht vorkonfiguriert sein.

Aus den Entscheidungsgründen:
d) Die beanstandete Mitteilung verstößt gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 7 UWG.

aa) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG irreführend, wenn sie unwahre Angaben (Fall 1) oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über — nachfolgend aufgezählte - Umstände enthält (Fall 2). Nach 8 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 7 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über Rechte des Verbrauchers enthält.

[...]
Die von der Beklagten im eigenen Geschäftsinteresse getätigte Mitteilung, nicht auf DNT-Signale zu reagieren, ist bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet, Verbraucher davon abzuhalten, bei der Nutzung des Internet-Angebots der Beklagten DNT-Signale einzusetzen oder, falls sie es dennoch tun, den von ihnen damit verfolgten Zweck gegenüber der Beklagten tatsächlich geltend zu machen.
[...]

Die Mitteilung transportiert aber implizit die Rechtsansicht, die der Kläger ihr mit seiner Antragsformulierung beimisst. Die Beklagte bringt nämlich zum Ausdruck, dass sie ein DNT-Signal nicht als wirksamen Widerspruch eines Verbrauchers gegen eine Nachverfolgung seines Nutzerverhaltens ansieht. Dabei wird unterstellt, dass die Beklagte sich nicht bewusst’ rechtswidrig verhalten und trotz eines wirksamen Widerspruchs eines Verbrauchers dessen Daten verarbeiten will. Worauf sich die Beklagte bezieht, wenn sie von einem DNT-Signal spricht, erläutert sie in dem unter Ziff, 5.4 ihrer Datenschutzrichtlinie unter „Erfahren Sie mehr“ verlinkten Dokument (Anlage K 10). Sie erklärt ein DNT-Signal wie folgt: „Derzeit bieten einige Browser — darunter Internet Explorer, Firefox und Safari — eine DNT-Option an, die auf einer DNT-Kopfzeile basiert. Diese Technologie sendet ein Signal an die von dem Browser besuchten Webseiten über die DNT-Einstellungen des Nutzers.“ Bei der in Anlage K 13 wiedergegebenen angegriffenen Mitteilung handelt es sich allerdings nicht um eine im Rahmen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung geäußerte Rechtsansicht, die gemäß der oben dargestellten Rechtsprechung privilegiert wäre. Sie ist nicht eingebettet in den Kontext einer rechtlichen Auseinandersetzung, in der die Beklagte gegenüber einem Dritten ihre Rechte geltend macht oder verteidigt. Vielmehr befindet sie sich in der Datenschutzrichtlinie der Beklagten, mit der die Beklagte allen ihren Nutzern Informationen zum Datenschutz in dem von ihr betriebenen Netzwerk vermittelt. Die Beklagte behauptet mit der angegriffenen Mitteilung eine eindeutige Rechtslage, die der angesprochene Kunde als Feststellung versteht. Sie suggeriert dem angesprochenen Verbraucher, dass sie nicht verpflichtet ist, DNT-Signale zu beachten, und vermittelt den Eindruck, dass dies rechtskonform ist. Dass sie auf ein rechtskonformes Verhalten Wert legt, unterstreicht die Beklagte durch die einleitende Versicherung, Privatsphäre und Datenschutz sehr ernst zu nehmen. Der angesprochene Kunde kann die Mitteilung in ihrer Gesamtheit nicht anders verstehen, als dass die Benutzung eines DNT-Signals rechtlich irrelevant ist und die Beklagte ein solches Signal nicht zu beachten braucht.

ddd) Diese von der Beklagten vermittelte Rechtsansicht ist jedoch nicht zutreffend. Vielmehr stellt ein DNT-Signal durchaus einen wirksamen Widerspruch gegen eine Datenverarbeitung dar. Das ergibt sich aus Art. 21 Abs. 5 DSGVO. (i) Gemäß Art. 21 Abs. 5 DSGVO kann eine betroffene Person im Zusammenhang mit der Nutzung von Diensten der Informationsgesellschaft ihr — etwa aufgrund Art. 21 Abs. 1 oder Abs. 2 DSGVO begründetes — Widerspruchsrecht mittels automatisierter Verfahren ausüben, bei denen technische Spezifikationen verwendet werden. (ii) Bei dem von der Beklagten betriebenen sozialen Netzwerk handelt es sich um einen Dienst der Informationsgesellschaft in diesem Sinne. Ein Dienst der Informationsgesellschaft ist gemäß Art. 4 Ziff. 25 DSGVO eine Dienstleistung im Sinne des Art. 1 Nr. 1 lit. b der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates, also jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung. Darunter fallen auch Internetangebote wie die sozialen Medien (Kühling/Buchner/Herbst, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 21 Rn. 42; Paal/Pauly/Martini, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 21 Rn. 74). (ii) Das DNT-Signal stellt ein automatisiertes Verfahren dar, das technische Spezifikationen verwendet, und damit unter Art. 21 Abs. 5 DSGVO fällt (Kühling/Buchner/Herbst, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 21 Rn. 43; Gola/Heckmann/Schulz, 3. Aufl. 2022, DS-GVO Art. 21 Rn. 35; Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Atzert, 2. Aufl. 2020, DS-GVO/BDSG, Artikel 21 Widerspruchsrecht, Rn. 103;. Spindler/Schuster/Spindler/Dalby, 4. Aufl. 2019, DS-GVO Art. 21 Rn. 16; Albrecht/Jotzo, Das neue Datenschutzrecht der EU (2017), Teil 4: Individuelle Datenschutzrechte Rn. 27, beck-online; Schantz/Wolff, Das neue Datenschutzrecht (2017), Rn. 1235, beck-online). Soweit vereinzelt Zweifel geäußert werden, ob DNT-Signale den Anforderungen von Art. 21 DSGVO genügen, weil ein Widerspruch eine aktive und bewusste Handlung erfordere, die nicht vorliege, wenn stillschweigend und unter Umständen unbewusst eine Voreinstellung nur übernommen werde (BeckOK DatenschutzR/Forgö, 44. Ed. 1.11.2021, DS-GVO Art. 21 Rn. 29), greift dieser Einwand nicht durch. Es ist anzunehmen, dass der Verordnungsgeber diese Ausnahme bewusst implementieren wollte (s. Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Atzert, 2. Aufl. 2020, DS-GVO/BDSG, Artikel 21 Widerspruchsrecht, Rn. 105). Dies entspricht auch dem Zweck 16 0 420/19 - Seite 18 - der DSGVO, die Wahrnehmung von Betroffenenrechten zu erleichtern. q Dem steht auch nicht entgegen, dass das DNT-Signal bei der Einführung des TTDSG zum 1. Dezember 2021 keine ausdrückliche Berücksichtigung gefunden hat.

[...]

2. Der Klageantrag zu 2 ist ebenfalls begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der standardmäßigen Aktivierung von Funktionen zur Sichtbarkeit von Profilinformationen von Mitgliedern außerhalb LinkedIn, wie im Antrag spezifiziert, aus 88 3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7, 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG.

[...]

b) Gegenstand des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsantrags ist auch hier die konkrete Verletzungsform, wie im Klageantrag zu 2 durch Abbildung der von der Beklagten verwendeten Voreinstellungen spezifiziert. Der Kläger wendet sich mit dem Klageantrag zu 2 dagegen, dass die Beklagte bei der erstmaligen Anmeldung von Nutzern Voreinstellungen verwendet in der Weise, dass sowohl ein Schalter „Sichtbarkeit außerhalb LinkedIn“ als auch ein Schalter „Öffentliche Sichtbarkeit Ihres Profils" von vornherein aktiviert ist. Die Aktivierung hat zur Folge, dass personenbezogene Daten der Nutzer in Partnerdiensten der Beklagten angezeigt und im Internet für jedermann sichtbar veröffentlicht werden. Der Kläger wendet sich nach Maßgabe des Antrags nicht gegen diese Veröffentlichung, also die Datenverarbeitung, sondern gegen die Voreinstellungen an sich.

c) Die beanstandeten Voreinstellungen verstoßen gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 7 UWG.

aa) Die Voreinstellungen sind eine geschäftliche Handlung im Sinne von & 5 Abs. 1 UWG. Dem Begriff der geschäftlichen Handlung unterfällt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG das Verhalten einer Person zugunsten des eigenen Unternehmens bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt. Die beanstandeten Voreinstellungen, die Nutzer der Beklagten bei erstmaliger Anmeldung vorfinden, stehen in Zusammenhang mit einem Geschäftsabschluss und sind bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet, die Entscheidung des Verbrauchers über den Umfang, in dem er seine Daten zur Verarbeitung zur Verfügung stellt, zu beeinflussen. Stellt der Verbraucher seine Daten in möglichst großem Umfang zur Verfügung, fördert das die Sichtbarkeit und Reichweite des von der Beklagten betriebenen Netzwerks in deren Geschäftsinteresse.

bb) Die Voreinstellungen sind zur Täuschung geeignete Angaben über Verbraucherrechte im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG.

aaa) Der Streitfall betrifft auch hinsichtlich des Klageantrags zu 2 eine geschäftliche Handlung, die sich einem der in § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UWG aufgeführten Bezugspunkte einer Irreführung zuordnen lässt, nämlich den in § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 7 UWG genannten Rechten des Verbrauchers. Wie oben unter IV. 1. d) cc) aaa) ausgeführt, hat der Begriff der Rechte des Verbrauchers eine weite Bedeutung und erfasst nicht nur Angaben über die Existenz bestimmter Rechte, sondern auch über deren Inhalt, Umfang und Dauer sowie etwaige Voraussetzungen für die Geltendmachung. Die streitgegenständlichen Voreinstellungen betreffen das Recht des Verbrauchers, in eine Veröffentlichung seiner Daten auf bestimmten Wegen einzuwilligen oder nicht. bbb) Die angegriffenen Voreinstellungen der Beklagten sind eine Angabe im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG. Sie stellen eine Geschäftshandlung mit Informationsgehalt dar, da sie die Information vermitteln, dass die Beklagte von dem Nutzer eingegebene Daten mit dessen Einwilligung über Partnerdienste bzw. öffentlich zugänglich macht.

bbb) Die angegriffenen Voreinstellungen der Beklagten sind eine Angabe im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG. Sie stellen eine Geschäftshandlung mit Informationsgehalt dar, da sie die Information vermitteln, dass die Beklagte von dem Nutzer eingegebene Daten mit dessen Einwilligung über Partnerdienste bzw. öffentlich zugänglich macht.

ccc) Die Voreinstellungen sind im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 7 UWG zur Täuschung über Verbraucherrechte geeignet.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Bremen: Wettbewerbswidrige Irreführung wenn Finanzberater mit "Unabhängigkeit" wirbt obwohl er Provisionen erhält

LG Bremen
Urteil vom 11.07.2023
9 O 1081/22


Das LG Bremen hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn ein Finanzberater mit "Unabhängigkeit" wirbt, obwohl er Provisionen von Anbietern der Anlagen und Versicherungen erhält und die Vergütung nicht ausschließlich aus dem Honorar seiner Kunden besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger kann von der Beklagten die Unterlassung der streitgegenständlichen Bewerbungen gemäß § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 3,5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG verlangen.

aa. Der Kläger ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG sowie nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klagebefugt. Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 UKlaG in der Liste des Bundesamtes für Justiz eingetragen.

bb. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG irreführend, wenn sie über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Vorteile der Waren oder Dienstleistungen unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthält.

Es handelt sich zunächst um unwahre Angaben. Die Angaben sind bereits deshalb unwahr, weil auch unter Berücksichtigung des Gedankens aus § 94 WpHG „Unabhängigkeit“ nach den Regelungen in § 34f Abs. 1 GewO und § 34h GewO eine Unabhängigkeit nur im Falle des Honorar-Anlagenberaters im Sinne von § 34h GewO angenommen werden kann und nur er sich als unabhängig bezeichnen kann. Der Finanzanlagenberater kann dies dagegen nicht, auch wenn er in Einzelfällen anstatt oder neben einer Provision sein Honorar vom Anleger erhält.

Bei der Prüfung, ob eine Angabe über geschäftliche Verhältnisse geeignet ist, den Verkehr irrezuführen, kommt es nicht auf den objektiven Wortsinn und nicht darauf an, wie der Werbende selbst seine Aussage über die Ware oder gewerbliche Leistung verstanden haben will. Entscheidend ist die Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet (vgl. BGH GRUR 2020, 1226 Rn. 14 - LTE-Geschwindigkeit; st. Rspr). Hierzu zählen in erster Linie Anleger, zu denen der erkennende Richter gehört. Maßstab ist der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (vgl. BGH GRUR 2000, 619, 621).

Vor diesem Hintergrund bedeutet „Unabhängigkeit“ aus Sicht des angesprochenen Verkehrs, nicht nur, dass die Beklagte nicht in einer vertraglichen Beziehung zu den Anbietern der Anlagen bzw. Versicherungen steht. Der Auffassung des Landgerichts Hamburg (GRUR-RS 2020, 25713 Rn. 15) ist selbstverständlich zuzustimmen, dass in diesen Fällen die Erwartung des Verbrauchers enttäuscht wird, der natürlich im Falle einer Werbung der „Unabhängigkeit“ davon ausgeht, dass die Beklagte in seinem Interesse rechtlich unabhängig tätig wird. Die Kammer ist allerdings der Auffassung, dass der angesprochene Verkehr von Anlegern darüber hinaus auch die Erwartung hat, dass die Beklagte im Falle der Werbung mit einer „produktunabhängigen Beratung“ bzw. „unabhängigen Beratung“ tatsächlich nicht in einem Provisionsinteresse tätig wird, sondern vollständig unabhängig von etwaigen Provisionen oder anderen Zuwendungen, die seitens der Anbieter von Anlagen in unterschiedlichen Höhen an die Beklagte im Erfolgsfalle geleistet werden, für den Verbraucher Anlagen vermittelt. Eine irgendwie geartete Abhängigkeit der Beklagten von einem Produktgeber, sei es auch keine vertragliche, sondern nur eine über eine Provision oder sonstige Zuwendung vermittelte, steht aus Sicht des angesprochenen Verkehrs einer „Unabhängigkeit“ entgegen. Genau diese Unabhängigkeit ist Gegenstand der Regelung des § 34h GewO, wobei es nicht ausreicht, dass dem Verbraucher, nachdem er sich mit dem Angebot der Beklagten aufgrund der unlauteren Werbung näher befasst, erfahren könnte, dass die Beklagte verschiedene Vergütungsmodelle anwendet. Diese Erläuterungen sind ersichtlich zu spät. Für die Richtigkeit des gefundenen Ergebnisses spricht nach Ansicht der Kammer der zu übertragende Gedanke aus der Regelung des § 94 Abs. 1 WpHG, der eine Verwendung der Bezeichnung „Unabhängigkeit“ nur zulässt, wenn der Werbende im Register Unabhängiger Anlageberater eingetragen ist.

Die streitgegenständlichen Aussagen sind, wie der Kläger bereits zutreffend dargelegt hat, auch geeignet, Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie anderenfalls nicht getroffen hätten, nämlich, dass sie in geschäftlichen Kontakt zu der Beklagten in dem Glauben treten, die Gewähr einer unabhängigen Finanzberatung zu erhalten, obschon diese kraft der gewerblichen Tätigkeit der Beklagten nicht gewährleistet ist. Verbraucher, denen es gerade auf eine vollends unabhängige Beratung
ankommt, würden ohne die täuschungsbedingen Angaben der Beklagten ihre Entscheidung sicherlich anders treffen.


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BGH: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Bewerbung von Lebensmitteln mit "Bakterienkulturen zum Diätmanagement" sofern Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke suggeriert werden

BGH
Urteil vom 1307.2023
I ZR 68/21
Bakterienkulturen
UWG § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1; Verordnung (EU) Nr. 609/2013 Art. 2 Abs. 2 Buchst. g; LMIV Art. 2 Abs. 2 Buchst. s, Art. 7 Abs. 3 und 4


Der BGH hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn Lebensmittel mit "Bakterienkulturen zum Diätmanagement" beworben werden, sofern dabei suggeriert wird, dass es sich bei dem Produkt um ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke handelt.

Leitsätze des BGH:
a) Ein Erzeugnis stellt ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke im Sinne des Art. 2
Abs. 2 Buchst. g der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 dar, wenn krankheitsbedingt ein erhöhter oder spezifischer Nährstoffbedarf besteht, der durch das Lebensmittel gedeckt werden soll. Für eine solche Einstufung reicht es nicht aus, dass der Patient allgemein aus der Aufnahme dieses Lebensmittels deswegen Nutzen zieht, weil darin enthaltene Stoffe der Störung entgegenwirken oder deren Symptome lindern (Anschluss an EuGH, Urteil vom 27. Oktober 2022 - C-418/21, GRUR 2022, 1765 [juris Rn. 59] = WRP 2022, 1484 - Orthomol).

b) Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. g der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 zeichnen sich durch ihre spezifische Ernährungsfunktion aus und enthalten Nährstoffe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. s LMIV. Produkte, die in natürlicher Weise im menschlichen Darm vorkommende Bakterien enthalten, sind keine solchen Lebensmittel, weil Bakterien keine Nährstoffe in diesem Sinne sind.

c) Der Vertrieb und die Bewerbung von Produkten, die Bakterienkulturen enthalten, "zum Diätmanagement" ist irreführend, wenn diese Angabe den angesprochenen Verkehrskreisen suggeriert, es handele sich bei den Produkten um Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke.

BGH, Urteil vom 13. Juli 2023 - I ZR 68/21 - OLG München - LG München II

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EuGH: Werbung für Backöfen und Dunstabzugshauben muss Energieeffizienzklasse und Spektrum der Effizienzklassen enthalten

EuGH
Beschluss vom 16.10.2023
C-761/22
Verband Wirtschaft im Wettbewerb ./. Roller GmbH & Co. KG


Der EuGH hat entschieden, dass die Werbung für Backöfen und Dunstabzugshauben die Energieeffizienzklasse und das Spektrum der Effizienzklassen enthalten muss.

Die Pressemitteilung des EuGH:
In der Werbung für Haushaltsbacköfen und -dunstabzugshauben muss sowohl auf die Energieeffizienzklasse dieser Produkte als auch auf das Spektrum der Effizienzklassen hingewiesen werden

Der deutsche Möbel-Discounter Roller bewarb auf seiner Website eine Küchenzeile. In dieser Werbung war die Energieeffizienzklasse des Einbau-Backofens und der Haushaltsdunstabzugshaube angegeben, nicht aber das Spektrum der Energieeffizienzklassen auf dem Etikett der betreffenden Geräte.

Ein Verband zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs erhob bei einem deutschen Gericht Klage auf künftige Unterlassung solcher Werbung.

Das deutsche Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Lieferanten und Händler nach dem Unionsrecht verpflichtet sind, in ihrer Werbung für Backöfen und Dunstabzugshauben die Energieeffizienzklasse und das Spektrum der Energieeffizienzklassen anzugeben. Falls dies zu bejahen sein sollte, möchte es wissen, wie sie ihrer Verpflichtung nachkommen können.

In seinem Beschluss vom 5. Oktober 2023 stellt der Gerichtshof fest, dass die Lieferanten und Händler eines Produkts in ihrer visuell wahrnehmbaren Werbung oder in ihrem technischen Werbematerial auf die
Energieeffizienzklasse dieses Produkts und das Spektrum der auf dem Etikett der betreffenden Produktgruppe verfügbaren Effizienzklassen hinweisen müssen. Dies gilt auch dann, wenn die Kommission
noch keinen delegierten Rechtsakt erlassen hat, in dem festgelegt wird, wie ein solcher Hinweis vorzunehmen ist.

In Bezug auf Haushaltsbacköfen und -dunstabzugshauben gibt es bislang keinen solchen delegierten Rechtsakt.

Unter diesen Umständen verfügen die Lieferanten und Händler über einen gewissen Spielraum hinsichtlich der Art und Weise, in der sie auf die Energieeffizienzklassen und ‑spektren hinweisen; der Ausübung dieses Spielraums sind jedoch Grenzen gesetzt.

So muss die Gestaltung der Energieeffizienzklassen und ‑spektren in der Werbung möglichst der Gestaltung auf dem Energieetikett der betreffenden Backöfen oder Dunstabzugshauben entsprechen. Ist eine solche Gestaltung nicht möglich, müssen Klasse und Spektrum jedenfalls lesbar und sichtbar in einer Weise angegeben werden, die den Anforderungen an die Information des Verbrauchers genügt.

Der Gerichtshof nennt hierfür einige Beispiele, unbeschadet anderer denkbarer Lösungen: In der Werbung können die Energieeffizienzklasse und das Spektrum der Effizienzklassen lesbar und sichtbar mittels einer für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher leicht verständlichen Wendung (wie etwa: „Die Energieeffizienzklasse dieses Modells/Produkts ist [einschlägiger Buchstabe] innerhalb eines Spektrums von [erster Buchstabe] bis [letzter Buchstabe]“) angegeben oder der Buchstabe der betreffenden Klasse in einem Pfeil mit der Hintergrundfarbe des entsprechenden Buchstabens des Spektrums der Effizienzklassen wiedergegeben und neben diesem Pfeil der Umfang des Spektrums mittels einer Angabe oder eines äquivalenten Symbols präzisiert werden, die oder das für einen solchen Verbraucher leicht verständlich ist. Positionierung, Schriftart und Schriftgröße dieser Hinweise sind so zu wählen, dass sie lesbar und sichtbar sind und somit für den Verbraucher klar aus der Werbung hervorgehen.


Tenor der Entscheidung:
Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1369 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2017 zur Festlegung eines Rahmens für die Energieverbrauchskennzeichnung und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/30/EU

ist dahin auszulegen, dass

die Lieferanten und Händler eines Produkts verpflichtet sind, in ihrer visuell wahrnehmbaren Werbung oder ihrem technischen Werbematerial für ein bestimmtes Produktmodell auf dessen Energieeffizienzklasse und auf das Spektrum der auf dem Etikett der betreffenden Produktgruppe verfügbaren Effizienzklassen hinzuweisen, wenn diese Produktgruppe Gegenstand eines auf der Grundlage der Richtlinie 2010/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Angabe des Verbrauchs an Energie und anderen Ressourcen durch energieverbrauchsrelevante Produkte mittels einheitlicher Etiketten und Produktinformationen erlassenen delegierten Rechtsakts und nicht eines auf der Grundlage der Verordnung 2017/1369 erlassenen delegierten Rechtsakts ist.

Sieht dieser delegierte Rechtsakt nicht vor, in welcher Weise die Lieferanten und Händler einen solchen Hinweis vornehmen müssen, und ist für die betreffende Produktgruppe noch kein delegierter Rechtsakt auf der Grundlage von Art. 16 der Verordnung 2017/1369 erlassen worden, müssen sie in ihrer visuell wahrnehmbaren Werbung und ihrem technischen Werbematerial auf die Energieeffizienzklasse dieses Produkts und das Spektrum der Effizienzklassen in gleicher Weise hinweisen wie auf dem Etikett der betreffenden Produktgruppe, sofern eine solche Gestaltung angesichts von Art, Größe und kommerziellen Erfordernissen der Werbung und des Werbematerials lesbar und sichtbar bleibt.

Ist eine solche Gestaltung nicht möglich, müssen sich die Lieferanten und Händler jedenfalls für eine äquivalente Gestaltung entscheiden, die den Anforderungen an die Information des Verbrauchers sowie den aus der Verordnung 2017/1369 resultierenden Erfordernissen der Lesbarkeit und Sichtbarkeit entspricht.

LG Berlin: Irreführung durch Bewerbung einer Quarzuhr mit Abbildung eines mechanischen Uhrwerks auch wenn in Beschreibung von Quarzwerk die Rede ist

LG Berlin
Urteil vom 02.05.2023
15 O 50/23


Das LG Berlin hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn eine Quarzuhr mit der Abbildung eines mechanischen Uhrwerks beworben wird, auch wenn in der Beschreibung von einem Quarzwerk die Rede ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Der Unterlassungsanspruch ist gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3 Abs. 1, 2 und 4 S. 1, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG begründet, da sich die streitgegenständliche Werbung als irreführend darstellt.

Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG irreführend und damit unlauter, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware enthält, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Angaben i.S.d. § 5 UWG sind (tatsächliche) Erklärungen gleich welcher Ausdrucksform, insbesondere bildliche Darstellungen, vgl. § 5 Abs. 4 UWG. Für die Beurteilung, ob eine geschäftliche Handlung irreführend ist, kommt es nicht auf den objektiven Wortsinn und nicht darauf an, wie der Werbende selbst seine Aussage über die Ware verstanden haben will, sondern welchen Gesamteindruck sie bei dem maßgeblichen Verkehrskreisen hervorruft, an die sich die Werbung richtet, § 3 Abs. 4 S. 1 UWG (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.57 m.w.N.).

a) Entscheidend für die Einstufung einer Werbeaussage als irreführend ist die Bestimmung des maßgeblichen Verkehrskreises. In Betracht kommt vorliegend die gesamte Leserschaft des ..., die Kunden des ... Shops oder - wie die Beklagte vortragen lässt - sog. „kundige Uhrenliebhaber“, mithin ein Fachpublikum.

Im vorliegenden Fall greift die Eingrenzung des maßgeblichen Verkehrskreises auf ein Fachpublikum zu kurz. Entscheidend ist vielmehr die gesamte Leserschaft des ...x, da sich an diese die konkrete Anzeige richtet, von dieser wahrgenommen wird und diese sich angesprochen fühlt.

b) Bei der Ermittlung des Verständnisses des Verkehrskreises ist auf den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher abzustellen, welcher der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (BGH, Urteil vom 20.10.1999 - I ZR 167/97, GRUR 2000, 619). Bei der Ermittlung des Grads der Aufmerksamkeit ist u.a. zu berücksichtigen, ob es sich lediglich um eine geringwertige Ware des täglichen Bedarfs handelt, aber auch um welche Art der Werbung es sich handelt, also ob sie grundsätzlich eher beiläufig wahrgenommen wird, wie beim Durchblättern der Tageszeitung (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.79 f.).

Maßgebend für die Beurteilung einer Werbeaussage ist, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung auf Grund des Gesamteindrucks der Anzeige versteht, also grundsätzlich auch unter Berücksichtigung von Erläuterungen, insbesondere bei sog. Blickfangwerbung (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.81, 1.85 f.).

Von Blickfangwerbung wird gesprochen, wenn einzelne Angaben in der Werbung im Vergleich zu den sonstigen Angaben besonders herausgestellt sind und dadurch die Aufmerksamkeit des Publikums erwecken (Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.85).

Spätere Richtigstellungen oder Klarstellungen im weiteren Text der Werbung oder aufklärende Zusätze ändern an der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung eines täuschenden Blickfangs als irreführend nichts, soweit der Blickfang objektiv unrichtig ist und kein vernünftiger Anlass für die objektive Unrichtigkeit besteht und sich dieser Blickfang vielmehr als „dreiste Lüge“ erweist (Ohly/Sosnitza/Sosnitza, 8. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 144; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.89).

Anders liegt es bei indirekten Aussagen des Blickfangs, welche für sich genommen nicht objektiv unrichtig sind und der Blickfang selbst durch Sternchenhinweis oder sonst durch eine Anmerkung auf nicht zu übersehende Einschränkungen aufmerksam macht. In solchen Fällen geht der verständige Durchschnittsverbraucher davon aus, dass die in Bezug genommenen weiteren Angaben Teil des Blickfangs sind und ohne sie ein zutreffendes Verständnis der Werbung nicht gewonnen werden kann (Ohly/Sosnitza/Sosnitza, 8. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 144; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.90). Die Aufklärung muss nicht zwingend durch einen Sternchenhinweis oder einen anderen klarstellenden Hinweis an den isoliert irreführenden blickfangmäßigen Angaben erfolgen, vielmehr kann es genügen, dass es sich um eine Werbung - etwa für langlebige und kostspielige Güter - handelt, mit der sich der Verbraucher eingehend und nicht nur flüchtig befasst und die er aufgrund einer kurzen und übersichtlichen Gestaltung insgesamt zur Kenntnis nehmen wird (BGH, Urt. v. 18.12.2014 - I ZR 129/13 - Schlafzimmer komplett, GRUR 2015, 698, Rn. 19; BGH, Versäumnisurteil. v. 21.9.2017 - I ZR 53/16 - Festzins Plus, GRUR 2018, 320, Rn. 24).

Randnummer26
aa) Der Kläger ist der Meinung, der Verkehrskreis erkenne, dass es sich bei der Abbildung um ein mechanisches Uhrwerk einer Automatikuhr handle und erwarte aufgrund des hervorgehobenen mechanischen Uhrwerks daher, dass auch die angebotenen Uhren ein solch hochwertiges Uhrwerk enthielten.

Randnummer27
bb) Die Beklagte hingegen ist der Auffassung, dass der Verkehrskreis schon nicht erkenne, dass es sich bei der Abbildung um eine Automatikuhr handele. Im Übrigen läge keine sog. Blickfangwerbung vor und selbst wenn dies der Fall wäre, wäre diese durch die aufklärenden Hinweise in der Beschreibung und Bezeichnung der Uhren korrigiert.

Randnummer28
cc) Die Kammer kann die Verkehrsauffassung auf Grund eigener Sachkunde ermitteln, da ihre Mitglieder grundsätzlich zu dem angesprochenen Verkehrskreis gehören.

(1) Aufgrund des Preises der angebotenen Armbanduhren dürfte es sich jedenfalls nicht mehr um eine geringwertige Ware des täglichen Bedarfs handeln, so dass der Verbraucher grundsätzlich mit einer erhöhten Aufmerksamkeit an die Verständnisbildung der Werbung herangeht. Andererseits handelt es sich um eine Werbung in einer Tageszeitung, welche eher beiläufig wahrgenommen wird, so dass wohl insgesamt von keiner hohen Aufmerksamkeit des Verbrauchers ausgegangen werden kann.

(2) Entscheidend ist daher, ob der angesprochene Verkehrskreis in der Abbildung überhaupt ein mechanisches Uhrwerk erkennt. Während man dies von einem „kundigen Uhrenliebhaber“ wohl jedenfalls erwarten kann, wird man davon bei der Leserschaft des ... nicht zwangsläufig ausgehen können.

Die Kammer ist allerdings der Ansicht, dass jedenfalls ein nicht unbedeutender Teil des maßgeblichen Verkehrskreises in der streitgegenständlichen Abbildung ein mechanisches Uhrwerk erkennen wird oder jedenfalls ein Uhrwerk, welches eine besondere Qualität und Werthaltigkeit im Vergleich zu einer üblichen Armbanduhr aufweist, ohne dabei konkret zwischen den Begriffen „Quarzwerk“ und mechanischem Uhrwerk“ unterscheiden zu können.

(3) Weiter ist daher zu ermitteln, wie der maßgebliche Verkehrskreis die Anzeige in ihrem Gesamtzusammenhang versteht, insbesondere inwieweit die Abbildung des Uhrwerks, die Beschreibung sowie die Benennung der Armbanduhr den Gesamteindruck prägen.

Die Kammer ist der Auffassung, dass der Verkehrskreis die Abbildung des Uhrwerks als eine Erklärung über die Technik, namentlich der Mechanik, welche in der angebotenen Armbanduhr verbaut wurde, versteht, also als eine Angabe im Sinne des § 5 Abs. 2 UWG. Da die streitgegenständlichen Uhren kein solches Uhrwerk enthalten, handelt es sich insoweit um eine objektiv unwahre Angabe.

Ungeachtet der Frage, ob es sich bei der Abbildung des Uhrwerks um einen Blickfang handelt - wovon die Kammer ausgeht - löst auch die begleitende Beschreibung, die Uhr enthalte ein Quarzwerk, sowie die Bezeichnung der Armbanduhr die Irreführung des Verkehrskreises nicht wieder auf. Bei der Bebilderung handelt es sich um eine schlicht falsche Angabe. Um eine solche falsche Angabe wieder richtigzustellen, sind - soweit eine Richtigstellung überhaupt noch möglich ist - hohe Anforderung an die begleitenden Erläuterungen zu stellen. Aus Sicht der Kammer wird die Beklagte diesen Anforderungen nicht gerecht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verkehrskreis im Rahmen des Durchblätterns der Zeitung nicht die erforderliche Aufmerksamkeit aufbringt, sich mit dem gesamten Text der Anzeige auseinanderzusetzen. Ferner ist von dem Verkehrskreis nicht zu erwarten, dass er bei der Bezeichnung „Quarz“ oder „Quarzwerk“ versteht, dass es sich bei dem abgebildeten Uhrwerk nicht ebenfalls um ein Quarzwerk handeln kann. Vielmehr geht der durchschnittlich verständige Verbraucher weiterhin davon aus, dass das abgebildete Uhrwerk auch in der angebotenen Armbanduhr verbaut ist. Damit liegt eine Irreführung des Verbrauchers vor, welche eine unlautere geschäftliche Handlung darstellt, die geeignet ist, den Verbraucher zum Kauf der Armbanduhr zu veranlassen.


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EuGH: Auch eine "Zufriedenheitsgarantie" kann eine Garantie im Sinne von § 479 BGB sein so dass eine entsprechende Garantieerklärung erforderlich ist

EuGH
Urteil vom 28.09.2023
C‑133/22


Der EuGH hat entschieden, dass auch eine "Zufriedenheitsgarantie" eine Garantie im Sinne von § 479 BGB sein kann, so dass eine entsprechende Garantieerklärung vorgehalten werden muss.

Tenor der Entscheidung:
Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates

ist dahin auszulegen, dass

der Begriff „gewerbliche Garantie“ als „andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderungen, die in der Garantieerklärung oder der einschlägigen Werbung, wie sie bei oder vor dem Abschluss des Vertrags verfügbar war, beschrieben sind“, eine von einem Garantiegeber dem betreffenden Verbraucher gegenüber eingegangene Verpflichtung umfasst, die sich auf in der Person des Verbrauchers liegende Umstände wie seine in sein eigenes Belieben gestellte Zufriedenheit mit der erworbenen Ware bezieht, ohne dass das Vorliegen dieser Umstände für die Geltendmachung der gewerblichen Garantie objektiv geprüft werden müsste.

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OLG Hamburg: Werbung mit "bekannt aus" nur bei redaktioneller Berichterstattung und nicht bei bezahlter Werbung - Fundstellenangabe bzw. Verlinkung bei bekannten Medien erforderlich

OLG Hamburg
Urteil vom 21.09.2023
15 U 108/22


Das OLG Hamburg hat entschieden, das die Werbung mit "bekannt aus" nur bei redaktioneller Berichterstattung und nicht bei bezahlter Werbung zulässig ist. Zudem ist eine Fundstellenangabe bzw. Verlinkung bei bekannten Medien erforderlich.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger macht ausschließlich Ansprüche aus § 5a UWG geltend und nicht auch solche aus § 5 UWG. Diesem zu Protokoll gegebenen Verständnis des Senats ist er nicht entgegengetreten. Demnach kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte durch Nennung der Leitmedien eine Marktstärke suggeriert, die sie nicht innehat, und ob in den von ihr genannten Medien keine redaktionellen Berichte über sie, sondern nur geschaltete Werbeanzeigen von ihr enthalten waren. Abgesehen davon hat der Kläger dazu auch nicht schlüssig vorgetragen.

3. Dem Kläger steht der mit dem Antrag zu 1.b) geltend gemachte Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 a.F. UWG in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 1 UWG zu.

Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 UWG kann bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässige, weil unlautere geschäftliche Handlung vornimmt.

a. Der Kläger ist aktivlegitimiert. Der Anspruch steht nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a.F. rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt. Nach § 15a Abs. 1 UWG ist § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG n.F., nach dem für die Klagebefugnis eine Eintragung des Verbands erforderlich ist, nicht anzuwenden auf Verfahren, welche am 01.09.2021 bereits rechtshängig sind. Der Kläger ist unstreitig ein qualifizierter Verband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a.F. Die Rechtshängigkeit des hiesigen Verfahrens trat am 12.07.2021 ein (s. Bl. 24 d.A.), so dass § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG n.F. nicht anzuwenden ist und der nach altem Recht klagebefugte Kläger unabhängig von einer Eintragung bis zur Beendigung des Rechtsstreits klagebefugt bleibt (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 15a Rn. 2).

b. Die Beklagte ist passivlegitimiert. Die Internetseiten, auf denen sich die streitgegenständlichen Angaben befinden (s. Anlagen K3, K4 und K5), werden unstreitig von der Beklagten betrieben. Da die Beklagte mittels der angegriffenen Angaben ihre Dienstleistung bewirbt, handelt es sich dabei um geschäftliche Handlungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG.

c. Die Beklagte hat gegen § 5a Abs. 1 UWG verstoßen und damit eine unlautere Handlung im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG begangen, indem sie mit ihrer Bekanntheit aus konkret benannten Medien geworben hat, ohne dazu jeweils eine Fundstelle anzugeben oder zu verlinken, aus der sich eine Berichterstattung ergibt.

Nach § 5a Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer einen Verbraucher irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält, die der Verbraucher nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. § 5a Abs. 1 UWG ist durch das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht mit Wirkung ab dem 28.05.2022 neu gefasst worden. § 5a Abs. 1 n.F. UWG (hier stets: § 5a Abs. 1 UWG) entspricht im Wesentlichen § 5a Abs. 2 a.F. UWG, so dass dieselben Beurteilungsmaßstäbe für die Zeitpunkte des vorgeworfenen Verstoßes einerseits und der mündlichen Verhandlung vor dem Senat andererseits gelten.Die ab dem 28.5.2022 geltende Neufassung des § 5a Abs. 1 UWG enthält zwar nicht mehr die Präzisierung „im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände“. Diese Präzisierung ist aber im Wege der richtlinienkonformen Auslegung gleichwohl zu berücksichtigen und ergibt sich mittelbar aus der Einschränkung in Nr. 1 „nach den jeweiligen Umständen“. Daher sind die zu § 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 a.F. UWG entwickelten Beurteilungsmaßstäbe auch unter Geltung des § 5a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 UWG anzuwenden (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, § 5a Rn. 2.47).

aa. Bei den von der Beklagten nicht angegebenen Fundstellen zu den genannten Medien handelt es sich um wesentliche Informationen im Sinne der Vorschrift. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Rechtsprechung zur Werbung mit Testergebnissen, Prüfsiegeln oder Gütezeichen auf den hier vorliegenden Fall übertragbar ist, obwohl hier nicht mit einem Qualitätsurteil eines Dritten geworben wird. Die Wesentlichkeit ergibt sich aus Folgendem:

Eine Information ist nicht allein schon deshalb wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG, weil sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann, sondern nur dann, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zudem ein erhebliches Gewicht zukommt (BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 31, 46 – LGA tested). Den Unternehmer trifft nach § 5a Abs. 1 UWG keine allgemeine Aufklärungspflicht über Tatsachen, die für die geschäftliche Entscheidung des angesprochenen Verkehrs möglicherweise von Bedeutung sind. Er ist nicht generell verpflichtet, auch auf weniger vorteilhafte oder gar negative Eigenschaften des eigenen Angebots hinzuweisen (BGH GRUR 2022, 241 Rn. 27 – Kopplungsangebot III), sofern dies nicht zum Schutze der (z.B. Gesundheits- oder Sicherheits-) Interessen des Verbrauchers unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden unerlässlich ist (OLG Düsseldorf WRP 2015, 365 Rn. 39; OLG Köln GRUR-RR 2020, 438 Rn. 56 – Autositzbezüge). Die Informationspflicht reicht über das hinaus, was notwendig ist, um Fehlvorstellungen des Verbrauchers zu vermeiden (vgl. BGH GRUR 2012, 1275 Rn. 36 – Zweigstellenbriefbogen). Die Frage, ob eine Information für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von besonderem Gewicht ist, ist nach dem Erwartungs- und Verständnishorizont des Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen (BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 37 – LGA tested).

Der Senat kann die Erwartung und das Verständnis des angesprochenen Verkehrskreises sowie die Wesentlichkeit der in Rede stehenden Informationen aus eigener Sachkunde feststellen, denn die Mitglieder des Senats gehören zu dem von der Werbung der Beklagten angesprochenen Verkehrskreis der allgemeinen Verbraucher.

(1) Der Kläger trägt vor, aus der Angabe „Bekannt aus:“ schließe der Verbraucher, dass eine redaktionelle Berichterstattung erfolgt und dass diese für die Beklagte positiv gewesen sei. Dieses Verständnis teilt der Senat, ebenso wie das Landgericht, nur zum Teil. Zwar erwartet der Verbraucher durch die Angabe „Bekannt aus:“, dass die Beklagte in den genannten Medien redaktionelle Erwähnung gefunden und nicht etwa nur bezahlte Werbeanzeigen geschaltet hat (zu letzterem noch sogleich). Die redaktionelle Erwähnung kann aber, wie das Landgericht zutreffend ausführt, auch neutraler Art sein. Denn schon der neutrale Bericht eines anerkannten Mediums wie etwa der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und damit der Umstand, dass dieses Medium auf die Dienstleistung der Beklagten aufmerksam geworden ist und sie für erwähnenswert hält, spricht für eine gewisse Bedeutung der Dienstleistung. Auch eine neutrale Berichterstattung kann deswegen für potenzielle Kunden von Bedeutung und daher – aus ihrer Sicht – Motivation der Beklagten sein, das berichtende Medium zu nennen. Der Angabe „Bekannt aus:“ ist auch ihrem Wortsinn nach nicht zwingend zu entnehmen, dass das jeweilige Medium positiv über die Beklagte berichtet hat. Zudem wäre dann ein Ausdruck wie „Empfohlen von:“ auch naheliegender, weil die Beklagte damit eine größere Werbewirkung erzielen könnte.

Soweit der Kläger für ein allein auf positive redaktionelle Berichterstattung gerichtetes Verbraucherverständnis erstmals in der Berufung die Einholung eines demoskopischen Gutachtens anbietet, ist dies zum einen nach § 531 Abs. 2 ZPO präkludiert, zum anderen ist die Beweiserhebung nicht nötig, weil der Senat – wie dargelegt – das Verkehrsverständnis selbst beurteilen und feststellen kann.

Demgegenüber versteht der angesprochene Verkehr die Angabe nicht dahingehend, dass sie sich auf eine für die Beklagte negative redaktionelle Berichterstattung bezieht. Auch daraus kann zwar eine Bekanntheit resultieren, so dass diese Variante vom reinen Wortlaut erfasst wäre. Allerdings würde die Beklagte dann im eigenen Interesse nicht damit werben, was dem angesprochenen Verkehr bewusst ist, so dass diese Verständnisvariante ausscheidet. Der Kläger hat ein solches Verkehrsverständnis auch nicht vorgetragen.

Ebenso wenig versteht der angesprochene Verkehr die Angabe (auch) dahingehend, dass die Beklagte aufgrund von in den jeweiligen Medien von ihr geschalteter Werbeanzeigen bekannt ist. Der Kläger hat vorgetragen, die Angabe werde dahingehend verstanden, dass über die Beklagte in den genannten Medien redaktionell berichtet worden sei, wohingegen die Aussage, dass in den genannten Medien Werbung geschaltet wurde, nicht erwähnenswert sei (Schriftsatz vom 21.12.2021 Seiten 16 f., s. Bl. 23 f. eA). Diesem Verständnis tritt der Senat bei. Zwar mag eine Bekanntheit auch aus der bloßen Schaltung von Werbeanzeigen resultieren und dieses Verständnis daher vom reinen Wortlaut der Angabe erfasst sein. Allerdings würde damit das Verbraucherverständnis letztlich ein unredliches, wenn nicht gar im Sinne von § 5 Abs.1 UWG irreführendes und damit unlauteres Verhalten der Beklagten zugrunde legen. Denn damit würde unterstellt, dass die Beklagte ihre Werbung bewusst auf eine Bedeutungsvariante stützt, die gegenüber der naheliegenden Bedeutungsvariante der Bekanntheit aus redaktioneller Berichterstattung nicht nur deutlich ferner liegt, sondern die auch qualitativ einen ganz erheblichen Unterschied macht, ohne dies kenntlich zu machen. Es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass der angesprochene Verkehr der Angabe der Beklagten derart skeptisch oder gar misstrauisch gegenübertritt. Im Gegenteil hat der Kläger ein solches Verständnis selbst ausgeschlossen.

(2) Auf der Grundlage des dargelegten Verkehrsverständnisses besteht die Erwartung des angesprochenen Verkehrs, dass ihm zu den genannten Medien, auf die die Beklagte ihre Bekanntheit stützt, auch jeweils mindestens eine Fundstelle zu einer entsprechenden redaktionellen Berichterstattung angegeben wird. Denn der angesprochene Verbraucher hat ein Interesse daran, nachvollziehen zu können, aus welchem Anlass, in welcher Weise und auch wann das entsprechende Medium über die Beklagte berichtet hat. Ohne diese Informationen kann der Verbraucher die Werbeaussage der Beklagten überhaupt nicht einordnen. Während der Verbraucher etwa bei einer Werbung mit einem Testsieg bei der Stiftung Warentest auch ohne Fundstellenangabe schon eine gewissermaßen konkrete Vorstellung dahingehend hat, dass es sich um den Sieger in einem vergleichenden Test mehrerer Produkte durch eine anerkannte und neutrale Institution handelt, bleibt die hier in Rede stehende Angabe letztlich absolut vage. Ohne Fundstellenangabe lässt nicht nachvollziehen, ob über die Beklagte positiv oder neutral berichtet wurde, ob sich der Bericht allein ihr widmete oder ob sie nur am Rande eines anderen Themas Erwähnung findet, ob dem Bericht eine persönliche Erfahrung mit der Beklagten zugrunde liegt oder nicht und wie lange die Berichterstattung her ist, also welche Relevanz sie rein zeitlich noch hat. Demnach bedarf es der Fundstellenangabe, damit die Werbeangabe überhaupt eine konkrete Aussagekraft für den Verbraucher entfalten kann. Angesichts dessen und in Anbetracht der erheblichen Werbewirkung der aus Leitmedien wie den hier in Rede stehenden für sich reklamierten Bekanntheit ist die Angabe der Fundstelle neben der hier in Rede stehenden Werbung von erheblichem Gewicht für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers.

(3) Die Angabe der Fundstellen kann auch unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen von der Beklagten erwartet werden. Der Verbraucher hat ein erhebliches Interesse an der Angabe, um die konkrete Bedeutung der werbenden Angabe mittels einer leicht zugänglichen Fundstelle nachvollziehen zu können. Bei der anzustellenden Interessenabwägung im Einzelfall ist auch das Interesse des Unternehmers zu berücksichtigen, die Information nicht zu erteilen (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG, § 5a Rn. 2.12). Daher müssen der zeitliche und der kostenmäßige Aufwand des Unternehmers für die Beschaffung der Information, die für den Unternehmer mit der Informationserteilung verbundenen Nachteile sowie möglicherweise bestehende Geheimhaltungsbelange berücksichtigt werden (BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 33 – LGA tested; vgl. auch BGH GRUR 2017, 1265 Rn. 24 – Preisportal). Mit der vom Kläger begehrten zusätzlichen Angabe jeweils einer Fundstelle pro Medium ist ein gewisser zeitlicher und ggf. auch kostenmäßiger Mehraufwand der Beklagten verbunden. Dieser bleibt allerdings äußerst überschaubar. Der Beklagten müssen die entsprechenden redaktionellen Berichte bereits vorliegen, bevor sie redlicherweise mit einer Angabe wie der hier angegriffenen werben kann. Angesichts dessen besteht der Mehraufwand lediglich darin, die ihr bereits bekannten Fundstellen auf ihrer Internetseite anzugeben und / oder zu verlinken. Darüber hinaus ist weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen, dass bzw. welche konkreten weiteren Umstände dagegen sprechen könnten, jeweils eine Fundstelle anzugeben. Da es um positive oder allenfalls neutrale Berichterstattung geht, sind keine mit der Informationserteilung verbundenen Nachteile für die Beklagte ersichtlich. Schon weil sich die Werbung offenbar auf veröffentlichte Presseberichte bezieht, sind auch keine Geheimhaltungsbelange berührt.

bb. Die Beklagte hat den Verbrauchern diese wesentliche Information vorenthalten. Eine wesentliche Information wird dem Verbraucher vorenthalten, wenn sie zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich des Unternehmers gehört oder dieser sie sich mit zumutbarem Aufwand beschaffen kann und der Verbraucher sie nicht oder nicht so erhält, dass er sie bei seiner geschäftlichen Entscheidung berücksichtigen kann (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG, § 5a Rn. 2.26 mit Verweis u.a. auf BGH GRUR 2021, 979 Rn. 19 – Testsiegel auf Produktabbildung). Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die Fundstellenangaben fehlten, und sie gehören zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich der Beklagten. Da sie mit der Bekanntheit aus den genannten Medien geworben hat, müssten ihr die entsprechenden redaktionellen Berichte bereits vorliegen. Jedenfalls kann sie sich diese bzw. die Fundstellen mit zumutbarem Aufwand beschaffen.

cc. Die Fundstellenangabe wird vom Verbraucher im Sinne von § 5a Abs. 1 Nr. 1 UWG benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich um ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal, das selbstständig zu prüfen ist (BGH GRUR 2021, 979 Rn. 26 – Testsiegel auf Produktabbildung). Der Durchschnittsverbraucher benötigt eine wesentliche Information dann, wenn sie voraussichtlich oder wahrscheinlich bei der Abwägung des Für und Wider seiner geschäftlichen Entscheidung zumindest eine Rolle spielen könnte, wobei die Umstände des Einzelfalls, insbesondere der konkrete Inhalt der wesentlichen Information, zu betrachten sind (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG, § 5a Rn. 2.41 und 2.42). Das ist hier mangels entgegenstehenden Vortrags der Beklagten anzunehmen. Will der Unternehmer geltend machen, dass der Verbraucher – abweichend vom Regelfall – eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötige, trifft ihn eine sekundäre Darlegungslast (BGH GRUR 2021, 979 Rn. 26 – Testsiegel auf Produktabbildung). Der Unternehmer muss also Umstände darlegen, die den Schluss zulassen, dass der Verbraucher die ihm vorenthaltene Information ausnahmsweise nicht für eine informierte Entscheidung benötigt (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG, § 5a Rn. 2.43). Entsprechenden Vortrag hat die Beklagte nicht gehalten.

dd. Auch die ebenfalls selbstständig zu prüfende geschäftliche Relevanz (s. erneut BGH GRUR 2021, 979 Rn. 26 – Testsiegel auf Produktabbildung) ist gegeben. Das Vorenthalten der Fundstellen ist geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Es ist zu fragen, ob der durchschnittliche Verbraucher voraussichtlich eine andere geschäftliche Entscheidung getroffen hätte, wenn er über die betreffende Information – hier die Fundstellenangabe – verfügt hätte, was im Regelfall nach der Lebenserfahrung zu bejahen ist. Das gilt insbesondere, soweit es die wesentlichen Merkmale oder den Preis der Ware oder Dienstleistung betrifft, weil sie für den Verbraucher grundsätzlich ein bestimmender Faktor für seine Entscheidung sind (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, § 5a Rn. 2.46 m.w.N.). Es kann Ausnahmefälle geben, in denen die geschäftliche Relevanz zu verneinen ist. Jedoch trifft den Unternehmer, der geltend macht, dass – abweichend vom Regelfall – der Verbraucher eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und das Vorenthalten dieser Information den Verbraucher nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann, insoweit eine sekundäre Darlegungslast (BGH GRUR 2021, 979 Rn. 26 – Testsiegel auf Produktabbildung).

Zwar geht es hier weder um direkte Angaben zu den wesentlichen Merkmalen der von der Beklagten angebotenen Dienstleistung noch um deren Preis. Auf Grundlage des zugrunde gelegten Verbraucherverständnisses (s. dazu bereits unter aa.(1)) erscheint es aber zumindest möglich, wenn nicht sogar naheliegend, dass in der jeweiligen Berichterstattung eine (positive) Bewertung der Dienstleistung der Beklagten erfolgt. Im Übrigen kann es aus Sicht des angesprochenen Verkehrs bereits als Auszeichnung gelten, dass die Beklagte bzw. ihre Dienstleistung überhaupt Gegenstand der Berichterstattung von (bekannten) Medien war. In diesem Sinne hat der Kläger auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, die Werbung der Beklagten mit ihrer Bekanntheit aus den genannten Leitmedien erzeuge beim Verbraucher den Eindruck einer besonderen Qualität ihrer Dienstleistung. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Unter diesem Eindruck einer besonderen Qualität könnte sich der Verbraucher für einen Vertragsschluss mit der Beklagten entscheiden, was er nicht getan hätte, wenn er mithilfe der Fundstellenangabe die Berichterstattung nachvollzogen und so ggf. in Erfahrung gebracht hätte, dass dort von einer besonderen Qualität der Dienstleistung keine Rede ist. Es ist weder ersichtlich noch von der Beklagten dargelegt, dass hier ein Ausnahmefall vorliegt, in dem es an der geschäftlichen Relevanz fehlt.


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LG Hamburg: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung für Spülmaschinen-Caps mit "revolutionär" wenn keine erhebliche Leistungssteigerung gegenüber anderen Produkten vorliegt

LG Hamburg
Urteil vom 28.06.2023
315 O 116/23


Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn Spülmaschinen-Caps mit "revolutionär" beworben werden, obwohl keine erhebliche Leistungssteigerung gegenüber anderen Produkten vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Es besteht zunächst der Verfügungsanspruch.

Der Anspruch der Antragstellerin ergibt sich aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 in Verbindung mit §§ 3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG.

Die Antragstellerin ist als Mitbewerberin der Antragsgegnerin aktivlegitimiert nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Da die Verfahrensbeteiligten jeweils Spülmaschinentabs und -caps bewerben und anbieten, stehen sie in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis und sind folglich Mitbewerberinnen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG.

Die Antragsgegnerin handelt auch unlauter.

Nach § 5 Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung unter anderem dann unlauter, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen.

Das Bewerben des Produkts mit der beanstandeten Verpackungsgestaltung stellt eine geschäftliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar, weil die Antragsgegnerin insoweit zugunsten ihres Unternehmens zum Zwecke der Absatzförderung agiert.

Durch die werbliche Verwendung der Bezeichnung „revolutionär“ wie unter Antrag zu Ziffer 1 b) dargestellt nimmt die Antragsgegnerin ferner eine irreführende Handlung vor, da die Auslobung zur Täuschung geeignete Angaben über ein wesentliches Merkmal der Ware U. P. enthält.

Wesentliche Teile des angesprochenen Verkehrs – zu denen als Verbraucher auch die Mitglieder der Kammer zählen – erwarten aufgrund der Formulierungen

Unser erster Spülmaschinen Cap mit der revolutionären CYCLESYNC-Technologie ermöglicht dem richtigen Inhaltsstoff, sich genau im richtigen Moment zu entfalten, so dass selbst eingebrannte Speiserückstände effektiv entfernt werden

sowie

Unsere revolutionäre Performance mit 15 % weniger Chemikaliengehalt im Vergleich zu F. P. A. i.

im Rahmen der antragsgegenständlichen Verpackungsgestaltung von dem Produkt U. P. eine erhebliche Steigerung der Reinigungsleistung – insbesondere in Bezug auf eingebrannte Anschmutzungen – gegenüber anderen Spülmaschinenreinigungsprodukten und damit auch gegenüber dem Produkt U. der Antragsgegnerin.

Dies ergibt sich aus Folgendem:

Da der Verkehr in der Werbung grundsätzlich an Übertreibungen gewöhnt ist, wird er zwar vorliegend kein revolutionäres Produkt im Sinne einer bahnbrechenden Neuschöpfung erwarten. Die Bezeichnung „revolutionär“ verspricht allerdings auch nicht lediglich eine irgendwie geartete Überlegenheit, die sich möglicherweise in minimal besseren Ergebnissen erschöpft, sondern vermittelt in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise jedenfalls einen deutlichen Abstand zu anderen, hinsichtlich ihrer allgemeinen Produktbeschreibung vergleichbaren Produkten.

Maßgebliche Teile des angesprochenen Verkehrs werden dabei davon ausgehen, dass die vermeintlich deutlich übertroffenen Produkte im Handel üblicherweise erhältliche Spülmaschinenreinigungsprodukte sind, sodass die Erwartung auch das Produkt U. der Antragsgegnerin umfasst. Große Teile des Verkehrs werden wegen der ähnlichen Verpackungsgestaltung und fast identischen Produktbezeichnung (siehe dazu auch unter b) aa)) sogar speziell U. in Bezug nehmen. Zwar wird im zweiten beanstandeten Satz das Produkt F. P. A. i. erwähnt, allerdings ist diese Bezugnahme explizit beschränkt auf den Vergleich hinsichtlich des Chemikaliengehalts der Produkte.

Die Verkehrswahrnehmung einer erheblichen Leistungssteigerung gegenüber anderen Produkten am Markt unter Einschluss von U. wird durch den zweiten angegriffenen Satz, der nur durch zwei Sätze von dem ersten beanstandeten Satz getrennt ist, vertieft. Dort ist ausdrücklich von „revolutionäre Performance“ die Rede, was maßgebliche Teile des angesprochenen Verkehrs ohne weiteres mit „revolutionäre Leistung“ ins Deutsche übersetzen werden und aufgrund der ersten mit diesem Antrag angegriffenen Auslobung wiederum auf die Reinigungsleistung, insbesondere hinsichtlich eingebrannter Anschmutzungen, beziehen werden.

Entgegen dem Vortrag der Antragsgegnerin wird der Verkehr das Attribut „revolutionär“ nicht allein auf die Neuheit der auf der Verpackung in Bezug genommenen CYCLESYNC-Technologie beziehen. Er wird die Werbeaussage im ersten der beanstandeten Sätze vielmehr so verstehen, dass die „revolutionäre“ CYCLESYNC-Technologie die Freisetzung eines bestimmten Inhaltsstoffes zu einem bestimmten Zeitpunkt ermöglicht, was wiederum dazu führt, dass selbst eingebrannte Speiserückstände effektiv entfernt werden. In der Wahrnehmung des Verkehrs wird also die als „revolutionär“ bezeichnete Fähigkeit des Produkts durch eine Kausalkette auf die effektive Entfernung eingebrannter Speisereste – und damit die Reinigungsleistung – erstreckt. Insbesondere durch die Verwendung des Worts „selbst“ wird dem Verkehr ermittelt, dass eine revolutionäre Leistungssteigerung für die effektive Entfernung verantwortlich ist.

Ebenso wird der Verkehr eine „revolutionäre“ Performance auch nicht – wie die Antragsgegnerin meint – im 15 % geringeren Chemikaliengehalt im Vergleich zu einem Referenzprodukt sehen. So verdeutlicht schon der Satzbau, dass „revolutionär“ auf die „Performance“ und nicht auf die Differenz im Chemikaliengehalt bezogen ist. Im Übrigen wird der Verkehr dies auch – wie bereits ausgeführt – wegen der vorangegangenen Leistungsbehauptung, die hier vertieft wird, annehmen.

Die dargestellte Erwartungshaltung des Verkehrs wird enttäuscht, da eine erhebliche Leistungssteigerung schon im Vergleich zu dem Produkt U. nicht vorliegt. Dem die deutliche Leistungssteigerung des Produkts U. P. in Abrede stellenden Vortrag der Antragstellerin tritt die Antragsgegnerin im Rahmen dieses Irreführungsvorwurfs nicht entgegen, sondern zieht sich vielmehr auf die geschilderten Verkehrsverständnisse zurück, denen die Kammer nicht folgt (siehe oben).

Diese Irreführungsgefahr ist auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, zumal der Verbraucher bei der Auswahl von Spülmaschinentabs und -caps großen Wert auf die Reinigungsleistung legt.

Die nach § 8 Abs. 1 UWG vorausgesetzte Wiederholungsgefahr besteht schon wegen des begangenen Verstoßes und wurde durch die Antragsgegnerin bislang – etwa durch eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung – auch nicht ausgeräumt.


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OLG München: Kein Schadensersatz- und kein Unterlassungsanspruch in Facebook-Scraping-Fällen wenn keine fühlbare reale Beeinträchtigung vorliegt bzw. dargelegt und bewiesen wird

OLG München
Verfügung vom 14.09.2023
14 U 3190/23 e


Das OLG München hat in einer Verfügung im Rahmen eines Berufungsverfahrens ausgeführt, dass kein Schadensersatzanspruch und kein Unterlassungsanspruch in Facebook-Scraping-Fällen besteht, wenn keine fühlbare reale Beeinträchtigung vorliegt bzw. dargelegt und bewiesen wird.

Aus den Verfügungsgründen:
Das strukturiert begründete Urteil des Landgerichts leidet nicht an Rechtsfehlern (§ 546 ZPO). Die zugrunde zu legenden Tatsachen (§ 529 ZPO) gebieten keine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

1. Zutreffend versagt das Landgericht einen Schadensersatzanspruch.

Das Ersturteil arbeitet überzeugend heraus, dass der Beklagten eine schadenskausale Pflichtverletzung, die in den Anwendungsbereich des Art. 82 DSGVO fiele, nicht angelastet werden kann; auf die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts ist Bezug zu nehmen.

Ihnen ist hier lediglich hinzuzufügen: Insbesondere einen Verstoß gegen Art. 32 durch „zu weite“ Voreinstellungen musste das Landgericht nicht annehmen. Art. 32 DSGVO schreibt nicht schlechthin datenschutzfreundliche Voreinstellungen vor, sondern gebietet – wesentlich allgemeiner gehalten – „geeignete technische und organisatorische Maßnahmen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten“. Das ist bei einer Kontaktplattform auch dadurch möglich, dass dem Nutzer durch Anleitungen und Hilfen die Möglichkeit gegeben wird, die Einstellungen enger zu fassen und zudem einen „Privacy-Check“ durchzuführen.

Anderes ergibt sich auch nicht etwa aus Erwägungsgrund 78 zur DSGVO, denn dort werden datenschutzfreundliche Voreinstellungen lediglich als Beispiel für Schutzmaßnahmen genannt, die je nach Sachlage und Zusammenhang empfehlenswert seien.

Er lautet:
„Zum Schutz der in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten bestehenden Rechte und Freiheiten natürlicher Personen ist es erforderlich, dass geeignete technische und organisatorische Maßnahmen getroffen werden, damit die Anforderungen dieser Verordnung erfüllt werden. Um die Einhaltung dieser Verordnung nachweisen zu können, sollte der Verantwortliche interne Strategien festlegen und Maßnahmen ergreifen, die insbesondere den Grundsätzen des Datenschutzes durch Technik (data protection by design) und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen (data protection by default) Genüge tun. Solche Maßnahmen könnten unter anderem darin bestehen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten minimiert wird, personenbezogene Daten so schnell wie möglich pseudonymisiert werden, Transparenz in Bezug auf die Funktionen und die Verarbeitung personenbezogener Daten hergestellt wird, der betroffenen Person ermöglicht wird, die Verarbeitung personenbezogener Daten zu überwachen, und der Verantwortliche in die Lage versetzt wird, Sicherheitsfunktionen zu schaffen und zu verbessern. In Bezug auf Entwicklung, Gestaltung, Auswahl und Nutzung von Anwendungen, Diensten und Produkten, die entweder auf der Verarbeitung von personenbezogenen Daten beruhen oder zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten verarbeiten, sollten die Hersteller der Produkte, Dienste und Anwendungen ermutigt werden, das Recht auf Datenschutz bei der Entwicklung und Gestaltung der Produkte, Dienste und Anwendungen zu berücksichtigen und unter gebührender Berücksichtigung des Stands der Technik sicherzustellen, dass die Verantwortlichen und die Verarbeiter in der Lage sind, ihren Datenschutzpflichten nachzukommen. Den Grundsätzen des Datenschutzes durch Technik und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen sollte auch bei öffentlichen Ausschreibungen Rechnung getragen werden“.

Das Landgericht durfte hier berücksichtigen, dass Facebook eine Plattform für Nutzer ist, die sich in erster Linie „finden lassen“ wollen, um sogenannte „Freundschaftsanfragen“ zu erhalten, wobei der Begriff „Freundschaft“ hier nicht in dem engen Sinne zu verstehen ist, der die deutsche Sprachtradition prägt. Als „technische und organisatorische Maßnahme“ durfte es das Landgericht in diesem Zusammenhang als ausreichend ansehen, dass die Nutzer hier das Ausmaß der Findbarkeit selbst einstellen konnten, angeleitet durch transparente Hilfen und Erklärungen, die umfangreich, aber verständlich und sinnvoll gegliedert sowie zugänglich waren.

2. Das kann indessen dahinstehen, da im vorliegenden Einzelfall auch kein Schaden im Rechtssinne eingetreten ist.

Das Landgericht hat unter zutreffender Einwertung von Erwägungsgrund 146 herausgearbeitet, dass der Schadensbegriff zwar im Prinzip weit reicht, aber eine fühlbare reale Beeinträchtigung voraussetzt. An dieser fehlt es hier, wie das Landgericht anhand der persönlichen Anhörung des Klägers herausgearbeitet hat. Was die Berufungsbegründung hiergegen erinnert, überzeugt nicht:

(a) Erwägungsgrund 85 besagt nicht, dass jeder Kontrollverlust ein Schaden ist.

Er lautet in seinem Satz 1, den die Berufung hier offensichtlich anzieht:
„Eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten kann – wenn nicht rechtzeitig und angemessen reagiert wird – einen physischen, materiellen oder immateriellen Schaden für natürliche Personen nach sich ziehen, wie etwa Verlust der Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten oder Einschränkung ihrer Rechte, Diskriminierung, Identitätsdiebstahl oder betrug, finanzielle Verluste, unbefugte Aufhebung der Pseudonymisierung, Rufschädigung, Verlust der Vertraulichkeit von dem Berufsgeheimnis unterliegenden Daten oder andere erhebliche wirtschaftliche oder gesellschaftliche Nachteile für die betroffene natürliche Person“.

(b) Dass der Kläger „durch Ärger, Angst, Stress, Sorge“ geplagt sei, hat die Anhörung nicht ergeben, sondern seinen freimütigen Angaben war u.a. zu entnehmen, dass er die Plattform weiter nutzt, was dem Landgericht zeigte, dass der Kläger nicht durchgreifend bekümmert ist. Was er an Zeit und Kraft aufgewendet habe, um sich mit dem Problem auseinanderzusetzen, war nicht in der Weise greifbar geworden, dass ein „erlittener“ Schaden darin gesehen werden musste.

(c) Dass der Kläger seit dem Datenleck Kontaktversuche von unbekannten Dritten in Form von „Spam“-SMS und „Spam“-Anrufen erhalten habe, hat der Kläger dahin relativiert, diese beruhten wahrscheinlich darauf, dass er seine Mobiltelefonnummer bei dem mehrfach erwähnten großen und weltweit tätigen Versandhandelsunternehmen hinterlegt habe. Das Landgericht hatte daher verständlicherweise unüberwindliche Bedenken, die SMS und Anrufe gerade der Beklagten als kausal verursachten Schaden anzulasten.

2. Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das Landgericht auch für einen zukünftigen Schaden keine Anhaltspunkte sah.

3. Zutreffend versagt das Landgericht den Unterlassungsanspruch

Die Wiederholungsgefahr besteht bereits deshalb nicht, weil der Kläger die Einstellungen von „alle“ auf „nur ich“ zurücksetzen kann. Das erfordert keine weiteren Maßnahmen der Beklagten, so dass offen bleiben kann, ob diese die Suchbarkeitsfunktion deaktiviert hat und „Anti-Scraping-Maßnahmen“ ins Werk gesetzt hat.

Denn selbst wenn eine Rechtsverletzung vorläge, die – grundsätzlich – Wiederholungsgefahr zu indizieren geeignet wäre, wäre diese Indizwirkung durch obige Fallumstände hier widerlegt.

Nicht verfangen kann der Einwand, wonach es keine Abhilfe bringe, wenn der Kläger seine Einstellungen von „everyone“ auf „friends of friends“ umstellt. Es mag unterstellt werden, dass auch Daten von Nutzern „gescrapt“ worden sind, die – anders als der Kläger – nicht „everyone“ eingestellt hatten. Das ist aber nicht der Schadenshergang, der vorliegend anzunehmen war und an dem die Wiederholungsgefahr zu messen wäre. Dass sich der hier festgestellte Schadenshergang wiederholen würde, kann der Kläger schon durch die geänderten Einstellungen bewirken. Stellt er die Einstellungen von „alle“ auf „nur ich“ zurück, und würden seine Daten dann (erneut) gescrapt, so wäre das ein anderer Schadenshergang.

4. Zutreffend versagt das Landgericht den Auskunftsanspruch.

Anders als in den von der Berufungsbegründung angezogenen Entscheidungen anderer Gerichte (BerBegr S. 65/66) war der Auskunftsanspruch vorliegend erfüllt mit Ausnahme einer Angabe, wer der/die Scraper/in gewesen ist. Letztere Angabe (des „Empfängers“) kann die Beklagte nicht machen, weil sie den Empfänger nicht kennt. Dass sie in früheren Fällen gegen unbefugte Dritte vorgegangen ist, ändert hieran fallbezogen nichts.

5. Nach alledem hat das Landgericht auch Schadensersatzansprüche nach nationalem Recht zutreffend versagt.


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OLG Köln: Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO kann auch eine fiktive Lizenzgebühr umfassen - Verwendung des Namens des Betroffenen in einem Werbeprospekt

OLG Köln
Urteil vom 04.05.2023
15 U 3/23

Das OLG Köln hat entschieden, dass der Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO auch eine fiktive Lizenzgebühr umfassen kann. Vorliegend ging es um die Verwendung des Namens des Betroffenen in einem Werbeprospekt.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Form einer fiktiven Lizenzgebühr.

a. Ein solcher Anspruch folgt jedoch entgegen den Ausführungen des Landgerichts wohl nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB, weil nicht festgestellt werden kann, dass die Beklagte den Namen und das Zitat des Klägers ohne seine Zustimmung und damit rechtsgrundlos genutzt hat. Der Kläger hat zwar behauptet, dass er einer Verwendung seines Namens und des Zitats speziell im Versandkatalog der Beklagten so gerade nicht zugestimmt habe. Er hat aber den Beweis für einen fehlenden Rechtsgrund, der ihm im Rahmen eines Anspruchs aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Fall BGB obliegt, nicht führen können. Denn die Beklagte hat im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast als Rechtsgrund die vom Kläger in einem Telefonat erteilte konkrete Zustimmung vorgetragen und nach Anhörung beider Parteien durch das Landgericht ist – was der Kläger auch nicht substantiell angreift – insoweit von einem non liquet auszugehen, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Abweichend von den Ausführungen des Landgerichts geht dies allerdings zu Lasten des beweisbelasteten Klägers.

b. Der Anspruch des Klägers ergibt sich jedoch dem Grunde nach aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO, der im Zeitpunkt der ersten unstreitigen Verwendung des Namens im Jahre 2019 bereits in Kraft war (Art. 99 DSGVO) und auf den vom Kläger geltend gemachten Anspruch mangels eines für die Beklagte eingreifenden Medienprivilegs – der Versandkatalog ist keine journalistische Tätigkeit gemäß Art. 85 DSGVO im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, Urt. v. 14.2.2019 – C-345/17, juris; BGH, Urt. v. 12.10.2021 – VI ZR 489/19, BGHZ 231, 263) – auch sachlich Anwendung findet.

aa. Die Verwendung des Namens des Klägers – und damit eines personenbezogenen Datums – in einem Werbeprospekt ist eine Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO durch die Beklagte. Diese bedarf zu ihrer Rechtmäßigkeit nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO der Einwilligung des Klägers, weil offensichtlich kein Fall des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO vorliegt. Unabhängig von der streitigen Frage, ob der Kläger nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO darlegungs- und beweispflichtig für einen Verstoß gegen die Verordnung ist (vgl. Kühling/Buchner/Bergt, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 46), ist aber zumindest die Beklagte ihrerseits nach Art. 7 Abs. 1 DSGVO beweispflichtig für das Vorliegen einer unbefristeten und nicht nur auf eine bestimmte Nutzung beschränkten Einwilligung des Klägers, wenn sie – wie vorliegend – die Rechtmäßigkeit ihrer Datenverarbeitung auf eine solche stützt. Insofern liegt, anders als beim Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB, die Beweislast bei der Beklagten, womit das nach Anhörung der Parteien bestehende non liquet zu deren Lasten ausgeht.

bb. Der Senat ist weiter der Auffassung, dass jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, also bei einem Eingriff in die vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen durch Verwendung derselben in einem kommerziellen Kontext, der Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO auch die fiktive Lizenzgebühr umfassen kann (Lizenzanalogie). In Erwägungsgrund 146 Satz 6 ist die Zielsetzung enthalten, der betroffenen Person einen vollständigen und wirksamen Schadenersatz für den erlittenen Schaden zukommen zu lassen (vgl. EuGH, Urt. v. 17.12.2015 – C-407/14, EuZW 2016, 183; dazu auch HK-DS-GVO (Kreße), Art. 82 Rn. 6; NK-DatenschutzR (Boehm), Art. 82 Rn. 27; Strittmatter/Treiterer/Harnos CR 2019, 789; Kühling/Buchner/Bergt, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 20), wozu u.a. auch der entgangene Gewinn zählen kann. Insofern erscheint es vorzugswürdig, dass der autonom auszulegende Schadensbegriff des Art. 82 Abs. 1 DSGVO insoweit für eine Ausgestaltung offen ist und mangels konkreter Regeln im Unionsrecht auch mitgliedstaatliche Rechtsgrundsätze – und damit hier die Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung – zur Berechnung des ersatzfähigen materiellen Schadens herangezogen werden können, wobei allerdings die Vorgaben des Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatzes hinsichtlich Haftungshöchstbetrag und etwaigem Strafschadensersatz zu beachten sind (vgl. Hellgardt, ZEuP 2022, 7; Herberger, NZFam 2021, 1088; Paal, MMR 2020, 14; Thüsing (Thüsing/Pötters), Beschäftigtendatenschutz und Compliance, 3. Aufl. 2021, § 21 Rn. 18 und 40; Ehmann/Selmayr (Nemitz), DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art 82 Rn. 17; Paal, MMR 2020, 14, 16; dazu auch Senat, Beschl. v. 26.4.2023 – 15 U 24/23, zur Veröffentlichung bestimmt).

2. Der damit grundsätzlich gegebene Anspruch des Klägers besteht jedoch nicht in der von ihm geltend gemachten Höhe.

a. Im Fall einer nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO als Schadensersatz zu zahlenden fiktiven Lizenzgebühr ist deren Höhe vom Tatgericht gemäß der prozessrechtlichen nationalen Regelung des § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen. Zu fragen ist, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten. Im Rahmen der Ermittlung des objektiven Werts der Benutzungsberechtigung, der für die Bemessung der Lizenzgebühr maßgebend ist, müssen die gesamten relevanten Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.2021 – I ZR 120/19, NJW 2021, 1303 m.w.N.). Im Rahmen der Ermittlung des objektiven Werts der in Anspruch genommenen Benutzungsberechtigung müssen dabei die gesamten Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden. Wesentliche Faktoren der Bemessung sind dabei die Bekanntheit und der Sympathie-/Imagewert des Betroffenen, der Aufmerksamkeitswert, die Wirkung, der Verbreitungsgrad der Werbung und die Rolle, die dem Betroffenen in der Werbung zugeschrieben wird (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.2021 - I ZR 207/19, GRUR-RS 2021, 548; BGH, Urt. v. 21.1.2021 – I ZR 120/19, GRUR 2021, 636; BVerfG, Beschl. v. 5.3.2009 - 1 BvR 127/09, GRUR-RR 2009, 375; Wanckel, in: Paschke u.a., Hamburger Kommentar Gesamtes MedienR, 4. Aufl. 2021, 42. Abschn. Rn. 51; Ettig, Bereicherungsausgleich und Lizenzanalogie bei Persönlichkeitsverletzungen, 2015, S.181 ff. m.w.N.).

b. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann der Kläger von der Beklagten lediglich einen Betrag von 1.500 Euro verlangen.

aa. Dabei will der Senat – entgegen der Rüge des Klägers im Schriftsatz vom 1.3.2023 (Bl. 96 SH) – nicht in Abrede stellen, dass der konkreten Darstellung von Name und Zitat im Versandkatalog der Beklagten durchaus ein Werbewert zukommt. Die Qualifizierung dieser konkreten Darstellung als Werbung hängt insbesondere nicht, wie es die Beklagte einwendet, davon ab, ob sich das dort verwendete Zitat des Klägers bzw. die Nennung seines Namens auf ein konkretes (einzelnes) Produkt beziehen, sondern ist auch dann zu bejahen, wenn lediglich Aussagen zur allgemeinen und von der Beklagten vertriebenen Produktgruppe (Kaviar) vorgenommen werden (vgl. in Abgrenzung dazu OLG Hamburg, Urt. v. 26.2.2008 – 7 U 61/07, AfP 2008, 210 zum dort fehlenden Akt der werblichen Vereinnahmung). Zwar ist vorliegend eine sog. Testimonialwerbung zu verneinen, weil aus Sicht der Empfänger der Versandkataloge nicht davon ausgegangen werden kann, der Kläger stehe mit seinem „guten Namen“ für ein Produkt der Beklagten ein. Vielmehr wird der Durchschnittsleser aus der Nennung von Namen und Zitat des Klägers allein eine allgemeine Anpreisung der betreffenden Produktgruppe (Kaviar) entnehmen. Insofern ist aber mit der streitgegenständlichen Gestaltung der Katalogseite dennoch jedenfalls ein gewisser Imagetransfer des Klägers – als ehemaligem 3-Sterne-Koch und Fachmann auf dem Gebiet hochpreisiger Lebensmittel – nicht nur allgemein auf Kaviar, sondern auch auf die von der Beklagten vermarktete Produktgruppe verbunden (vgl. dazu BGH, Urt. v. 28.7.2022 – I ZR 171/21, NJW 2022, 3783). Allein das Vorliegen eines solchen Werbewerts der Namensverwendung trifft jedoch noch keine Aussage über die Höhe der konkret geschuldeten fiktiven Lizenzgebühr. Diese ist vielmehr davon abhängig, inwelcher Art und welchem Umfang der Kläger sonst seinen Namen und seine berufliche Position werblich ausnutzt und welche Vergütung er in vergleichbaren Fällen erhält.

bb. Der Vertrag des Klägers mit der P., der eine deutlich höhere Vergütung als die tenorierte ausweist, ist vorliegend als Grundlage einer Schätzung nach § 287 ZPO nicht geeignet. In diesem Vertrag hat sich der Kläger verpflichtet, seinem Vertragspartner an zehn Tagen im Jahr für Fotoshootings bzw. PR-Maßnahmen zur Verfügung zu stehen. Dagegen hat die Beklagte weder ein Bild des Klägers im Katalog verwendet noch ist irgendein sonstiger (persönlicher) Einsatz des Klägers zur Unterstützung der Produkte der Beklagten mit entsprechenden Aufwendungen seinerseits erfolgt. Gleiches gilt für die sonstigen vom Kläger im Verfahren angeführten Tätigkeiten mit höherer Vergütung, die stets darauf basieren, dass er einen persönlichen Einsatz als Koch, Berater oder Produktvermarkter erbringen muss, was sich dann auch in der Höhe der jeweiligen Vergütung widerspiegelt. Insofern ist zu beachten, dass bei Heranziehung von (Vergleichs-) Verträgen zur Bemessung der Lizenzanalogie stets primär auch die Vergleichbarkeit der vereinbarten Leistungen mit der Verletzungshandlung zu prüfen ist (Ettig, Bereicherungsausgleich und Lizenzanalogie bei Persönlichkeitsverletzungen, 2015, S.185 m.w.N.; siehe auch BGH, Urt. v. 18.6.2020 – I ZR 93/19, GRUR 2020, 990).

cc. Als Kriterien für eine Schätzung der fiktiven Vergütung können hier daher zunächst die Bekanntheit des Klägers sowie sein Renommee als (ehemaliger) 3-Sterne-Koch herangezogen werden, die in den Augen der angesprochenen Rezipienten – Leser einen Prospektes für hochpreisige Feinkost – durchaus einen nicht unerheblichen Stellenwert einnehmen werden. Zu berücksichtigen ist auf der anderen Seite aber auch, dass es sich beim Versandkatalog der Beklagten nicht um einen ubiquitär abrufbaren Internetauftritt, sondern lediglich um ein Printprodukt handelt, das in einer verhältnismäßig geringen Auflage von 10.000 Stück aufgelegt wird, von denen auch nicht alle Exemplare verteilt wurden. Weiter enthält das mit seinem Namen in Verbindung stehende Zitat des Klägers keine werbende Aussage unmittelbar zu einem bestimmten Produkt, sondern nur eine allgemeine Aussage zu den Mengen an Kaviar, die ein entsprechend finanzstarker Feinschmecker seiner Meinung nach zu sich nehmen sollte. Ist damit zwar nicht – wie oben ausgeführt – der Werbewert als solcher in Abrede zu stellen, da jedenfalls der Name des Klägers und sein berufliches Renommee das Publikum zum Kauf größerer Mengen Kaviars animieren sollen, muss aber bei der Höhe der zu schätzenden Vergütung berücksichtigt werden, dass die Stellung des Klägers als Spitzenkoch nicht auf ein bestimmtes Produkt bezogen wird und konkret auf dieses abfärben soll (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 5.3.2009 – 1 BvR 127/09, AfP 2009, 249 – Werbung für eine Dosensuppe mit dem Bild der Beschwerdeführerin). Für eine Aussage, die eher nur allgemein den Umsatz der Beklagten verbessern soll, ist bei der Vergütung ein geringerer Betrag anzusetzen als beispielsweise für die mit Bild des Klägers versehene Anpreisung eines konkreten Produktes. Wenn man insofern berücksichtigt, dass der Kläger für ein Video mit seiner Person und werbenden Aussagen zu einem konkreten Produkt (dem Mineralwasser von H.) einen Betrag von 4.000 Euro netto für drei Jahre – also rund 1.333 Euro pro Jahr – erhalten hat, dann muss der von der Beklagten geschuldete Betrag im vorliegenden Fall, in dem in einem rund 130 Seiten starken Printkatalog lediglich auf einer einzigen Doppelseite der Name des Klägers mit einem allgemein zum Kauf von Kaviar motivierenden Zitat verwendet wird, ohne dass damit konkrete Produktanpreisungen verbunden werden oder ein bildlicher/persönlicher Einsatz des Klägers gegeben ist, deutlich geringer angesetzt werden. Der Senat hält insofern eine Jahresvergütung von 500 Euro für ausreichend und angemessen, woraus sich bei einer hier vom Landgericht unangegriffen festgestellten dreijährigen Veröffentlichung des Versandkatalogs der tenorierte Betrag von 1.500 Euro ergibt.

An diesen Erwägungen im Rahmen der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO ändert auch das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 17.3.2023 nichts. Die Teilnahme des Klägers an einer bundesweit ausgestrahlten und entsprechend bekannten Kochshow dürfte zwar durchaus zu einer weiterhin hohen Bekanntheit seiner Person in der Öffentlichkeit führen. Der Kläger macht jedoch selbst nicht geltend, dass und in welcher Höhe er für seine Teilnahme an der Sendung „E.“ eine Vergütung erhalten hat, so dass auch insofern nicht festgestellt werden kann, welcher vermeintlich höhere Werbewert insoweit seiner Person zugemessen wurde. Soweit die betreffende Fernsehsendung – dies wird zugunsten des Klägers als wahr unterstellt – seine Bekanntheit in der Öffentlichkeit gesteigert hat, kann dies bei der Bemessung der von der Beklagten zu zahlenden Lizenzgebühr zudem schon deshalb keine Rolle spielen, weil die Fernsehsendung erst lange nach der Verteilung der streitgegenständlichen Werbekataloge stattgefunden hat.

Schließlich ist eine Erhöhung der dem Kläger vorliegend zugebilligten fiktiven Lizenzgebühr auch im hier eröffneten Rahmen des Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht etwa im Hinblick auf den Gedanken eines sog. Straf- bzw. Verletzerzuschlags gerechtfertigt (vgl. dazu Hellgard, ZEuP 2022, 7, 30 für Fall nicht kommerzieller Nutzung; siehe auch Dietrich, CR 2020, 497 für den Bereich des Urheberrechts). Der Senat hat dies für den Bereich der Schadensersatzhaftung im Bereich der vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verneint (Senat, Beschl. v. 8.11.2022 – 15 U 141/22 und 15 U 142/22, zur Veröffentlichung bestimmt; siehe auch OLG München, Urt. v. 17.1.2003 – 21 U 2664/01, juris; siehe ferner BGH, Urt. v. 18.6.2020 – I ZR 93/19, GRUR 2020, 990 Rn. 26 und vertiefend Ettig, Bereicherungsausgleich und Lizenzanalogie bei Persönlichkeitsverletzungen, 2015, S.187 ff m.w.N.); hier gilt nichts anderes: Denn zum einen hat der Kläger selbst im vorliegenden Verfahren lediglich die aus seiner Sicht angemessene Vergütung in Form der einfachen (fiktiven) Lizenz geltend gemacht und dazu vorgetragen, den Klagebetrag – und nicht etwa einen geringeren Betrag, der dann im Hinblick auf einen Verletzter-/Strafzuschlag zu erhöhen gewesen wäre – bei einer fiktiven Lizenzierung hätte verlangen zu können. Zum anderen liegt der Sinn und Zweck des Anspruchs auf Ersatz jedenfalls des materiellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO – um den es hier allein geht - ausweislich des Erwägungsgrunds 146 in einem schlichten Ausgleich der an den vermögenswerten Rechtspositionen des Betroffenen eingetretenen Beeinträchtigungen und nicht etwa in einer über diese reine Kompensation noch hinausgehenden „Bestrafung“ des Verletzers, wozu auf Seiten der Beklagten, die sich im Hinblick auf die verworrene tatsächliche Situation rund um die Einwilligung zur Veröffentlichung von Name und Zitat letztlich subjektiv als berechtigt angesehen hat, den Versandkatalog mit den personenbezogenen Daten des Klägers zu versehen, im Übrigen auch kein Anlass besteht. Dass der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 25.1.2017 (C-367/15, NJW 2017, 1373) eine Regelung im nationalen (polnischen) Recht, die wahlweise eine Verdopplung bzw. Verdreifachung der angemessenen Vergütung bei Urheberrechtsverletzungen vorsah, europarechtlich nicht beanstandet hat, hat auf die hier vorzunehmende Schätzung des Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO, der eine entsprechende Bestimmung selbst gerade nicht vorsieht und bei dem insofern hier auch nicht auf entsprechendes nationales Recht zurückgegriffen werden kann, keine Auswirkungen. Es sind auch keine einheitlichen europäischen Rechtstraditionen ersichtlich, die etwa durchweg das Zusprechen von pauschalen Verletzerzuschlägen eröffnen würden. Selbst wenn man Art. 82 Abs. 1 DSGVO selbst eine gewisse Strafschadensfunktion zusprechen wollte (dazu kritisch aber der Generalanwalt beim EuGH, Schlussantrag v. 6.10.2022 – C-300/21, BeckRS 2022, 26562 Rn. 35 ff.), rechtfertigt dies allein keine mehr oder weniger pauschalen „Verletzerzuschläge“ ohne eine klare gesetzliche Grundlage. Das zeigt u.a. auch der Vergleich mit den noch deutlich klareren Immaterialgütern im Bereich der Enforcement-Richtlinie 2004/48/EG (Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, ABl. Nr. L 157 vom 30.4.2004, S. 45), die den Bereich der vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zwar nicht harmonisiert (dazu Janssen, Präventive Gewinnabschöpfung, 2017, S. 371 f., 508), aber wertungsmäßig zum Vergleich hier durchaus auch herangezogen werden kann. Auch dort wird man Verletzerzuschläge – wie schon vor der Harmonisierung (BGH, Urt. v. 6.3.1980 - X ZR 49/78, GRUR 1980, 841 - Tolbutamid) – ohne klare gesetzliche Regelung im nationalen Recht, die Art. 13 Abs. 2 lit b) der Richtlinie („mindestens dem Betrag der Vergütung oder Gebühr, die der Verletzer hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums eingeholt hätte“) zwar theoretisch zulassen würde, der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie jedoch ganz ausdrücklich nicht hat regeln wollen (BT-Drs. 16/5048, 62 zu Vorschlägen des Bundesrats), jedenfalls im Regelfall daher nicht zusprechen (st. Rspr., vgl. etwa nur BGH, Urt. v. 22.9.2021 – I ZR 20/21, GRUR 2022, 82 Rn. 14 – Layher; BGH, Urt. v. 18.6.2020 – I ZR 93/19, GRUR 2020, 990 Rn. 26 – Nachlizenzierung; siehe auch Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 323 f. m.w.N.). Nichts anderes gilt aber hier, zumal gerade die kontroverse Gesetzgebungsgeschichte dieser Richtlinie zeigt, dass es selbst im klassischen „grünen Bereich“ klar abgrenzbarer Immaterialrechtsgüter keine einheitlichen Rechtstraditionen dazu in Europa gibt. Etwaige denkbare Ausnahmefälle, in denen etwa ein Verletzer sonst gegenüber einem redlichen vertraglichen Lizenznehmer ungerechtfertigte Vorteile hätte, weil etwa Schutzfähigkeitsrisiken im Raum stehen (dazu etwa Mes, PatG, 5. Aufl. 2020, § 139 Rn. 143, 147) und/oder Verwässerungsschäden lizenzerhöhend zu berücksichtigen wären (dazu BeckOK MarkenR/Goldmann, Ed. 32, § 14 Rn. 806), sind im konkreten Fall weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass aber Art. 82 Abs. 1 DSGVO jedenfalls beim materiellen Schadensersatz – um den es hier allein geht – nicht der sog. „Überkompensation“ dienen kann, steht außer Frage und wird – weswegen hier auch von einem sog. acte-clair (dazu EuGH, Urt. v. 06.10.1982 - 283/81, NJW 1983, 1257 - C. I. L. F. I. T., Slg. 1982, 3415 Rdnr. 16 = NJW 1983, 1257) auszugehen ist – auch in Rechtsprechung und Literatur nicht vertreten.

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OLG Schleswig-Holstein: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Bewerbung eines Motoröls mit "O.E.M." wenn es sich nicht um ein Erstausrüsterprodukt handelt

OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom 14.09.2023
6 U 49/22


Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Bewerbung eines Motoröls mit "O.E.M." vorliegt, wenn es sich nicht um ein Erstausrüsterprodukt handelt.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Die im vorliegenden Fall beanstandete Verwendung der Buchstabenfolge O.E.M. ist als geschäftliche Handlung gem. § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG unlauter, da sie irreführend ist.

Die angesprochenen Verkehrskreise verstehen die Buchstabenfolge als Abkürzung für die englische Bezeichnung original equipment manufacturer, mithin als Behauptung, das Produkt werde als Erstausrüsterprodukt von einem Fahrzeug- oder Getriebehersteller verwendet.

a) Das Landgericht hat zutreffend herausgearbeitet, dass die Behauptung der Beklagten, sie verwende die Bezeichnung lediglich als Teil ihres Firmennamens, nicht überzeugt und zudem nicht der Verwendung auf der beanstandeten Produktverpackung entspricht. Ebenso sind keine Gründe ersichtlich, die angesprochenen Verkehrskreise würden die Bezeichnung anders als die Behauptung verstehen, es handele sich um ein Erstausrüsterprodukt. Die Bezeichnung ist nicht nur in der IT-Branche, sondern unstreitig auch seit langem im Bereich von Kfz-Teilen und Betriebsmitteln üblich.

b) Am Verständnis der Buchstabenfolge ändert sich auch nichts durch den Umstand, dass sie durch Punkte getrennt ist, was bei englischsprachigen Abkürzungen unüblich ist. Insbesondere hat die Beklagte nicht darlegen können und es ist nicht ersichtlich, zu welchem anderen Verständnis die Verwendung der Punkte führen sollte.

c) Beizupflichten ist dem Landgericht auch insoweit, als es überzeugend dargelegt hat, dass die hier zu betrachtende Werbung nicht den Eindruck erweckt, es werde lediglich mit einer Qualität geworben, die der eines Erstausrüsterproduktes entspreche. Dies liegt jedenfalls fern, soweit die Buchstabenfolge ohne jeglichen Zusatz hervorgehoben im Blickfang dargestellt wird. Einen Hinweis auf eine Einschränkung oder nachfolgende Erläuterung enthält der Blickfang nicht (vgl. hierzu Bornkamm/Feddersen in Köhler u.a., UWG, 41. Aufl., § 5 Rn. 1.87; BGH GRUR 1999, 264 - Handy für 0,00 €).

Die auf der Produktverpackung ebenfalls zu findende Angabe „O.E.M. Quality“ in deutlich kleinerer Schrift im Verbund mit anderen Angaben ist so gestaltet, dass sie nicht am Blickfang teilhat, vielmehr übersehen wird und nicht zur Erläuterung der groß herausgehobenen Buchstabenfolge dient.

d) Unerheblich ist auch, dass kein Hersteller angegeben wird, für den ggf. eine Erstausrüstung behauptet würde. Dies ist einerseits für das Verständnis der Angabe unerheblich, da hierdurch auch der Eindruck vermittelt werden kann, es seien viele Hersteller, die das entsprechende Produkt verwenden. Zudem wird, wie das Landgericht herausgestellt hat, ein bestimmtes Getriebe des Herstellers Mercedes-Benz im Zusammenhang mit dem Begriff benannt (O.E.M. for 9G-Tronic 8221), so dass eindeutig der Zusammenhang mit zumindest einem spezifischen Getriebe hergestellt wird, für das der Eindruck erweckt wird, das Öl der Beklagten werde als Erstausrüsterbefüllung verwendet.

e) Die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen sind unproblematisch gegeben, insbesondere ist die Angabe, die den Eindruck einer besonderen Qualität des Produktes und des Vertrauens eines Fahrzeug- oder Getriebeherstellers in dieses Produkt erweckt, geeignet, die Entscheidung der angesprochenen Verkehrskreise im Sinne eines Anlockeffektes zu beeinflussen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Celle: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen die Marktverhaltensregel Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO durch Inverkehrbringen des Nahrungsergänzungsmittels "Cannabis-Öl"

OLG Celle
Beschluss vom 28.03.2023
13 U 67/22


Das OLG Celle hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen die Marktverhaltensregel Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO durch Inverkehrbringen des Nahrungsergänzungsmittels "Cannabis-Öl" vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Der Kläger ist klagebefugt gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, was auch die Beklagte nicht in Abrede nimmt.

2. Der Kläger hat einen Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, Abs. 3 Nr. 2 UWG, § 3 Abs. 1, § 3a i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO.

a) Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 3a Rn. 1.265, 1.271; bereits für die frühere Fassung der Novel-Food-VO: BGH GRUR 2015, 1140 [BGH 16.04.2015 - I ZR 27/14] Rn. 19).

b) Das Inverkehrbringen des Cannabis-Öls der Beklagten verstößt gegen Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO.

aa) Das Nahrungsergänzungsmittel der Beklagten ist ein neuartiges Lebensmittel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 a) iv) Novel-Food-VO.

Nach dieser Bestimmung ist zunächst maßgeblich, ob das Lebensmittel vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurde. Abzustellen ist dabei auf alle Merkmale des in Rede stehenden Lebensmittels und des hierfür verwendeten Herstellungsvorgangs (BGH, Urteil vom 16. April 2015 - I ZR 27/14, Rn. 21, Bohnengewächsextrakt, zu dem gleichen Tatbestandsmerkmal in der Vorgängerregelung, Art. 1 Abs. 2 VO (EG) 258/97). Dabei ist zu berücksichtigen, dass gemäß Erwägungsgrund 17 der Novel-Food-VO Lebensmittel, die ausschließlich aus Lebensmittelzutaten hergestellt werden, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, insbesondere im Zuge einer Änderung der verwendeten Lebensmittelzutaten oder ihrer Anteile, nicht als neuartige Lebensmittel betrachtet werden sollen.

bb) Im Streitfall geht es um eine Kombination von Sesamöl und einem Hanfextrakt, der mit einem bestimmten Extraktionsverfahren hergestellt worden ist und Cannabidiol (CBD) enthält. Weil die Zutat Sesamöl als solche nicht neuartig ist, kommt es für die Beurteilung der Neuartigkeit des Cannabisöls auf den Hanfextrakt an.

Extraktion nennt man jedes Trennverfahren, bei dem mit Hilfe eines (festen, flüssigen oder gasförmigen) Extraktionsmittels eine oder mehrere Komponenten aus einem Stoffgemisch herausgelöst werden (vgl. Wikipedia). Maßgeblich für die Beurteilung der Neuartigkeit ist auch das von der Lieferantin der Beklagten für die Herstellung ihres Hanfextrakts konkret angewandte Extraktionsverfahren mit dem von ihr verwendeten spezifischen Extraktionsmittel. Denn von dem Extraktionsmittel hängt ab, welche Bestandteile herausgelöst werden.

Es ist davon auszugehen, dass der Hanfextrakt in dem von der Beklagten vertriebenen Cannabis-Öl vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurde.

Diese Behauptung des Klägers hat die Beklagte nicht mit Substanz bestritten. Weil es sich um eine negative Tatsache handelt, trifft die Beklagte insoweit nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen eine sekundäre Darlegungslast (BGH, GRUR 2015, 1140 [BGH 16.04.2015 - I ZR 27/14] Rn. 22). Dieser ist die Beklagte nicht nachgekommen (s. nachfolgend Ziff. (1) und (2)).

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem - in der Vorgängerregelung noch nicht in dieser Form enthaltenen - Tatbestandsmerkmal "ausgenommen Fälle, in denen das Lebensmittel eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union hat" (Art. 3 Abs. 2 a) iv) eine einschränkende Bedeutung zukommen soll. In Betracht käme, dass Lebensmittel nicht als neuartig anzusehen sind, wenn sie vor dem Stichtag zwar nicht in nennenswertem Umfang verzehrt wurden, aber trotzdem - etwa aufgrund regionaler Besonderheiten - in der Union Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel haben. Aber auch dies hat die Beklagte nicht dargetan.

(1) Das Landgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass es in der EU vor dem 15. Mai 1997 eine Verwendungsgeschichte für Produkte gegeben habe, die sich - wie das der Beklagten - aus Sesamöl und Hanfextrakt zusammensetzten. Auch für generell aus Hanfextrakt hergestellte Produkte habe sie eine Verwendungsgeschichte nicht dargelegt. Dass die Beklagte insoweit keinen Vortrag gehalten hat, steht gemäß § 314 ZPO fest. Die Beweiskraft des Tatbestandes gemäß § 314 ZPO erfasst auch diejenigen tatsächlichen Feststellungen, die in den Entscheidungsgründen enthalten sind und den Tatbestand insoweit ersetzen (BeckOK ZPO/Elzer, 47. Ed. 1.12.2022, ZPO § 314 Rn. 8). Dem stünde nicht entgegen, wenn sich insoweit Vorbringen aus vorbereitenden Schriftsätzen der Beklagten ergäbe. Zwar wird in dem Tatbestand des angefochtenen Urteils allgemein auf diese Schriftsätze Bezug genommen. Bei einem Widerspruch zwischen ausdrücklichen tatbestandlichen Feststellungen und dem allgemein in Bezug genommenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze geht der Tatbestand vor (BeckOK ZPO/Elzer, 47. Ed. 1.12.2022, ZPO § 314 Rn. 27 mwN).

(2) Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte auch dann nicht ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen wäre, wenn Vorbringen aus ihren vorbereitenden Schriftsätzen berücksichtigt würde. Auch in den erstinstanzlichen Schriftsätzen der Beklagten ist nicht mit Substanz dargetan, dass das Lebensmittel der Beklagten oder der darin enthaltene Hanfextrakt vor dem Stichtag in der Union in nennenswertem Umfang von Menschen verzehrt wurde bzw. eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel hat. An den von der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung genannten Fundstellen (Bl. 952 d.A.) hat sie vorgetragen, Blüten und Blätter von Cannabis sativa seien seit Jahrhunderten innerhalb der EU traditionell zum Verzehr verwendet worden. In gleicher Weise, wie Tee und Kaffee mit heißem Wasser als Extrakt hergestellt worden sei, seien auch Extrakte aus Cannabisblüten und -blättern zum Zwecke des Verzehrs hergestellt worden. Weiter hat sie vorgetragen, soweit ihr bekannt sei, sei der verwendete Hanfextrakt mit dem Extraktionsmittel Ethanol hergestellt worden (Bl. 446 d.A.). In einem italienischen Kochbuch aus dem 15. Jahrhundert finde sich ein Rezept, wonach man Hanfpflanzen in Öl aufgekocht und den Sud zum Verzehr verwendet habe (Bl. 447 d.A.). In Osteuropa sei in den 1970er und 80er Jahren Nutzhanf als Lebensmittelzutat verwendet worden, z.B. zur Herstellung von Hanftee oder beim Bierbrauen (Bl. 448 d.A.). Hanf werde bereits seit dem Jahr 400 in Deutschland angebaut (Bl. 534 d.A.). Die Nutzung von Ethanol als Extraktionsmittel für Lebensmittel und -zutaten sei ein übliches und zulässiges Verfahren (Bl. 609 d.A.).

Mit diesem Vortrag hat die Beklagte die sie treffende sekundäre Darlegungslast nicht erfüllt. Weder für das von ihr hergestellte Nahrungsergänzungsmittel, noch für den dabei verwendeten, im Wege der Ethanol-Extraktion hergestellten Hanfextrakt hat sie eine nennenswerte Nutzung als Lebensmittel vor dem maßgeblichen Stichtag vorgetragen. Der pauschale Vortrag zur jahrhundertelangen Verwendung von Hanf und die Verwendung zur Zubereitung von Tees und zum Bierbrauen genügen insoweit nicht. Es handelt sich nicht um die von der Beklagten verwendete Lebensmittelzutat, einen im Wege der Ethanol-Extraktion hergestellten Hanfextrakt. Darüber hinaus fehlte es selbst zu den von der Beklagten vorgetragenen - gänzlich anderen - Herstellungsmethoden (Aufkochen in Wasser oder Öl) an hinreichend konkretem Vortrag dazu, dass die Produkte in nennenswertem Umfang verzehrt wurden oder eine sichere Verwendungsgeschichte haben.

(3) Auch in der Berufungsbegründung hat die Beklagte hierzu keinen weiteren Tatsachenvortrag gehalten, sondern nur auf ihren "fragmentarischen" erstinstanzlichen Vortrag verwiesen.

(4) Ausweislich ihres Schriftsatzes vom 9. März 2023 meint die Beklagte, sie könne insoweit nach dem Ablauf der Berufungsbegründungsfrist noch weiteren berücksichtigungsfähigen Tatsachenvortrag halten (Bl. 975 d.A.). Dies trifft jedoch nicht zu (§ 520, § 530 ZPO). Wie die Beklagte selbst ausführt, konnte sie (spätestens) aus dem angefochtenen Urteil erkennen, dass sie hierzu hätte vortragen müssen.

Aus den vorstehenden Gründen kann der Kläger auch die Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung verlangen. Denn es wird - unter Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Lebensmittelinformations-VO - der unzutreffende Eindruck erweckt, es handele sich um ein verkehrsfähiges Lebensmittel.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamburg: Werbung im Bereich des Gesundheitsschutzes muss in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht besonders hohe Anforderungen erfüllen - Sonnencreme mit HEV Blue Light Filter

OLG Hamburg
Urteil vom 07.09.2023
15 U 113/22


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass Werbung im Bereich des Gesundheitsschutzes in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht besonders hohe Anforderungen erfüllen muss. Vorliegend ging es um wettbewerbswidrige Werbung für eine "innovative" Sonnencreme mit HEV Blue Light Filter.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Verfügungsgrund wird in Wettbewerbsverfahren vermutet, § 12 Abs. 1 UWG.

Die Vermutung der Dringlichkeit ist allerdings widerlegt, wenn der Antragsteller durch sein Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass es ihm nicht eilig ist (st. Rspr; vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 1999 – I ZB 7/99 –, Rn. 11 - Späte Urteilsbegründung). Das kann der Fall sein, wenn er mit der Rechtsverfolgung längere Zeit zuwartet, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt oder grobfahrlässig nicht kennt. Dabei obliegt es dem Antragsgegner, Umstände darzutun und glaubhaft zu machen, die auf eine „dringlichkeitsschädliche“ Kenntnis des Gegners schließen lassen (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Retzer, 5. Aufl. 2021, UWG § 12 Rn. 68 m.w.N.).

Dass die Antragstellerin die hier angegriffene, konkrete Werbung in Gestalt des Pappaufstellers und der darin einliegenden Werbeflyer mit den beanstandeten Aussagen und Gestaltungen schon vor dem 28.03.2022 (vgl. eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers und Leiters der Rechtsabteilung der Antragstellerin, G.H., Anlage AS 2) gekannt haben soll, behauptet die Antragsgegnerin selbst nicht. Sie beruft sich lediglich darauf, dass Produkte mit dem neuen Filter T. bereits seit 2021 auf dem Markt seien und u.a. als „Schutz gegen HEV Blue Light“ beworben worden seien. Das genügt aber nicht, um die Dringlichkeitsvermutung für die vorliegenden Anträge zu widerlegen. Hierfür müsste es sich um kerngleiche Wettbewerbsverstöße gehandelt haben, die der Antragstellerin zur Kenntnis gelangt sind (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 12 Rn. 2.15a m.w.N.).

Die Antragsgegnerin hat keine vorangegangene Werbung präsentiert, die kerngleich mit der hier angegriffenen wäre. Die von ihr aufgezeigten früheren Werbeformate (vgl. Anlagen Sch 6 bis Sch 8, Abb. 7 bis 11 in Schutzschrift Anlage AG 1 sowie Anlagen AG 3 bis AG 8) sind nicht ansatzweise identisch oder auch nur sehr ähnlich wie die hier streitgegenständlichen. In keiner der eingereichten Werbungen werden dieselben Aussagen, etwa „Innovation“, in vergleichbarem Kontext getroffen wie vorliegend beanstandet. Dasselbe gilt für das Thema „Blue Light“ wie etwa in Anlage AG 3. Hier wird zwar mit einem „Blue Light Filter“ bzw. „Blue Light-Schutz“ geworben, die Begriffe „HEV“ oder „High Energy Visible“ fehlen indes, die für die vorliegenden Anträge wesentlich sind. Die Gesamtaufmachung ist wiederum gänzlich anders und keinesfalls kerngleich mit den vorliegenden.

Im Übrigen ist eine Kenntnis der Antragstellerin von den einzelnen Werbungen nicht glaubhaft gemacht. Hierzu hat das Landgericht zu Recht ausgeführt, dass eine allgemeine Marktbeobachtungspflicht nicht besteht; das gilt auch in einem engen wettbewerblichen Umfeld.

In Frage kommt in Anbetracht des substanziierten Vortrags der Antragsgegnerin allerdings eine dringlichkeitsschädliche Kenntnis der Antragstellerin vom Filter T., für den die Antragsgegnerin seit längerem schon eine Schutzwirkung vor (HEV) Blue Light ausgelobt hat. Dies könnte den Verfügungsgrund für ein Verbot unter dem Aspekt „fehlende Wirksamkeit des Produktes gegen HEV Blue Light“ entfallen lassen. Hierauf kommt es indessen nicht an, weil sich die Irreführung der angegriffenen Werbung auch aus anderen Gründen ergibt, für die eine frühere Kenntnis der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht ist.

2. Der Antragstellerin steht für jeden der geltend gemachten Unterlassungsansprüche auch ein Verfügungsanspruch zur Seite. Die angegriffenen Werbungen erweisen sich bei der gebotenen summarischen Prüfung als irreführend und damit unlauter im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG, so dass die Antragstellerin als Mitbewerberin Unterlassung verlangen kann, §§ 8 Abs. 1 Satz, Abs. 3 Nr. 1 UWG. Die erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch den begangenen Rechtsverstoß in Gestalt der veröffentlichten Werbung indiziert und wurde nicht durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ausgeräumt.

a) aa) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht es der Antragsgegnerin untersagt, Sonnenschutzprodukte der Reihe E.T.A. unter Verwendung der Aussagen
„Innovation“
und/oder
„1. Sonnenschutz aus der P.F. Forschung mit HEV Blue Light Filter“
zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht wie im Tenor der einstweiligen Verfügung unter 1. a) wiedergegeben (sog. Pappaufsteller). Der Anspruch folgt für beide Teile aus §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG.

Nach § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält: die wesentlichen Merkmale der Ware, …, Vorteile, …, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, …, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse, u.a.

Für die Prüfung, ob eine Werbeangabe unwahr oder zur Täuschung geeignet ist, ist zunächst auf das Verständnis des angesprochenen Verkehrs von der Angabe abzustellen. Maßgeblich ist das Leitbild des durchschnittlich informierten, verständigen und aufmerksamen Mitglieds der angesprochenen Verkehrskreise. Dieses Verständnis kann der Senat, dessen Mitglieder zum hier angesprochenen allgemeinen Verkehrskreis zählen, selbst beurteilen. Von einer Irreführung ist auszugehen, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - I ZR 96/19, Rn. 14 - LTE-Geschwindigkeit; Urteil vom 12. Mai 2022 - I ZR 203/20, Rn. 18 - Webshop Awards; Urteil vom 2. Juni 2022 – I ZR 93/21 –, Rn. 21 - 7 x mehr). Ist, wie vorliegend, eine konkrete Verletzungsform streitgegenständlich, verbietet sich eine zergliedernde Betrachtung einzelner Elemente der Werbung. Zu würdigen ist vielmehr der Gesamteindruck der angegriffenen Werbung (BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 – I ZR 93/21 –, Rn. 23 – 7 x mehr; Urteil vom 18. Dezember 2014 – I ZR 129/13 –, Rn. 10 – Schlafzimmer komplett).

(1) „Innovation“

Der Senat hält das von der Antragstellerin angeführte und vom Landgericht geteilte Verständnis dieses Begriffs in der konkreten Verletzungsform für zutreffend. Beim Begriff „Innovation“ in der Werbung für ein Sonnenschutzmittel denkt der Verbraucher an eine positive, also produktverbessernde Neuerung oder Erfindung, die einen Fortschritt im Bereich Sonnenschutz mit sich bringt.

Die Antragstellerin macht hierzu geltend, das Wort „Innovation“ sei schon deshalb irreführend, weil das beworbene Produkt tatsächlich gar keine Schutzwirkung gegen HEV Blue Light entfalte, wie sie mit ihrer als Anlage AS 5 eingereichten Studie belegt habe. Dies unterstellt, wären „Innovation“, aber auch die beiden anderen zu Ziffer 1.a) des Verfügungsantrags angegriffenen Angaben „1. Sonnenschutz aus der P.F. Forschung mit HEV Blue Light Filter“ und „Unser neuer Standard beim Sonnenschutz“ im konkreten Kontext unzutreffend und damit ohne Weiteres zu untersagen. Der Senat kann diesen, zwischen den Parteien heftig umstrittenen und mit diametralen Studienergebnissen untermauerten Aspekt indes offen lassen. Damit kann auch die Frage dahinstehen, ob für ein Verbot unter diesem Aspekt – (kein) Schutz vor HEV Blue Light – die erforderliche Dringlichkeit noch besteht.

Denn die Werbung mit „Innovation“ wie in der konkreten Verletzungsform geschehen ist auch unabhängig von einer evt. fehlenden Schutzwirkung gegen HEV Blue Light als irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1, 2 UWG anzusehen. Hierzu wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil, dort Seite 11, verwiesen.

Der Senat verkennt nicht, dass – eine Wirksamkeit des neuen Filters in den Sonnenschutzprodukten der Antragsgegnerin gegen HEV Blue Light unterstellt – darin tatsächlich eine Innovation im o.g. Sinne liegen kann. Denn es wäre unstreitig der erste rein organische Filter, der diesen Bereich der Sonnenstrahlen mit abdeckt. Indessen wird genau diese Tatsache dem Verbraucher in der streitgegenständlichen Werbung vorenthalten. Er erfährt von der neuartigen Filterart nichts, sondern liest zur Erklärung: „1. SONNENSCHUTZ aus der P.F. Forschung mit HEV BLUE LIGHT FILTER“. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nimmt der Verbraucher angesichts dieser Formulierung an, es handele sich um den ersten Sonnenschutz überhaupt mit HEV Blue Light Filter. Wenn er das kleingedruckte „aus der P.F. Forschung“ überhaupt wahrnimmt, wird er dies als Urheberangabe des ersten Sonnenschutzes mit HEV Blue Light Filter ansehen, also annehmen, das Haus P.F. habe einen solchen erstmals erfunden. Dies ist unstreitig falsch. Damit ist die Werbung mit „Innovation“ jedenfalls in der konkreten Verletzungsform wie beantragt zu untersagen.

Dass „Innovation“ für sich genommen zutreffend und in anderem Zusammenhang, wie etwa in Abb. 9 der Schutzschrift, zulässig sein mag, steht dem nicht entgegen. Für die Beurteilung einer konkreten Werbung gilt, wie oben ausgeführt, dass einzelne Äußerungen einer in sich geschlossenen Darstellung nicht aus dem Zusammenhang, in dem sie stehen, gerissen und isoliert betrachtet werden dürfen (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – I ZR 129/13 –, Rn. 10 – Schlafzimmer komplett). Vielmehr sind sie genau und gerade in diesem Zusammenhang zu würdigen.

(2) „1. Sonnenschutz aus der P.F. Forschung mit HEV Blue Light Filter“

Auch diese Angabe ist in der konkreten Verletzungsform irreführend. Der angesprochene Verbraucher versteht die Aussage entweder wie eben dargelegt so, dass P.F. den ersten Sonnenschutz mit HEV Blue Light Filter auf dem Markt überhaupt anbietet. Dies ist unzutreffend. Oder der Verbraucher nimmt an, es sei die erste Sonnencreme bei/von P.F. mit HEV Blue Light Filter, was ebenfalls nicht richtig ist, weil auch die Antragsgegnerin unstreitig schon zuvor mineralische Filter aus Titandioxid gegen HEV Blue Light in ihren Produkten verwendet hat.

Zwar trifft es zu, dass beide Angaben – „Innovation“ und „1. Sonnenschutz aus der P.F. Forschung mit HEV Blue Light Filter“ – ganz wörtlich genommen nicht falsch sind. Sie werden im konkreten Zusammenhang aber in der dargelegten Art und Weise falsch verstanden. Es ist anerkannt, dass unter Umständen auch inhaltlich zutreffende, also wahre Tatsachenbehauptungen eine Irreführungsgefahr begründen. Das ist der Fall, wenn ein beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise mit der objektiv richtigen Angabe eine unrichtige Vorstellung verbindet (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – I ZR 114/20 –, Rn. 31 – Kieferorthopädie). So liegt es hier. Für den Durchschnittsverbraucher ist die Urheberschaft der Innovation – deren Inhalt ihm vorenthalten wird – nicht interessant, weil nicht von praktischer Relevanz. Interesseweckend ist hingegen die Information „Erster Sonnenschutz mit HEV Blue Light Filter“. Hierin wird der Verbraucher die „Innovation“ sehen. So verstanden ist die Werbung aber irreführend: Die Innovation liegt allenfalls in der neuen Filterart. Sonnencreme mit HEV Blue Light Filter gibt es schon lange. Denkt der Verbraucher, „jetzt auch bei P.F. mit HEV Blue Light Filter“, ist dies ebenfalls unzutreffend, denn auch die Antragsgegnerin vermarktet schon länger solche Produkte. Der Senat geht davon aus, dass die Antragsgegnerin diese Fehlvorstellungen bewusst erzeugt hat und ein sehr großer Teil des angesprochenen Verkehrs ihnen unterliegt. Die im Falle wörtlich genommen richtiger Angaben vorzunehmende Interessenabwägung führt damit zu keinem anderen Ergebnis als dem vom Landgericht ausgesprochenen Verbot.

bb) Der Antragstellerin steht auch ein Anspruch auf Untersagung zu, Sonnenschutzprodukte der Reihe E.T.A. unter Verwendung der Aussage
„Unser neuer Standard beim Sonnenschutz“
zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht wie im Tenor der einstweiligen Verfügung unter 1. a) wiedergegeben (weiße Rückseite des Flyers).

Auch dieser Unterlassungsanspruch ist aus §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG begründet, denn die Antragstellerin hat ein rechtlich relevantes Irreführungspotenzial überzeugend dargelegt. Angesichts der Aufmachung dieser Flyerseite wird der angesprochene Verkehr im „neuen Standard“ einen Schutz gegen HEV Blue Light sehen. Dieses ist farblich hervorgehoben und wird einem Durchschnittsverbraucher – zu dessen Kreis auch die Mitglieder des entscheidenden Senats zählen – bislang nicht bekannt sein. Der Verkehr erwartet ein neues Niveau beim Sonnenschutz für das Gesicht, eine deutliche Verbesserung zu früheren Produkten, und diese liege im nunmehr vorhandenen Extra-Schutz gegen HEV Blue Light. Diese Vorstellung ist aber unzutreffend, wie bereits ausgeführt. Auch hierzu sei auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen.

Der Senat teilt nicht die Auffassung der Antragsgegnerin, die meint, der Verbraucher erwarte keine wesentliche Neuerung und Verbesserung beim Sonnenschutz für das Gesicht. Nichts anderes kann ein „neuer Standard“ nach allgemeinem Sprachverständnis sein. Es gilt wiederum, dass dem Verkehr egal sein dürfte, welche neuen Standards sich „das Haus P.F.“, also die Antragsgegnerin, selbst gesetzt hat. Einen reinen Eigenvergleich, betreffend nur Produkte aus dem eigenen Haus, anzunehmen erscheint fernliegend. Der Verkehr erwartet einen insgesamt neuen Standard im Vergleich zum gesamten Markt an Sonnenschutzprodukten. Diesen gibt es indessen mit dem beworbenen Produkt nicht, wie auch die Antragsgegnerin ausdrücklich nicht in Abrede nimmt. Schließlich ist davon auszugehen, dass ein Unternehmen, das mit „unser neuer Standard beim Sonnenschutz für das Gesicht“ wirbt, diesen Standard selbst gesetzt hat. Auch dies ist im Hinblick auf eine Schutzwirkung gegen HEV Blue Light, die viele Produkte seit langem bieten, nicht der Fall.

b) Auch den zu Ziffer 1. b) geltend gemachten Anspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin auf Untersagung, die Schutzfunktion von Sonnenschutzprodukten gegen verschiedene Arten von Sonnenstrahlung in der Reihenfolge

„UVB UVA HEV Blue Light“

zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht wie im Tenor der einstweiligen Verfügung in den ersten beiden Abbildungen unter 1. b) wiedergegeben, hat das Landgericht zu Recht zugesprochen.

Die Antragsmodifizierung, mit der die Antragstellerin die ursprünglich unter 1. b) fallende dritte Abbildung (Seitenansicht der Umverpackung) nun als konkrete Verletzungsform unter einen eigenen Antrag zu 1. c) gestellt hat, stellt keine inhaltliche Erweiterung oder Änderung im Sinne des § 533 ZPO dar, sondern ist als sprachliche Präzisierung des Kerns der Beanstandung dieser Werbung ohne Weiteres zulässig, § 938 Abs. 1 ZPO.

aa) Die Darstellung der verschiedenen Arten von Sonnenstrahlung in der Reihenfolge „UVB UVA HEV Blue Light“ ist, wenn sie geschieht wie in der ersten Abbildung zum Antrag 1. b) (weiße Rückseite des Flyers), unlauter. Dabei ist nicht die Reihenfolge dieser Begriffe per se verbotswürdig. Die Aufmachung der konkreten Verletzungsform, und nur diese ist streitgegenständlich, vermittelt dem angesprochenen Verbraucher einen falschen Eindruck über die Bedeutsamkeit des HEV Blue Lights.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Werbung in Apotheken platziert wurde, die der Verbraucher auf der Suche nach besonders hochwertigen und -wirksamen Sonnenschutzmitteln aufsucht und in denen er in besonderem Maße gesundheitsschützende Produkte erwartet. Durch die grafische Gestaltung der Karte, auf der sich unter der fettgedruckten Überschrift „Neuer Standard“ die farblich hervorgehobene Angabe HEV BLUE LIGHT findet, wird die Aufmerksamkeit des Betrachters sofort auf dieses gelenkt. Er wird denken, es gebe eine neue oder neu erforschte Strahlungsart oder Lichtart, gegen die man sich schützen müsse. Ein Schutz gegen diese Lichtart sei neuer Standard, also dringend anzuraten.

Dabei suggeriert die Darstellung UVB UVA HEV Blue Light, dass diese drei Strahlungsarten im Hinblick auf ihre Gefährlichkeit und die Bedeutsamkeit eines Schutzes vor ihnen auf einer Stufe stehen. Die Antragsgegnerin dürfte Recht damit haben, dass Verbraucher die Reihenfolge der Strahlungslängen im Lichtspektrum der Sonne in der Regel nicht kennen. Gerade deshalb werden sie sie aber auch nicht zutreffend nach (absteigender) Gefährlichkeit „sortieren“. Vielmehr erscheint es mit dem Landgericht naheliegend, dass die Verbraucher wegen der optischen Hervorhebung in Blau dem HEV Blue Light sogar eine noch größere Gefährlichkeit zumessen als den daneben genannten UV-Strahlen. Jedenfalls werden sie auf das HEV Blue Light aufmerksam und sehen es mindestens als gleichwertig schädlich an wie UVB und UVA. Diese Einschätzung ist unzutreffend, wie nachfolgend unter cc) ausgeführt wird.

bb) Auch die andere Seite des Flyers (orange Vorderseite), wie aus der zweiten Abbildung im landgerichtlichen Tenor zu 1. b) ersichtlich, vermittelt den Eindruck einer erheblichen Bedeutsamkeit des Schutzes vor HEV Blue Light, die sachlich so nicht gerechtfertigt ist. Diese Flyerseite wird der angesprochene Apothekenkunde wie folgt verstehen: Mit dem obersten Textblock lernt er, dass 80 % der Hautalterung durch UVA-Strahlung und HEV Blue Light verursacht werden. In Ermangelung einer weiteren Aufschlüsselung der „80 %“ wird hierdurch der Eindruck erweckt, dass beide Strahlungsarten auf einer Stufe stehen. Auf der darunter stehenden Grafik zur Eindringtiefe der Strahlen wird hingegen sogar eine ansteigende Gefährlichkeit von UVB über UVA nach HEV Blue Light suggeriert. Der normale Durchschnittsverbraucher wird die bildlich dargestellte Eindringtiefe der Strahlen mit „Gefährlichkeit für die Haut“ gleichsetzen. Als medizinischer Laie nimmt er an, dass je tiefer etwas in den Körper eindringt, desto mehr wirkt es auf diesen ein und kann – im Fall von Strahlen – Schaden anrichten. Dass tatsächlich die Eindringtiefe der Strahlen umgekehrt proportional ist zum Energiegehalt und damit der Schädlichkeit für die Haut, weiß der Normalverbraucher nicht. Dieser (falsche) Eindruck wird noch verstärkt durch den rechts daneben platzierten Erklärungstext. Durch die Information

„HEV (HIGH ENERGY VISIBLE) BLUE LIGHT ist hochenergetisches sichtbares Licht und dringt tiefer in die Haut als UVB- und UVA-Strahlen“,

wird der Verbraucher davon ausgehen, dass das „hochenergetische“ sichtbare Licht noch energiereicher sei als UV-Strahlung, deshalb noch intensiver sei und noch mehr Schutz erfordere.

cc) Diese Erwartung ist sachlich falsch und die angegriffene Werbung auf beiden Flyerseiten deshalb irreführend im Sinne des § 5 UWG.

Es ist der Antragsgegnerin dabei zuzugestehen, dass ein Schutz vor Strahlung auch im Blue Light Bereich sinnvoll sein mag. Sie trägt nachvollziehbar vor, dass die im Spektrum benachbarten Lichtarten ineinander übergehen und sich z.T. auch überschneiden, so dass ein Schutz nicht an der virtuellen Wellenlängengrenze von 400 nm enden sollte. Auch ist es angesichts ihres durch Studien substanziierten Vortrags glaubhaft, dass HEV Blue Light die Bildung freier Radikale hervorrufen, zu oxidativem Stress führen und somit Hautzellen schneller altern lassen, ebenso wie einen Effekt auf die Pigmentierung bei entsprechenden Hauttypen haben kann. Grundsätzlich ist eine Werbung mit Schutz gegen HEV Blue Light daher nicht zu beanstanden (sofern das Produkt ihn denn bietet) und entsprechende Sonnenschutzmittel werden auch von anderen Wettbewerbern, u.a. der Antragstellerin selbst, vermarktet.

Die vorliegende Werbung suggeriert jedoch eine mindestens gleichwertige Gefährlichkeit des HEV Blue Light mit UVB- und UVA-Strahlen. Das ist in dieser Allgemeinheit unzutreffend.

Es kann dahinstehen, ob der angesprochene Verkehrskreis das HEV Blue Light als auf einer Stufe stehend mit UV-Licht oder sogar als noch schädlicher und schutzerfordernder als dieses ansieht, was jedenfalls die zweite Abbildung nahelegt. Beide Verständnisweisen sind objektiv unrichtig, denn die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass HEV Blue Light in jeder Hinsicht weniger gefährlich ist als UV-Strahlung.

Es ist zunächst unstreitig und auch offenkundig, dass sonnenbedingte Hautschäden – Sonnenbrand, dadurch verursachte vorzeitige Hautalterung, Hautkrebsrisiko – in erster Linie von UV-Strahlen, und zwar in der Reihenfolge UVB-UVA ausgehen. HEV Blue Light tritt dahinter deutlich zurück. Dies hat die Antragstellerin u.a. mit dem als Anlage AS 12 eingereichten Artikel aus 2019 zum Thema „visible light“ als der aktuellen Forschung entsprechend glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin bestreitet dies nicht, sondern räumt (u.a. auf Seite 10 ihrer Schutzschrift) selbst ein, dass der UV-Anteil des Sonnenspektrums für die Haut am schädlichsten ist. Dies ist nach dem insoweit übereinstimmenden Parteivortrag wissenschaftlicher Konsens. Damit ist die angegriffene Werbung, die eine mindestens gleichrangige Gefahr durch HEV Blue Light suggeriert, irreführend.

Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass bezüglich vorzeitiger Hautalterung durch Bildung freier Radikale u.a. HEV Blue Light mit UVA-Strahlung mindestens gleichauf liege, ändert dies an der Unzulässigkeit der grafischen Darstellungen nichts. Einerseits erscheint dies nach den beiderseits eingereichten Unterlagen schon nicht als überwiegend wahrscheinlich. Die Antragstellerin trägt substanziiert und nachvollziehbar vor, auch hieran habe UV-Strahlung einen weitaus größeren Anteil als Blue Light (vgl. wiederum Anlage AS 12), was der Senat angesichts der seit Jahren gesicherten Erkenntnisse zur durch Sonnenbrände bedingten vorzeitigen Hautalterung für naheliegend hält.

Andererseits kann es deshalb dahinstehen, weil die angegriffene Werbung Sonnenschutz ganz allgemein verspricht und hierbei HEV Blue Light besonders hervorhebt. Auch wenn das Wort „Hautalterung“ auf beiden Flyerseiten genannt wird, ist angesichts der Gesamtaufmachung nicht anzunehmen, dass der Verkehr die Darstellungen nur auf das Thema Hautalterung beziehen wird. Im Vordergrund der ersten Abbildung (weiße Seite des Flyers) werden optisch „NEUER STANDARD“ beim Sonnenschutz für „DAS GESICHT“ und die Strahlungsarten „UVA UVB HEV BLUE LIGHT“ hervorgehoben. Auf diese Aspekte wird der Verbraucher seine Aufmerksamkeit lenken. Auch auf der zweiten Abbildung (orange Seite des Flyers) tritt das kleingeschriebene Wort „Hautalterung“ im Vergleich zu den prominenten farbigen Gestaltungen derart in den Hintergrund, dass niemand die Informationen zum HEV Blue Light allein auf dieses Thema beziehen wird. Überdies ist im Verkehr allgemein bekannt, dass Hautalterung insbesondere eine Folge von Sonnenbränden ist, die wiederum von UV-Strahlen verursacht werden. Kaum jemand wird das Thema „Hautalterung“ von Sonnenbrand, Zellschädigungen usw. differenzieren, denn bekanntermaßen geht alles dies miteinander einher.

c) Auch der neu formulierte Antrag zu 1. c) ist begründet. Die Antragsgegnerin hat es gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 UWG zu unterlassen, die Schutzfunktion von Sonnenschutzprodukten gegen verschiedene Arten von Sonnenstrahlung in der Reihenfolge

„UV-Breitbandschutz: UVB – UVA
HIGH ENERGY VISIBLE BLUE LIGHT“

zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht, wie im neuen Antrag zu 1.c) eingeblendet wiedergegeben.

Auch dieser Anspruch besteht unter dem Aspekt, dass mit dieser Reihenfolge und grafischen Darstellung auf der Umverpackung der beworbenen E.T.A. Sonnencreme dem Schutz vor HEV Blue Light eine Bedeutung zugeschrieben wird, die diesem objektiv nicht zukommt.

Während die weitaus gefährlicheren UVB- und UVA-Strahlen abgekürzt am Ende der mittleren Zeile genannt werden, wird das nach den obigen Ausführungen deutlich harmlosere blaue Tageslicht voll ausgeschrieben und im blauen Fettdruck in einer ganzen Zeile platziert: HIGH ENERGY VISIBLE BLUE LIGHT. Erneut gilt, dass dem Verbraucher diese Lichtart nicht bekannt sein dürfte (oder allenfalls als blaues Bildschirmlicht). Durch die prominente Platzierung, den Fettdruck und die Worte HIGH ENERGY wird die Aufmerksamkeit auf diese Angabe gerichtet. Zwar mag es sich in der ausgeschriebenen Form um den englischen Fachbegriff dieses Lichts handeln, er wird jedenfalls vom einem erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs aber falsch interpretiert. „HIGH ENERGY“ verleitet in der konkreten Gestaltung zur Annahme, dass Blue Light höherenergetisch ist als UV-Licht und damit aus Laiensicht auch gefährlicher als dieses.

Hinzu kommt, dass die Kopfzeile der in Rede stehende Werbeaussage als blauer Balken ausgestaltet ist, auf den in weißen Großbuchstaben die Worte „SKIN PROTECT“ aufgedruckt sind. Indem in den darunter folgenden Textzeilen auf weißem Grund nur die Worte „HIGH ENERGY VISIBLE BLUE LIGHT“ ebenfalls ausschließlich in Großbuchstaben und zudem in demselben Blauton wie der Hintergrund der Kopfzeile gedruckt wurden, wird in der Wahrnehmung des durchschnittlichen Verbrauchers zwischen den Worten „SKIN PROTECT“ und „HIGH ENERGY VISIBLE BLUE LIGHT“ eine besonders enge Verknüpfung hergestellt. Der tatsächlich unzutreffende Eindruck, ein Schutz der Haut („SKIN PROTECT“) sei vorrangig vor „HIGH ENERGY VISIBLE BLUE LIGHT“ geboten, wird hierdurch noch einmal erheblich verstärkt.

d) Insgesamt sind die zu 1. b) und c) angegriffenen werblichen Darstellungen des HEV Blue Light in den drei konkreten Verletzungsformen zu vollmundig für seine eher nachrangige Bedeutung beim Lichtschutz. Es wird eine Relevanz dieser Lichtart vermittelt, die ihr für den Hautschutz nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zukommt. Dementsprechend benennt das wettbewerbliche Umfeld – soweit aus den von den Parteien eingereichten Abbildungen ersichtlich – es deutlich weniger drängend etwa „Blue Light“ oder „sichtbares Licht“. Der Senat verkennt nicht, dass die Nennung und Bezeichnung des HEV Blue Lights für sich genommen nicht unzutreffend ist, eine Wirksamkeit des Produktes hiergegen unterstellt. Wie oben ausgeführt, kann aber das Irreführungsverbot auch objektiv zutreffende Angaben erfassen, weil es auf das jeweilige Verständnis der Adressaten der Werbung ankommt.

Im Rahmen der in diesen Fällen vorzunehmenden Interessenabwägung (vgl. hierzu auch Köhler/ Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.200 ff., 1.205) ist vorliegend zu berücksichtigen, dass an die Zulässigkeit einer Werbung im Bereich Gesundheitsschutz besonders hohe Anforderungen zu stellen sind. Es gelten strenge Bedingungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen. Dies rechtfertigt sich durch die Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und die hohe Werbewirksamkeit gesundheitsbezogener Aussagen (Bornkamm/Feddersen, a.a.O. Rn. 2.215; BGH, Urt. v. 6. 2. 2013 – I ZR 62/11, Rn. 16, 17 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Das gilt auch für Kosmetikprodukte wie die streitgegenständliche Sonnencreme, die Schutzwirkung gegen gesundheitliche Beeinträchtigungen der menschlichen Haut entfalten soll. Vorliegend überwiegt das Interesse der Antragsgegnerin, die Produkte mit ihrem neuen Filter im Hinblick auf einen Schutz vor HEV Blue Light derart hervorgehoben zu bewerben, nicht das Interesse der Verbraucher, vor dem irregeleiteten Kauf eines Produktes geschützt zu werden, das ihnen weit weniger besonderen Nutzen bietet, als in der Werbung suggeriert wird.

e) Auch die für ein Verbot erforderliche geschäftliche Relevanz einer Irreführung, § 5 Abs. 1 UWG, liegt für alle angegriffenen Werbeformate vor. Die hervorgehobenen Werbungen mit einer (neuen) Schutzwirkung vor HEV Blue Light und deren vermeintlicher Bedeutsamkeit für den Hautschutz sind geeignet, den Verbraucher zu einer Kaufentscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Berlin: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung für "unsichtbares" Hörgerät wenn die Rückholeinrichtung in der Ohrmuschel für Dritte sichtbar ist

LG Berlin
Urteil vom 25.07.2023
102 O 121/22


Das LG Berlin hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung für ein "unsichtbares" Hörgerät vorliegt, wenn die Rückholeinrichtung in der Ohrmuschel für Dritte von außen sichtbar ist. Insofern handele es sich nur um ein "fast unsichtbares" Hörgerät, dass nur als solches beworben werden dürfe. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.


OLG Hamm: Schadensersatz in Facebook-Scraping-Fällen nur wenn ein konkreter Schaden nachgewiesen wird - Verstoß gegen DSGVO und Gefühl des Kontrollverlustes seitens des Betroffenen genügt nicht

OLG Hamm
Urteil vom 15.08.2023
7 U 19/23


Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch in Facebook-Scraping-Fällen nur dann besteht, wenn ein konkreter Schaden nachgewiesen wird. Der Verstoß gegen die DSGVO und das Gefühl des Kontrollverlustes seitens des Betroffenen genügt nicht allein nicht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Leitentscheidung zu Facebook-Scraping

Das Oberlandesgericht Hamm hat ein erstes Urteil zu den sogenannten Facebook-Scraping-Fällen gesprochen und eine Klage auf Zahlung von Schadensersatz nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) abgewiesen. Nach dem Urteil liegen zwar Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften vor, einen immateriellen Schaden konnte die Klägerin jedoch nicht ausreichend darlegen.

Im April 2021 veröffentlichten Unbekannte die Daten von etwa 500 Millionen Facebook-Nutzern im Darknet, darunter Namen und Telefonnummern. Die Daten hatten die Unbekannten zuvor über einen längeren Zeitraum zunächst unter Ausnutzung der seinerzeitigen Suchfunktionen von Facebook gesammelt, weshalb von „Scraping“ gesprochen wird (von engl. to scrape für zusammenkratzen). Auch dann, wenn die Anzeige der eigenen Telefonnummer bei Facebook nicht aktiviert war, war es über die Suchfunktion möglich, einen Nutzer über eine eingegebene Telefonnummer zu identifizieren. Dies nutzen die unbekannten „Scraper“ aus, indem sie millionenfach Telefonnummern mit dem Computer generierten und hierzu Daten abriefen. Facebook deaktivierte die Suchfunktion für Telefonnummern im April 2018. Auf ein daraufhin angepasstes Scraping-Verfahren, das die Kontaktimportfunktion von Facebook ausnutzte, wurden weitere Daten abgegriffen, bis Facebook auch diese Funktion auf der Plattform im Oktober 2018 und im Facebook-Messenger im September 2019 deaktivierte.

Im Hinblick auf dieses „Datenleck“ sind bundesweit zahlreiche Klagen gegen Meta als Betreiberin der Plattform anhängig, so auch im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm, für den nunmehr die erste Entscheidung vorliegt. Der für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige 7. Zivilsenat klärt darin zahlreiche Rechtsfragen im Zusammenhang mit den Scraping-Klagen.

Auch die Klägerin im nun entschiedenen Verfahren war von dem Scraping betroffen. In dem im Darknet veröffentlichten Datensatz fanden sich ihre Mobiltelefonnummer, ihr Vor- und Nachname sowie die Angabe ihres Geschlechts. Die Klägerin hat von Meta als Betreiberin der Plattform unter anderem eine Entschädigung für immaterielle Schäden ähnlich einem Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 1.000 Euro verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Betreiberin der Plattform habe sowohl im Zusammenhang mit dem Scraping als auch unabhängig davon gegen verschiedene Vorschriften des Datenschutzes aus der DSGVO verstoßen. Dem ist Meta entgegengetreten.

Das Landgericht Bielefeld hatte die Klage zurückgewiesen. Die von der Klägerin eingelegte Berufung ist nun vor dem Oberlandesgericht Hamm ohne Erfolg geblieben. Zwar hat das Oberlandesgericht Verstöße gegen die DSGVO festgestellt. Von einem immateriellen Schaden der Klägerin konnte es sich jedoch nicht überzeugen.

Zu den festgestellten Verstößen gegen die DSGVO geht das Oberlandesgericht im Ausgangspunkt davon aus, dass es auch im Zivilprozess Aufgabe des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen – hier Meta – ist, die zulässige Verarbeitung dieser Daten nach der DSGVO nachzuweisen. Auch die Weitergabe von Daten an Dritte auf eine Suchfunktion oder eine Kontaktimportfunktion ist dabei Datenverarbeitung im Sinne der DSGVO. Meta konnte hier nicht nachweisen, dass die Weitergabe der Mobiltelefonnummer der Klägerin im Rahmen der Such- oder Kontaktimportfunktion nach der DSGVO gerechtfertigt war. Auf die Erfüllung des Vertragszwecks als Rechtfertigungsgrund nach der DSGVO kann sich Meta dabei nicht berufen, da die Verarbeitung der Mobiltelefonnummer für die Vernetzung der Nutzerinnen und Nutzer von Facebook untereinander unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Datensparsamkeit nicht zwingend erforderlich ist. Für die Verarbeitung der Mobiltelefonnummer bedarf es daher einer Einwilligung der Nutzerin oder des Nutzers. Eine solche wurde hier schon deswegen nicht wirksam erteilt, weil bei der seinerzeit erteilten Einwilligung der Klägerin in unzulässiger Weise mit von der Nutzerin auf Wunsch abwählbaren Voreinstellungen gearbeitet wurde („opt-out“) und die Informationen über die Such- und Kontaktimportfunktion unzureichend und intransparent waren.

Auch eine grundsätzlich zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung hat das Oberlandesgericht bejaht, da Meta trotz der konkreten Kenntnis von dem Datenabgriff im vorliegenden Fall naheliegende Maßnahmen zur Verhinderung weiteren unbefugten Datenabgriffs nicht ergriffen hatte.

Das Oberlandesgericht hat der Klägerin im Ergebnis aber dennoch keinen Schadensersatz zuerkannt. Die Klägerin hat hier lediglich immaterielle Schäden geltend gemacht, was nach der DSGVO grundsätzlich möglich ist und zu einer Entschädigung ähnlich einem Schmerzensgeld führen kann. Allerdings ist es der Klägerin nicht gelungen, einen konkreten immateriellen Schaden darzulegen. Dabei geht das Oberlandesgericht davon aus, dass der immaterielle Schaden nicht in dem bloßen Verstoß gegen die DSGVO selbst liegen kann, sondern darüberhinausgehende persönliche bzw. psychologische Beeinträchtigungen eingetreten sein müssen. Solche hat die Klägerin jedoch nicht individuell dargelegt. Der zu einer Vielzahl an ähnlich gelagerten Verfahren identische, pauschale Vortrag, die „Klägerpartei“ habe Gefühle eines Kontrollverlusts, eines Beobachtetwerdens und einer Hilflosigkeit, insgesamt also das Gefühl der Angst entwickelt und Aufwand an Zeit und Mühe gehabt, reicht zur Darlegung einer konkret-individuellen Betroffenheit der Klägerin nicht aus. Auch ist der hier in Rede stehende Datenmissbrauch, der zur ungewollten Veröffentlichung von Name und Mobiltelefonnummer geführt hat, nicht so schwerwiegend, dass der Eintritt eines immateriellen Schadens ohne weiteres naheliegt. Hinzu kommt, dass die Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung vor dem Landgericht lediglich ausgeführt hatte, sie habe ein „Gefühl der Erschrockenheit“ erlitten.

Das Oberlandesgericht hat den Streitwert für das gesamte Verfahren – in dem auch erfolglos weitere Anträge auf Feststellung, Unterlassung und Auskunft geltend gemacht worden waren – mit lediglich 3.000 Euro bewertet. Es hat keinen Anlass gesehen, das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen oder die Revision zuzulassen, da die entscheidenden Rechtsfragen jüngst durch den Europäischen Gerichtshof geklärt wurden.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 15. August 2023, Az. 7 U 19/23; Vorinstanz: Landgericht Bielefeld, Urteil vom 19. Dezember 2022, Az. 8 O 157/22.

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Bernhard Kuchler
Pressedezernent

Für die Entscheidung relevante Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Art. 4 – Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck: […]
2. "Verarbeitung" jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung; […]

Art. 5 – Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten
(1) Personenbezogene Daten müssen
a) auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden ("Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz");
b) für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden; eine Weiterverarbeitung für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gilt gemäß Artikel 89 Absatz 1 nicht als unvereinbar mit den ursprünglichen Zwecken ("Zweckbindung");
c) dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein ("Datenminimierung"); […]

(2) Der Verantwortliche ist für die Einhaltung des Absatzes 1 verantwortlich und muss dessen Einhaltung nachweisen können ("Rechenschaftspflicht").

Art. 6 – Rechtmäßigkeit der Verarbeitung
(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:
a) Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;
b) die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen; […]

Art. 7 – Bedingungen für die Einwilligung
(1) Beruht die Verarbeitung auf einer Einwilligung, muss der Verantwortliche nachweisen können, dass die betroffene Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt hat.
(2) Erfolgt die Einwilligung der betroffenen Person durch eine schriftliche Erklärung, die noch andere Sachverhalte betrifft, so muss das Ersuchen um Einwilligung in verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache so erfolgen, dass es von den anderen Sachverhalten klar zu unterscheiden ist. Teile der Erklärung sind dann nicht verbindlich, wenn sie einen Verstoß gegen diese Verordnung darstellen. […]

Art. 32 – Sicherheit der Verarbeitung
(1) Unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen treffen der Verantwortliche und der Auftragsverarbeiter geeignete technische und organisatorische Maßnahmen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten; […]

Art. 82 – Haftung und Recht auf Schadenersatz
(1) Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. […]