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LG München: Bestellbutton mit "Jetzt Mitglied werden" genügt nicht den Anforderungen der Buttonlösung gemäß § 312j Abs. 3 BGB

LG München
Urteil vom 19.06.2023
4 HK O 9117/22


Das LG München hat entschieden, dass ein Bestellbutton mit dem Text "Jetzt Mitglied werden" nicht den Anforderungen der Buttonlösung gemäß § 312j Abs. 3 BGB genügt.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Gemäß § 312 j Abs. 3 BGB muss ein Unternehmer bei einem Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr die Bestellsituation so gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, ist die Pflicht des Unternehmers aus Satz 1 nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar und mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist.

Dies war bei dem Button der Beklagten „Jetzt Mitglied werden“, mit dem eine Zahlungspflicht nach dem kostenlosen Probemonat ausgelöst wurde, unstreitig nicht der Fall.

Dies hat zur Folge, dass dem Kläger diesbezüglich ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 3 a UWG i.V. m. 312 j Abs. 3 Satz 2 BGB, 5 a Abs. 2, Abs. 5 UWG zusteht.

Das Argument, „zahlungspflichtig bestellen“ oder „kaufen“ bringe nicht die Dauerhaftigkeit der Vertragsbeziehung zum Ausdruck oder passe auf einen Abonnementvertrag nicht, ändert hieran nichts. Der Beklagten stünden zahlreiche Formulierungen zur Verfügung, die die Zahlungspflichtigkeit auch im Rahmen eines Abonnements unmissverständlich (nach Ablauf eines Testmonats) zum Ausdruck bringen, z. B. „kostenpflichtig abonnieren (1 Probemonat kostenlos)“.

2. Gemäß § 312 j Abs. 2 BGB muss ein Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr dann, wenn der Verbraucher durch den Vertrag zur Zahlung verpflichtet wird, der Unternehmer die Informationen gemäß Art. 246 a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 5 bis 7, 8, 14 und 15 EGBGB unmittelbar, bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung stellen.

Nach der Gesetzesbegründung (BT Drucksache 17/7 745 S. 10) sind die Voraussetzungen nach § 312 j Abs. 2 BGB nur dann erfüllt, wenn die Informationen und die Schaltfläche bei üblicher Bildschirmauflösung gleichzeitig zu sehen sind, ohne dass der Verbraucher scrollen muss.

Auch dies war bei der Website der Beklagten unstreitig nicht der Fall mit der Folge, dass die Beklagte hierdurch gegen §§ 3, 3 a UWG i.V. m. § 312 j Abs. 2 BGB verstößt und der dem Kläger hieraus deswegen ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 3 a UWG zusteht.

3. Warum sich aus der Überschrift „zufriedene Privatanleger bilden das Herzstück unseres Tuns“ für den Verbraucher ergeben soll, „ob und wie“ die Beklagte sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von echten Kunden der Beklagten stammen, erschließt sich der Kammer nicht.

Vielmehr fehlte dieser nach § 5 b Abs. 3 UWG erforderliche Hinweis auf der Website der Beklagten mit der Folge, dass dem Kläger auch diesbezüglich ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 5 b Abs. 3 UWG zusteht.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BGH liegt vor: Abbildungen von Zigarettenpackungen auf Auswahltasten von Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen müssen gesetzlich vorgeschriebene Warnhinweise zeigen

BGH
Urteil vom 26.10.2023
I ZR 176/19
Zigarettenausgabeautomat III
UWG § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4, § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1; TabakerzV § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2; Richtlinie 2014/40/EU Art. 8 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 8


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Abbildungen von Zigarettenpackungen auf Auswahltasten von Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen müssen gesetzlich vorgeschriebene Warnhinweise zeigen über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Das Vorenthaltungsverbot gemäß § 5a Abs. 1 UWG in Verbindung mit § 5b Abs. 4 UWG umfasst alle Informationen, die dem Zweck dienen, dem Verbraucher eine informierte geschäftliche Entscheidung zu ermöglichen. Das können auch Informationen sein, die den Verbraucher von einem Vertragsschluss abhalten können (beispielsweise die Nährwertdeklaration bei Lebensmitten, vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19, BGHZ 233, 193 [juris Rn. 33 und 35] - Knuspermüsli II) oder (wie die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV und Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU auf den Packungen und Außenverpackungen eines Tabakerzeugnisses anzubringenden gesundheitsbezogenen Warnhinweise) sogar davon abhalten sollen.

b) Die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Packung oder einer Außenverpackung eines Tabakerzeugnisses sind nicht allein deshalb im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV "verdeckt", weil dieses Erzeugnis in einem Warenausgabeautomaten vorrätig gehalten wird und deshalb von außen überhaupt nicht sichtbar ist (Anschluss an EuGH, Urteil vom 9. März 2023 - C-356/22, GRUR 2023, 501 = WRP 2023, 549 - Pro Rauchfrei II).

c) "Abbildungen von Packungen" im Sinne von § 11 Abs. 2 TabakerzV liegen auch dann vor, wenn es sich bei (hier auf einem Ausgabeautomaten für Zigaretten angebrachten) Abbildungen zwar nicht um naturgetreue Abbilder von Zigarettenpackungen handelt, der Verbraucher die Abbildungen aber aufgrund ihrer Gestaltungen hinsichtlich Umrissen, Proportionen, Farben und Markenlogo mit Zigarettenpackungen assoziiert (Anschluss an EuGH, Urteil vom 9. Dezember 2021 - C-370/20, GRUR 2022, 93 = WRP 2022, 159 - Pro Rauchfrei I).

BGH, Urteil vom 26. Oktober 2023 - I ZR 176/19 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Nürnberg: Ausschöpfen der gesetzlichen Berufungsfrist und Berufungsbegründungsfrist im einstweiligen Verfügungsverfahren regelmäßig nicht dringlichkeitsschädlich

OLG Nürnberg
Urteil vom 24.10.2023
3 U 965/23


Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass das Ausschöpfen der gesetzlichen Berufungsfrist und Berufungsbegründungsfrist im einstweiligen Verfügungsverfahren regelmäßig nicht dringlichkeitsschädlich ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
"Der Verfügungsanspruch des Verfügungsklägers ergibt sich aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG.

1. Ein Werbeanruf gegenüber einem Verbraucher ist bei den unstreitig im November 2022 und am 08.12.2022 erfolgten Anrufen jeweils zu bejahen. Dazu genügt es, wenn im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses die Fortsetzung oder Erweiterung der Vertragsbeziehung (vgl. BGH GRUR 1995, 220 – Telefonwerbung V; OLG Frankfurt GRUR-RR 2013, 74 (75)) angestrebt wird; ferner, wenn ein Kunde abgeworben oder ein abgesprungener Kunde zur Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung bestimmt werden soll (und sei es auch nur durch Befragen nach den Gründen seines Wechsels; vgl. BGH GRUR 1994, 380 (382) – Lexikothek) oder ein Kunde von der Ausübung eines Vertragsauflösungsrechts (Widerruf, Rücktritt, Kündigung, Anfechtung) abgehalten oder abgebracht werden soll (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 151).

2. Die Verfügungsbeklagte bleibt bei beiden Anrufen glaubhaftmachungsbelastet für das Vorliegen einer ausdrücklichen Einwilligung.

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Einwilligung trägt der Werbende (BGH GRUR 2004, 517 (519) – E-Mail-Werbung I; BGH WRP 2013, 1579 Rn. 24 – Empfehlungs-E-Mail), im vorliegenden Fall somit die Verfügungsbeklagte. Wer mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher wirbt, hat nach § 7a UWG ab dem 01.10.2021 sogar dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung in angemessener Form zu dokumentieren und gemäß § 7a Abs. 2 S. 1 UWG aufzubewahren.

Hinsichtlich des Anrufs Anfang November 2022 behauptet die Verfügungsbeklagte eine Einwilligung nicht. Vielmehr ist unstreitig, dass Frau B. gegenüber der Verfügungsbeklagten – nachdem sie die Riesterrente im Oktober 2022 beitragsfrei stellte – am 18.10.2022 per E-Mail (Anlage ASt 6) eine etwaig von ihr erteilte Einwilligung zur Kontaktaufnahme widerrief, was der Verfügungsbeklagten auch zuging (Anlage ASt 7). Auf die Anfrage der Verfügungsbeklagten vom 31.10.2022 zur Vereinbarung eines Termins (Anlage AG 1) reagierte Frau B. nicht.

In Bezug auf den zweiten Anruf vom 08.12.2022 steht eine Einwilligung von Frau B. zwischen den Parteien im Streit. Während die Verfügungsbeklagte durch eidesstattliche Versicherung von Frau N. (Anlage AG 3) glaubhaft machte, dass Frau B. beim ersten Anruf im November ihr mitgeteilt habe, dass sie sich im Augenblick des Telefonats in der Arbeit befinde und deshalb um einen weiteren Anruf „in den nächsten Tagen“ bat, machte der Verfügungskläger durch eidesstattliche Versicherung von Frau B. (Anlage ASt 8) glaubhaft, dass ein derartiger Wunsch von ihr nicht geäußert worden sei. Vielmehr habe sie in diesem Telefonat mitgeteilt, dass sie – wie beim letzten Telefonat bereits erwähnt – kein Interesse an einem Termin habe und jetzt nur ran gegangen sei, um nochmal klar zu kommunizieren, dass die Verfügungsbeklagte aufhören solle, sie zu kontaktieren. Aufgrund der sich widersprechenden eidesstattlichen Versicherungen bleibt die Verfügungsklägerin für eine Einwilligung glaubhaftmachungsbelastet, zumal eine hinreichende Dokumentation i.S.v. § 7a UWG von ihr nicht behauptet wird.

II.Es besteht auch ein Verfügungsgrund. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG ist nicht widerlegt.

1. Die Vermutung der Dringlichkeit gilt als widerlegt, wenn der Verfügungskläger durch sein Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass es „ihm nicht eilig ist“. Das ist der Fall, wenn er längere Zeit zuwartet, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt oder grob fahrlässig nicht kennt. Entscheidend ist dabei allein der Zeitpunkt, zu welchem der Verfügungsklagepartei die maßgeblichen Tatsachen bekannt geworden sind (OLG Nürnberg, GRUR-RR 2019, 131, Rn. 46 – Schnupfenmittel; OLG Nürnberg WRP 2021, 944 Rn. 38).

2. Im vorliegenden Fall ist die Vermutung der Dringlichkeit nicht durch zögerliche Antragstellung (selbst) widerlegt. Der Verfügungskläger führte auf den gerichtlichen Hinweis in der Terminsladung aus, dass er von den beiden Telefonanrufen vom November 2022 und 08.12.2022 am 21.12. oder 22.12. Kenntnis erlangt habe und dass am 23.12. Frau B. dann die Belege (Anlagen ASt 6, 7, 9 sowie den in ihrer eidesstattlichen Versicherung wiedergegebenen Screenshot des Telefonanrufs) übersandt habe. Nachdem der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 17.01.2023 datiert, erfolgte die Antragstellung innerhalb der Monatsfrist.

Dass die Verfügungsbeklagte den Zeitpunkt der Kenntniserlangung bestreitet, führt zu keiner anderen Beurteilung. Grundsätzlich ist es Sache der Verfügungsbeklagten, die Dringlichkeitsvermutung zu widerlegen, also eine frühere Kenntnis auf Seiten des Verfügungsklägers darzulegen und glaubhaft zu machen (OLG Hamburg, MDR 2002, 1026, juris-Rn. 26). Nur wenn objektive, darauf hindeutende Umstände vorliegen, dass der Verletzte bereits vor mehr als einem Monat vor Einleitung des Verfügungsverfahrens Kenntnis von der Verletzungshandlung erlangt hat, obliegt es ihm, vorzutragen und glaubhaft zu machen, dass dies nicht zutrifft (OLG München, GRUR 1994, 670 [Leitsatz], MDR 1993, 688, juris-Rn. 5). Derartige objektive Umstände sind im vorliegenden Fall weder von der Verfügungsbeklagten dargetan noch ersichtlich. Zwar erfolgten die streitgegenständlichen Telefonanrufe bereits im November 2022 und 08.12.2022. Es ist jedoch keineswegs unplausibel, dass die Kundin des Verfügungsklägers, Frau S. B., diesen anlässlich eines Kundengesprächs erst am 21.12. oder 22.12.2022 über die Anrufe informierte. Dieses Datum passt auch in den vom Verfügungskläger geschilderten weiteren zeitlichen Ablauf (Übersendung der Belege durch Frau B. am 23.12.2022, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch Frau B. am 28.12.2022).

Eine andere Beurteilung ist auch nicht aufgrund der eidesstattlichen Versicherung von Frau N. vom 16.03.2023 veranlasst, in welcher Frau N. ausführte,
„dass Frau B. mir erklärte, dass sie sich unterdessen mit ihrem Berater besprochen hätte, der ihr gesagt habe, dass sie den Riestervertrag beitragsfrei gestellt lassen solle und dass sie sich auf kein Gespräch einlassen solle.“

Zum einen bestätigt Frau B. eine derartige Äußerung in ihrer eidesstattlichen Versicherung nicht. Zum anderen ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung nicht, ob Frau B. mit Berater den Verfügungskläger meinte. Schließlich kann den Ausführungen nicht entnommen werden, ob Frau B. ihren Berater auch über die unzulässigen Telefonanrufe informierte.

3. Das Ausschöpfen der zur Einlegung und Begründung der Berufung gesetzlich vorgesehenen Fristen (§ 517, § 520 Abs. 2 ZPO) ist im vorliegenden Fall nicht dringlichkeitsschädlich.

Zwar haben die gesetzlichen Berufungseinlegungs- und -begründungsfristen mit der Dringlichkeit an sich nichts zu tun (Teplitzky, WRP 2013, 1414 Rn. 10 ff.). Die Funktion der Rechtsmittelfristen ist es, in Zivilverfahren einen für beide Parteien verlässlichen zeitlichen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen ein Rechtsmittel zulässig ist. Diese Funktion wird vom Ergebnis der Dringlichkeitsprüfung nicht berührt, da das Rechtsmittel auch dann zulässig bleibt, wenn der Verfügungsgrund verneint wird.

Dennoch schließt sich der Senat der im Wettbewerbsrecht weit überwiegend vertretenen Auffassung an, wonach das volle Ausschöpfen der gesetzlichen Berufungseinlegungs- und -begründungsfristen in der Regel nicht dringlichkeitsschädlich ist (MüKoUWG/Schlingloff, 3. Aufl. 2022, UWG § 12 Rn. 89; Köhler/Feddersen, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 12 Rn. 2.16; OLG Bremen, GRUR-RR 2015, 345 – rent a rentner; OLG München, GRUR-RR 2016, 499 Rn. 77 – Verkaufsaktion für Brillenfassungen; OLG Hamburg, GRUR-RR 2018, 27 Rn. 36 – HSA FREI). Die Ausschöpfung der Berufungsbegründungsfrist ist den Berufungsführern gesetzlich zugestanden; im Hinblick auf die Länge dieser Fristen differenziert das Gesetz – was man rechtspolitisch kritisieren können mag – nicht zwischen Hauptsache- und Eilverfahren. Der Gesetzgeber gibt damit zu erkennen, dass er die Zeit von insgesamt 2 Monaten für ausreichend, aber auch erforderlich hält, um das Rechtsmittel in der gebotenen Weise zu begründen, was sich mittelbar auch auf die Frage der Dringlichkeitsschädlichkeit auswirkt. Solange die Partei nur die ihr gesetzlich eingeräumten Fristen wahrnimmt, dürfen aus dem damit in Zusammenhang stehenden (zulässigen) prozessualen Verhalten auch aus Rechtssicherheitsgründen grundsätzlich keine Rückschlüsse für die Frage gezogen werden, wie eilig es ihr damit ist, ihr Ziel im einstweiligen Rechtsschutz zu erreichen.

Entgegen der Argumentation des Vertreters der Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung liegt darin auch kein Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung des Senats, dass die Beantragung und Ausnutzung einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist regelmäßig dringlichkeitsschädlich ist. Eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist setzt nach § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO besondere Umstände voraus, insbesondere das Fehlen einer Verzögerung oder erhebliche Gründe. Die Verlängerung stellt damit nach der Gesetzessystematik einen begründungsbedürftigen Ausnahmefall dar. Es gilt in diesem Fall daher nicht mehr die Wertung des Gesetzgebers, dass die in prozessualer Hinsicht zur Berufungsbegründung zur Verfügung stehende Frist auch im Hinblick auf die Dringlichkeit in der Regel als unbedenklich angesehen werden kann.

Lediglich in eng begrenzten Ausnahmefällen kann eine Selbstwiderlegung durch verzögertes Betreiben des Verfahrens auch bei der Einhaltung der Rechtsmittelfristen entfallen. Ein solcher Sonderfall kommt im Rahmen der Gesamtwürdigung allenfalls in Betracht, wenn zum einen eine tatsächlich und rechtlich äußerst einfache Fallgestaltung gegeben ist, bei der keinerlei weitere tatsächliche Ermittlungen anzustellen und keine weiteren Glaubhaftmachungsmittel zu beschaffen sind, und wenn zum anderen der Verfügungskläger auch durch sein sonstiges Verhalten zum Ausdruck bringt, dass ihm selbst die Sache nicht so eilig ist. Vorliegend handelt es sich weder um eine äußerst einfache Fallgestaltung, da das Landgericht die erlassene einstweilige Verfügung wegen des Nichteinhaltens der Vollziehungsfrist aufhob, noch sind weitere Aspekte dargetan oder ersichtlich, die demonstrieren würden, dass der Verfügungskläger das Verfahren in der Berufungsinstanz nicht mit der gebotenen Zügigkeit betreibt. Insbesondere musste sich die Verfügungsklägerin nach dem die Verfügung aufhebenden Ersturteil erstmals mit den tatsächlichen und rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Wahrung der Vollziehungsfrist befassen.

III. Die Beschlussverfügung wurde innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO ordnungsgemäß zugestellt.

1. Nach § 929 Abs. 2, § 936 ZPO ist die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung unstatthaft, wenn seit dem Tag, an dem der Arrestbefehl/das Verfügungsurteil verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er erging, zugestellt wurde, ein Monat verstrichen ist. Bei einer Anordnung durch Beschluss wird diese Frist mit dessen Amtszustellung an den Gläubiger (vgl. § 329 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 ZPO) in Gang gesetzt. In dem Falle, dass der Antragsgegner bereits einen Prozessbevollmächtigten bestellt hatte, kann wirksam nur an diesen zugestellt werden (§ 191, § 172 Abs. 1 ZPO).

Grundsätzlich liegt in dem Umstand, dass ein Anwalt eine Partei im vorgerichtlichen Abmahnverfahren vertritt, nicht automatisch eine Bestellung für ein nachfolgendes Gerichtsverfahren, auch wenn vorprozessual mitgeteilt wurde, dem Anwalt sei Zustellungsvollmacht erteilt (OLG Düsseldorf, GRUR 2005, 102 – Elektronischer Haartrockner; OLG Hamburg, GRUR-RR 2006, 355 – Stadtkartenausschnitt). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass dann, wenn sich ein Prozessvertreter (nur) für das Hauptsacheverfahren angezeigt hat, im Regelfall Zustellungen im Verfügungsverfahren wirksam an die Partei selbst vorgenommen werden können (OLG Nürnberg, NJOZ 2002, 1175).

2. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs genügt die nicht näher spezifizierte Mitteilung im anwaltlichen Schreiben vom 09.01.2023 nicht, damit wirksam nur an den Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten zugestellt werden konnte. Das Schreiben erfolgte in Reaktion auf die vorgerichtliche Abmahnung, darin wurde lediglich die (außergerichtliche) anwaltliche Vertretung der Verfügungsbeklagten und die (allgemeine) Zustellungsbevollmächtigung angezeigt.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht wegen des pauschalen Vortrags der Verfügungsbeklagten veranlasst, wonach eine Vielzahl von Parallelverfahren zwischen den Parteien bestünde, bei denen die Verfügungsbeklagte immer von den hiesigen Prozessbevollmächtigten außergerichtlich und gerichtlich vertreten worden sei. Denn der Verfügungskläger trägt unwidersprochen vor, dass es sich bei dem Streitfall um den ersten Aktivprozess handele, den er über seine Prozessbevollmächtigten gegen die hiesige Verfügungsbeklagte eingeleitet habe. Alle vorangehenden Gerichtsverfahren – darunter lediglich zwei Verfügungsverfahren – seien hingegen von der Verfügungsbeklagten eingeleitet worden. Eine tatsächliche Übung, wonach bei einer Anzeige der Bevollmächtigung in einem anwaltlichen Schreiben, die als Reaktion auf eine vorgerichtliche Abmahnung erfolgte, auch eine Prozessvertretung im gerichtlichen Verfahren einschließlich Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes umfasst ist, konnte damit nicht entstehen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: MVZ-GmbH ist nicht an Vorgaben der GOÄ gebunden da Normadressat nur Ärzte nicht aber Kapitalgesellschaften sind

OLG Frankfurt
Beschluss vom 21.09.2023
6 W 69/23


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine MVZ-GmbH nicht an die Vorgaben der GOÄ gebunden ist, da Normadressat nur Ärzte nicht aber Kapitalgesellschaften sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
Ob der Antragstellerin ein Dringlichkeitsverlust vorzuwerfen kann ebenso dahinstehen wie die Frage, ob die Parteien Mitbewerber im Sinne von § 2 Nr. 1 UWG sind, da der Antragstellerin jedenfalls ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 III Nr. 1, 3a UWG i.V.m. §§ 1,5 GoÄ nicht zustehen würde.
[...]
Die Antragsgegnerin ist nicht Normadressatin der GoÄ. Adressat der GOÄ sind ausschließlich Ärzte als Vertragspartner des Patienten aus dem Behandlungsvertrag (§ 1 Abs 1 GOÄ). Hingegen ist die GOÄ nicht verbindlich im Verhältnis des Patienten zu einer Kapitalgesellschaft als Leistungserbringer und Behandelnder iSd § 630a Abs 1 BGB (Prütting/Hübner § 1 GOÄ Rn. 7; Spickhoff/Spickhoff § 1 GOÄ Rn. 6 unter Hinweis auf BSGE 111, 289; Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts, 5. Auflage 2019, Rnr. 4; Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 3. Auflage 2006). Eine Ärzte-GmbH oder MVZ-GmbH sind also nicht verpflichtet, ihre Leistungen an Selbstzahlern nach GOÄ abzurechnen. Sie können also – anders als Ärzte – freie Preise vereinbaren. Diesem Verständnis von dem Anwendungsbereich der GoÄ folgt auch der Bundesgerichtshof, wenn er die Anwendbarkeit im Verhältnis zwischen Arzt (zum Beispiel in seiner Eigenschaft als Honorararzt) und Krankenhausträger ablehnt (BGH NJW 2019, 1519, Rnr. 13; BGH NJW 2015, 1375, Rnr. 14). In der Folge ist die Antragsgegnerin nicht gehindert, mit Patienten Behandlungsverträge nach § 630a BGB (die weder formbedürftig noch exklusiv
Ärzten vorbehalten sind) abzuschließen und hierbei das Honorar unabhängig von GoÄ frei zu vereinbaren.



LG Berlin: LinkedIn darf Do-Not-Track-Einstellung des Browsers nicht ignorieren - Zustimmung zur Sichtbarkeit von Profildaten außerhalb von Linkedin darf nicht vorkonfiguriert sein

LG Berlin
Urteil vom 24.08.2023
16 O 420/19


Das LG Berlin hat entschieden, dass LinkedIn die Do-Not-Track-Einstellung des Browsers nicht ignorieren darf. Ferner darf die Zustimmung zur Sichtbarkeit von Profildaten außerhalb von Linkedin nicht vorkonfiguriert sein.

Aus den Entscheidungsgründen:
d) Die beanstandete Mitteilung verstößt gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 7 UWG.

aa) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG irreführend, wenn sie unwahre Angaben (Fall 1) oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über — nachfolgend aufgezählte - Umstände enthält (Fall 2). Nach 8 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 7 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über Rechte des Verbrauchers enthält.

[...]
Die von der Beklagten im eigenen Geschäftsinteresse getätigte Mitteilung, nicht auf DNT-Signale zu reagieren, ist bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet, Verbraucher davon abzuhalten, bei der Nutzung des Internet-Angebots der Beklagten DNT-Signale einzusetzen oder, falls sie es dennoch tun, den von ihnen damit verfolgten Zweck gegenüber der Beklagten tatsächlich geltend zu machen.
[...]

Die Mitteilung transportiert aber implizit die Rechtsansicht, die der Kläger ihr mit seiner Antragsformulierung beimisst. Die Beklagte bringt nämlich zum Ausdruck, dass sie ein DNT-Signal nicht als wirksamen Widerspruch eines Verbrauchers gegen eine Nachverfolgung seines Nutzerverhaltens ansieht. Dabei wird unterstellt, dass die Beklagte sich nicht bewusst’ rechtswidrig verhalten und trotz eines wirksamen Widerspruchs eines Verbrauchers dessen Daten verarbeiten will. Worauf sich die Beklagte bezieht, wenn sie von einem DNT-Signal spricht, erläutert sie in dem unter Ziff, 5.4 ihrer Datenschutzrichtlinie unter „Erfahren Sie mehr“ verlinkten Dokument (Anlage K 10). Sie erklärt ein DNT-Signal wie folgt: „Derzeit bieten einige Browser — darunter Internet Explorer, Firefox und Safari — eine DNT-Option an, die auf einer DNT-Kopfzeile basiert. Diese Technologie sendet ein Signal an die von dem Browser besuchten Webseiten über die DNT-Einstellungen des Nutzers.“ Bei der in Anlage K 13 wiedergegebenen angegriffenen Mitteilung handelt es sich allerdings nicht um eine im Rahmen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung geäußerte Rechtsansicht, die gemäß der oben dargestellten Rechtsprechung privilegiert wäre. Sie ist nicht eingebettet in den Kontext einer rechtlichen Auseinandersetzung, in der die Beklagte gegenüber einem Dritten ihre Rechte geltend macht oder verteidigt. Vielmehr befindet sie sich in der Datenschutzrichtlinie der Beklagten, mit der die Beklagte allen ihren Nutzern Informationen zum Datenschutz in dem von ihr betriebenen Netzwerk vermittelt. Die Beklagte behauptet mit der angegriffenen Mitteilung eine eindeutige Rechtslage, die der angesprochene Kunde als Feststellung versteht. Sie suggeriert dem angesprochenen Verbraucher, dass sie nicht verpflichtet ist, DNT-Signale zu beachten, und vermittelt den Eindruck, dass dies rechtskonform ist. Dass sie auf ein rechtskonformes Verhalten Wert legt, unterstreicht die Beklagte durch die einleitende Versicherung, Privatsphäre und Datenschutz sehr ernst zu nehmen. Der angesprochene Kunde kann die Mitteilung in ihrer Gesamtheit nicht anders verstehen, als dass die Benutzung eines DNT-Signals rechtlich irrelevant ist und die Beklagte ein solches Signal nicht zu beachten braucht.

ddd) Diese von der Beklagten vermittelte Rechtsansicht ist jedoch nicht zutreffend. Vielmehr stellt ein DNT-Signal durchaus einen wirksamen Widerspruch gegen eine Datenverarbeitung dar. Das ergibt sich aus Art. 21 Abs. 5 DSGVO. (i) Gemäß Art. 21 Abs. 5 DSGVO kann eine betroffene Person im Zusammenhang mit der Nutzung von Diensten der Informationsgesellschaft ihr — etwa aufgrund Art. 21 Abs. 1 oder Abs. 2 DSGVO begründetes — Widerspruchsrecht mittels automatisierter Verfahren ausüben, bei denen technische Spezifikationen verwendet werden. (ii) Bei dem von der Beklagten betriebenen sozialen Netzwerk handelt es sich um einen Dienst der Informationsgesellschaft in diesem Sinne. Ein Dienst der Informationsgesellschaft ist gemäß Art. 4 Ziff. 25 DSGVO eine Dienstleistung im Sinne des Art. 1 Nr. 1 lit. b der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates, also jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung. Darunter fallen auch Internetangebote wie die sozialen Medien (Kühling/Buchner/Herbst, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 21 Rn. 42; Paal/Pauly/Martini, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 21 Rn. 74). (ii) Das DNT-Signal stellt ein automatisiertes Verfahren dar, das technische Spezifikationen verwendet, und damit unter Art. 21 Abs. 5 DSGVO fällt (Kühling/Buchner/Herbst, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 21 Rn. 43; Gola/Heckmann/Schulz, 3. Aufl. 2022, DS-GVO Art. 21 Rn. 35; Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Atzert, 2. Aufl. 2020, DS-GVO/BDSG, Artikel 21 Widerspruchsrecht, Rn. 103;. Spindler/Schuster/Spindler/Dalby, 4. Aufl. 2019, DS-GVO Art. 21 Rn. 16; Albrecht/Jotzo, Das neue Datenschutzrecht der EU (2017), Teil 4: Individuelle Datenschutzrechte Rn. 27, beck-online; Schantz/Wolff, Das neue Datenschutzrecht (2017), Rn. 1235, beck-online). Soweit vereinzelt Zweifel geäußert werden, ob DNT-Signale den Anforderungen von Art. 21 DSGVO genügen, weil ein Widerspruch eine aktive und bewusste Handlung erfordere, die nicht vorliege, wenn stillschweigend und unter Umständen unbewusst eine Voreinstellung nur übernommen werde (BeckOK DatenschutzR/Forgö, 44. Ed. 1.11.2021, DS-GVO Art. 21 Rn. 29), greift dieser Einwand nicht durch. Es ist anzunehmen, dass der Verordnungsgeber diese Ausnahme bewusst implementieren wollte (s. Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Atzert, 2. Aufl. 2020, DS-GVO/BDSG, Artikel 21 Widerspruchsrecht, Rn. 105). Dies entspricht auch dem Zweck 16 0 420/19 - Seite 18 - der DSGVO, die Wahrnehmung von Betroffenenrechten zu erleichtern. q Dem steht auch nicht entgegen, dass das DNT-Signal bei der Einführung des TTDSG zum 1. Dezember 2021 keine ausdrückliche Berücksichtigung gefunden hat.

[...]

2. Der Klageantrag zu 2 ist ebenfalls begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der standardmäßigen Aktivierung von Funktionen zur Sichtbarkeit von Profilinformationen von Mitgliedern außerhalb LinkedIn, wie im Antrag spezifiziert, aus 88 3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7, 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG.

[...]

b) Gegenstand des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsantrags ist auch hier die konkrete Verletzungsform, wie im Klageantrag zu 2 durch Abbildung der von der Beklagten verwendeten Voreinstellungen spezifiziert. Der Kläger wendet sich mit dem Klageantrag zu 2 dagegen, dass die Beklagte bei der erstmaligen Anmeldung von Nutzern Voreinstellungen verwendet in der Weise, dass sowohl ein Schalter „Sichtbarkeit außerhalb LinkedIn“ als auch ein Schalter „Öffentliche Sichtbarkeit Ihres Profils" von vornherein aktiviert ist. Die Aktivierung hat zur Folge, dass personenbezogene Daten der Nutzer in Partnerdiensten der Beklagten angezeigt und im Internet für jedermann sichtbar veröffentlicht werden. Der Kläger wendet sich nach Maßgabe des Antrags nicht gegen diese Veröffentlichung, also die Datenverarbeitung, sondern gegen die Voreinstellungen an sich.

c) Die beanstandeten Voreinstellungen verstoßen gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 7 UWG.

aa) Die Voreinstellungen sind eine geschäftliche Handlung im Sinne von & 5 Abs. 1 UWG. Dem Begriff der geschäftlichen Handlung unterfällt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG das Verhalten einer Person zugunsten des eigenen Unternehmens bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt. Die beanstandeten Voreinstellungen, die Nutzer der Beklagten bei erstmaliger Anmeldung vorfinden, stehen in Zusammenhang mit einem Geschäftsabschluss und sind bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet, die Entscheidung des Verbrauchers über den Umfang, in dem er seine Daten zur Verarbeitung zur Verfügung stellt, zu beeinflussen. Stellt der Verbraucher seine Daten in möglichst großem Umfang zur Verfügung, fördert das die Sichtbarkeit und Reichweite des von der Beklagten betriebenen Netzwerks in deren Geschäftsinteresse.

bb) Die Voreinstellungen sind zur Täuschung geeignete Angaben über Verbraucherrechte im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG.

aaa) Der Streitfall betrifft auch hinsichtlich des Klageantrags zu 2 eine geschäftliche Handlung, die sich einem der in § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UWG aufgeführten Bezugspunkte einer Irreführung zuordnen lässt, nämlich den in § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 7 UWG genannten Rechten des Verbrauchers. Wie oben unter IV. 1. d) cc) aaa) ausgeführt, hat der Begriff der Rechte des Verbrauchers eine weite Bedeutung und erfasst nicht nur Angaben über die Existenz bestimmter Rechte, sondern auch über deren Inhalt, Umfang und Dauer sowie etwaige Voraussetzungen für die Geltendmachung. Die streitgegenständlichen Voreinstellungen betreffen das Recht des Verbrauchers, in eine Veröffentlichung seiner Daten auf bestimmten Wegen einzuwilligen oder nicht. bbb) Die angegriffenen Voreinstellungen der Beklagten sind eine Angabe im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG. Sie stellen eine Geschäftshandlung mit Informationsgehalt dar, da sie die Information vermitteln, dass die Beklagte von dem Nutzer eingegebene Daten mit dessen Einwilligung über Partnerdienste bzw. öffentlich zugänglich macht.

bbb) Die angegriffenen Voreinstellungen der Beklagten sind eine Angabe im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG. Sie stellen eine Geschäftshandlung mit Informationsgehalt dar, da sie die Information vermitteln, dass die Beklagte von dem Nutzer eingegebene Daten mit dessen Einwilligung über Partnerdienste bzw. öffentlich zugänglich macht.

ccc) Die Voreinstellungen sind im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 7 UWG zur Täuschung über Verbraucherrechte geeignet.


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OLG Hamburg: Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands nach § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG gilt nur wenn besondere Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens besteht

OLG Hamburg
Urteil vom 07.09.2023
5 U 65/22


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands nach § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nur für Fallkonstellationen gilt, bei denen von einer besonderen Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens auszugehen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Klage – soweit sie Gegenstand des Berufungsverfahrens ist – ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist die örtliche Zuständigkeit der Hamburger Gerichte gem. § 14 Abs. 2 S. 2 UWG zu bejahen. Für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch auf Grund des UWG geltend gemacht wird, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, § 14 Abs. 2 S. 1 UWG. Gem. § 14 Abs. 2 S. 2 UWG ist für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend gemacht wird, außerdem das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde. Vorliegend wurde die Zuwiderhandlung auch in Hamburg begangen. Mit dem Begehungsort ist sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort gemeint (Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 14 Rn. 16). Erfolgsort ist der Ort, an dem das durch die fragliche Norm geschützte Rechtsgut nach dem Vortrag des Klägers verletzt wurde (Tolkmitt in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 14 Rn. 100). Bei über das Internet verbreiteten Inhalten ist der Erfolgsort überall dort, wo der Inhalt abgerufen werden kann (vgl. Scholz in BeckOK UWG, 21. Ed., § 14 Rn. 51). Ob es darüber hinaus auf den bestimmungsgemäßen Abruf ankommt (vgl. BGH GRUR 2018, 935 Rn. 18 f. – goFit; BGH GRUR 2016, 1048 Rn. 18 – An Evening with Marlene Dietrich), kann offenbleiben, da sich das Video des Beklagten an ein bundesweites und nicht nur an ein regional begrenztes Publikum richtet.

Randnummer55
§ 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG steht der Zuständigkeit der Hamburger Gerichte nicht entgegen. Gem. § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG gilt § 14 Abs. 2 S. 2 UWG nicht für „Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien“. Vorliegend handelt es sich nicht um eine hiervon umfasste Rechtsstreitigkeit.

Randnummer56
a. Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob die in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG enthaltene Begrenzung des „fliegenden Gerichtsstands“ einschränkend auszulegen ist. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG – wie § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG – nur auf im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangene Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten anzuwenden sei (OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2022, 135 Rn. 11; LG Hamburg Beschl. v. 26.8.2021 – 327 O 214/21, GRUR-RS 2021, 29072 Rn. 2; LG Hamburg Urt. v. 20.04.2023 – 312 O 58/22, GRUR-RS 2023, 20801 Rn. 37; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl., § 14 Rn. 29; Sosnitza GRUR 2021, 671 (678); vgl. auch Wagner/Kefferpütz WRP 2021, 151 Rn. 35 ff.). Andere legen die Vorschrift dahingehend aus, dass § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nur Fälle einer spezifischen Verletzung von Regelungen erfasse, die sich gerade auf spezialgesetzliche Vorgaben zu Darstellungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien bezögen, also tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpften (LG Düsseldorf GRUR-RR 2021, 330 Rn. 3 ff.; LG Düsseldorf GRUR-RR 2021, 333 Rn. 8 ff.; Doepner/Reese in BeckOK HWG, 10. Ed., HWG Einleitung Rn. 380). Wiederum andere vertreten die Ansicht, es sei eine einschränkende Auslegung (nur) dahingehend vorzunehmen, dass nur Rechtsverletzungen erfasst werden, die ausschließlich in Telemedien verwirklicht werden (LG Stuttgart Beschl. v. 27.10.2021 – 11 O 486/21, GRUR-RS 2021, 35486; Rüther, WRP 2021, 726, 731). Nach Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 14 Rn. 21a und 21b, sei eine mit Blick auf § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG reduzierende Auslegung des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG abzulehnen. Dies stehe allerdings einer teleologischen Reduktion in Einzelfällen, die nicht das vom Gesetzgeber adressierte Missbrauchspotential aufwiesen, nicht entgegen. Der Anwendungsbereich der Regelung erfasse nur Rechtsverletzungen, die ausschließlich in Telemedien verwirklicht werden, indem etwa durch den Inhalt eines im Internet angezeigten Angebots oder einer Internet-Werbung gegen lauterkeitsrechtliche Vorschriften verstoßen werde (vgl. auch Feddersen, WRP 2021, 713, 718). Schließlich wird zum Teil eine Reduktion des Anwendungsbereichs der Norm insgesamt abgelehnt (OLG Düsseldorf GRUR 2022, 183 Rn. 36 ff.; OLG Düsseldorf GRUR 2021, 984 Rn. 19 ff., wobei das Gericht es offenlässt, ob die Auffassung zutrifft, dass Rechtsverletzungen nicht erfasst werden, die nicht ausschließlich in Telemedien verwirklicht werden; Tolkmitt in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 14 Rn. 85; vgl. auch Scholz in BeckOK UWG, 21. Ed., § 14 Rn. 60).

b. Nach Auffassung des Senats ist § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG dahingehend auszulegen, dass von der Beschränkung des Wahlrechts aus § 14 Abs. 2 S. 2 UWG im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien jedenfalls diejenigen Fälle ausgenommen sind, in denen nicht von einer besonderen Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens auszugehen ist.

Zwar lässt der Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG bei isolierter Betrachtung eine solche Beschränkung der Ausnahme vom fliegenden Gerichtsstand nicht erkennen. Auch ist bei einer systematischen Betrachtung festzustellen, dass der Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG vom Wortlaut des § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG abweicht, wonach der Anspruch auf Ersatz der für eine Abmahnung erforderlichen Aufwendungen ausgeschlossen ist bei im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangenen Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten.

Allerdings ergibt sich aus der Historie der Gesetzesentstehung und dem Sinn und Zweck der Vorschrift eine Auslegung, wonach jedenfalls solche Fälle von Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien vom Anwendungsbereich ausgenommen sind, in denen nicht von einer besonderen Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens auszugehen ist.

Während § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG in der Fassung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 17.05.2019 bereits den Wortlaut aufwies, dass der Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen nach § 13 Abs. 3 UWG für Anspruchsberechtigte nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ausgeschlossen ist bei „im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangenen Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten“, lautete § 14 Abs. 2 UWG-E in der Fassung des Entwurfs der Bundesregierung vom 17.05.2019 noch:

„Für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend gemacht wird, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Nur wenn sich die geschäftliche Handlung an einen örtlich begrenzten Kreis von Marktteilnehmern wendet, ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde. Das Gericht, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde, ist ferner zuständig, wenn der Beklagte im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat.“

In der Begründung hierzu hieß es u.a., dass der „fliegende Gerichtsstand“ eine Benachteiligung für den Beklagten darstelle, weil sich der Kläger ein Gericht in seiner Nähe aussuchen könne oder ein Gericht, das eher in seinem Sinn über den Streitwert entscheide. Für Abgemahnte bedeute eine angedrohte Klage an einem weit entfernten Gericht eine Belastung, die sie oft dazu bewege, sich nicht gegen die Forderungen zu wehren und die geforderte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen (BT-Drs. 19/12084, S. 35).

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hielt die Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes für zu weit und schlug dem Bundestag daher die Fassung des § 14 Abs. 2 UWG vor, die letztlich auch Gesetz wurde (BT-Drs. 19/22238, S. 8; vgl. auch Lerach, jurisPR-WettbR 3/2021 Anm. 5; Motejl/Rosenow, WRP 2021, 699 (703 f.)). Im Bericht des Ausschusses heißt es, dass die Änderungen auf einem Änderungsantrag beruhen, den die Fraktionen der CDU/CSU und SPD in den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eingebracht haben. Die Begründung zu der geänderten Fassung lautet:

„Die Einschränkung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung wird auf die in diesem Zusammenhang besonders missbrauchsanfälligen Verstöße beschränkt, die auf Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden. Da der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung grundsätzlich besteht, kann die im Regierungsentwurf enthaltene Eröffnung für Handlungen, die sich an einen örtlich begrenzten Kreis von Teilnehmern richten, entfallen. Aus diesem Grund wird die im Regierungsentwurf entfallene Beschränkung des § 14 Absatz 2 Satz 2 UWG wieder vorgesehen.“ (BT-Drs. 19/22238, S. 18).

Außerdem wird im Bericht des Ausschusses aus einer Petition der CDU/CSU-Fraktion zitiert (BT-Drs. 19/22238, S. 16). Auszugsweise heißt es:

„Entscheidend sei, dass mit dem vorliegenden Gesetzesvorschlag in den Fällen, in denen über potentielle Verstöße im Internet massenhaft Abmahnungen konstruiert würden, der finanzielle Anreiz genommen werde. […] Hinsichtlich des ‚fliegenden Gerichtsstandes‘ sei in der Sachverständigenanhörung sowie in vielen Gesprächen deutlich geworden, dass es durchaus Bereiche gebe, in denen beide Seiten froh seien, vor entsprechend spezialisierten Gerichten zu stehen, so dass von einer vollständigen Abschaffung abgesehen worden sei. Für die beschriebenen Fälle der rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen falle das Wahlrecht jedoch künftig weg.“

Der Berichterstatter für die CDU/CSU-Fraktion im Rechtsausschuss, Jung, führte dazu in der Bundestagsdebatte vom 10.09.2020 u.a. aus:

„Aber die Fälle, von denen wir eben gesprochen haben, die Informations- und Kennzeichnungspflichten, das, was typischerweise, vielfach im Internet passiert, da wollen wir eben dem, der nur darauf aus ist, Aufwendungsersatzansprüche, möglicherweise Vertragsstrafen auszulösen, das Abmahnrecht zu missbrauchen, nicht mehr die Möglichkeit geben, ein Gericht sich auszusuchen, das möglicherweise einmal anders entschieden hat als viele andere, und somit das Recht wieder zu missbrauchen. Deswegen glaube ich, dass wir auch da genau die richtige Trennlinie gefunden haben: den fliegenden Gerichtsstand dort erhalten, wo es Sinn macht, aber dort nicht erhalten, wo der Missbrauch stattfindet“ (Plenarprotokoll 19/173, 21743).

Die Begründung des Ausschusses für die Änderung des § 14 Abs. 2 UWG macht deutlich, dass es darum ging, die Einschränkung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung „auf die in diesem Zusammenhang besonders missbrauchsanfälligen Verstöße […], die auf Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden“ zu begrenzen. Die Äußerungen in der Bundestagsdebatte – v.a. des Berichterstatters für die CDU/CSU-Fraktion – bringen zum Ausdruck, dass kein Unterschied gemacht wurde in Bezug auf die Beschränkung des Aufwendungsersatzes bei Abmahnungen und die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstandes, soweit es um Zuwiderhandlungen im Internet ging. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der Ausschuss in seinem letztlich vom Bundestag angenommenen Vorschlag den fliegenden Gerichtsstand stärker einschränken wollte als den Aufwendungsersatz für Abmahnungen. In Bezug auf beide Bereiche hatten die Regierungsfraktionen vor allem den Fall vor Augen, dass ein Wettbewerber einen (einfachen) Verstoß verfolgt, der von einer Vielzahl potenzieller Verletzer begangen wird (vgl. Jung, GRUR 2021, 986). Dass für den Ausschuss – und damit letztlich auch für den Gesetzgeber – die Möglichkeit bestanden hätte, den Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG dem Wortlaut des § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG anzugleichen, führt zu keiner anderen Betrachtung (a.A. OLG Düsseldorf GRUR 2022, 183 Rn. 39; Rüther, WRP 2021, 726, 730), da wie ausgeführt nicht erkennbar ist, dass die Abweichung im Wortlaut der beiden Vorschriften bewusst vorgenommen wurde. Auf die Begründung zum ursprünglichen Regierungsentwurf und die darin erkennbare Intention ist nicht abzustellen, da die Regelung durch den Ausschuss entscheidend verändert wurde.

Dem genannten gesetzgeberischen Willen würde es entgegenstehen, den fliegenden Gerichtsstand für alle im Internet begangenen Verstöße auszuschließen. Angesichts des Umstands, dass mittlerweile ein Großteil des geschäftlichen Verkehrs im Internet stattfindet, würde dies einer weitgehenden Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands nahekommen, was durch die seitens des Ausschusses vorgenommene Änderung gerade verhindert werden sollte. Da es dem Ausschuss darum ging, eine Beschränkung „auf die in diesem Zusammenhang besonders missbrauchsanfälligen Verstöße […], die auf Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden“ vorzunehmen, sind jedenfalls diejenigen Fälle nicht erfasst, in denen nicht von einer besonderen Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens auszugehen ist.

Auch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für eine entsprechende Auslegung. Dass der Gerichtsstand des Ortes der Zuwiderhandlung im Grundsatz erhalten wird, aber im Bereich der Telemedien eine Einschränkung erfährt, ist allein mit der besonderen Missbrauchsanfälligkeit der Verfolgung entsprechender Verstöße zu begründen (so auch OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2022, 135 Rn. 11). Mittels technischer Mittel ist es möglich, das Internet nach potentiellen Verstößen zu durchsuchen, massenhaft abzumahnen und in der Folge gerichtliche Verfahren einzuleiten. Diese Missbrauchsgefahr realisiert sich vor allem in Fällen, in denen konkrete Vorgaben für die Gestaltung von (Online-)Angeboten bestehen – wie etwa bei den Impressumspflichten – und Verstöße daher ohne größeren Aufwand festgestellt werden können. In diesen Fällen würde es einen zusätzlichen Anreiz für ein massenhaftes Vorgehen darstellen, wenn der Anspruchsteller die Verfahren an einem Gerichtsstand seiner Wahl „bündeln“ könnte (so auch Jung, GRUR 2021, 986). Besteht der Grund für die unterschiedliche Behandlung von jenseits des Internets begangenen Verletzungshandlungen und „online“ begangenen Verletzungshandlungen in diesem besonderen Missbrauchspotential, so entspricht es Sinn und Zweck der Norm, diejenigen Fälle auszunehmen, in denen nicht von einem solchen Missbrauchspotential auszugehen ist.

Einer solchen Auslegung steht nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des BGH für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgeblich ist, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist, und demgegenüber die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung nicht entscheidend ist. Zwar kann laut BGH die vorrangig am objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientierende Auslegung durch Motive, die im Gesetzgebungsverfahren dargelegt wurden, im Gesetzeswortlaut aber keinen Ausdruck gefunden haben, nicht gebunden werden (vgl. BGH GRUR 2019, 970 Rn. 66 – Erfolgshonorar für Versicherungsberater; BGH GRUR 2017, 1281 Rn. 40 – Großhandelszuschläge). Wie ausgeführt, entspricht es aber gerade Sinn und Zweck des § 14 Abs. 2 UWG, die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands auf besonders missbrauchsanfällige Fälle zu begrenzen. Indem der Ausschuss eine vom Regierungsentwurf abweichende Formulierung vorschlug, die dann auch als gesetzliche Regelung in Kraft trat, hat die sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift und der Historie der Gesetzesentstehung ergebende Auslegung im Wortlaut der Norm auch einen Ausdruck erhalten.

Im Ergebnis sind damit von der Beschränkung des Wahlrechts in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien jedenfalls diejenigen Fälle ausgenommen, in denen nicht von einer besonderen Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens auszugehen ist. Ob damit von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nur Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten erfasst sind – wofür spricht, dass der Gesetzgeber ausweislich § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG in diesen Fällen von einem besonderen Missbrauchspotential ausgeht –, kann vorliegend offenbleiben.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Abbildungen von Zigarettenpackungen auf Auswahltasten von Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen müssen gesetzlich vorgeschriebene Warnhinweise zeigen

BGH
Urteil vom 26.10.2023
I ZR 176/19
Zigarettenausgabeautomat III


Der BGH hat entschieden, dass Abbildungen von Zigarettenpackungen auf Auswahltasten von Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen die gesetzlich vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweise zeigen müssen.

Die Pressemitteilung des BGH:
Abbildungen von Zigarettenpackungen auf Ausgabeautomaten müssen gesundheitsbezogene Warnhinweise
zeigen

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass Abbildungen von Zigarettenpackungen auf den Auswahltasten von Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen die gesetzlich vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweise zeigen müssen.

Sachverhalt:

Der Kläger ist ein eingetragener Verbraucherverein. Der Beklagte betreibt in München zwei Supermärkte. An deren Kassen werden Zigarettenpackungen in Warenausgabeautomaten zum Kauf bereitgehalten. Die Zigarettenpackungen sind mit den vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweisen versehen. Kunden, die eine Zigarettenpackung erwerben wollen, müssen durch Drücken einer am Warenausgabeautomaten befindlichen Taste die Zigarettenmarke auswählen. Die für den Kunden zuvor nicht sichtbare Zigarettenpackung wird dann von einer Ausgabevorrichtung auf das Kassenband befördert und von dem Kunden an der Kasse bezahlt, falls er sich nicht anders entscheidet und von einem Kauf der Zigaretten absieht. Die Auswahltasten des Zigarettenautomaten sind mit Abbildungen versehen, die zwar keine naturgetreuen Zigarettenpackungen zeigen, aber hinsichtlich Markenlogo, Proportion, Farbgebung und Dimensionierung wie Zigarettenpackungen gestaltet sind. Diese Abbildungen zeigen keine gesundheitsbezogenen Warnhinweise.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger hat den Beklagten wegen Verstoßes gegen die Tabakerzeugnisverordnung auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 25. Juni 2020 (GRUR 2020, 1002) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union vier Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2014/40/EU (Tabakerzeugnisrichtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt (siehe Pressemitteilung Nr. 81/2020 vom 25. Juni 2020). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Fragen mit Beschluss vom 9. Dezember 2021 (C-370/20, GRUR 2022, 93) nur teilweise beantwortet. Da es für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch auf die Antworten zu den übrigen Fragen ankam, hat der Bundesgerichtshof das Verfahren mit Beschluss vom 24. Februar 2022 (GRUR 2022, 993) erneut dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. Dieser hat die weiteren Fragen mit Urteil vom 9. März 2023 (C-356/22, GRUR 2023, 501) beantwortet.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Abweisung des vorrangig verfolgten Hauptantrags bestätigt, mit dem der Kläger der Beklagten verbieten lassen wollte, Zigaretten in Ausgabeautomaten zum Verkauf anzubieten, wenn dadurch die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf den Packungen verdeckt werden. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV bestimmt, dass gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht verdeckt werden dürfen. Diese Vorschrift setzt Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU ins deutsche Recht um und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Aus der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass Zigaretten zwar schon mit ihrem Anbieten über Ausgabeautomaten und nicht erst mit dem Abschluss eines Kaufvertrags in den Verkehr gebracht werden. Allerdings sind gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen nicht im Sinne dieser Vorschriften verdeckt, wenn die Zigarettenpackungen in Ausgabeautomaten vorrätig gehalten werden und deshalb von außen überhaupt nicht sichtbar sind. Kann der Verbraucher - wie im Streitfall - die im Automaten eingeschlossene Packung von außen überhaupt nicht sehen, wird er keinen Kaufimpuls verspüren, dem durch die gesundheitsbezogenen Warnhinweise entgegengewirkt werden soll.

Die Revision des Klägers hat allerdings Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung des Hilfsantrags wendet, der auf das Verbot der Verwendung von Abbildungen von Zigarettenverpackungen ohne gesundheitsbezogene Warnhinweise auf den Auswahltasten des Automaten gerichtet ist. Insoweit hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und den Beklagten zur Unterlassung verurteilt. Gemäß § 11 Abs. 2 TabakerzV müssen Abbildungen von Packungen, die für an Verbraucher gerichtete Werbemaßnahmen in der Europäischen Union bestimmt sind, den Anforderungen der Tabakerzeugnisverordnung zur Verpackung und zu Warnhinweisen genügen. Diese Vorschrift setzt Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU ins deutsche Recht um und ist deshalb gleichfalls richtlinienkonform auszulegen. Nach der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen liegt eine Abbildung im Sinne dieser Vorschriften nicht nur bei einer naturgetreuen Abbildung einer Zigarettenpackung vor, sondern bereits dann, wenn die Abbildung - wie im Streitfall - an eine Zigarettenpackung erinnert. Von einer solchen Abbildung geht ein vergleichbarer Kaufimpuls aus. Sie muss daher ebenfalls einen gesundheitsbezogenen Warnhinweis aufweisen.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 05. Juli 2018 - 17 HK O 17753/17, juris

OLG München - Urteil vom 25. Juli 2019 - 29 U 2440/18, WRP 2019, 1380

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2 TabakerzV

(1) Für die Gestaltung und Anbringung der gesundheitsbezogenen Warnhinweise nach den §§ 12 bis 17 auf Packungen und Außenverpackungen von Tabakerzeugnissen gelten folgende allgemeine Anforderungen: Die gesundheitsbezogenen Warnhinweise …

4. dürfen zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens, einschließlich des Anbietens zum Verkauf, nicht teilweise oder vollständig verdeckt oder getrennt werden; …

(2) Abbildungen von Packungen und Außenverpackungen, die für an Verbraucher gerichtete Werbemaßnahmen in der Europäischen Union bestimmt sind, müssen den Anforderungen dieses Unterabschnitts genügen.

Art. 8 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU

(3) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Packung und der Außenverpackung unablösbar aufgedruckt, unverwischbar und vollständig sichtbar sind und dass sie, wenn die Tabakerzeugnisse in Verkehr gebracht werden, nicht teilweise oder vollständig durch Steuerzeichen, Preisaufkleber, Sicherheitsmerkmale, Hüllen, Taschen, Schachteln oder sonstige Gegenstände verdeckt oder getrennt werden. …

(8) Bilder von Packungen und Außenverpackungen, die für Verbraucher in der Union bestimmt sind, müssen den Bestimmungen dieses Kapitels genügen.



BGH: Bei Werbung für Waren in Pfandbehältern ist der Pfandbetrag gesondert auszuweisen da der Pfandbetrag nicht Bestandteil des Gesamtpreises ist

BGH
Urteil vom 26.10.2023
I ZR 135/20
Flaschenpfand IV


Der BGH hat entschieden, dass bei der Werbung für Waren in Pfandbehältern der Pfandbetrag gesondert auszuweisen ist, da der Pfandbetrag nicht Bestandteil des Gesamtpreises ist.

Pressemitteilung des BGH:
Bei der Werbung für Waren in Pfandbehältern ist der Pfandbetrag gesondert anzugeben

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass bei der Werbung für Waren in Pfandbehältern der Pfandbetrag gesondert anzugeben ist.

Sachverhalt:

Der Kläger ist ein Verein, der im Interesse seiner Mitglieder die Einhaltung des Wettbewerbsrechts überwacht. Die Beklagte vertreibt Lebensmittel. In einem Faltblatt bewarb sie unter anderem Getränke in Pfandflaschen und Joghurt in Pfandgläsern. Der Pfandbetrag war in die angegebenen Preise nicht einberechnet, sondern mit dem Zusatz "zzgl. … € Pfand" ausgewiesen. Der Kläger sieht darin einen Verstoß gegen die Preisangabenverordnung und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 29. Juli 2021 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union insbesondere eine Frage zur Auslegung die Richtlinie 98/6/EG (Preisangabenrichtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt (vgl. Pressemitteilung Nr. 148/21 vom 29. Juli 2021). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Frage mit Urteil vom 29. Juni 2023 (C-543/21) beantwortet.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Pfandbetrag gesondert auszuweisen ist. Wer - wie die Beklagte - als Anbieter von Waren gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat zwar nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV aF (§ 3 Abs. 1, § 2 Nr. 3 PAngV nF) den Gesamtpreis anzugeben. Der Gesamtpreis schließt aber nicht den Pfandbetrag ein, der beim Kauf von Waren in Pfandbehältern zu entrichten ist. Die Preisangabenverordnung setzt die Preisangabenrichtlinie ins deutsche Recht um und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Der dem Begriff des Gesamtpreises entsprechende Begriff des Verkaufspreises in Art. 2 Buchst. a der Preisangabenrichtlinie enthält nach der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht den Pfandbetrag. Dieser ist daher neben dem Verkaufspreis bzw. dem Gesamtpreis anzugeben. Die entsprechende Regelung in § 1 Abs. 4 PAngV aF (§ 7 Satz 1 PAngV nF) stellt dies in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht ausdrücklich klar. Die gesonderte Angabe von Verkaufspreis und Pfandbetrag ermöglicht es Verbraucherinnen und Verbrauchern, die Preise von Waren besser zu beurteilen und leichter miteinander zu vergleichen.

Vorinstanzen:

LG Kiel - Urteil vom 26. Juni 2019 - 15 HKO 38/18, MD 2019, 907

OLG Schleswig - Urteil vom 30. Juli 2020 - 6 U 49/19, GRUR-RR 2021, 133

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 PAngV aF

(1) Wer Verbrauchern gemäß § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gewerbs- oder geschäftsmäßig oder wer ihnen regelmäßig in sonstiger Weise Waren oder Leistungen anbietet oder als Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Gesamtpreise). …

(4) Wird außer dem Entgelt für eine Ware oder Leistung eine rückerstattbare Sicherheit gefordert, so ist deren Höhe neben dem Preis für die Ware oder Leistung anzugeben und kein Gesamtbetrag zu bilden.

§ 2 Nr. 3 PAngV nF

Im Sinne dieser Verordnung bedeutet …

3."Gesamtpreis" den Preis, der einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile für eine Ware oder eine Leistung zu zahlen ist;

§ 3 Abs. 1 PAngV nF

(1) Wer als Unternehmer Verbrauchern Waren oder Leistungen anbietet oder als Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat die Gesamtpreise anzugeben.

§ 7 Satz 1 PAngV nF

Wer neben dem Gesamtpreis für eine Ware oder Leistung eine rückerstattbare Sicherheit fordert, insbesondere einen Pfandbetrag, hat deren Höhe neben dem Gesamtpreis anzugeben und nicht in diesen einzubeziehen.

Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck "Verkaufspreis" den Endpreis für eine Produkteinheit oder eine bestimmte Erzeugnismenge, der die Mehrwertsteuer und alle sonstigen Steuern einschließt.

LG Bremen: Wettbewerbswidrige Irreführung wenn Finanzberater mit "Unabhängigkeit" wirbt obwohl er Provisionen erhält

LG Bremen
Urteil vom 11.07.2023
9 O 1081/22


Das LG Bremen hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn ein Finanzberater mit "Unabhängigkeit" wirbt, obwohl er Provisionen von Anbietern der Anlagen und Versicherungen erhält und die Vergütung nicht ausschließlich aus dem Honorar seiner Kunden besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger kann von der Beklagten die Unterlassung der streitgegenständlichen Bewerbungen gemäß § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 3,5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG verlangen.

aa. Der Kläger ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG sowie nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klagebefugt. Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 UKlaG in der Liste des Bundesamtes für Justiz eingetragen.

bb. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG irreführend, wenn sie über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Vorteile der Waren oder Dienstleistungen unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthält.

Es handelt sich zunächst um unwahre Angaben. Die Angaben sind bereits deshalb unwahr, weil auch unter Berücksichtigung des Gedankens aus § 94 WpHG „Unabhängigkeit“ nach den Regelungen in § 34f Abs. 1 GewO und § 34h GewO eine Unabhängigkeit nur im Falle des Honorar-Anlagenberaters im Sinne von § 34h GewO angenommen werden kann und nur er sich als unabhängig bezeichnen kann. Der Finanzanlagenberater kann dies dagegen nicht, auch wenn er in Einzelfällen anstatt oder neben einer Provision sein Honorar vom Anleger erhält.

Bei der Prüfung, ob eine Angabe über geschäftliche Verhältnisse geeignet ist, den Verkehr irrezuführen, kommt es nicht auf den objektiven Wortsinn und nicht darauf an, wie der Werbende selbst seine Aussage über die Ware oder gewerbliche Leistung verstanden haben will. Entscheidend ist die Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet (vgl. BGH GRUR 2020, 1226 Rn. 14 - LTE-Geschwindigkeit; st. Rspr). Hierzu zählen in erster Linie Anleger, zu denen der erkennende Richter gehört. Maßstab ist der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (vgl. BGH GRUR 2000, 619, 621).

Vor diesem Hintergrund bedeutet „Unabhängigkeit“ aus Sicht des angesprochenen Verkehrs, nicht nur, dass die Beklagte nicht in einer vertraglichen Beziehung zu den Anbietern der Anlagen bzw. Versicherungen steht. Der Auffassung des Landgerichts Hamburg (GRUR-RS 2020, 25713 Rn. 15) ist selbstverständlich zuzustimmen, dass in diesen Fällen die Erwartung des Verbrauchers enttäuscht wird, der natürlich im Falle einer Werbung der „Unabhängigkeit“ davon ausgeht, dass die Beklagte in seinem Interesse rechtlich unabhängig tätig wird. Die Kammer ist allerdings der Auffassung, dass der angesprochene Verkehr von Anlegern darüber hinaus auch die Erwartung hat, dass die Beklagte im Falle der Werbung mit einer „produktunabhängigen Beratung“ bzw. „unabhängigen Beratung“ tatsächlich nicht in einem Provisionsinteresse tätig wird, sondern vollständig unabhängig von etwaigen Provisionen oder anderen Zuwendungen, die seitens der Anbieter von Anlagen in unterschiedlichen Höhen an die Beklagte im Erfolgsfalle geleistet werden, für den Verbraucher Anlagen vermittelt. Eine irgendwie geartete Abhängigkeit der Beklagten von einem Produktgeber, sei es auch keine vertragliche, sondern nur eine über eine Provision oder sonstige Zuwendung vermittelte, steht aus Sicht des angesprochenen Verkehrs einer „Unabhängigkeit“ entgegen. Genau diese Unabhängigkeit ist Gegenstand der Regelung des § 34h GewO, wobei es nicht ausreicht, dass dem Verbraucher, nachdem er sich mit dem Angebot der Beklagten aufgrund der unlauteren Werbung näher befasst, erfahren könnte, dass die Beklagte verschiedene Vergütungsmodelle anwendet. Diese Erläuterungen sind ersichtlich zu spät. Für die Richtigkeit des gefundenen Ergebnisses spricht nach Ansicht der Kammer der zu übertragende Gedanke aus der Regelung des § 94 Abs. 1 WpHG, der eine Verwendung der Bezeichnung „Unabhängigkeit“ nur zulässt, wenn der Werbende im Register Unabhängiger Anlageberater eingetragen ist.

Die streitgegenständlichen Aussagen sind, wie der Kläger bereits zutreffend dargelegt hat, auch geeignet, Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie anderenfalls nicht getroffen hätten, nämlich, dass sie in geschäftlichen Kontakt zu der Beklagten in dem Glauben treten, die Gewähr einer unabhängigen Finanzberatung zu erhalten, obschon diese kraft der gewerblichen Tätigkeit der Beklagten nicht gewährleistet ist. Verbraucher, denen es gerade auf eine vollends unabhängige Beratung
ankommt, würden ohne die täuschungsbedingen Angaben der Beklagten ihre Entscheidung sicherlich anders treffen.


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LG Augsburg: Durchschreiten des Drehkreuzes im Fitnessstudio keine Zustimmung zur Preiserhöhung - Aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a UWG wettbewerbswidrig

LG Augsburg
Urteil vom 06.10.2023
081 O 1161/23


Das LG Augsburg hat entschieden, dass das Durchschreiten des Drehkreuzes im Fitnessstudio keine Zustimmung zu einer Preiserhöhung darstellt und eine entsprechende Regelung als aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a UWG wettbewerbswidrig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Das klägerseits gerügte Verhalten stellt eine aggressive geschäftliche Handlung i.S.d. § 4a Abs. 1 S. 1,S.2 Nr. 3, S. 3 UWG dar.

Eine solche liegt dann vor, wenn die Handlung geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser anderenfalls nicht getroffen hätte. Aggressiv ist eine geschäftliche Handlung dann, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers durch unzulässige Beeinflussung erheblich zu beeinträchtigen, wobei bei der Beurteilung der Aggressivität insbesondere abzustellen ist auf Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer der Handlung bzw belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Unternehmer den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einer anderen Ware oder Dienstleistung oder einem anderen Unternehmer zu wechseln, § 4a Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Nr. 4 UWG. Eine unzulässige Beeinflussung ist dann gegeben, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.

Dies ist vorliegend der Fall. Um das Fitnessstudio nutzen zu können, sind die Mitglieder gezwungen, das Drehkreuz unter Verwendung des ihnen überlassenen Zutrittsmediums zu passieren, woraus sich die Machtposition der Studioinhaber ergibt. Eine andere Möglichkeit zur Nutzung gibt es nicht. Die Mitglieder standen nun also vor der Entscheidung, die Preiserhöhung zu akzeptieren, um das Studio betreten zu können oder es eben - ohne Zustimmung zur Preiserhöhung auch künftig — nicht zu nutzen, obwohl der Mitgliedsvertrag weiterhin Bestand hatte. Hierdurch haben die Studioinhaber ihre Machtposition zur Ausübung von Druck ausgeübt. Den Mitgliedern wurde vor Ort eine ad hoc-Entscheidung abgenötigt, auf die sie angesichts der erstmaligen Bekanntgabe der erforderlichen (konkludenten) Willenserklärung erst unmittelbar vor dem Betreten des Mitgliederbereichs nicht vorbereitet waren, und die Auswirkungen auf das weiter fortlaufende Vertragsverhältnis hatte. Der Besuch eines Fitnessstudios stellt eine Freizeitaktivität dar, bei welcher die Mitglieder grundsätzlich nicht mit einer geschäftlichen Ansprache rechnen müssen. Sie werden folglich durch derlei Aushänge überrumpelt und sind so in ihrer Fähigkeit zu einer informierten Entscheidung wesentlich eingeschränkt.

Im Hinblick auf das Erfordernis der geschäftlichen Relevanz gilt eine Vermutung, die von Seiten des Unternehmers zu widerlegen ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, 8 4a Rn. 1.36). Die Beklagte hat diesbezüglich nichts Substantielles vorgebracht. Das Gericht folgt insbesondere nicht der Auffassung der beklagten Partei, dass es aufgrund der Evidenz der Rechtsunwirksamkeit der beabsichtigten Erklärungsfiktion an der Veranlassung einer geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers fehle. Denn der durchschnittliche Verbraucher verfügt nicht über das erforderliche rechtliche Wissen, um die Wirksamkeit einer solchen Fiktion beurteilen zu können. Dies zeigt sich schon daran, dass die Beklagte in anderem Zusammenhang selbst darlegt, die von Mitgliedern infolge dieser Aktion bezahlten erhöhten Mitgliedsbeiträge seien erstattet worden.


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BGH: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Bewerbung von Lebensmitteln mit "Bakterienkulturen zum Diätmanagement" sofern Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke suggeriert werden

BGH
Urteil vom 1307.2023
I ZR 68/21
Bakterienkulturen
UWG § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1; Verordnung (EU) Nr. 609/2013 Art. 2 Abs. 2 Buchst. g; LMIV Art. 2 Abs. 2 Buchst. s, Art. 7 Abs. 3 und 4


Der BGH hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn Lebensmittel mit "Bakterienkulturen zum Diätmanagement" beworben werden, sofern dabei suggeriert wird, dass es sich bei dem Produkt um ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke handelt.

Leitsätze des BGH:
a) Ein Erzeugnis stellt ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke im Sinne des Art. 2
Abs. 2 Buchst. g der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 dar, wenn krankheitsbedingt ein erhöhter oder spezifischer Nährstoffbedarf besteht, der durch das Lebensmittel gedeckt werden soll. Für eine solche Einstufung reicht es nicht aus, dass der Patient allgemein aus der Aufnahme dieses Lebensmittels deswegen Nutzen zieht, weil darin enthaltene Stoffe der Störung entgegenwirken oder deren Symptome lindern (Anschluss an EuGH, Urteil vom 27. Oktober 2022 - C-418/21, GRUR 2022, 1765 [juris Rn. 59] = WRP 2022, 1484 - Orthomol).

b) Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. g der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 zeichnen sich durch ihre spezifische Ernährungsfunktion aus und enthalten Nährstoffe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. s LMIV. Produkte, die in natürlicher Weise im menschlichen Darm vorkommende Bakterien enthalten, sind keine solchen Lebensmittel, weil Bakterien keine Nährstoffe in diesem Sinne sind.

c) Der Vertrieb und die Bewerbung von Produkten, die Bakterienkulturen enthalten, "zum Diätmanagement" ist irreführend, wenn diese Angabe den angesprochenen Verkehrskreisen suggeriert, es handele sich bei den Produkten um Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke.

BGH, Urteil vom 13. Juli 2023 - I ZR 68/21 - OLG München - LG München II

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OLG Hamburg: Keine wettbewerbsrechtliche Haftung eines Unternehmens nach § 8 Abs. 2 UWG für rein private Äußerungen eines Mitarbeiters in einem sozialen Netzwerk

OLG Hamburg
Urteil vom 31.08.2023
5 U 27/22


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass ein Unternehmen nicht gemäß § 8 Abs. 2 UWG nach den Grundsätzen der Beauftragtenhaftung für rein private Äußerungen eines Mitarbeiters in einem sozialen Netzwerk haftet.

Aus den Entscheidungsgründen:
a. Die Klägerin zu 1) ist als Mitbewerberin der Beklagten grundsätzlich aktivlegitimiert, ihr steht aber kein Anspruch nach §§ 4 Nr. 1 und/oder Nr. 2, 8 Abs. 2 UWG zu. Die streitgegenständliche Äußerung des Mitarbeiters der Beklagten führt nicht dazu, dass der Klägerin zu 1) gegen die Beklagte ein solcher Anspruch zusteht.

Randnummer42
aa. Es fehlt bereits an einer wettbewerbswidrigen Handlung des Herrn J., die der Beklagten gem. § 8 Abs. 2 UWG zugerechnet werden könnte. Werden Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind gem. § 8 Abs. 2 UWG der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet. Voraussetzung einer Haftung des Unternehmens ist hiernach, dass der Mitarbeiter oder Beauftragte selbst eine Zuwiderhandlung gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften begangen hat (arg. „auch“). § 8 Abs. 2 UWG greift also nicht ein, wenn der Anspruch aus § 8 Abs. 1 UWG gegen den Mitarbeiter oder Beauftragten (z.B. wegen Fehlens einer geschäftlichen Handlung oder wegen zulässiger Abwehr) nicht entstanden ist (vgl. OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2014, 270, 271; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. § 8 Rn. 2.38). Darauf, ob der Mitarbeiter oder Beauftragte selbst Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG n.F./§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG a.F. ist, kommt es aber für § 8 Abs. 2 UWG nicht an(vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 2 Rn. 8.9).

Die angegriffene Äußerung „Die B. Brüder haben wegen diesen und einigen anderen Methoden bereits einige Strafverfahren bekommen“ stellt eine unwahre Tatsachenbehauptung über Mitglieder der Unternehmensleitung der Klägerin zu 1) dar. Tatsachen sind konkrete Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die sinnlich wahrnehmbar in die Wirklichkeit getreten und damit dem Beweis zugänglich sind (Eisele/Schittenhelm in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 186 Rn. 3 m.w.N.). Entgegen der seitens der Beklagten geäußerten Ansicht hat Herr J. nicht lediglich den Tenor der kritischen Berichterstattung über die Tätigkeit der „B.-Brüder“ wertend wiedergegeben. Ob Strafverfahren eingeleitet wurden, stellt vielmehr einen dem Beweis zugänglichen Vorgang dar. Auch in der Laiensphäre und Alltagssprache ist mit dem Begriff des Strafverfahrens ein Verfahren der Strafverfolgungsbehörden und/oder Strafgerichte gemeint. Die Äußerung, die „B.-Brüder“ hätten Strafverfahren „bekommen“, bringt die Einleitung solcher Verfahren zum Ausdruck. Ob die weiteren Voraussetzungen der § 4 Nr. 1 und/oder Nr. 2 UWG erfüllt sind, kann offenbleiben.

Vorliegend ist eine geschäftliche Handlung des Herrn J. nicht festzustellen. Sowohl § 4 Nr. 1 UWG als auch § 4 Nr. 2 UWG setzen eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG a.F./§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG n.F. voraus (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 4 Rn. 1.10 und 2.11). Hiernach ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.

Das Merkmal des objektiven Zusammenhangs ist funktional zu verstehen und setzt voraus, dass die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern (vgl. BGH GRUR 2013, 945 Rn. 17 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; BGH GRUR 2015, 694 Rn. 21 – Bezugsquellen für Bachblüten; BGH GRUR 2019, 1202 Rn. 13 – Identitätsdiebstahl; BGH GRUR 2020, 886 Rn. 32 – Preisänderungsregelung; BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 30 – Influencer I). Dies gilt nicht nur im Verhältnis zu Verbrauchern, sondern auch zu Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern (vgl. BGH GRUR 2013, 945 Rn. 19 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.55). Es besteht keine Vermutung, dass die Handlung eines Unternehmers, die in den Bereich seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit fällt, mit der Förderung des Absatzes des eigenen Unternehmens oder gar der Förderung des Absatzes eines fremden Unternehmens objektiv zusammenhängt. Die Frage, ob eine Handlung vorrangig der Förderung des eigenen oder fremden Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder aber anderen Zielen dient, ist vielmehr aufgrund einer Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 32, 68 – Influencer I). Die objektive Eignung zur Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers ist für die Annahme einer geschäftlichen Handlung relevant (vgl. BGH GRUR 2013, 945 Rn. 20 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; Koch in FS Köhler, 1. Aufl., S. 359 (364)), aber nicht in jedem Fall ausreichend (vgl. OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2023, 139 Rn. 37; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.48). Von einer geschäftlichen Handlung kann nur ausgegangen werden, wenn die Handlung bei der gebotenen objektiven Betrachtung vorrangig dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient (vgl. BGH GRUR 2015, 694 Rn. 22 – Bezugsquellen für Bachblüten; Koch in FS Köhler, 1. Aufl., S. 359 (364)). Dient die Handlung vorrangig anderen Zielen als der Beeinflussung geschäftlicher Entscheidungen in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen und wirkt sie sich lediglich reflexartig auf die Absatz- oder Bezugsförderung aus, so stellt sie keine geschäftliche Handlung dar. Weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle oder verbraucherpolitische Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen, die nicht in funktionalem Zusammenhang mit der Absatz- oder Bezugsförderung stehen, unterfallen demnach nicht dem UWG (vgl. BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 31 – Influencer I; BGH GRUR 2016, 710 Rn. 12 – Im Immobiliensumpf; BGH GRUR-RR 2013, 466, 469 – Bach-Blüten; OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 27.7.2021 – 6 W 64/21, GRUR-RS 2021, 21101 Rn. 7 ff.). Das Verfolgen solcher, etwa weltanschaulicher, Ziele schließt allerdings nicht aus, dass die Handlung gleichzeitig dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs dient. Ist auf Grund einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls bei objektiver Betrachtung vorrangig ein solches Ziel anzunehmen, so liegt eine geschäftliche Handlung vor (BGH GRUR-RR 2013, 466, 469 – Bach-Blüten). Das Handeln Privater stellt jedenfalls dann keine geschäftliche Handlung dar, wenn es bei objektiver Betrachtung nicht vorrangig dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.65; Keller in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 2 Rn. 38). Insoweit ist zwar die aus den äußeren Umständen zu erschließende Zielrichtung des Handelnden von Bedeutung (vgl. Keller in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 2 Rn. 47). Auf die (tatsächlichen) Vorstellungen der Beteiligten kommt es aber nicht an (vgl. Alexander in BeckOK UWG, 20. Ed., § 2 Rn. 141). Es ist danach zu fragen, ob sich die handelnde Person aus der Sicht eines objektiven Betrachters als Privatperson zu einem Geschehen äußert oder zugleich geschäftliche Zwecke verfolgt (vgl. Alexander in BeckOK UWG, 20. Ed., § 2 Rn. 143).Bei Mitarbeitern eines Unternehmens ist ein Handeln zugunsten eines fremden Unternehmens jedenfalls – aber nicht nur – anzunehmen, wenn sie im Namen oder Auftrag des anderen Unternehmers tätig werden (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.58; Koch in FS Köhler, 1. Aufl., S. 359 (365)). Hierfür ist es nicht erforderlich, dass ihnen eine für das Unternehmen bedeutsame Funktion zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen wurde und sie das Unternehmen gewissermaßen „repräsentieren“. Es reicht vielmehr aus, dass sie nach außen als Vertreter oder Beauftragte in Erscheinung treten (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.58).

Bei objektiver Betrachtung der Gesamtumstände war die Äußerung des Herrn J. nicht darauf gerichtet, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern. Aus Sicht eines objektiven Betrachters handelte es sich um eine rein private Äußerung des Herrn J., die allein privaten Zwecken diente. Die streitgegenständliche Äußerung erfolgte als Kommentar zu einer Nachricht von Herrn B. R., die wiederum einen Kommentar zu einer Äußerung des Herrn A. K. darstellte. Unabhängig davon, ob diese Facebook-Kommunikation öffentlich zugänglich war, war die Kommunikation privater Natur. Im nach § 314 ZPO zugrunde zu legenden Tatbestand des angegriffenen Urteils des Landgerichts heißt es, dass es sich bei Herrn K. um einen privaten Facebook-Kontakt von Herrn J. handelte. Der von der Klägerseite als Anlage K 7 (erste Seite) eingereichte Screenshot weist den dort dargestellten Facebook-Account des Herrn J. als einen jedenfalls vorrangig privat genutzten Account aus. Anders als primär beruflich genutzte Netzwerke (wie etwa „Xing“, vgl. Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl., § 4 UWG Rn. 5) kann Facebook sowohl für private als auch für geschäftliche Zwecke genutzt werden. Dass der aus dem Screenshot ersichtliche Facebook-Account jedenfalls vorrangig für private Zwecke genutzt wurde, wird durch das Hochzeitsbild auf der Seite deutlich, das zugleich das Profilbild des Herrn J. darstellte. Auch die weiteren Fotos (Personenfoto und zwei Fotos von Schuhen) weisen keinen erkennbaren Zusammenhang zum Beruf des Herrn J. auf, sondern sprechen für eine jedenfalls vorrangige private Nutzung. Allein daraus, dass im „Steckbrief“ die Stationen des beruflichen Werdegangs dargestellt werden (und dort u.a. aufgeführt ist, dass Herr J. derzeit Sales manager bei Intomarkets ist) und die Seite die Information enthält, dass Herr J. aufgehört hat, bei „Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven“ zu arbeiten, folgt nicht, dass es sich um einen geschäftlich genutzten Account handelt. Gleiches gilt für den klägerseitig vorgetragenen Umstand, dass das Profil von Herrn J. nicht auf „privat“ geschaltet, sondern für jedermann zugänglich gewesen sei. Herr J. trat bei seiner Äußerung auch nicht als Vertreter oder Beauftragter der Beklagten in Erscheinung. Die Beklagte wird in dem streitgegenständlichen Kommentar nicht erwähnt. Auch wenn – was die Beklagte bestreitet – der klägerseitig als Anlage K 7 (erste Seite) eingereichte Screenshot das zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Äußerung abrufbare Facebook-Profil des Herrn J. zeigen sollte und der Betrachter, der den Kommentar im Profil des Herrn K. sah, mit einem Klick auf dieses Profil des Herrn J. hätte gelangen können, folgt daraus, dass im jedenfalls überwiegend privat genutzten Facebook-Profil des Herrn J. seine berufliche Tätigkeit für Intomarkets genannt wird, bei objektiver Betrachtung der Gesamtumstände nicht der Eindruck, dass Herr J. bei seiner Äußerung im Facebook-Profil des Herrn K. in Vertretung oder im Auftrag der Beklagten oder auch nur ohne Auftrag zugunsten der Beklagten handelte. Die Äußerung über Konkurrenzunternehmen in Kommentaren im Facebook-Profil eines Dritten gehört auch nicht zum typischen Aufgabenkreis eines Sales Managers, so dass offenbleiben kann, ob ein Handeln zur Förderung eines fremden Unternehmens zu vermuten ist, wenn die fragliche Handlung in den Aufgabenkreis der handelnden Person fällt (vgl. hierzu Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.58).Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Äußerung des Herrn J. darauf gerichtet war zu verhindern, dass die Klägerin zu 1) der Konkurrenz Kunden streitig macht (im Unterschied zu OLG Hamm MMR 2008, 757 zum Blog-Eintrag eines Mitarbeiters (auf der Basis der alten Rechtslage)).Ebenfalls kann nicht festgestellt werden, dass die Äußerung des Herrn J. im Auftrag oder zumindest mit Einverständnis der Beklagten erfolgte. Daraus, dass Herr J. selbst keine unmittelbaren Vorteile aus der Kundgabe der streitgegenständlichen Äußerung ziehen kann, die Beklagte hingegen schon, kann dies entgegen dem klägerischen Vortrag nicht hergeleitet werden. Die Feststellung des Landgerichts, dass die Kläger keine ausdrückliche Anweisung vorgetragen haben, greift die Klägerseite mit ihrer Berufung nicht an.

Eine geschäftliche Handlung des Herrn J. folgt auch nicht aus dessen wirtschaftlichen Interessen. Zwar stellt es ein maßgebliches Indiz für das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung dar, dass ein wirtschaftliches Interesse des Handelnden an einer Beeinflussung der Verbraucherentscheidung besteht. Lässt sich dies nicht nachweisen, kommt es auf den Inhalt der Äußerung und der Begleitumstände an (BGH GRUR-RR 2013, 466, 469 – Bach-Blüten; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.54). Ein Indiz für eine geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens kann auch darin liegen, dass zu diesem eine geschäftliche Beziehung besteht (vgl. BGH GRUR 2021, 497 Rn. 25 – Zweitmarkt für Lebensversicherungen). Vorliegend hat Herr J. als Mitarbeiter der Beklagten zwar ein mittelbares wirtschaftliches Interesse an einer Beeinflussung von Abnehmerentscheidungen im Bereich der Unternehmensberatung. Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung (vgl. BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 32 – Influencer I) reicht dies aber nicht aus, um von einer geschäftlichen Handlung des Herrn J. auszugehen. Zu berücksichtigen ist auch insoweit, dass die Äußerung des Herrn J. in Reaktion auf die Äußerung eines privaten Facebook-Kontakts erfolgte. Anlass war die Verärgerung des Herrn K. über das „Vollspammen“ mit Standard-Nachrichten, das er, Herr K., „echt wieder anstrengend“ finde, und die Verärgerung von Herrn K. über denjenigen, der so etwas „Leuten beibringt“. Hierbei handelt es sich um eine private Äußerung über bestimmte Geschäftspraktiken, die offenkundig durch den zunehmenden Erhalt von als „Spam“ beurteilten Nachrichten veranlasst war. Ein anderer Diskussionsteilnehmer hat dann den Namen der „B…“ ins Gespräch eingebracht, woraufhin die streitgegenständliche Äußerung von Herrn J. erfolgte. Herr J. hat sich damit, wie ausgeführt, als Privatperson an einer Diskussion über bestimmte Geschäfts- und Werbepraktiken beteiligt und die anderen Beteiligten dabei in ihrer Eigenschaft als Teilnehmer dieser Diskussion und nicht als Abnehmer von Unternehmensberatungs-/Coaching-Leistungen angesprochen, zumal die Klägerin zu 1), wie von der Klägerseite vorgetragen, ausschließlich Verträge mit Unternehmern und Unternehmen schließt. Auch kann nicht festgestellt werden, dass die Äußerung des Herrn J. darauf gerichtet war, die geschäftliche Entscheidung Dritter, die diese Diskussion auf Facebook lesen konnten, zu beeinflussen. Auch wenn das Profil von Herrn K. öffentlich zugänglich gewesen sein sollte, würde in der Gesamtbetrachtung aus dem Umstand, dass der privat veranlasste Kommentar des Herrn J. in einem öffentlich zugänglichen Profil eines Dritten erfolgt ist, eine solche Zweckrichtung nicht folgen.

Angesichts der genannten Umstände der Äußerung ist aus der Sicht eines objektiven Betrachters auch daraus, dass Herr J. in seiner Äußerung gegenüber den „B.-Brüdern“ und ihren Geschäftspraktiken schwerwiegende und objektiv unzutreffende Vorwürfe erhebt, nicht auf das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung zu schließen. Auch dass Herr J. mit der Klägerin zu 1) und ihren Geschäftsführern nicht in Kontakt gestanden hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch wenn Herr J. die Klägerin zu 1) nur als Konkurrentin seines Arbeitgebers kannte, erfolgte die Äußerung vorliegend aus Sicht eines objektiven Betrachters aus privatem Anlass und mit rein privater Zielrichtung, nämlich als private Teilnahme an einer Diskussion über bestimmte Geschäftspraktiken.

Auf die subjektive Sicht des Herrn J. kommt es nicht an, eine Förderungsabsicht (vgl. OLG Hamm MMR 2008, 757 zu einem Blog-Eintrag eines Mitarbeiters) ist nach der maßgeblichen Fassung des § 2 UWG nicht (mehr) entscheidend (vgl. BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 32 – Influencer I). Dem erstmals in der Berufungsinstanz von der Klägerseite angebotenen Zeugenbeweis – Vernehmung des Herrn J. – ist daher nicht nachzugehen. Zudem hat die Klägerseite in der Berufungsbegründung nicht dargelegt, warum sie den Zeugen erst in der Berufungsinstanz benannt hat, sodass der Berücksichtigung § 531 Abs. 2 ZPO entgegensteht.Wird ein neues Beweismittel in der Berufungsinstanz eingeführt, muss in der Berufungsbegründung dargelegt werden, weshalb das neue Beweismittel nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen ist (BGH Beschl. v. 13.12.2006 – IV ZR 180/04, BeckRS 2007, 402 Rn. 6).

bb. Eine Zurechnung der streitgegenständlichen Äußerung zur Beklagten erfolgt auch deshalb nicht, weil die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 UWG nicht erfüllt sind. Die Haftung des Unternehmers nach dieser Vorschrift rechtfertigt sich daraus, dass er durch den Einsatz von Mitarbeitern und Beauftragten seinen Geschäftskreis erweitert und damit zugleich das Risiko von Zuwiderhandlungen innerhalb seines Unternehmens schafft. Da er die Vorteile der arbeitsteiligen Organisation in Anspruch nimmt, soll er auch die damit verbundenen und in gewisser Weise auch beherrschbaren Risiken tragen (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 2.33 m.w.N.). Die Bestimmung in § 8 Abs. 2 UWG regelt den Unterlassungsanspruch gegen den Unternehmensinhaber bei Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter und Beauftragten im Sinne einer Erfolgshaftung ohne jegliche Entlastungsmöglichkeit (vgl. BGH NJOZ 2013, 863 Rn. 9).

Vorliegend wurde eine – aus den genannten Gründen bereits nicht vorliegende – Zuwiderhandlung nicht „in einem Unternehmen“ begangen. Es ist eine weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals „in einem Unternehmen“ vorzunehmen (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 2.34). Dass die Zuwiderhandlung „in einem Unternehmen“ begangen sein muss, ist nicht räumlich, sondern funktional zu verstehen. Es muss ein innerer Zusammenhang mit dem Unternehmen bestehen (BGH GRUR 2008, 186 Rn. 23 – Telefonaktion; vgl. auch OLG Stuttgart Urt. v. 17.3.2022 – 2 U 272/21, GRUR-RS 2022, 5315 Rn. 6 ff.; OLG Hamm MMR 2008, 757, 758; Fritzsche in MüKoUWG, 3. Aufl., § 8 Rn. 376). Daher ist es weder erforderlich noch ausreichend, dass die Handlung in den Räumlichkeiten des Unternehmens vorgenommen wurde (BGH GRUR 1963, 438 (439) – Fotorabatt). Unerheblich ist auch, dass der Mitarbeiter ohne Wissen oder sogar gegen eine Weisung des Unternehmers handelte oder seinen Auftrag überschritt (vgl. BGH GRUR 2008, 186 Rn. 23 – Telefonaktion; zu § 14 Abs. 7 MarkenG: BGH GRUR 2009, 1167 Rn. 21 – Partnerprogramm; BGH GRUR 2018, 924 Rn. 62 – ORTLIEB) oder sich über vertragliche Einschränkungen seiner Befugnisse hinwegsetzte (vgl. BGH NJOZ 2013, 863 Rn. 8; Senat Beschl. v. 19.07.2021 – 5 U 56/20, GRUR-RS 2021, 31135 Rn. 15). Maßgebend ist allein, dass der Zuwiderhandelnde nicht für einen Dritten oder zu privaten Zwecken, sondern in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter oder Beauftragter des Unternehmers tätig wurde, die Handlung also in den Geschäftskreis oder die tatsächlich ausgeübte gewerbliche Tätigkeit des Unternehmers fiel und diesem zugutekommen sollte. Keine Zurechnung findet folglich statt, wenn Mitarbeiter oder Beauftragte die geschäftlichen Einrichtungen ausschließlich für private Zwecke missbrauchen (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 2.47 m.w.N.). Wird der Beauftragte auch für Dritte oder für sein eigenes Unternehmen tätig, haftet der Auftraggeber nur für solche Handlungen, die dem Geschäftsbereich des Auftragsverhältnisses zuzurechnen sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Auftrag auf einen bestimmten Geschäftsbereich des Beauftragten beschränkt ist und der Auftraggeber nicht damit rechnen muss, dass der Beauftragte auch anderweitig für ihn tätig wird. Denn nur in diesem Umfang ist das Risiko für ihn beherrschbar (vgl. zu § 14 Abs. 7 MarkenG BGH GRUR 2009, 1167 Rn. 27 – Partnerprogramm; vgl. auch Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 2.47 m.w.N.).

Für rein private Handlungen seiner Mitarbeiter haftet der Unternehmensinhaber wettbewerbsrechtlich nicht (vgl. BGH GRUR 2007, 994 Rn. 19 – Gefälligkeit; Mankowski in Fezer/Büscher/Obergfell, Lauterkeitsrecht: UWG, Zweiter Teil Wettbewerbsrecht des Internets (S 12) Rn. 306b; vgl. auch zu § 14 Abs. 7 MarkenG BGH GRUR 2009, 1167 Rn. 27 – Partnerprogramm; BGH GRUR 2009, 597 Rn. 15 – Halzband). Rein private Äußerungen eines Mitarbeiters fallen nicht unter § 8 Abs. 2 UWG (vgl. Goldmann in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 8 Rn. 727).

Wie ausgeführt, ist bei einer objektiven Betrachtung von einer rein privaten Äußerung des Herrn J. auszugehen. Dem erstmals in der Berufungsinstanz von der Klägerseite angebotenen Zeugenbeweis ist, wie ausgeführt, nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht nachzugehen. Ein Arbeitgeber muss nicht damit rechnen, dass sich ein Mitarbeiter in einer privaten Kommunikation in sozialen Medien wie geschehen äußert. Ein solches Geschehen ist für den Arbeitgeber auch nicht beherrschbar.

cc) Darauf, ob der angegriffenen Äußerung neben der Behauptung, es seien Strafverfahren gegen die Kläger zu 2) und 3) geführt worden, auch die Behauptung des Herrn J. zu entnehmen ist, die Kläger zu 2) und 3) würden unerwünschte Werbung verschicken (klägerischer Antrag zu 1. b)), kommt es aus den genannten Gründen nicht mehr an.

b. Hinsichtlich der Kläger zu 2) und 3) fehlt es bereits an der erforderlichen Aktivlegitimation. Anspruchsberechtigt für den Unterlassungsanspruch ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ein Mitbewerber. Die Mitbewerbereigenschaft ist Voraussetzung der Begründetheit der Klage (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 3.8a m.w.N.). Mitbewerber ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG n.F./ § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG a.F. jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Gem. § 2 Nr. 8 UWG n.F./ § 2 Nr. 6 UWG a.F. ist „Unternehmer“ jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt. Darunter sind in richtlinienkonformer Auslegung nur Personen zu verstehen, die selbst Unternehmer sind (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.58). Wird das Unternehmen von einer Gesellschaft betrieben, ist als Unternehmer grundsätzlich nur die Gesellschaft als Inhaber des Unternehmens anzusehen und nicht der oder die einzelnen Gesellschafter (OLG Hamm Urt. v. 14.11.2013 – 4 U 88/13, GRUR-RS 2014, 02435; OLG Köln NZG 2011, 1320; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 3.27b). Vorliegend wird auch nicht der Aufbau eines Unternehmens durch die dahinterstehenden Personen berührt (vgl. hierzu OLG Köln NZG 2011, 1320). Die Klägerin zu 1) wurde vielmehr ausweislich der Klagschrift bereits im Jahr 2015 gegründet. Dass die Kläger zu 2) und 3) persönlich, wie in der Klagschrift ausgeführt, Unternehmensberater sind und an Branchenevents teilnehmen sowie als Vortragsredner gebucht werden, macht sie nicht zu Unternehmern i.S.d. § 2 Nr. 8 UWG n.F./ § 2 Nr. 6 UWG a.F., da sich aus dem klägerischen Vortrag nicht ergibt, dass sie diese Tätigkeiten unternehmerisch eigenständig und nicht als Geschäftsführer der Klägerin zu 1) ausüben. Vielmehr heißt es im erstinstanzlichen Vortrag der Klägerseite, die Kläger zu 2) und 3) seien „in die Klägerin zu 1) eingebettete Personenmarken“ und das „Aushängeschild“ der Klägerin zu 1). Jedenfalls besteht ein auf Wettbewerbsrecht gestützter Anspruch der Kläger zu 2) und 3) gegen die Beklagte aus den hinsichtlich der Klägerin zu 1) ausgeführten Gründen nicht.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Werbung für Backöfen und Dunstabzugshauben muss Energieeffizienzklasse und Spektrum der Effizienzklassen enthalten

EuGH
Beschluss vom 16.10.2023
C-761/22
Verband Wirtschaft im Wettbewerb ./. Roller GmbH & Co. KG


Der EuGH hat entschieden, dass die Werbung für Backöfen und Dunstabzugshauben die Energieeffizienzklasse und das Spektrum der Effizienzklassen enthalten muss.

Die Pressemitteilung des EuGH:
In der Werbung für Haushaltsbacköfen und -dunstabzugshauben muss sowohl auf die Energieeffizienzklasse dieser Produkte als auch auf das Spektrum der Effizienzklassen hingewiesen werden

Der deutsche Möbel-Discounter Roller bewarb auf seiner Website eine Küchenzeile. In dieser Werbung war die Energieeffizienzklasse des Einbau-Backofens und der Haushaltsdunstabzugshaube angegeben, nicht aber das Spektrum der Energieeffizienzklassen auf dem Etikett der betreffenden Geräte.

Ein Verband zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs erhob bei einem deutschen Gericht Klage auf künftige Unterlassung solcher Werbung.

Das deutsche Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Lieferanten und Händler nach dem Unionsrecht verpflichtet sind, in ihrer Werbung für Backöfen und Dunstabzugshauben die Energieeffizienzklasse und das Spektrum der Energieeffizienzklassen anzugeben. Falls dies zu bejahen sein sollte, möchte es wissen, wie sie ihrer Verpflichtung nachkommen können.

In seinem Beschluss vom 5. Oktober 2023 stellt der Gerichtshof fest, dass die Lieferanten und Händler eines Produkts in ihrer visuell wahrnehmbaren Werbung oder in ihrem technischen Werbematerial auf die
Energieeffizienzklasse dieses Produkts und das Spektrum der auf dem Etikett der betreffenden Produktgruppe verfügbaren Effizienzklassen hinweisen müssen. Dies gilt auch dann, wenn die Kommission
noch keinen delegierten Rechtsakt erlassen hat, in dem festgelegt wird, wie ein solcher Hinweis vorzunehmen ist.

In Bezug auf Haushaltsbacköfen und -dunstabzugshauben gibt es bislang keinen solchen delegierten Rechtsakt.

Unter diesen Umständen verfügen die Lieferanten und Händler über einen gewissen Spielraum hinsichtlich der Art und Weise, in der sie auf die Energieeffizienzklassen und ‑spektren hinweisen; der Ausübung dieses Spielraums sind jedoch Grenzen gesetzt.

So muss die Gestaltung der Energieeffizienzklassen und ‑spektren in der Werbung möglichst der Gestaltung auf dem Energieetikett der betreffenden Backöfen oder Dunstabzugshauben entsprechen. Ist eine solche Gestaltung nicht möglich, müssen Klasse und Spektrum jedenfalls lesbar und sichtbar in einer Weise angegeben werden, die den Anforderungen an die Information des Verbrauchers genügt.

Der Gerichtshof nennt hierfür einige Beispiele, unbeschadet anderer denkbarer Lösungen: In der Werbung können die Energieeffizienzklasse und das Spektrum der Effizienzklassen lesbar und sichtbar mittels einer für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher leicht verständlichen Wendung (wie etwa: „Die Energieeffizienzklasse dieses Modells/Produkts ist [einschlägiger Buchstabe] innerhalb eines Spektrums von [erster Buchstabe] bis [letzter Buchstabe]“) angegeben oder der Buchstabe der betreffenden Klasse in einem Pfeil mit der Hintergrundfarbe des entsprechenden Buchstabens des Spektrums der Effizienzklassen wiedergegeben und neben diesem Pfeil der Umfang des Spektrums mittels einer Angabe oder eines äquivalenten Symbols präzisiert werden, die oder das für einen solchen Verbraucher leicht verständlich ist. Positionierung, Schriftart und Schriftgröße dieser Hinweise sind so zu wählen, dass sie lesbar und sichtbar sind und somit für den Verbraucher klar aus der Werbung hervorgehen.


Tenor der Entscheidung:
Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1369 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2017 zur Festlegung eines Rahmens für die Energieverbrauchskennzeichnung und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/30/EU

ist dahin auszulegen, dass

die Lieferanten und Händler eines Produkts verpflichtet sind, in ihrer visuell wahrnehmbaren Werbung oder ihrem technischen Werbematerial für ein bestimmtes Produktmodell auf dessen Energieeffizienzklasse und auf das Spektrum der auf dem Etikett der betreffenden Produktgruppe verfügbaren Effizienzklassen hinzuweisen, wenn diese Produktgruppe Gegenstand eines auf der Grundlage der Richtlinie 2010/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Angabe des Verbrauchs an Energie und anderen Ressourcen durch energieverbrauchsrelevante Produkte mittels einheitlicher Etiketten und Produktinformationen erlassenen delegierten Rechtsakts und nicht eines auf der Grundlage der Verordnung 2017/1369 erlassenen delegierten Rechtsakts ist.

Sieht dieser delegierte Rechtsakt nicht vor, in welcher Weise die Lieferanten und Händler einen solchen Hinweis vornehmen müssen, und ist für die betreffende Produktgruppe noch kein delegierter Rechtsakt auf der Grundlage von Art. 16 der Verordnung 2017/1369 erlassen worden, müssen sie in ihrer visuell wahrnehmbaren Werbung und ihrem technischen Werbematerial auf die Energieeffizienzklasse dieses Produkts und das Spektrum der Effizienzklassen in gleicher Weise hinweisen wie auf dem Etikett der betreffenden Produktgruppe, sofern eine solche Gestaltung angesichts von Art, Größe und kommerziellen Erfordernissen der Werbung und des Werbematerials lesbar und sichtbar bleibt.

Ist eine solche Gestaltung nicht möglich, müssen sich die Lieferanten und Händler jedenfalls für eine äquivalente Gestaltung entscheiden, die den Anforderungen an die Information des Verbrauchers sowie den aus der Verordnung 2017/1369 resultierenden Erfordernissen der Lesbarkeit und Sichtbarkeit entspricht.

LG Köln: Fahrrad kann als Werk der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG urheberrechtlich geschützt sein

LG Köln
Urteil vom 01.09.2023
14 O 49/22


Das LG Köln hat entschieden, dass ein Fahrrad nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt sein kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
Ein Unterlassungsanspruch nach §§ 97 Abs. 1, 15, 16, 17, 23, 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG besteht nicht.

aa) Bei dem klägerischen Fahrradmodell in Form der Designanmeldung im Jahr 2008 ohne elektrische Unterstützung handelt es sich um ein Werk der angewandten Kunst gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG.

(1) Die Kammer hat hierzu kürzlich (Urteil der Kammer vom 23.02.2023, Az. 14 O 39/22) wie folgt ausgeführt:

„a) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG gehören Werke der bildenden Kunst einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke zu den urheberrechtlich geschützten Werken, sofern sie nach § 2 Abs. 2 UrhG persönliche geistige Schöpfungen sind. Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann (BGHZ 199, 52 = GRUR 2014, 175 Rn. 15 – Geburtstagszug; BGH GRUR 2021, 1290 Rn. 57 = WRP 2021, 1461 – Zugangsrecht des Architekten, mwN). Dabei kann die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen, soweit sie auf einer künstlerischen Leistung beruht und diese zum Ausdruck bringt (BGH GRUR 2012, 58 Rn. 36 – Seilzirkus; BGHZ 199, 52 = GRUR 2014, 175 Rn. 41 – Geburtstagszug; BGH GRUR 2021, 1290 Rn. 57 – Zugangsrecht des Architekten; BGH, GRUR 2022, 899, 902 Rn. 28 – Porsche 911).

b) In der Sache sollen diese Maßstäbe dem unionsrechtlichen Begriff des urheberrechtlich geschützten Werks (…). Für eine Einstufung eines Objekts als Werk müssen zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt (EuGH GRUR 2019, 73 Rn. 36 – Levola Hengelo; EuGH GRUR 2019, 1185 Rn. 29 – Cofemel; EuGH GRUR 2020, 736 Rn. 22 = WRP 2020, 1006 – Brompton Bicycle). Ein Gegenstand kann erst dann, aber auch bereits dann als ein Original in diesem Sinne angesehen werden, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringt. Wurde dagegen die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Gegenstand die für die Einstufung als Werk erforderliche Originalität aufweist (EuGH GRUR 2019, 1185 Rn. 30 f. – Cofemel; EuGH GRUR 2020, 736 Rn. 23 f. – Brompton Bicycle). Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen (EuGH GRUR 2019, 73 Rn. 37 – Levola Hengelo; EuGH GRUR 2019, 1185 Rn. 29 – Cofemel; EuGH GRUR 2020, 736 Rn. 22 – Brompton Bicycle). Dafür ist ein mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbarer Gegenstand Voraussetzung (EuGH GRUR 2019, 1185 Rn. 32 – Cofemel; EuGH GRUR 2020, 736 Rn. 25 – Brompton Bicycle), auch wenn diese Ausdrucksform nicht notwendig dauerhaft sein sollte (EuGH GRUR 2019, 73 Rn. 40 – Levola Hengelo).

c) Hiermit steht im Einklang, dass bei Werken der angewandten Kunst keine höheren Anforderungen an die Gestaltungshöhe zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst (BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 143/12, BGHZ 199, 52 [juris Rn. 26] - Geburtstagszug).

aa) Bei Gebrauchsgegenständen, die durch den Gebrauchszweck bedingte Gestaltungsmerkmale aufweisen, ist lediglich der Spielraum für eine künstlerische Gestaltung regelmäßig eingeschränkt. Deshalb stellt sich bei ihnen in besonderem Maße die Frage, ob sie über ihre von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet sind und diese Gestaltung eine Gestaltungshöhe erreicht, die Urheberrechtsschutz rechtfertigt (BGH, Urt. v. 15.12.2022 – I ZR 173/21 –, Rn. 15 – Vitrinenleuchte). Eine zwar Urheberrechtsschutz begründende, gleichwohl aber geringe Gestaltungshöhe führt zu einem entsprechend engen Schutzbereich des betreffenden Werkes (BGH, GRUR 2014, 175 [179, Rn. 41] – Geburtstagszug, mwN).

bb) Die Kammer geht dabei davon aus, dass mit der Geburtstagszug-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, GRUR 2014, 175 [177, Rn. 26] – Geburtstagszug) jedenfalls eine Absenkung der Schutzuntergrenze bei Werken der angewandten Kunst dergestalt einhergeht, dass keine überdurchschnittliche Gestaltungshöhe mehr verlangt wird (…)

f) Ob den Anforderungen, die an schutzfähige Werke zu stellen sind, im Einzelfall genügt ist, bleibt weitgehend eine Frage tatrichterlicher Würdigung (BGH, Urteil vom 27. Januar 1983 - I ZR 177/80, GRUR 1983, 377 [juris Rn. 15] = WRP 1983, 484 - Brombeer-Muster; Urteil vom 10. Dezember 1986 - I ZR 15/85, GRUR 1987, 903 [juris Rn. 27] - Le Corbusier-Möbel; Urteil vom 22. Juni 1995 - I ZR 119/93, GRUR 1995, 581 [juris Rn. 13] = WRP 1995, 908 - Silberdistel).

Dabei sind sämtliche Einzelfallumstände zu berücksichtigen, wobei die Klägerseite die Darlegungslast dafür trägt, dass [die Fahrradmodelle, nur hier angepasst auf den Einzelfall] über individuelle Gestaltungsmerkmale verfügen, die über die Verwirklichung einer technischen Lösung hinausgehen und dadurch den Schutz des Urheberrechts begründen können. Die Klägerseite trägt im urheberrechtlichen Verletzungsprozess die Darlegungslast für das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung. Sie hat daher nicht nur das betreffende Werk vorzulegen, sondern grundsätzlich auch die konkreten Gestaltungselemente darzulegen, aus denen sich der urheberrechtliche Schutz ergeben soll (BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - I ZR 53/10, GRUR 2012, 58 [juris Rn. 23 f.] – Seilzirkus; BGH, Urt. v. 15.12.2022 – I ZR 173/21 –, Rn. 21 – Vitrinenleuchte).

g) Das Vorhandensein einer Schöpfung, von Individualität und Originalität lässt sich nicht allein aus den objektiven Eigenschaften des jeweiligen Werkes herleiten. Vielmehr sind diese Merkmale anhand ihrer Relation zum konkreten Schaffensprozess zu betrachten. Die Werk-Schöpfer-Beziehung kann weder aus einer einseitigen Betrachtung der Person des Urhebers heraus noch durch Analyse seines Werkes allein adäquat erfasst werden (grundlegend Haberstumpf, GRUR 2021, 1249, 1251; Barudi, Autor und Werk – eine prägende Beziehung?, 2013, 32 f.). Maßgeblich ist vielmehr, nach welchen Regeln der Urheber eines bestimmten Werkes gearbeitet hat, wohingegen keine Rolle spielt, ob er sich dessen bewusst war. Erst dann, wenn die bestehenden Regeln vorgeben, wie der Erschaffer eines Produkts auf einem bestimmten Gebiet dieses zu fertigen hat – etwa anhand von erlernten Verarbeitungstechniken und Formgestaltungsregeln – bestehen keine Gestaltungsspielräume mehr, mit der Folge, dass die Entfaltung von Individualität dann nicht mehr möglich ist, selbst wenn ein handwerklich in Perfektion gefertigtes Produkt neu und eigenartig ist, also durchaus Designschutz beanspruchen könnte. Die rein handwerkliche oder routinemäßige Leistung trägt nicht den Stempel der Individualität, mag sie auch noch so solide und fachmännisch erbracht sein (Leistner, in: Schricker/Loewenheim, 6. Aufl. 2020, § 2, Rn. 53). Der Hersteller muss den bestehenden Gestaltungsspielraum indes auch durch eigene kreative Entscheidungen ausfüllen, um zum Urheber zu werden (BGH, GRUR 2014, 175, Rn. 41 – Geburtstagszug). Dies bedeutet, dass das schöpferische Individuum kein Produkt aus Regeln ist, sondern selbst eine Regel für das Urteil über andere Produkte, also exemplarisch sein muss.

Die technische Bedingtheit eines Produkts durch die Anwendung technischer Regeln und Gesetzmäßigkeiten kann den Spielraum des Gestalters beschränken, wenn eine technische Idee mit einer bestimmten Ausdrucksform zusammenfällt, diese Ausdrucksform technisch notwendig ist und damit schöpferisches Gestalten unmöglich macht (vgl. Zech, ZUM 2020, 801, 803). Technische Lehren können Spielräume des Gestalters aber auch erweitern, etwa, wenn dieser sich die kausalen Eigenschaften bestimmter Materialien oder vorhandener Gegenstände gerade zunutze macht, um mit diesen zu experimentieren, sie zu kombinieren und auszuloten, welche Gestaltungsmöglichkeiten sie bieten (Haberstumpf, GRUR 2021, 1249, 1253). So kann beispielsweise die Licht- und Farbwirkung von geschliffenem Kristallglas dazu beitragen, Tierfiguren als schutzfähig anzusehen (BGH, GRUR, 1988, 690, 692 f.).

h) Technische Regeln und Gesetzmäßigkeiten stehen einer schöpferischen Gestaltung also nur dann entgegen, wenn sie zwingende Wirkung entfalten, indem der Gestalter sich an bestehende Konventionen hält und diese befolgt, ohne von ihnen abzuweichen, sie zu modifizieren oder sich über sie hinwegzusetzen. Der Gestalter eines Produkts nutzt die ihm eröffneten Gestaltungsspielräume nicht, wenn er sich an vorgegebenen Techniken und Regeln orientiert. Zu einem schöpferischen Werk wird sein Produkt erst dann, wenn er von vorhandenen und praktizierten Gestaltungsgepflogenheiten abweichende Regeln in das jeweils in Anspruch genommene Kommunikationssystem explizit oder implizit einführt und danach handelt, indem er ein materielles Erzeugnis produziert, das als Beispiel oder Muster für seine selbstgesetzten Regeln dienen kann (Haberstumpf, GRUR 2021, 1249, 1256). Abzustellen ist nicht in erster Linie auf einzelne Gestaltungselemente, sondern auf den Gesamteindruck, den das Werk dem Betrachter vermittelt (OLG Hamburg, GRUR 2002, 419, 420).

Soweit postuliert wird, über technische Erwägungen (im engeren Sinne) hinaus seien auch jegliche funktional oder sachzweckbezogen determinierten Gestaltungsentscheidungen vom Urheberrechtsschutz auszuklammern ([Privatgutachten im Verfahren…]; Grünberger, ZUM 2020, 175, 180 f.), kann dem nicht gefolgt werden. Diese Interpretation lässt sich der Rechtsprechung des EuGH gerade nicht entnehmen. Vielmehr ist der Ausschluss vom Urheberrechtsschutz auf ausschließlich durch ihre technische Funktion bedingte Formen beschränkt (EuGH, GRUR2020, 736, 738, Rn. 33 -- Brompton Bicycle):

„Ist die Form des Erzeugnisses ausschließlich durch seine technische Funktion bedingt, wäre dieses Erzeugnis nicht nach dem Urheberrecht schutzfähig.“

Gestützt wird dieses enge Verständnis, wonach Urheberrechtsschutz lediglich dann ausgeschlossen ist, wenn ausschließlich technische Funktionen für die Gestaltung maßgeblich waren, durch den Vergleich mit der englischen und französischen Sprachfassung:

„Where the shape of the product is solely dictated by its technical function, that product cannot be covered by copyright protection.“

„Dans le cas où la forme du produit est uniquement dictée par sa fonction technique, ledit produit ne pourrait relever de la protection au titre du droit d’auteur.“

Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach ein Gebrauchszweck nicht vollkommen ausgeschlossen sein, der ästhetische Gehalt noch nicht einmal überwiegen muss (vgl. Kreile, ZUM 2023, 1, 4). Die Urheberrechtsschutzfähigkeit besteht vielmehr auch bei einem überwiegenden Gebrauchszweck und kann auch etwa dann gegeben sein, wenn der ästhetische Gehalt in die ihrem Zwecke gemäß – in klarer Linienführung ohne schmückendes Beiwerk – gestaltete Gebrauchsform eingegangen ist (BGH, GRUR 2012, 58, 60, Rn. 22 – Seilzirkus). So hat auch bereits das Reichsgericht dafürgehalten, dass Schöpfungen zu praktischen Zwecken nicht vom Urheberrechtsschutz ausgeschlossen sind (RG, Urteil vom 30. Juni 1928 – I 29/28 –, RGZ 121, 357, 358). Zu den Werken der bildenden Kunst zählt jede Gestaltung, in der eine eigenpersönliche geistige Schöpfung sichtbar wird, ohne Rücksicht darauf, ob das Werk neben dem ästhetischen Zweck noch einem praktischen Gebrauchszweck dient (RGZ 124, 68, 72 – Besteckmuster). Sachzweckbezogene Erwägungen im Gestaltungsprozess stehen dem Erreichen der relevanten Schutzschwelle daher nicht entgegen. Funktionale Sachzweckbezogenheit kann technischer Bedingtheit von Gestaltungsmerkmalen nicht gleichgesetzt werden. Vom Schöpfer ausgewählten Gestaltungselementen ist in der Konsequenz auch dann der urheberrechtliche Schutz nicht zu versagen, wenn deren Auswahl von der rationellen Umsetzung einer funktionalen Zielsetzung geprägt ist. Die Entscheidung für eine bestimmte Gestaltungsmöglichkeit und der damit verbundene Ausschluss anderer Gestaltungsmöglichkeiten kann bereits eine schöpferische Leistung darstellen. Der Schöpfer besitzt nämlich die prinzipielle Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit, auch eine abweichende Gestaltung und Ausführung zu wählen. In einem solchen Fall besteht kein Zwang zu einer bestimmten Gestaltung und damit auch keine Einschränkung des Gestaltungsspielraums (vgl. [Privatgutachten im Verfahren…]). Dies gilt selbst dann, wenn mit einer abweichenden Ausführung eine Modifizierung eines selbstgewählten Gestaltungsziels verbunden wäre.

Die Aussage des EuGH, „[…] dass der Umstand, dass Modelle […] über ihren Gebrauchszweck hinaus einen eigenen, ästhetisch markanten visuellen Effekt hervorrufen, es nicht rechtfertigen [könne], solche Modelle als ,Werke` [...] einzustufen" (EuGH, GRUR 2019, 1185, Rn. 54 f. - Cofemel), kann deshalb nur so verstanden werden, dass allein das Vorhandensein besonders markanter, visueller Effekte für sich genommen die Feststellung von Originalität nicht erlaubt (vgl. [Privatgutachten im Verfahren…]). Das Konzept der Gebrauchskunst beruht vielmehr gerade darauf, dass Dinge geschaffen werden, die gleichermaßen zweckgerichtet gebrauchstauglich und künstlerisch sind. Der künstlerische Aspekt schränkt die Zweckdienlichkeit dabei nicht ein. Eine Antithese zwischen der Nützlichkeit für einen bestimmten Gebrauchszweck und ästhetischer Schönheit ist daher nicht zielführend. Denn ein Werk der Gebrauchskunst verliert diesen Charakter nicht durch seine funktionellen Eigenschaften.

i) Der Schöpfungsprozess ist daraufhin zu analysieren, ob der Urheber sich ausschließlich an Vorgegebenem orientiert und die Spielräume nicht durch eigene Entscheidungen ausgefüllt hat. Lässt sich ausschließen, dass ein Gestalter vollständig nach vorgegebenen Regeln gearbeitet hat, ist zu folgern, dass er jedenfalls in gewissem Umfang eigene schöpferische Entscheidungen getroffen hat. Dann spricht eine Vermutung dafür, dass er den gegebenen Gestaltungsspielraum tatsächlich genutzt hat, um sein geistiges Produkt hervorzubringen. Der Urheber als Anspruchsteller genügt danach seiner Obliegenheit, die Schutzfähigkeit seines Werkes darzulegen, regelmäßig dadurch, dass er ein Werkexemplar vorlegt und seine Besonderheiten – konkreten Gestaltungselemente – präsentiert (vgl. BGH, GRUR 1981, 820, 822 – Stahlrohrstuhl III; abweichend wohl Hartwig, GRUR 2022, 1023, 1025). Verteidigt sich der wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch Genommene mit dem Einwand, das streitgegenständliche Werk sei nicht schutzfähig oder der Schutzumfang sei eingeschränkt, weil der Urheber auf vorbekannte Gestaltungen zurückgegriffen habe, muss dieser die Existenz und das Aussehen solcher Gestaltungen darlegen und beweisen. Der Urheber trägt im vorliegenden Zusammenhang also die Darlegungs- und Beweislast nur für die grundsätzliche Behauptung, dass die Schöpfung neuartig war. Für Entgegenhaltungen aus dem allgemeinen Formenschatz trägt dann im Folgenden derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der behauptet, dass die Schöpfung keinen Urheberrechtsschutz beanspruchen kann.

j) Eine subjektive Absicht des Urhebers, künstlerisch tätig zu werden, ist darüber hinaus nicht notwendig. (…)

Demnach ist auch der Gestaltungsspielraum des Schöpfers objektiv zu bestimmen und richtet sich nicht nach einer jederzeit abänderlichen Zielvorstellung oder Zwecksetzung. Die Entscheidung für eine bestimmte Gestaltungsform engt die schöpferische Leistung nicht ein, sondern kann jederzeit modifiziert werden. (…)“

(2) Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin hinreichend vorgetragen. Sie hat ihr Fahrradmodell (bzw. die Entwicklung des Herrn N.) dargestellt, vorgelegt und die Besonderheit (das sog. „Treppendesign“) herausgearbeitet. Sie hat zur Substantiierung ihres Vortrags ein Parteigutachten vorgelegt. Dies genügt zunächst für einen schlüssigen Vortrag zur Schutzfähigkeit.

[...]

4) Allerdings ist der Schutzbereich des klägerischen Werks als nur sehr eng anzusehen (vgl. BGH, GRUR 2023, 571, 574, Rn. 25 – Vitrinenleuchte). Da sowohl die oben geschilderten Schutzanforderungen relativ gering, als auch die gestalterischen Freiräume sehr eng sind und insoweit auch ein gewisses Freihaltebedürfnis für weitere Gestaltungen besteht, kann das Werk der Klägerin nur identische und sehr ähnliche Gestaltungen erfassen. Dies wird nachfolgend bei der Frage der Übernahme noch von Bedeutung sein.

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bb) Die Kammer geht nach dem Sach- und Streitstand von der Aktivlegitimation der Klägerin aus. Dass Herr N. die klägerische Gestaltung erschaffen hat, wird zwar seitens der Beklagten bestritten. Angesichts der Vorgeschichte der Parteien, bzw. konkret der Beklagten und Herrn N. persönlich, sowie der einhelligen Entwicklernennung des Herrn N. in der Öffentlichkeit hält die Kammer das Bestreiten der Beklagten insoweit für unerheblich. So ist unstreitig, dass die Beklagte von Herrn N. persönlich die Rechte für den Vertrieb einlizensiert hat. In dieser Zeit hat sie die Aktivlegitimation des Herrn N. offenbar nie gerügt. Auch wurde die Entwicklereigenschaft des Herrn N. in der Öffentlichkeit nie in Zweifel gezogen bzw. hat sich jemand anderes der Entwicklung berühmt, was bei dem selbst vom Beklagten vorgetragenen Erfolg der Fahrradmarke „T.“ jedoch zu erwarten wäre.

Auch der Rechteübergang auf die Klägerin kann nicht unqualifiziert bestritten werden. Auch insoweit ist unstreitig, dass die Klägerin in die Rechtsposition des Herrn N. eingetreten ist und sodann auch Kündigungen gegenüber der Beklagten erfolgt sind. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte ihre lizenzvertraglichen Verpflichtungen auch gegenüber der Beklagten erfüllt hat.

cc) Es mangelt jedoch an der Übernahme individueller Gestaltungsmerkmale durch die Beklagte bzw. an einem Eingriff in den Schutzbereich des klägerischen Werks.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Verden: Widerrufsrecht nicht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen wenn Produkt nach Bestellung On-Demand in Standardgröße hergestellt wird

LG Verden
Urteil vom 03.07.2023
10 O 13/23


Das LG Verden hat entschieden, dass das Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften nicht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen ist, wenn ein Produkt nach der Bestellung On-Demand in einer von mehreren angebotenen Standardgrößen hergestellt wird.

Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

§ 312g Widerrufsrecht
(1) [...]
(2) Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:
1.Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind,
[...]