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AG Cuxhaven: Widerrufsfrist für gesetzliches Widerrufsrecht beginnt erst mit vollständiger Lieferung der Ware einschließlich Zubehör

AG Cuxhaven
Urteil vom 25.02.2020
5 C 429/19


Das AG Cuxhaven hat entschieden, dass die Widerrufsfrist für das gesetzliche Widerrufsrecht erst mit vollständiger Lieferung der Ware einschließlich Zubehör beginnt.

KG Berlin: Angabe einer Postfach-Anschrift in der Widerrufsbelehrung setzt Widerrufsfrist nicht in Gang - Postfach ist keine ladungsfähige Anschrift

KG Berlin
Beschluss vom 04.03.2019
8 U 74/17


Das KG Berlin hat entschieden, dass die Angabe einer Postfach-Anschrift in der Widerrufsbelehrung unzureichend ist und die Widerrufsfrist nicht in Gang setzt. Ein Postfach-Anschrift ist keine ladungsfähige Anschrift.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass die den Klägern erteilte Widerrufsinformation nicht geeignet war, die Widerrufsfrist von 14 Tagen (§ 355 Abs. 2 BGB a.F.) in Gang zu setzen, da sie wegen Angabe eines Postfachs anstatt einer ladungsfähigen (Haus-)Anschrift nicht den Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB genügte.

a) Nach Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 EGBGB müssen im Vertrag neben den Angaben zur Frist für die Ausübung eines nach § 495 BGB bestehenden Widerrufsrechts auch Angaben zu "anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs" gemacht werden. Hierzu gehört nach allgemeiner Meinung unter anderem die Mitteilung, wem gegenüber und auf welchem Weg der Widerruf erklärt werden kann.

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Für die Konkretisierung der in Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB nur angesprochenen, aber nicht näher dargelegten "Umstände" ist nach zutreffender und herrschender Meinung auf die Regelung des § 360 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 4 BGB in der vom 11.06.2010 bis 12.06.2014 geltenden Fassung (die mit Wirkung ab 13.06.2014 in Art. 246 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 bis 4 EGBGB übernommen wurde) abzustellen (LG Münster, Urt. v. 01.04.2014 - 14 O 206/13 juris Tz 62; MüKo/Schürnbrand, BGB, 7. Aufl., § 492 Rn 28; Staub/Renner, Großkommentar zum HGB, Bd. 10/2 (Bankvertragsrecht), 5. Aufl., 4. Teil -Kreditgeschäfte- Rn 672; jurisPK/Schwintowski, BGB, 7. Aufl., § 492 Rn 18; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neub. 2012, § 492 Rn 70; Derleder NJW 2009, 3195, 3200; Rösler/Werner BKR 2009, 1, 4).

§ 360 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BGB a.F. ordnet an, dass die Widerrufsbelehrung den Namen und die ladungsfähige Anschrift desjenigen enthalten muss, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist. Nach § 355 Abs. 3 BGB a.F. ist dieser Belehrungsinhalt Voraussetzung für den Beginn der Widerrufsfrist. Beide Vorschriften, die allerdings unmittelbar nur die Ausgestaltung des notwendigen Inhalts einer Widerrufsbelehrung betreffen, sind mit Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29.07.2009 (BGBl. I, 2355) gleichzeitig mit der Neufassung des § 495 BGB betreffend das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und der Einführung des Instituts einer als Vertragsbestandteil zu erfolgenden Widerrufsinformation in Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB geschaffen worden. Sämtliche Regelungen sind gleichzeitig am 11.06.2010 in Kraft getreten. Nach § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB gelten die §§ 355 bis 359a BGB für das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen "mit der Maßgabe", dass "an die Stelle der Widerrufsbelehrung die Pflichtangaben nach Artikel 247 § 6 Abs. 2 EGBGB treten".

Unter diesen Umständen ist nicht zweifelhaft, dass der Gesetzgeber zur Konkretisierung der in Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB angesprochenen "Umstände" auf die gleichzeitig geschaffene Regelung des § 360 Abs. 1 BGB abstellen wollte. Die Regelung des § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB, wonach die Pflichtangaben nach Art. 247 Abs. 2 EGBGB an die Stelle der Widerrufsbelehrung treten, spricht nicht gegen, sondern für diese Annahme. Denn es war erklärtes Ziel des Gesetzgebers, mit der Einführung der Widerrufsinformation für Verbraucherkreditverträge der Vollharmonisierung durch die Richtlinie 2008/48/EG vom 23.04.2008 über Verbraucherkreditverträge, welche eine gesonderte Widerrufsbelehrung außerhalb des Vertrags nicht vorsah, gerecht zu werden und aus diesem Grund "die entsprechende Information im Vertrag an ihre Stelle treten zu lassen" (BT-DrS 16/11643, S. 83; s.a. BGH, Urt. v. 23.02.2016 - XI ZR 101/15, BGHZ 209, 86 = NJW 2016, 1881 Tz 29 f. mit dem Hinweis, dass daher nunmehr die Informationen zum Widerrufsrecht im Sinne eines "Ein-Urkunden-Modells" in die Vertragsurkunde aufzunehmen seien). Aus Gründen der Vollharmonisierung sei für "eine Belehrung im Sinne des § 355 Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit § 360 Abs. 1 BGB kein Raum mehr"; an die Stelle der Belehrung trete daher nach § 495 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine Vertragsklausel (a.a.O., S. 164). Es besteht auch kein sachlicher Grund, an eine Widerrufsinformation andere inhaltliche Anforderungen zu stellen als an eine Widerrufsbelehrung (s.a. Grüneberg BKR 2019, 1: an die Stelle der Widerrufsbelehrung sei die Widerrufsinformation getreten, "ohne dass dadurch der Gehalt grundlegend geändert wurde"). Es ist auch nicht ersichtlich, anhand welcher sonstigen Regelungen als des § 360 Abs. 1 BGB a.F. bestimmt werden sollte, welche "anderen Umstände für die Erklärung des Widerrufs" zum Inhalt einer Widerrufsinformation gemacht werden sollen.

§ 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB ist daher nicht dahin auszulegen, dass es (gerade) für einen Verbraucherdarlehensvertrag auf Angaben i.S. von § 360 Abs. 1 BGB für den Beginn der Widerrufsfrist nicht ankommt, sondern dass § 355 Abs. 3 BGB lediglich mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass - der insoweit geltenden anderen Konzeption folgend - nicht auf eine Widerrufsbelehrung (die nämlich nicht zu erfolgen hat), sondern auf die Pflichtangaben nach Art. 247 § 6 Abs. 2 BGB abzustellen ist, die jedoch - nicht anders als im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 355 Abs. 3 BGB - "den Anforderungen des § 360 Abs. 1 BGB entsprechen" müssen.

Dieses der gesetzlichen Regelung zwar nicht auf den ersten Blick (s. Derleder a.a.O.: "Gipfel der gesetzgebungstechnischen Umständlichkeit"), aber dennoch hinreichend klar zu entnehmende Ergebnis entspricht auch dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers, der in BT-DrS 16/11643 S. 128 die in Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB angesprochenen Umstände insbesondere mit den Formerfordernissen "entsprechend § 360 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BGB" erklärt. Dieser gesetzgeberische Wille wird nochmals dadurch bestätigt, dass mit Wirkung ab dem 30.07.2010 ein Muster einer Widerrufsinformation als Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB eingeführt wurde, in dem nach Gestaltungshinweis 3 die Angabe einer "ladungsfähigen Anschrift" vorgeschrieben ist, und es in BT-DrS 17/1394 S. 21 heißt: "Das Muster entspricht den Vorgaben des Artikels 247 § 6 Abs. 2 EGBGB - neu -, mit dem die Vorgaben des Artikels 10 Abs. 2 Buchstabe q der Verbraucherkreditrichtlinie umgesetzt werden, und verweist auf § 495 Abs. 2 Nr. 1 BGB".

Die von der Beklagten angegebenen Fundstellen, wonach § 360 BGB auf das verbraucher-kreditrechtliche Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB "keine Anwendung" findet, weil nach § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB die Pflichtangaben an die Stelle der Widerrufsbelehrung treten (MüKo/ Masuch, BGB, 6. Aufl. 2012, § 360 Rn 7; BeckOK-BGB/Christmann, 31. Edition 1.5.2014, § 360 Rn 4) befassen sich nicht mit der hier in Frage stehenden Auslegung von Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB und dürften ohnehin nur dahin zu verstehen sein, dass es einer gesonderten Widerrufsbelehrung im Recht des Verbraucherdarlehensvertrags nicht bedarf.

b) Eine Postfachanschrift stellt keine "ladungsfähige Anschrift" dar (s. BGH NJW 2002, 2391, 2394; BVerwG NJW 1999, 2608, 2609). Eine solche setzt vielmehr die Angaben einer Straße, Hausnummer und Postleitzahl voraus (s. BGH, Urt. v. 20.06.2017 - XI ZR 72/16, NJW-RR 2017, 1197 Tz 26).

Die Rechtsprechung des BGH zum alten Recht der Widerrufsbelehrung, wonach eine "Anschrift" i.S. von § 355 Abs. 2 S. 1 BGB (in der Fassung bis 10.06.2010) nur als "Postanschrift" zu verstehen war und daher auch eine Postfachanschrift einschloss (s. BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 Tz 16; Urt. v. 25.01.2012 - VIII ZR 95/11, NJW 2012, 1065 Tz 13; Urt. v. 11.04.2002 - I ZR 306/99, NJW 2002, 2391), ist auf das seit dem 11.06.2010 geltende Recht der Widerrufsinformation nicht mehr anwendbar, da die oben genannten, aufeinander abgestimmten Vorschriften insoweit eine andere Auslegung ergeben (a.A. Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 9. Aufl., § 495 Rn 103; OLG Saarbrücken, Urt. v. 06.12.2018 - 4 U 166/17 - juris Tz 41 f. für einen am 28.06.2010 geschlossenen Darlehensvertrag unter Hinweis auf "§ 355 Abs. 2 S. 1 BGB aF" und die genannte Rechtsprechung des BGH).

Soweit Bülow a.a.O. darauf hinweist, dass für Verbraucherkreditverträge das sog. "Ein-Urkunden-Modell" gelte, und daraus den Schluss zieht, dass die Angabe der Anschrift im Vertragsrubrum ausreichend sei, ist dem nicht zu folgen. Das Gesetz unterscheidet zwischen allgemeinen Pflichtangaben, zu denen nach Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB Name und Anschrift des Darlehensgebers gehören, und den nach § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB an die Stelle der Widerrufsbelehrung tretenden Pflichtangaben nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB (sog. Widerrufsinformation, s. BGH NJW 2017, 1306 Tz 10). Letztere setzt eine Vertragsklausel voraus, die den Verbraucher klar und verständlich (s. Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB, der insoweit auch für Absatz 2 gilt, s. BGHZ 209, 86 Tz 27 f.) über das Bestehen des Widerrufsrechts, die Frist und die Umstände für die Widerrufserklärung, zu denen auch der Adressat gehört, unterrichtet. Es soll dem Verbraucher gerade nicht zugemutet werden, sich die Informationen aus dem gesamten Vertragswerk zusammenzusuchen. Eine an anderer Stelle stehende ladungsfähige Anschrift genügt daher nicht (s. Staudinger/Kaiser, Neub. 2012, § 360 Rn 23 m.N.).

c) Der somit gegebene Mangel der Widerrufsinformation ist nicht wegen Verwendung des Musters nach Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB i.V.m. Anlage 6 ohne Bedeutung. Der Beklagten kommt die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters nicht zugute, da dieses gerade die Angaben der ladungsfähigen Anschrift vorschreibt und deren Weglassen eine relevante Abweichung vom Muster darstellt (s. BGH, Urt. v. 20.06.2017 - XI ZR 72/16, NJW-RR 2017, 1197 Tz 26; Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Tz 24)."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Richtig belehren - Die Widerrufsbelehrung für Verbraucher muss verständlich und gut lesbar sein - Neuer Beitrag in der Internet World Business von RA Marcus Beckmann

In Ausgabe 14/15, S. 15 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel "Richtig belehren - Die Widerrufsbelehrung für Verbraucher muss verständlich und gut lesbar sein". Darin erörtert Rechtsanwalt Beckmann die formellen Anforderungen der Rechtsprechung an eine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht.


AG Mettmann: Amazon-Marketplace-Händler muss eigene Widerrufsbelehrung vorhalten und dem Käufer in Textform übermitteln

AG Mettmann
Urteil vom 06.08.2014
21 C 304/13


Das AG Mettmann hat entschieden, dass ein Amazon-Marketplace-Händler eine eigene Widerrufsbelehrung vorhalten muss. Ein pauschaler Verweis auf die Amazon-Widerrufsbelehrung ist unzureichend. Zudem muss der Kunde die Widerrufsbelehrung dem Käufer in Textform übermitteln. Im vorliegenden Fall war mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung die Frist zum Widerruf nicht erloschen.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Willenserklärung der Klägerin auf Abschluss des Vertrages wurde wirksam widerrufen.

Eine Frist zum Widerruf war noch nicht erloschen gemäß § 355 Abs. 4 S. 3 BGB (a.F.). Eine Widerrufsbelehrung mit dem Inhalt des § 360 Abs. 1 BGB (a.F.) in Textform ist der Klägerin durch die Beklagte nämlich nicht zugegangen.

Ein pauschaler Hinweis auf die AGB auf der Homepage genügt den Anforderungen der Textform nicht gemäß § 355 Abs. 3 S.1 BGB (a.F.). Die Textform gemäß § 126 b BGB (a.F.) umfasst auch die Übermittlung durch Fax oder E-Mail. Eine lediglich auf die Homepage des Betreibers gestellte Belehrung reicht grundsätzlich nicht aus. Entscheidend ist, dass für den Verbraucher eine dauerhafte Wiedergabe möglich ist. Es muss zu einer Perpetuierung bei dem Verbraucher kommen. Eine lediglich im Internet veröffentlichte Widerrufsbelehrung könnte jeder Zeit geändert werden und kann daher keine Rechtssicherheit leisten. Der Umstand, dass die AGB des jeweiligen Plattformbetreibers unter der Option "meine Bestellungen" für den Käufer abrufbar sind, ist daher irrelevant. Auch kann dahinstehen, ob die Klägerin eine E-Mail von B mit einer Widerrufsbelehrung erhalten hat. Denn maßgeblich ist, dass der Unternehmer als Vertragspartner den Verbraucher belehrt. Darüber hinaus wird durch diese Belehrung den Voraussetzungen des § 360 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BGB (a.F.) nicht Genüge getan, da ausweislich der Teilnahmebedingungen von B in der Fassung vom 29.08.2013 unter B. I. 5. geregelt ist, dass der Widerruf an den Verkäufer zu richten ist, in der von der Beklagten vorgelegten E-Mail aber als Adressat B selbst angegeben ist."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



AG Winsen: Widerrufsfrist beginnt nicht mit Abgabe des Pakets beim Nachbarn

AG Winsen (Luhe)
Urteil vom 28.06.2012
22 C 1812/11


Das AG Winsen hat entschieden, dass die 14-tägige Widerrufsfrist bei Fernabsatzgeschäften nicht bereits mit der Abgabe des Pakets beim Nachbarn beginnt. Vielmehr ist erforderlich, dass der Kunde das Paket erhält. Etwaige Verzögerungen gehen - so die Ansicht des Gerichts - zu Lasten des Versenders.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Widerrufsbelehrung mit dem Einleitungssatz "Verbraucher haben das folgende Widerrufsrecht" ist nicht wettbewerbswidrig

BGH
Urteil vom 09.11.2011
I ZR 123/10
Überschrift zur Widerrufsbelehrung
UWG §§ 3, 4 Nr. 11; BGB § 312c Abs. 1; EGBGB Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10


Der BGH hat völlig zu Recht entschieden, dass die Widerrufsbelehrung sehr wohl mit dem einleitenden Satz "Verbraucher haben das folgende Widerrufsrecht" oder ähnlich versehen werden darf und dies keinen Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot darstellt. Zum Teil hatte die Rechtsprechung in derartigen Fällen irrig und praxisfern einen Wettbewerbsverstoß bejaht. Wieder einmal zeigt sich, dass der BGH zu den formellen Vorschriften und strikten gesetzlichen Vorgaben bei Fernabsatzgeschäften ein weitaus "entspannteres" Verhältnis hat, als viele Land- oder Oberlandesgerichte. Leider hat der BGH viel zu selten die Möglichkeit sich mit den relevanten Rechtsfragen zu befassen.

Leitsätz des BGH:
a) Eine Widerrufsbelehrung mit dem einleitenden Satz "Verbraucher haben das folgende Widerrufsrecht" verstößt nicht gegen das Deutlichkeitsgebot gemäß § 312c Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB.

b) Der Unternehmer braucht nicht zu prüfen, ob die Adressaten der Widerrufsbelehrung Verbraucher oder Unternehmer sind, da ihm eine solche Prüfung bei einem Fernabsatzgeschäft häufig nicht möglich ist.

BGH, Urteil vom 9. November 2011 - I ZR 123/10 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH stellt strenge formelle Anforderungen an die Widerrufsbelehrung - Abweichungen vom gesetzlichen Muster sind gefährlich

BGH
Urteil vom 01.12.2010
VIII ZR 82/10
BGB § 312d Abs. 1, § 355 Abs. 2 in der bis zum 11. Juni 2010 geltenden Fassung;
BGB-InfoV §§ 14, 16 in der bis zum 11. Juni 2010 geltenden Fassung


Der BGH hat in dieser Entscheidung sehr strenge formelle Anforderungen an die Widerrufsbelehrung bei Fernabsatzgeschäften gestellt.
Zwar kann diese - so der BGH - auch vom gesetzlichen Muster abweichen, jedoch soll es bereits problematisch sein, wenn die Belehrung lediglich mit "Widerrufsrecht" und nicht mit "Widerrufsbelehrung" überschrieben ist. Zudem rügt der BGH im vorliegenden Fall, dass der Belehrung die gliedernden Zwischenüberschriften "Widerrufsrecht", "Widerrufsfolgen" und ggf. "finanzierte Geschäfte" fehlen. Auch die verwendete Schrift sei für einen Durchschnittsverbraucher zu klein. Schließlich hält es der BGH für problematisch, wenn im Belehrungstext eine Beschränkung auf Verbraucher vorgenommen wird. So heißt es in den Entscheidungsgründen:

"Die Belehrung wendet sich auch nicht, wie es das Muster vorsieht, konkret an den Adressaten der Belehrung ("Sie"), sondern ist abstrakt formuliert ("Verbraucher"), ohne den Rechtsbegriff "Verbraucher" zu erläutern."

Dabei bleibt jedoch die Streitfrage unbeantwortet, ob außerhalb des Belehrungstextes ein Beschränkung des Widerrufsrechts auf Verbraucher vorgenommen werden darf.

Fazit:

Entspricht die Widerrufsbelehrung nicht den formellen Anforderungen, so liegt keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung vor. Dies hat zur Folge, dass die Widerrufsfrist nicht etwa nur 14 Tage beträgt, sondern bis zu einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung weiterläuft. Zudem drohen Abmahnungen durch Mitbewerber und Verbände. Shopbetreiber sollten daher großen Wert darauf legen, ihre Widerrufsbelehrung dem gesetzlichen Muster anzupassen.

Leitsätze des BGH:

a) Dem Unternehmer ist eine Berufung auf § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV und das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung (BGBl. I 2004 S. 3102) jedenfalls dann verwehrt, wenn der Unternehmer gegenüber dem Verbraucher für die Widerrufsbelehrung kein Formular verwendet hat, das der Musterbelehrung der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung vollständig entspricht (im Anschluss an BGH, Urteil vom 12. April 2007 - VII ZR 122/06, BGHZ 172, 58 Rn. 12; Senatsurteil vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 zur Belehrung über das Rückgaberecht).
b) Die vom Unternehmer verwendete Widerrufsbelehrung darf zwar gemäß § 14 Abs. 3 BGB-InfoV in Format und Schriftgröße von der Musterbelehrung abweichen, muss aber - auch bei Verwendung des Textes der Musterbelehrung - deutlich gestaltet sein (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB).

BGH, Urteil vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10 - LG Gießen - AG Gießen

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Rechtstip: Änderungen der Vorschriften zum Widerrufsrecht - neue Widerrufsbelehrung seit dem 11.06.2010

Zum 11.06.2010 hat der Gesetzgeber durch das "Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht" die Vorschriften zum Widerrus- und Rückgaberecht erneut geändert und endlich einige Missstände und Wertungswidersprüche beseitigt. Alte und neue Probleme bleiben dennoch.

Das Muster des Gesetzgebers finden Sie hier:
Muster: Widerrufsbelehrung in der ab dem 11.06.2010 gültigen Fassung

Musterwiderrufsbelehrung mit Gesetzesrang
Endlich hat es der Gesetzgeber, geschafft eine Musterwiderrufsbelehrung mit Gesetzesrang zu schaffen. Dazu wurden die Vorschriften der BGB-Informationspflichtenverordnung (BGB-InfoV) in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) verschoben. Auf diese Weise sind Gerichte an das gesetzliche Muster gebunden. Leider ist das neue Muster nicht mit der aktuellen EuGH-Rechtsprechung zum Wertersatz für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme (EuGH, Urteil vom 03.11.2009 - C-489/07) in Einklang zu bringen. Obwohl diese Entscheidung schon länger bekannt ist, hat es der Gesetzgeber leider nicht geschafft, diese zu berücksichtigen. Eine neue Musterwiderrufsbelehrung ist bereits in Arbeit. Wenn an anderer Stelle behauptet wird, dass das neue gesetzliche Muster "abmahnsicher" sei, so ist dies sicher eine gewagte These. Jeder Anbieter sollte Risiko und Nutzen abwägen und entscheiden, ob er Wertersatz für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme verlangen will oder nicht.

Wichtig: Änderung der Widerrusfbelehrung in den eigenen Angeboten
Seit dem 11.06.2010 ist die Verwendung des alten Musters nicht mehr gestattet. Die relevanten Vorschriften der BGB-InfoV befinden sich nun im EGBGB. Daher müssen die in der Widerrusfbelehrung enthaltenen Verweise entsprechend geändert werden. Auch spricht die Musterwiderrufsbelehrung nunmehr von "14 Tagen" und nicht mehr von "zwei Wochen". Die Anpassung der Widerrufsbelehrung an die neue Musterwiderrufsbelehrung sollte mit großer Sorgfalt erfolgen.

Gleichbehandlung verschiedener Vertragsschlussmodelle - 14 Tage Widerrufsfrist auch bei eBay
Aufgrund einer missglückten Formulierung der alten Vorschriften zum Widerrufsrecht war die herrschende Ansicht in der Rechtsprechung zu dem Ergebnis gekommen, dass nur eine einmonatige Widerrufsfrist eingeräumt werden darf, wenn eine Belehrung in Textforum (Email, Fax, Brief) nach Vertragsschluss erfolgt. Dies führte dazu, dass bei Vertragsschlussmodellen wie bei eBay keine Widerrufsfrist von 14 Tagen eingeräumt werden durfte, sondern diese einen Monat betrug. Zudem konnte in einem solchen Fall kein Wertersatz für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme verlangt werden. Diese Ungleichbehandlung wurde beseitigt. Nunmehr genügt es, wenn der Käufer unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform belehrt wird. Der Gesetzgeber führt in des Gesetzesbegründung dazu aus, dass dieses Kriterium erfüllt ist, wenn die Belehrung in Textform spätestens einen Tag nach Vertragsschluss erfolgt. Kann z.B. ein eBay-Anbieter dies nicht gewährleisten, so muss er es bei einer Widerrufsfrist von 1 Monat belassen und kann auch keinen Wertersatz für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme verlangen.

Alte Unterlassungserklärungen und Vertragsstrafen
Wer in der Vergangenheit eine Unterlassungerklärung abgegeben hat (z.B. wegen der Widerrufsfrist bei eBay) muss dringend vor Änderung seiner Widerrufsbelehrung prüfen, ob durch die Anpassung an die neue Rechtslage womöglich eine Vertragsstrafe fällig wird. (siehe dazu auch Rechtstip: Unterlassungserklärung und Vertragsstrafe - was ist bei der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu bedenken). Unterlassungserklärungen werden bei einer Gesetzesänderung nach wohl überwiegender Ansicht nicht automatisch unwirksam, sondern müssen unter Hinweis auf die Änderungen der Gesetzeslage gekündigt werden bzw. es besteht ein Anspruch auf Anpassung des Unterlassungsvertrages wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

Fazit
Der Gesetzgeber hat es wieder einmal nicht geschafft, eine wasserdichte und der aktuellen Rechtsprechung angepasste Musterbelehrung zur Verfügung zu stellen. Die Vorschriften sind nach wie vor viel zu kompliziert und sprachlich misslungen.