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BGH: In situ generierter Stickstoff zur Bekämpfung von Schadorganismen ist ein Biozidprodukt im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Biozidproduktverordnung

BGH
Urteil vom 10.11.2022
I ZR 16/22
Stickstoffgenerator
Verordnung (EU) Nr. 528/2012 Art. 3 Abs. 1 Buchst. a


Der BGH hat entschieden, dass in situ generierter Stickstoff zur Bekämpfung von Schadorganismen ein Biozidprodukt im Sinne von von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Biozidproduktverordnung ist.

Leitsatz des BGH:
In situ generierter Stickstoff, mit dem Schadorganismen bekämpft werden, ist ein Biozidprodukt im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten.

BGH, Urteil vom 10. November 2022 - I ZR 16/22 - OLG Hamm - LG Dortmund

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: LLP mit Hauptsitz in London darf in Deutschland keine Steuerberatung anbieten ohne dass in deutscher Niederlassung Steuerberater mit Zulassung in Deutschland tätig ist

BGH
Urteil vom 10.12.2021
I ZR 26/20
Steuerberater-LLP
AEUV Art. 49, Art. 56; RL 2005/36/EG Art. 5; StBerG §§ 3, 3a, 4, 6, 8;
UWG §§ 3a, 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3


Der BGH hat entschieden, dass eine LLP mit Hauptsitz in London in Deutschland keine Steuerberatung anbieten darf, ohne dass in deutscher Niederlassung Steuerberater mit Zulassung in Deutschland tätig ist

Leitsatz des BGH:
Eine Limited Liability Partnership (LLP) mit Hauptsitz in London, die nicht zu den nach den §§ 3, 4 und 6 Nr. 4 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugten Personen und Vereinigungen zählt, ist nicht nach § 3a Abs. 1 Satz 1 StBerG zur vorübergehenden und gelegentlichen geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen im Inland befugt, wenn sie über eine inländische Niederlassung verfügt.

BGH, Urteil vom 10. Dezember 2020 - I ZR 26/20 - OLG Hamm - LG Essen

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BVerwG: Landesmedienanstallt kann nicht gegen Erteilung der Zulassung für ein bundesweites Fernsehprogramm durch andere Landesmedienanstalt klagen

BVerwG
Urteil vom 15.07.2020 - 6 C 6.19
Urteil vom 15.07.2020 - 6 C 25.19


Das BVerwG hat entschieden, dass eine Landesmedienanstallt nicht gegen die Erteilung der Zulassung für ein bundesweites Fernsehprogramm durch eine andere Landesmedienanstalt klagen kann.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Klagen von Landesmedienanstalten gegen die Erteilung der Zulassung für ein bundesweites Fernsehprogramm durch eine andere Landesmedienanstalt unzulässig

Eine Landesmedienanstalt kann sich nicht auf eine wehrfähige Rechtsposition berufen, um die Aufhebung einer Zulassung zu erreichen, die eine andere Landesmedienanstalt einem privaten Rundfunkveranstalter für ein bundesweit verbreitetes Fernsehprogramm auf der Grundlage einer Entscheidung der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) erteilt hat. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.

Die Klägerinnen, die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK) und die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR Hessen), sind ebenso wie die Beklagte, die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH), nach dem jeweiligen Landesrecht für die Zulassung privater Rundfunkveranstalter zuständig.

Die LMK hatte der Beigeladenen zu 2., einer Tochtergesellschaft der Beigeladenen zu 1., mit Bescheid vom 26. August 2008 die Zulassung zur Ausstrahlung des bundesweiten Fernsehprogramms „SAT.1“ ab dem 1. Juni 2010 erteilt. Im Hauptprogramm „SAT.1“ werden werktäglich Regionalfensterprogramme für die Länder Rheinland-Pfalz und Hessen gesendet. Hierfür haben die Klägerinnen einem Regionalfensterveranstalter jeweils die Zulassung erteilt. Am 2. April 2012 beantragte die Beigeladene zu 1. bei der Beklagten die Erteilung einer Zulassung zur bundesweiten Veranstaltung des Fernsehvollprogramms „SAT.1“. Auf der Grundlage eines entsprechenden Beschlusses der ZAK erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1. mit Bescheid vom 11. Juli 2012 die beantragte Zulassung für die Dauer von zehn Jahren ab dem 1. Juni 2013. Die Zulassung ist insoweit eingeschränkt, als Regionalfensterprogramme bestehen oder organisiert werden; die gesetzliche Verpflichtung zur Aufnahme von Regionalfensterprogrammen im Programm „SAT.1“ bleibt unberührt. Die Zulassung wird erst wirksam, wenn die Zulassung der Beigeladenen zu 2. aus dem Jahr 2008 durch Rückgabe bis spätestens einen Monat nach Bestandskraft dieser Zulassung unwirksam geworden ist.

Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2012 erhobenen Anfechtungsklagen der LMK und der LPR Hessen waren in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen der Klägerinnen zurückgewiesen. Die Klagen sind mangels Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) bereits unzulässig. Die Klägerinnen können sich nicht auf das Grundrecht der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) berufen. Eine wehrfähige Rechtsposition der Klägerinnen gegenüber anderen Landesmedienanstalten ergibt sich auch nicht aus einer Letztverantwortung für die Rechtmäßigkeit der in ihrem Sendegebiet ausgestrahlten Rundfunkprogramme.

Zwar hatte das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 1997 auf der Grundlage der damaligen Fassung des Rundfunkstaatsvertrages - RStV - sowie mit Blick auf durch Art. 5 Abs. 1 GG ausgelöste staatliche Schutzpflichten eine solche Letztverantwortung bestätigt und daraus ein Klagerecht hergeleitet. Hieran kann indes jedenfalls seit dem In-Kraft-Treten des 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrages im Jahr 2008 nicht mehr festgehalten werden. Nach der Neuregelung (vgl. §§ 35 ff. RStV) trifft nunmehr im Innenverhältnis allein die ZAK, die sich aus den gesetzlichen Vertretern der Landesmedienanstalten zusammensetzt, die abschließenden Entscheidungen im Zusammenhang mit der Zulassung privater bundesweiter Rundfunkveranstalter und bei Aufsichtsmaßnahmen gegenüber solchen Veranstaltern, soweit nicht die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) zuständig ist. Die Aufgabe der zuständigen Landesmedienanstalt beschränkt sich darauf, die Beschlüsse der ZAK zu vollziehen, d.h. in Form eines an den betroffenen Rundfunkveranstalter gerichteten Verwaltungsakts zu erlassen. Diese einfach-rechtliche Ausgestaltung steht der Annahme einer Letztverantwortung der einzelnen Landesmedienanstalten im Bereich der Zulassung bundesweiter Rundfunkveranstalter entgegen.

Das geänderte Zulassungs- und Aufsichtsregime für bundesweite Rundfunkveranstalter unterliegt auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar fasst die ZAK ihre Beschlüsse mit der Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitglieder. Diese sind an Weisungen nicht gebunden und unterliegen einer Verschwiegenheitspflicht. Dass hierdurch die pluralistisch zusammengesetzten Beschlussgremien der Landesmedienanstalten einen erheblichen Bedeutungsverlust erfahren, ist jedoch sowohl mit den Vorgaben aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als auch mit dem Bundesstaats- und dem Demokratieprinzip vereinbar. Im Hinblick auf die im Bereich des Rundfunks offensichtlichen faktischen Grenzen einer isolierten Aufgabenerfüllung der Länder und die vom Bundesverfassungsgericht dementsprechend angenommene Pflicht zur Kooperation der Länder bestehen objektiv gewichtige Sachgründe für die getroffenen Regelungen. Die Zusammensetzung der ZAK und die Rechtsstellung ihrer Mitglieder tragen dem grundrechtlichen Gebot der Staatsferne des Rundfunks Rechnung. Zudem verfügt die ZAK nur über einen eingeschränkten Entscheidungsspielraum. Solange die KEK keine vorherrschende Meinungsmacht festgestellt hat (vgl. § 26 RStV), besteht bei Vorliegen der in § 20 a RStV geregelten persönlichen und sachlichen Voraussetzungen grundsätzlich ein Zulassungsanspruch des Bewerbers.

Schließlich ergeben sich auch aus der Aufsichtsverantwortung für die in Rheinland-Pfalz bzw. in Hessen verbreiteten Regionalfensterprogramme im Hauptprogramm „SAT.1“ keine wehrfähigen Rechtspositionen für die Klägerinnen. Die Zuständigkeit für die Zulassung von Regionalfensterprogrammveranstaltern und für die Aufsicht hierüber wird nicht dadurch berührt, dass der jeweilige Hauptprogrammveranstalter wechselt.


BVerwG 6 C 25.19 - Urteil vom 15. Juli 2020

Vorinstanzen:

OVG Schleswig, 3 LB 20/14 - Urteil vom 29. November 2018 -

VG Schleswig, 11 A 4/13 - Urteil vom 23. Mai 2013 -

BVerwG 6 C 6.19 - Urteil vom 15. Juli 2020

Vorinstanzen:

OVG Schleswig, 3 LB 19/14 - Urteil vom 29. November 2018 -

VG Schleswig, 11 A 3/13 - Urteil vom 23. Mai 2013 -


EuGH-Generalanwältin: Software die für Zulassungstests Einfluss auf Emissionskontrollsystem bei Dieselfahrzeugen nimmt ist unzulässige Abschalteinreichtung nach EU-Verordnung Nr. 715/2007

EuGH-Generalanwältin
Schlussanträge vom 30.04.2020
C-693/18
CLCV u. a. (Abschalteinrichtung bei einem Dieselmotor)


Die EuGH-Generalanwältin kommt in Ihren Schlussanträgen zudem Ergebnis dass Software die für Zulassungstests Einfluss auf das Emissionskontrollsystem bei Dieselfahrzeugen nimmt, eine unzulässige Abschalteinreichtung nach EU-Verordnung Nr. 715/2007 ist.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Laut Generalanwältin Sharpston stellt eine Vorrichtung, die bei Zulassungstests von Dieselkraftfahrzeugen einen verstärkenden Einfluss auf die Funktion des Emissionskontrollsystems dieser Fahrzeuge ausübt, eine unionsrechtlich verbotene „Abschalteinrichtung“ dar

Das Ziel, den Verschleiß oder die Verschmutzung des Motors zu verzögern, rechtfertigt nicht den Einsatz einer solchen Vorrichtung Das Unternehmen X ist ein Automobilhersteller, der Kraftfahrzeuge in Frankreich vertreibt. Dieses Unternehmen soll Fahrzeuge mit einer Software auf den Markt gebracht haben, die geeignet ist, die Ergebnisse der Zulassungstests in Bezug auf Emissionen von Schadstoffen, wie etwa Stickoxiden (im Folgenden: NOx), zu verfälschen.

Infolge von Enthüllungen in der Presse leitete die Staatsanwaltschaft von Paris (Frankreich) eine Untersuchung ein, woraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen das Unternehmen X in Gang gesetzt wurde. Die mutmaßliche Straftat soll darin bestehen, die Erwerber von Dieselmotorfahrzeugen über wesentliche Eigenschaften dieser Fahrzeuge und über die vor deren Inverkehrbringen durchgeführten Prüfungen getäuscht zu haben.

Die fraglichen Fahrzeuge waren mit einem Ventil zur Abgasrückführung (AGR) ausgestattet. Das AGR-Ventil ist eine der Technologien, die von den Automobilherstellern zur Kontrolle und Reduzierung der endgültigen NOx-Emissionen verwendet werden. Es handelt sich um ein System, das darin besteht, einen Teil der Motorabgase zum Lufteinlass, d. h. dorthin, wo die dem Motor zugeführte Frischluft eintritt, zurückzuführen, um die endgültigen NOx-Emissionen zu verringern.

Vor dem Inverkehrbringen wurden diese Fahrzeuge in einem Labor Zulassungstests nach einem in Abhängigkeit von verschiedenen technischen Parametern (Temperatur, Geschwindigkeit etc.) vordefinierten Fahrzyklus (dem New European Driving Cycle) unterzogen. Diese Tests haben unter anderem den Zweck, die NOx-Emissionshöhe und die entsprechende Einhaltung der durch die Verordnung (EG) Nr. 715/20071 festgelegten Grenzwerte zu überprüfen. Die Emissionen der fraglichen Fahrzeuge waren somit nicht unter realen Fahrbedingungen geprüft worden.

Ein technisches Gutachten, das im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erstellt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass die fraglichen Fahrzeuge über eine Vorrichtung verfügen, die in der Lage ist, die Phasen der Zulassungstests zu erkennen und in der Folge die Funktion des AGR-Systems so anzupassen, dass die vorgeschriebene Emissionsobergrenze eingehalten wird. Umgekehrt führt diese Vorrichtung unter anderen Bedingungen als jenen der Zulassungstests, d. h. beim normalen Fahrbetrieb, zu einer (teilweisen) Deaktivierung des AGR-Systems und – folglich – zu einer Erhöhung der NOx-Emissionen. Der Gutachter erläuterte, dass die Fahrzeuge bis zu 50 % weniger NOx erzeugt hätten, wenn das AGR-System bei realem Fahrbetrieb so funktioniert hätte wie bei den Zulassungstests. Die Wartungsarbeiten wären aber bei diesen Fahrzeugen unter anderem aufgrund einer schnelleren Verschmutzung des Motors häufiger und kostspieliger gewesen.

Der Untersuchungsrichter (Vizepräsident) beim Tribunal de grande instance [jetzt Tribunal judiciaire] de Paris (Frankreich) hegt Zweifel, ob die betreffenden Fahrzeuge den Anforderungen der Verordnung Nr. 715/2007 entsprechen, und insbesondere, ob die oben erwähnte Vorrichtung erlaubt ist.

Die Verordnung verbietet nämlich ausdrücklich die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen unter normalen Nutzungsbedingungen verringern. Der nationale Richter hat beschlossen, den Gerichtshof anzurufen, um Klarstellungen insbesondere zur Definition und zur Tragweite der Konzepte „Emissionskontrollsystem“ und „Abschalteinrichtung“ zu erhalten.

In ihren heutigen Schlussanträgen weist Generalanwältin Eleanor Sharpston eingangs darauf hin, dass das Konzept der „Abschalteinrichtung“ im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 715/2007 ein Konstruktionsteil bezeichnet, „das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems
zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird“.

Die Generalanwältin prüft den Begriff „Emissionskontrollsystem“, um zu ermitteln, ob er ausschließlich die Technologien und Strategien erfasst, die die Emissionen im Nachhinein (nach ihrem Entstehen) verringern, oder vielmehr auch die Technologien und Strategien, die – wie das AGR-System – die Emissionen im Vorhinein (bei ihrem Entstehen) reduzieren. Das Unternehmen
X hatte für eine enge Auslegung plädiert, die die Tragweite dieses Begriffs auf die nur im Nachhinein wirksamen Technologien und Strategien beschränkt.

Am Ende ihrer Prüfung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 715/2007 kommt die Generalanwältin insbesondere im Licht der Ziele des Umweltschutzes und der Verbesserung der Luftqualität innerhalb der Union zu dem Ergebnis, dass der Begriff „Emissionskontrollsystem“ sowohl die Technologien, die Strategien und die mechanischen oder informationstechnologischen Bestandteile umfasst, die – wie das AGR-System – in der Lage sind, die Emissionen (darunter NOx) im Vorhinein zu verringern, als auch jene, mit denen sie im Nachhinein, nach ihrem Entstehen, behandelt und reduziert werden können.

In Bezug auf den Begriff „Abschalteinrichtung“ geht die Generalanwältin davon aus, dass eine Vorrichtung, die einen beliebigen Parameter, der mit dem Ablauf der Zulassungsverfahren zusammenhängt, ermittelt, um bei diesen Verfahren die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren oder im Sinne einer Verstärkung zu verändern und somit die Zulassung des Fahrzeugs zu erlangen, eine „Abschalteinrichtung“ darstellt, selbst wenn die Veränderung im Sinne einer Verstärkung der Funktion des Emissionskontrollsystems punktuell auch eintreten kann, wenn genau die Bedingungen, die sie auslösen, zufällig unter normalen Nutzungsbedingungen des Fahrzeugs auftreten.

Schließlich stellt die Generalanwältin fest, dass die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, nach der Verordnung Nr. 715/2007 unzulässig ist, aber ausnahmsweise genehmigt werden darf, insbesondere wenn „die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten“.

Sie weist jedoch darauf hin, dass diese Ausnahme eng auszulegen ist. Dabei erfasst diese Ausnahme nach Ansicht der Generalanwältin nur den Schutz des Motors vor dem Eintreten von unmittelbaren und plötzlichen Schäden (und nicht vor langfristigeren Auswirkungen wie Abnutzung oder Wertverlust).

Sie merkt an, dass die Automobilhersteller nach der Verordnung Nr. 715/2007 dafür zu sorgen haben, dass die Fahrzeuge die vorgeschriebenen Emissionsgrenzen während ihres gesamten normalen Betriebs einhalten. Dies impliziert, dass die Fahrzeuge unter Einhaltung dieser Grenzen sicher zu funktionieren haben. Man kann zwar nicht ausschließen, dass die Funktion eines Emissionskontrollsystems die Lebensdauer oder die Zuverlässigkeit des Motors (langfristig) negativ beeinflussen kann, aber dieser Umstand rechtfertigt es keineswegs, dieses System beim normalen Fahrzeugbetrieb unter normalen Nutzungsbedingungen zu desaktivieren, nur um den Motor gegen seinen Verschleiß oder seine fortschreitende Verschmutzung zu schützen – was der Verordnung ihre praktische Wirksamkeit nehmen würde.

Die Generalanwältin ist daher der Ansicht, dass nur unmittelbare Beschädigungsrisiken, die die Zuverlässigkeit des Motors beinträchtigen und eine konkrete Gefahr bei der Lenkung des Fahrzeugs darstellen, das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung rechtfertigen können.

Nach Ansicht von Generalanwältin Sharpston rechtfertigt das Ziel, den Verschleiß oder die Verschmutzung des Motors zu verzögern, nicht den Einsatz einer Abschalteinrichtung. Sie erläutert, dass es Sache des nationalen Gerichts sein wird, festzustellen, ob die fragliche Vorrichtung unter diese Ausnahme fällt.

Die Generalanwältin merkt jedoch an, dass das AGR-System nach den Angaben des von dem nationalen Gericht bestellten Gutachters „den Motor nicht zerstört“, aber die Motorleistung bei der Nutzung verschlechtern und seine Verschmutzung beschleunigen kann, wodurch Wartungsarbeiten „häufiger und kostspieliger“ würden. Angesichts dieser in dem Gutachten enthaltenen Feststellung ist die Generalanwältin der Auffassung, dass die fragliche Abschalteinrichtung nicht notwendig erscheint, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.


Die volltständigen Schlussanträge finden Sie hier:




EuGH: Recht auf Zugang zu Dokumenten die in Akten zu Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln enthalten sind

EuGH
Urteil vom 22.01.2020
C-175/18 PTC Therapeutics International Ltd / Europäische Arzneimittelagentur (EMA)
und
C-178/18 P, MSD Animal Health Innovation und Intervet International / Europäische Arzneimittelagentur (EMA)


Der EuGH hat entschieden, dass ein Recht auf Zugang zu Dokumenten besteht, die in den Akten zu einem Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln enthalten sind.

Die Pressemitteilung des EuGH:

"Der Gerichtshof bestätigt das Recht auf Zugang zu Dokumenten, die in den Akten zu einem Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln enthalten sind

Ein Widerspruch gegen einen solchen Zugang muss Erläuterungen zu Art, Gegenstand und Tragweite der Daten enthalten, deren Verbreitung geschäftliche Interessen beeinträchtigen würde In den Urteilen PTC Therapeutics International/EMA (C-175/18 P) und MSD Animal Health Innovation und Intervet International/EMA (C-178/18 P) vom 22. Januar 2020 hatte der Gerichtshof erstmals über die Frage des Zugangs zu im Rahmen von Anträgen auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eingereichten Dokumenten der Europäischen Union zu entscheiden. Er hat die Rechtsmittel von zum einen PTC Therapeutics International und zum anderen MSD Animal Health Innovation und Intervet International gegen die Urteile des Gerichts1 zurückgewiesen, mit denen deren Klagen auf Nichtigerklärung von Beschlüssen2 abgewiesen wurden, mit denen die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) Zugang zu Dokumenten gewährt hatte, die Informationen enthielten, die im Rahmen des Verfahrens betreffend Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln vorgelegt worden waren.

Die beiden Rechtssachen betreffen die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen der EMA, mit denen gemäß der Verordnung Nr. 1049/20013 Zugang zu mehreren Dokumenten, nämlich Berichten über toxikologische Prüfungen und einem Bericht über eine klinische Prüfung (streitige Berichte) gewährt wurde, die von den Rechtsmittelführerinnen im Rahmen ihrer Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen zweier Arzneimittel – eines davon ein Humanarzneimittel (Rechtssache C-175/18 P), das andere ein Tierarzneimittel (Rechtssache C-178/18 P) – vorgelegt worden waren.

In den vorliegenden Fällen beschloss die EMA, nachdem sie das Inverkehrbringen dieser Arzneimittel genehmigt hatte, den Inhalt dieser Berichte Dritten vorbehaltlich einiger Schwärzungen zugänglich zu machen. Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführerinnen, die argumentierten, dass für diese Berichte in ihrer Gesamtheit eine Vermutung der Vertraulichkeit bestehen müsse, vertrat die EMA die Ansicht, dass die genannten Berichte mit Ausnahme der bereits unkenntlich gemachten Informationen keinen vertraulichen Charakter aufwiesen.

So hat sich der Gerichtshof als Erstes mit der Anwendung einer allgemeinen Vermutung der Vertraulichkeit durch ein Organ, eine Einrichtung oder sonstige Stelle der Union, bei dem bzw. der ein Antrag auf Zugang zu Dokumenten gestellt wird, befasst. Hierzu hat er darauf hingewiesen, dass es dem betreffenden Organ bzw. der betreffenden Einrichtung oder sonstigen Stelle zwar freisteht, sich auf allgemeine Vermutungen zu stützen, die für bestimmte Kategorien von Dokumenten gelten, um zu entscheiden, ob die Verbreitung dieser Dokumente grundsätzlich das Interesse beeinträchtigt, das durch eine oder mehrere der Ausnahmen nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützt wird, dieses Organ bzw. diese Einrichtung oder sonstige Stelle jedoch nicht verpflichtet ist, seine bzw. ihre Entscheidung auf eine solche allgemeine Vermutung zu stützen. Somit stellt der Rückgriff auf eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit eine bloße Option für das betreffende Organ bzw. die betreffende Einrichtung oder sonstige Stelle dar, dem bzw. der stets die Möglichkeit bleibt, eine konkrete und individuelle Prüfung der fraglichen Dokumente vorzunehmen, um festzustellen, ob diese ganz oder teilweise durch eine der Ausnahmen nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützt sind. Infolgedessen hat der Gerichtshof den Rechtsmittelgrund, mit dem die Rechtsmittelführerinnen geltend gemacht hatten, dass für die streitigen Berichte eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit gelte, mit dem Hinweis darauf zurückgewiesen, dass die EMA nicht verpflichtet war, eine solche Vermutung auf die genannten Berichte anzuwenden, und eine konkrete und individuelle Prüfung dieser Berichte durchgeführt hatte, die sie dazu veranlasste, bestimmte Passagen dieser Berichte unkenntlich zu machen.

Als Zweites hat sich der Gerichtshof der Frage zugewandt, ob der Beschluss der EMA, Zugang zu den streitigen Berichten zu gewähren, die geschäftlichen Interessen der Rechtsmittelführerinnen beeinträchtigte, und damit die Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geprüft. Zunächst hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass eine Person, die beantragt, dass ein Organ, eine Einrichtung oder eine sonstige Stelle, auf das bzw. die diese Verordnung Anwendung findet, eine der nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen anwendet, ebenso wie das betreffende Organ bzw. die betreffende Einrichtung oder sonstige Stelle, wenn dieses bzw. diese beabsichtigt, den Zugang zu Dokumenten zu versagen,
erläutern muss, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das Interesse, das durch eine dieser Ausnahmen geschützt wird, konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte. Sodann hat der Gerichtshof geurteilt, dass das Vorliegen einer Gefahr der missbräuchlichen Verwendung von Daten, die in einem Dokument enthalten sind, zu dem Zugang beantragt wird, nachgewiesen werden muss und dass ein bloßer nicht belegter Hinweis auf ein allgemeines Risiko einer solchen Verwendung nicht dazu führen kann, dass diese Daten als von der Ausnahme zum Schutz geschäftlicher Interessen erfasst angesehen werden, wenn die Person, die die Anwendung dieser
Ausnahme beantragt, nicht, bevor das betreffende Organ bzw. die betreffende Einrichtung oder sonstige Stelle eine Entscheidung hierüber trifft, genauere Angaben zu Art, Gegenstand und Tragweite dieser Daten macht, die den Unionsrichter darüber aufklären können, wie die Verbreitung dieser Daten die geschäftlichen Interessen der Personen, auf die sie sich beziehen, konkret und bei vernünftiger Betrachtung absehbar beeinträchtigen kann. Schließlich hat der Gerichtshof die Erwägungen des Gerichts bestätigt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die
Abschnitte der streitigen Berichte, die verbreitet wurden, keine Daten darstellten, die unter die Ausnahme zum Schutz geschäftlicher Interessen fallen können. Was die Rechtsmittelführerin in der Rechtssache C-175/18 P betrifft, hat der Gerichtshof festgestellt, dass sie zum einen der EMA, bevor diese ihren Beschluss erließ, keine Erläuterungen zu Art, Gegenstand und Tragweite der fraglichen Daten vorgelegt hatte, die auf das Bestehen eines Risikos der missbräuchlichen Verwendung der in den streitigen Berichten enthaltenen Daten schließen ließen, und zum anderen die Passagen nicht ausdrücklich bezeichnet hatte, deren Verbreitung ihre geschäftlichen Interessen beeinträchtigen könnte. Was die Rechtsmittelführerinnen in der Rechtssache C-178/18 P anbelangt, hat der Gerichtshof festgestellt, dass sie vor dem Gericht weder solche Erläuterungen vorgelegt noch konkret und genau die Abschnitte der streitigen Berichte bezeichnet hatten, deren Verbreitung ihre geschäftlichen Interessen beeinträchtigen könnte.

Als Drittes hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass das Gericht bei einem nicht hinreichend klaren und bestimmten Vorbringen einer Partei eine implizite Begründung geben kann. In diesem Sinne hat er hervorgehoben, dass es Sache der Rechtsmittelführerinnen war, der EMA im dortigen Verwaltungsverfahren Art, Gegenstand und Tragweite der Daten zu erläutern, deren Verbreitung ihren geschäftlichen Interessen schaden würde, und dass das Gericht in Ermangelung dieser Erläuterungen implizit, aber notwendigerweise, feststellen durfte, dass die von den
Rechtsmittelführerinnen nach Erlass der Beschlüsse der EMA vorgelegten Zeugenaussagen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse nicht erheblich waren. Die Rechtmäßigkeit eines solchen Beschlusses zur Verbreitung eines Dokuments kann nämlich nur anhand der Informationen beurteilt werden, die der EMA zur Verfügung standen, als sie den betreffenden Beschluss erließ.

Als Viertes schließlich hat der Gerichtshof die Ausnahme vom Recht auf Dokumentenzugang zum Schutz des Entscheidungsprozesses, wie sie in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehen ist, geprüft. Soweit die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vorhalten, dass die Verbreitung der streitigen Berichte während der Ausschließlichkeitsfrist für die Daten den Entscheidungsprozess hinsichtlich etwaiger Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Generika während dieses Zeitraums ernstlich beeinträchtige, hat der Gerichtshof geurteilt, dass sie auf andere Entscheidungsprozesse Bezug nehmen als auf denjenigen, der die
Genehmigung für das Inverkehrbringen der fraglichen Arzneimittel betrifft, der, wie bereits vom Gericht festgestellt, abgeschlossen war, als der Antrag auf Zugang zu den streitigen Berichten gestellt wurde."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
C-175/18

C-178/18

EuGH: Ab 01.05.2019 Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum - EUIPO nur noch eingeschränkt möglich

Ab 01.05.2019 sind Rechtsmittel gegen Entscheidungen des EUIPO, des CPVO, der ECHA und der EASA nur noch eingeschränkt möglich.

Es muss nunmehr ein Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels gestellt werden. Dieser muss das Bestehen eines Zulassungsgrundes schlüssig darlegen. Ein Zulassungsgrund liegt vor, wenn mit der Beschwerde für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Fragen zu klären sind.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Der Gerichtshof erlässt neue Vorschriften bezüglich der Zulassung von Rechtsmitteln in Rechtssachen, die bereits Gegenstand einer zweifachen Prüfung waren

Ein solches Rechtsmittel wird nur dann ganz oder teilweise zugelassen, wenn damit eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen wird

Der Gerichtshof und das Gericht haben im Kontext der Reform des Gerichtssystems der Europäischen Union umfassende Überlegungen zu den von ihnen wahrgenommenen Zuständigkeiten angestellt und geprüft, ob es erforderlich ist, bestimmte Änderungen u. a. bei der Behandlung der Rechtsmittel durch den Gerichtshof vorzunehmen. Diese Prüfung hat ergeben, dass zahlreiche Rechtsmittel in Rechtssachen eingelegt werden, die bereits zweifach geprüft worden sind, nämlich in einem ersten Schritt durch eine unabhängige Beschwerdekammer und sodann durch das Gericht, und dass viele dieser Rechtsmittel vom Gerichtshof zurückgewiesen werden, da sie offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet sind.

Um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, sich auf die Rechtssachen zu konzentrieren, die seine ganze Aufmerksamkeit erfordern, wurde daher im Interesse einer geordneten Rechtspflege vorgeschlagen, für Rechtsmittel bezüglich Rechtssachen der genannten Art einen Mechanismus vorzusehen, der es dem Gerichtshof ermöglicht, ein Rechtsmittel nur dann ganz oder teilweise zuzulassen, wenn damit eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage
ufgeworfen wird.

Das Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und die Verfahrensordnung des Gerichtshofs wurden daher entsprechend geändert. Diese Änderungen treten am 1. Mai 2019 in Kraft.

Gemäß den neuen Vorschriften steht die Prüfung von Rechtsmitteln EASAgegen Entscheidungen des Gerichts, die eine Entscheidung einer unabhängigen Beschwerdekammer einer der folgenden Einrichtungen betreffen, unter der Bedingung der vorherigen Zulassung des jeweiligen Rechtsmittels durch den Gerichtshof:

- Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) (Alicante, Spanien);
- Gemeinschaftliches Sortenamt (CPVO) (Angers, Frankreich);
- Europäische Chemikalienagentur (ECHA) (Helsinki, Finnland);
- Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (EASA) (Köln, Deutschland).

In diesen Rechtssachen ist der Rechtsmittelschrift ein Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels mit einer maximalen Länge von sieben Seiten beizufügen, in dem der Rechtsmittelführer die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage klar darlegt. Fehlt es an einem solchen Antrag, so wird das Rechtsmittel für unzulässig erklärt.

Erfüllt der Antrag die vorgeschriebenen formalen Voraussetzungen, so entscheidet der Gerichtshof
so rasch wie möglich durch mit Gründen versehenen Beschluss, der auf der Website des
Gerichtshofs veröffentlicht wird, über die Zulassung oder die Nichtzulassung des Rechtsmittels.
Diese Entscheidung wird auf Vorschlag des Berichterstatters nach Anhörung des Generalanwalts
von einer speziell zu diesem Zweck eingerichteten Kammer getroffen, deren Präsident der
Vizepräsident des Gerichtshofs ist und der darüber hinaus der Berichterstatter und der Präsident
der Kammer mit drei Richtern angehören, der der Berichterstatter zum Zeitpunkt der
Antragstellung zugeteilt ist.

Der Beschluss über die Zulassung des Rechtsmittels wird den Parteien der betreffenden Rechtssache vor dem Gericht mit der Rechtsmittelschrift zugestellt; wird das Rechtsmittel teilweise zugelassen, so sind in diesem Beschluss die Gründe oder Teile des Rechtsmittels anzuführen, auf die sich die Rechtsmittelbeantwortung beziehen muss.

Der Kanzler des Gerichtshofs benachrichtigt außerdem das Gericht und, sofern sie nicht Partei der betreffenden Rechtssache vor dem Gericht waren, die Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament, den Rat der Europäischen Union und die Europäische Kommission von der Entscheidung, das Rechtsmittel zuzulassen.


LG Dortmund: Wettbewerbsverstoß durch Inverkehrbringen einer Fett-weg-Spritze mit Natriumdesoxycholat ohne arzneimittelrechtliche Zulassung

LG Dortmund
Urteil vom 09.11.2018
25 O 254/14


Das LG Dortmund hat entschieden, dass ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn eine "Fett-weg-Spritze" mit dem Wirkstoff Natriumdesoxycholat ohne arzneimittelrechtliche Zulassung in den Verkehr gebracht wird, da der Wirkstoff nachweislich eine pharmakologische Wirkung hat. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

OVG Schleswig: Zulassung für das bundesweite SAT1 Fernsehvollprogramm durch Medienanstalt Hamburg - Schleswig-Holstein rechtmäßig

OVG Schleswig
Entscheidungen vom 29.11.2018
3 LB 19/14 und 3 LB 18/14


Das OVG Schleswig hat entschieden, dass die Zulassung für das bundesweite SAT1 Fernsehvollprogramm durch die Medienanstalt Hamburg - Schleswig-Holstein rechtmäßig war.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

OVG Schleswig bestätigt die von der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein für das bundesweite SAT1 Fernsehvollprogramm erteilte Zulassung

Gestern hat der 3. Senat des OVG Schleswig nach mehrstündiger mündlicher Verhandlung die Berufungen der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz und der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien zurückgewiesen. Die Berufung einer Regionalfensterveranstalterin hatte nur zu einem kleinen Teil Erfolg.

In den drei Berufungsverfahren ging es um die Frage, ob die der ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH durch die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein erteilte Zulassung für das bundesweite Fernsehvollprogramm SAT.1 rechtmäßig ist. Die Zulassung ist unter der aufschiebenden Bedingung erteilt worden, dass die derzeitige Veranstalterin ihre Zulassung zurückgibt. Dies ist die Sat1 Satelliten Fernsehen GmbH, die über eine von der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz erteilte Zulassung verfügt.

Berufung der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz:

Der Senat hat entschieden, dass die streitige Neuzulassung rechtmäßig ist und die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz dadurch nicht in ihren Rechten verletzt ist. Es handelt sich nach Auffassung des Senats beim angegriffenen Bescheid nicht um eine Änderung der Beteiligungsverhältnisse, mit der Folge dass die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz zuständig geblieben wäre, sondern um eine Neuzulassung, für die die Landesmedienanstalt zuständig ist, bei der der Zulassungsantrag gestellt worden ist - mithin die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein.

Berufung der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien:

Hinsichtlich des Verfahrens der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien ist bereits die Klagebefugnis verneint worden. Sie hat erfolglos geltend gemacht, durch die von der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein erteilte Zulassung in ihren Rechten im Verwaltungsverfahren betreffend die Zulassung von Regionalfenstern verletzt sein zu können.

Berufung einer Regionalfensterveranstalterin:

Auf die Berufung einer Regionalfensterveranstalterin, die in Rheinland-Pfalz und Hessen über eine Zulassung für das jeweilige Regionalfensterprogramm verfügt, hat der Senat festgestellt, dass diese Zulassungen nicht erlöschen, wenn die von der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein erteilte Zulassung wirksam wird. Denn das Regionalfensterprogramm ist an das Fernsehvollprogramm SAT.1 geknüpft, unabhängig davon, wer es veranstaltet.

Der Senat hat die Revision im Verfahren der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (Az. 3 LB 19/14) und der Regionalfensterveranstalterin (3 LB 18/14) zugelassen.


OLG Stuttgart: Verstoß gegen § 3a HWG bei Bewerbung eines Arzneimittels für Anwendungsgebiet das nicht von Zulassung erfasst ist - ASS plus C

OLG Stuttgart
Urteil vom 08.06.2017
2 U 127/16


Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 3a HWG vorliegt, wenn ein Arzneimittels mit einem Anwendungsgebiet beworben wird, welches nicht von der Zulassung erfasst ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die beanstandete Werbung verstößt gegen § 3a HWG.
a)

Nach dieser Bestimmung ist eine Werbung für Arzneimittel unzulässig, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten (§ 3a Satz 1 HWG). Die Bestimmung verbietet es, für ein zulassungspflichtiges Arzneimittel ein nicht von der Zulassung erfasstes Anwendungsgebiet explizit zu nennen (Fritzsche in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl. (2014), § 3a HWG Rn. 2). Die Regelung wird durch § 3a Satz 2 HWG ergänzt, wonach es unzulässig ist, wenn sich die Werbung auf Anwendungsgebiete bezieht, die nicht von der Zulassung erfasst sind.
b)

Mit der Werbebotschaft, dass das enthaltene Vitamin C das Immunsystem unterstütze, weist die Beklagte auf ein Anwendungsgebiet hin, für welches das Medikament nicht zugelassen ist.

Maßgeblich für den Umfang der Zulassung ist der nach § 25 Arzneimittelgesetz (AMG) erteilte Zulassungsbescheid der zuständigen Behörde (BGH, Urteil vom 11. September 2008 – I ZR 58/06, juris Rn. 20). Das zugelassene Anwendungsgebiet bezieht sich im vorliegenden Fall alleine auf „leichte bis mäßig starke Schmerzen (wie Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, Regelschmerzen, schmerzhafte Beschwerden, die im Rahmen von Erkältungskrankheiten auftreten)“ sowie auf Fieber. Das Arzneimittel ist unstreitig nicht zur „Unterstützung des Immunsystems“ zugelassen.
c)

Die „Unterstützung des Immunsystems“ ist als eigenständiges Anwendungsgebiet anzusehen.

Der Begriff des „Anwendungsgebietes“ ist gleichbedeutend mit dem in der medizinischen Wissenschaft gebräuchlichen Begriff der Indikation und bezeichnet die dem Arzneimittel gegebene Zweckbestimmung, insbesondere die körperlichen und seelischen Zustände, die durch das betreffende Arzneimittel beeinflusst werden sollen (OLG Stuttgart, Urteil vom 16. März 2006 – 2 U 226/05, juris Rn. 21; OLG Koblenz, Urteil vom 27. Januar 2016 – 9 U 895/15, juris Rn. 45). Die „Unterstützung des Immunsystems“ stellt einen therapeutischen Anwendungsbereich dar, denn eine Immunschwäche ist medizinisch diagnostizierbar.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Europäische Kommission für den Bereich der Lebensmittel nach Empfehlung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Angabe „Vitamin C trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“ zugelassen hat (ABl. L Nr. 136 vom 25.02.2012, S. 33). Auf die Beantwortung der Frage, ob das Arzneimittel tatsächlich in dem Anwendungsgebiet außerhalb der Zulassung wirksam ist oder nicht, kommt es bei der Beurteilung eines Verstoßes gegen § 3a HWG nicht an. Selbst eine langjährig nachgewiesene Wirksamkeit ändert nichts an dem Verbot einer entsprechenden Werbung. Die Verbotsvorschrift des § 3a HWG knüpft alleine an das formale Kriterium an, ob der Anwendungsbereich von der arzneimittelrechtlichen Zulassung erfasst wird (OLG Stuttgart, Urteil vom 16. März 2006 – 2 U 226/05, juris Rn. 20).
d)
Entgegen der Auffassung der Beklagten weist sie in ihrer Werbung nicht lediglich auf eine zusätzliche Wirkung hin."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Einordnung als Funktionsarzneimittel kann nicht auf Angabe gestützt werden die nur für Einordnung als Präsentationsarzneimittel spricht

BGH
Urteil vom 25.06.2015
I ZR 205/13
Mundspüllösung III
ArzneimittelG § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a;
Richtlinie 2001/83/EG Art. 1 Nr. 2 Buchst. b

Leitsatz des BGH:


Die Einordnung eines Präparats als Funktionsarzneimittel kann nicht auf eine Angabe gestützt werden, die nur für die Einordnung als Präsentationsarzneimittel spricht.

BGH, Urteil vom 25. Juni 2015 - I ZR 205/13 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

VG Kassel: Sat1 ist weiterhin zur Ausstrahlung des Regionalfensters in Hessen verpflichtet

VG Kassel
1 K 618/13,KS
Urteil vom 01.12.2015


Das VG Kassel hat entschieden, dass Sat1 weiterhin zur Ausstrahlung des Regionalfensters in Hessen verpflichtet ist.

Die Pressemitteilung des VG Kassel:

Die 1. Kammer des VG Kassel hat eine Klage u.a. der Veranstalterin des Fernsehprogramms Sat.1 gegen einen Genehmigungsbescheid der Hessischen Landesmedienanstalt abgewiesen. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Unternehmen aus Rheinland-Pfalz produziert seit März 1990 das 30-minütige werktägliche regionale Fernsehprogramm für Hessen und Rheinland-Pfalz im Prgramm von Sat.1. Im Januar 2012 beantragte dieses Unternehmen bei der Hessischen Landesmedienanstalt in Kassel die Verlängerung der entsprechenden rundfunkrechtlichen Zulassung, die im November 2012 erteilt wurde. Hiergegen legte Sat.1 Widerspruch ein, der jedoch zurückgewiesen wurde. Im Mai 2013 hat Sat.1 Klage erhoben und diese im Wesentlichen damit begründet, dass der Genehmigungsbescheid an einer Reihe von formellen und materiellen Rechtsfehlern leide. So habe es die Hessische Landesmedienanstalt versäumt, das Regionalfenster von Sat.1 auszuschreiben. Es bestünden auch Bedenken, ob die einschlägige Vorschrift des Rundfunkstaatsvertrages, wonach u.a. Sat.1 ein regionales Fernsehprogramm anbieten müsse, mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben, vor allem der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG, in Einklang stehe.

Die 1. Kammer teilte diese Bedenken nicht. Der angefochtene Genehmigungsbescheid sei, so der Vorsitzende in einer kurzen mündlichen Begründung, weder aus formellen Gründen noch materiell rechtlich zu beanstanden. Die Berufung zum Hess. VGH ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden.

Das Aktenzeichen des Verfahrens lautet 1 K 618/13.KS.


BGH: Angaben in der Fachinformation für Arzneimittel irreführend wenn neuere Studien diese nicht mehr stützen

BGH
Urteil vom 07.05.2015
I ZR 29/14
Äquipotenzangabe in Fachinformation
UWG § 4 Nr. 11, § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1; HWG § 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1;
AMG § 8 Abs. 1 Nr. 2, § 11a Abs. 1


Angaben in der Fachinformation für ein Arzneimittel können irreführend sein, wenn sie auf Studien gestützt sind, die diese Aussagen nicht tragen. Der Inhaber der Arzneimittelzulassung kann sich darauf berufen, dass die Angaben in der dem Zulassungsantrag des Arzneimittels beigefügten Fachinformation zum Zeitpunkt der Zulassung des Arzneimittels dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprochen haben. Der Kläger kann die indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der in der Fachinformation enthaltenen Angaben erschüttern, indem er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass neuere, erst nach dem Zulassungszeitpunkt bekanntgewordene oder der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung sonst nicht zugängliche wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen (Fortführung von BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 - I ZR 62/11, GRUR 2013, 649 = WRP 2013, 772 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).

BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - I ZR 29/14 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamburg: Wettbewerbswidrige Irreführung wenn die beworbene Dosierung eines Arzneimittels nicht der Zulassung entspricht

OLG Hamburg,
Urteil vom 30.07.2015
3 U 93/14


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn die beworbene Dosierung eines Arzneimittels nicht der Zulassung entspricht. Zur Begründung führt das Gericht an, dass der Kunde davon ausgeht, dass auch diese Dosierungsempfehlung Gegenstand des Zulassungsverfahrens war und die Unbedenklichkeit insofern getestet wurde.

BVerwG: E-Zigaretten und Liquids sind weder Arzneimittel noch Medizinprodukt und dürfen somit ohne Zulassung verkauft werden

BVerwG
Urteil vom 20.11.2014
3 C 25/13


Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass E-Zigaretten und Liquids weder Arzneimittel noch Medizinprodukte sind und dürfen somit ohne entsprechende Zulassung verkauft werden

Die Pressemitteilung des BVerwG:

"E-Zigarette ist kein Arzneimittel oder Medizinprodukt

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig hat heute in drei Re­vi­si­ons­ver­fah­ren ent­schie­den, dass ni­ko­tin­hal­ti­ge Flüs­sig­kei­ten (sog. Li­quids), die mit­tels elek­tro­ni­scher Zi­ga­ret­ten (sog. E-Zi­ga­ret­ten) ver­dampft und in­ha­liert wer­den, keine Arz­nei­mit­tel sind und dem­entspre­chend die E-Zi­ga­ret­te selbst kein Me­di­zin­pro­dukt ist.

Die Klä­ge­rin im ers­ten Ver­fah­ren be­trieb in Wup­per­tal seit De­zem­ber 2011 ein La­den­ge­schäft für E-Zi­ga­ret­ten und Zu­be­hör. Im Fe­bru­ar 2012 un­ter­sag­te ihr die be­klag­te Stadt den Ver­trieb ni­ko­tin­hal­ti­ger Li­quids in ver­schie­de­nen Stär­ken mit der Be­grün­dung, es han­de­le sich um Arz­nei­mit­tel, die wegen Feh­lens der er­for­der­li­chen Zu­las­sung nicht ver­kehrs­fä­hig seien. Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Klage gegen die Un­ter­sa­gungs­ver­fü­gung ab­ge­wie­sen. Auf die Be­ru­fung der Klä­ge­rin hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt das Ur­teil ge­än­dert und den an­ge­foch­te­nen Be­scheid auf­ge­ho­ben, weil die be­an­stan­de­ten Li­quids keine Arz­nei­mit­tel seien.

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Re­vi­si­on der Be­klag­ten zu­rück­ge­wie­sen. Die ni­ko­tin­hal­ti­gen Li­quids sind keine Arz­nei­mit­tel im Sinne des Arz­nei­mit­tel­ge­set­zes. Sie er­fül­len nicht Vor­aus­set­zun­gen eines (sog.) Prä­sen­ta­ti­ons­arz­nei­mit­tels. Nach den das Re­vi­si­ons­ge­richt bin­den­den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts wer­den die Li­quids nicht als Mit­tel zur Hei­lung, Lin­de­rung oder Ver­hü­tung von Krank­hei­ten ver­mark­tet („prä­sen­tiert“); eben­so wenig lässt die Pro­dukt­auf­ma­chung beim Ver­brau­cher den Ein­druck eines Arz­nei­mit­tels ent­ste­hen. Die Li­quids sind auch keine (sog.) Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tel. Zwar ist Ni­ko­tin ein Stoff, der die mensch­li­chen phy­sio­lo­gi­schen Funk­tio­nen durch eine phar­ma­ko­lo­gi­sche Wir­kung nen­nens­wert be­ein­flusst. Je­doch ist die Ent­schei­dung, ob ein Er­zeug­nis unter die De­fi­ni­ti­on des Funk­ti­ons­arz­nei­mit­tels fällt, von Fall zu Fall zu tref­fen; dabei sind alle Merk­ma­le des Er­zeug­nis­ses zu be­rück­sich­ti­gen. An­hand die­ser Ge­samt­be­trach­tung ist das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt ohne Rechts­feh­ler zu dem Schluss ge­langt, dass den Li­quids keine Arz­nei­mit­tel­ei­gen­schaft zu­kommt. Nach den be­ru­fungs­ge­richt­li­chen Fest­stel­lun­gen fehlt den Li­quids eine the­ra­peu­ti­sche Eig­nung, weil sich ein Nut­zen der E-Zi­ga­ret­te als Hilfs­mit­tel für eine dau­er­haf­te Rauch- und Ni­ko­tin­ent­wöh­nung wis­sen­schaft­lich nicht be­le­gen lässt. Ent­spre­chend mes­sen die Ver­brau­cher ni­ko­tin­hal­ti­gen Li­quids über­wie­gend keine arz­nei­li­che Zweck­be­stim­mung bei, son­dern ver­wen­den sie als Ge­nuss­mit­tel.

In einem zwei­ten Ver­fah­ren wand­te sich eine Her­stel­le­rin von E-Zi­ga­ret­ten und li­quid­hal­ti­gen Fil­ter­kar­tu­schen gegen eine im De­zem­ber 2011 ver­öf­fent­lich­te Pres­se­mit­tei­lung des nord­rhein-west­fä­li­schen Ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­ums. Darin wurde vor dem Han­del und Ver­kauf von E-Zi­ga­ret­ten und Li­quids ge­warnt und u. a. dar­auf hin­ge­wie­sen, dass ni­ko­tin­hal­ti­ge Li­quids nur mit einer arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Zu­las­sung in den Ver­kehr ge­bracht wer­den dürf­ten; E-Zi­ga­ret­ten dürf­ten nur unter Ein­hal­tung der Kenn­zeich­nungs­pflich­ten nach dem Me­di­zin­pro­duk­te­ge­setz ver­trie­ben wer­den. Die Klage auf Un­ter­las­sung die­ser Äu­ße­run­gen ist vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt ohne Er­folg ge­blie­ben. Auf die Be­ru­fung der Klä­ge­rin hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt der Klage statt­ge­ge­ben und dem be­klag­ten Land die Äu­ße­run­gen un­ter­sagt.

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Re­vi­si­on des Be­klag­ten zu­rück­ge­wie­sen. Die Klä­ge­rin kann die Un­ter­las­sung der amt­li­chen Äu­ße­run­gen be­an­spru­chen, weil das staat­li­che In­for­ma­ti­ons­han­deln sie in ihrem Grund­recht auf freie Be­rufs­aus­übung ver­letzt hat. Nach den Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts be­ein­träch­tig­ten die öf­fent­li­chen Äu­ße­run­gen die Wett­be­werbs­po­si­ti­on der Klä­ge­rin am Markt fak­tisch ähn­lich wie eine Ver­kaufs­be­schrän­kung. Wegen die­ser ver­bot­s­ähn­li­chen Wir­kung war das In­for­ma­ti­ons­han­deln ein funk­tio­na­les Äqui­va­lent zu einer klas­si­schen Ver­wal­tungs­maß­nah­me mit­tels ho­heit­li­cher Re­ge­lung und un­ter­lag des­halb den dafür gel­ten­den Recht­mä­ßig­keits­an­for­de­run­gen. Da­nach waren die Äu­ße­run­gen des Mi­nis­te­ri­ums rechts­wid­rig, weil es an einer ge­setz­li­chen Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge fehl­te. Zwar er­lau­ben die Vor­schrif­ten des Arz­nei­mit­tel­ge­set­zes und des Me­di­zin­pro­duk­te­ge­set­zes den Über­wa­chungs­be­hör­den er­for­der­li­chen­falls auch ein Han­deln durch öf­fent­li­che War­nun­gen. Hier aber sind die Vor­aus­set­zun­gen nicht er­füllt, weil die Li­quids und E-Zi­ga­ret­ten nicht den arz­nei­mit­tel- und me­di­zin­pro­duk­te­recht­li­chen Vor­schrif­ten un­ter­fal­len.

BVerwG 3 C 25.13 - Ur­teil vom 20. No­vem­ber 2014"

VG Köln: Inkassodienstleister der Gewerbeauskunft-Zentrale wird Eintragung in Rechtsdienstleistungsregister entzogen - Verstoß gegen Auflagen und unqualifizierte Rechtsdienstleistungen

VG Köln
Beschluss vom 07.02.2014
1 L 1262/13


Die Pressemitteilung des VG Köln:

"Mit einem heute zugestellten Beschluss hat das Verwaltungsgericht Köln einen Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Köln bestätigt, mit dem die weitere Tätigkeit eines Unternehmens auf dem Gebiet der Inkassodienstleistungen unterbunden werden sollte.

Das Inkassounternehmen macht unter anderem die Forderungen einer Düsseldorfer Firma geltend, die im Internet den Auskunftsdienst „Gewerbeauskunft-Zentrale.de“ betreibt. Das geschäftliche Verhalten dieser Firma wird im Internet in verschiedenen Foren unter anderem als „Abzocke“ gebrandmarkt und war bereits Gegenstand von Rundfunksendungen und Presseberichten. Das Oberlandesgericht Köln hat dem Inkassounternehmen zu seinem Auftreten gegenüber den Kunden der Düsseldorfer Firma eine beschränkende Auflage gemacht, die seit Juni 2013 verbindlich zu beachten war (VG Köln 1 K 129/13). Nachdem das Unternehmen seine Geschäftspraxis aus Sicht des Oberlandesgerichts Köln nicht in dem gebotenen Umfang geändert hatte, wurde ihm nun die Eintragung in das Rechtsdienstleistungsregister entzogen. Diese Eintragung ist erforderlich, um als Inkassounternehmen arbeiten zu dürfen.

Das Gericht hat diese Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren bestätigt. Das Unternehmen habe beharrlich gegen die Auflage verstoßen und darüber hinaus dauerhaft unqualifizierte Rechtsdienstleistungen erbracht. Die Verstöße seien so gewichtig gewesen, dass der Präsident des Oberlandesgerichts Köln die Registrierung mit sofortiger Wirkung habe entziehen dürfen.

Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach dessen Zustellung beim Oberverwaltungsgericht in Münster Beschwerde eingelegt werden."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: