Urteil

LG München I, Urteil vom 19.05.2004 - Az.: 21 O 6123/04
(Open Source - Wirksamkeit der GPL - Unterlassungsansprüche)

In dem Rechtsstreit ... gegen ... erlässt die 21. Zivilkammer des Landgerichts München I durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Kaess, den Richter am Landgericht Müller und den Richter am Landgericht Rieger auf­grund der mündlichen Verhandlung vom 19.5.2004 folgendes

Endurteil:

I. Die einstweilige Verfügung des Landgericht München I vom 2.4.2004, Az. 21 0 6123/04 wird bestätigt.

II. Die Verfügungsbeklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Der Verfügungskläger macht gegenüber der Verfügungsbeklagten einen Unterlassungsanspruch um Zusammenhang mit der Verbreitung einer sogenannten Open Source Software geltend.

Der Antragsteller ist Mitglied des Open Source-Projekts „net-filter/ipta bles" und als sog. „Maintainer" Hauptverantwortli­cher der Programmentwicklung. Ziel des Mitte 1999 von dem Aust­ralier Paul 'Rusty* Russell gegründeten Projektes war es, die nicht mehr zeitgemäße alte Linux-Firewall (ipchains) durch eine moderne, zukunftsweisende und flexible Architektur zu ersetzen.

Seit 2001 ist der Antragsteller der Maintainer des vierköpfigen Kernteams (, ,Coreteam"), das die Internet-Plattform „www.netfilter.org" betreibt, alle wegweisenden Entscheidungen über die Software-Architektur trifft, die Ergebnisse der ande­ren Entwickler integriert und Herausgeber der Softwarepakete ist.

Die Software „netfilter/iptables" besteht aus zwei Komponenten. Die eigentliche „Engine", die die Netzwerkpakete im Kernel des Linux Betriebssystems bearbeitet, und das Konfigurationspro­gramm, mit der der Administrator die Sicherheits-Policies (sog. Paketfilter-Regeln) setzen kann. Die Software „netfilter/iptables" ist damit ein integraler Baustein des weitverbreiteten und wirtschaftlich bedeutsamen Betriebssystems GNU/Linux, bekannt unter der Bezeichnung „Linux". Die Software „netfilter/iptables" hat aufgrund ihrer komplexen Aufgaben bereits einen erheblichen Umfang, derzeit von 22775 Zeilen Code im Linux-Kern und 32244 Zeilen Code in dem Konfigurationspro­gramm. Auf der Internet-Plattform www.netfilter.org wird die Software „netfilteriptables" im Sourcecode zum Download angeboten und Teammitgliedern und Dritten zur Weiterentwicklung zugänglich gemacht.

Die Software „netfilter/iptables" ist - worauf auf der Intenet-seite hingewiesen wird eine Freie Software, die unter den Bedingungen der GNU General Public License (GPL) von jedermann genutzt werden (Anlage AS 5; AS 2). Die Lizenzbedingungen sehen u.a. folgende Regelungen vor:

Sie dürfen auf beliebigen Medien unveränderte Kopien des Quelltextes des Programms, wie sie ihn erhalten haben, an­fertigen und verbreiten. Voraussetzung hierfür ist, dass Sie mit jeder Kopie einen entsprechenden Copyright-Vermerk sowie einen Haftungsausschluß veröffentlichen, alle Ver­merke, die sich auf diese Lizenz und das Fehlen einer Ga­rantie beziehen, unverändert lassen und desweiteren allen anderen Empfängern des Programms zusammen mit dem Programm eine Kopie dieser Lizenz zukommen lassen. Sie dürfen für den eigentlichen Kopiervorgang eine Gebühr verlangen. Wenn Sie es wünschen, dürfen Sie auch gegen Entgelt eine Garan­tie für das Programm anbieten

2. Sie dürfen das Programm (oder ein darauf basierendes Da­tenwerk gemäß Paragraph 2) als Objectcode oder in ausführ­barer Form unter den Bedingungen der Paragraphen 1 und 2 kopieren und weitergeben - vorausgesetzt, dass Sie außer­dem eine der folgenden Leistungen erbringen:

a. Liefern Sie das Programm zusammen mit dem vollständigen zugehörigen maschinenlesbaren Quelltext auf einem für den Datenaustausch üblichen Medium aus, wobei die Verteilung unter den Bedingungen der Paragraphen 1 und 2 erfolgen muß. Oder:

b. Liefern Sie das Programm zusammen mit einem mindestens drei Jahre lang gültigen schriftlichen Angebot aus, jedem Dritten eine vollständig maschinenlesbare Kopie des Quelltextes zur Verfügung zu stellen - zu nicht höheren Kosten als denen, die durch den physikalischen Kopiervor­ gang anfallen -, wobei der Quelltext unter den Bedingun­ gen der Paragraphen 1 und 2 auf einem für den Datenaus­ tausch üblichen Medium weitergegeben wird. Oder:

c. Liefern Sie das Programm zusammen mit dem schriftlichen Angebot der Zurverfügungstellung des Quelltextes aus, das Sie selbst erhalten haben. (Diese Alternative ist nur für nicht-kommerzielle Verbreitung zulässig und nur, wenn Sie das Programm als Objectcode oder in ausführbarer Form mit einem entsprechenden Angebot gemäß Absatz b erhalten ha­ ben. )

4. Sie dürfen das Programm nicht vervielfältigen, verändern, weiter lizenzieren oder verbreiten, sofern es nicht durch diese Lizenz ausdrücklich gestattet ist. Jeder anderwei­tige Versuch der Vervielfältigung, Modifizierung, Weiter­lizenzierung und Verbreitung ist nichtig und beendet automatisch Ihre Rechte unter dieser Lizenz. Jedoch werden die Lizenzen Dritter, die von Ihnen Kopien oder Rechte unter dieser Lizenz erhalten haben, nicht beendet, solange diese die Lizenz voll anerkennen und befolgen.

Die Verfügungsbeklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft der in den Niederlanden ansässigen Firma

Die Firmengruppe ... bewirbt und vertreibt u.a. über die Website www.^BBMM*-com Netzwerkprodukte wie FireWire Adapter und Kabel, Bluetooth, USB Adapter und WLAN-Router (Anlage AS 7)

Die Website „www. ... com" wird bei einem Aufruf aus der Bundesrepublik Deutschland in deutscher Sprache angezeigt. In der unter dem Menüpunkt „Über MHHBB" abrufbaren Selbstdar­stellung ist nur die Verfügungsbeklagte am Ende als Firma mit Anschrift benannt.

Unter anderem wird auf den Internetseiten auch der Wireless Network Breitband Router lOOg+ (WL-122) beworben und die darin enthaltene Firmenware zum Download angeboten. Auf der Website mit dem Download der Software befindet sich auch ein deutsches Handbuch Die zum kostenlosen Download angebotene Software ent­hält die Software „netfilter/iptables" im Objectcode, unter an­derem auch die vom Verfügungskläger vollständig alleine pro­grammierten Softwaremodule, „PPTP helper für connection tracking und NAT", sowie „IRC helper für connection tracking und NAT". Auf der Website der Firma ... befand sich zumindest bis zum 18.5.2004 weder ein Hinweis darauf, dass die Firmware auch sol­che Software enthält, die unter die GNU General Public License gestellt wurde, noch war ein Hinweis auf den Lizenztext der GPL oder den Sourcecode der Software „netfilter/iptables" enthal­ten. Mit Schreiben vom 18. März 2004 mahnte der die Verfügungskläge­rin die Verfügungsbeklagte wegen der GPL-Verletzungen ab (Anlage AS 10) . Nach einem weiteren Schriftverkehr zwischen dem Verfügungskläger und der Verfügungsbeklagte bzw. der Muttergesellschaft (Anlage AS 10 - 13) die Verfügungsbeklagte die Abgabe der gefor­derten Unterlassungserklärung abgelehnt hatte, reichte der Ver­fügungskläger am 1.4.2 0 04 den Antrag am Erlass einer einstwei­lige Verfügung ein.

Die Kammer erließ am 2.4.2004 antragsgemäß folgende einstweilige Verfügung:

1. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung... verboten, die Software "netfilter/iptables" zu verbreiten und/oder zu vervielfältigen und/oder öffentlich zu­gänglich zu machen, ohne entsprechend den Lizenzbedingungen der GNU General Public License, Version 2 (GPL) dabei zugleich auf die Lizenzierung unter der GPL hinzuweisen und den Lizenztext der GPL beizufügen und den Sourcecode der Software "netfilter/iptables" lizenzgebührenfrei zugänglich zu machen.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf EUR 100.000.- festgesetzt.

Die Verfügungsbeklagte legte mit Schriftsatz vom 20.4.2004 Wi­derspruch gegen die einstweilige Verfügung ein.

Der Verfügungskläger trägt vor:

Die einstweilige Verfügung sei zu bestätigen.

Der Verfügungsanspruch ergebe sich aus den § 91 Abs. 1 i.V.m § 69c Nr. 1-4 UrhG. Die Verfügungsbeklagte habe die Urheberrechte des Verfügungs-klägers verletzt, indem sie die Software „netfilter/iptables" zum Download angeboten und für deren Vertrieb geworben ahbe, ohne die Lizenzbestimmungen der GPL einzuhalten.

Die genannten Handlungen wären nur gestattet, wenn die Verfü­gungsbeklagte über eine lizenzrechtliche Gestattung verfügen würde. Da der Verfügungskläger die Software „netfil­ter/iptables" ausschließlich unter der GPL lizenziere, sei jede Nutzung verboten, die nicht GPL-konform ist. Denn Ziffer 4 der GPL bestimme ausdrücklich, dass ein Lizenzverstoß automatisch mit einem Lizenzverlust einhergehe. Damit sehe die GPL eine gem. § 158 Abs. 2 UrhG nur auflösend bedingte Nutzungs­rechtseinräumung vor Da die Verfügungsbeklagte die Software „netfilter/iptables" entgegen den Lizenzbedingungen der GPL genutzt habe, insbeson­dere keinen Hinweis auf die GPL gemacht habe und den Sourcecode nicht zugänglich gemacht habe, habe sie die Urheberrechte des Verfügungsklägers verletzt.

Dies gelte auch unabhängig davon, ob die Lizenzbedingungen der GPL zwischen dem Verfügungskläger und der Verfügungsbeklagte wirksam vereinbart worden seien oder nicht. Denn wenn die GPL nicht von den Parteien vereinbart worden wären, fehlten der Verfügungsbeklagten ohnehin die erforderlichen Nutzungsrechte, um die Software „netfilter/iptables" vervielfältigen, verbrei­ten und öffentlich zugänglich machen zu können.

Der Vertrieb ohne Hinweis auf die GPL und ohne die Zugänglich-machung des Sourcecodes verletze den Verfügungskläger auch in seinen Urheberpersönlichkeitsrechten. § 13 UrhG i.V.m. § 69a Abs. 4 UrhG.

Die Verfügungsbeklagte sei auch passivlegitimiert. Dies ergebe sich aus dem Internetauftritt. Unabhängig von der Frage, in welcher Form die Verfügungsbeklagte tatsächlich tätig sei, habe sie als Störerin die Urheberrechte des Antragstellers auch selbst verletzt. Indem sie auf der Website www.JHBBBt-com die öffentliche Zugänglichmachung der Software des Verfügungsklä­gers zu Eigen mache, sei Sie auch selbst für die dort vorlie­gende Urheberrechtsverletzung verantwortlich. Die Verfügungsbe­klagte sei auf der Website als Verantwortliche namentlich ge­nannt . Eine vorläufige Sicherung der Rechte der Verfügungskläger im Eilverfahren sei notwendig. Zur Verwirklichung ihrer Ansprüche könne die Verfügungskläger nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden. Weitere Rechtsverstöße, die zu befürchten seien, würden die Interessen des Verfügungsklägers unwieder­bringlich schädigen, insbesondere im Hinblick auf die Anerken- nung der Urheberschaft. Daher drohe den urheberrechtlichen Be­langen des Verfügungsklägers eine unmittelbare Beeinträchti­gung, eine Entscheidung in der Hauptsache käme somit zu spät.

Der Verfügungskläger beantragt,

Die einstweilige Verfügung vom 2.April 2004 zu bestätigen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 2.4.2 004, Aktenzeichen 21 0 6123/04 aufzuheben.

Die Verfügungsbeklagte trägt vor:

Die einstweilige Verfügung sei aufzuheben, da die Verfügungsbe­klagte nicht passivlegitmiert sei.

Ein Verfügungsanspruch sei nicht gegeben. Die Verfügungsbeklag­te befasse sich weder mit der Verbreitung und oder der Verviel­fältigung und/oder der öffentlichen Zugänglichmachung der Soft­ware „netfilter/iptables". Bei der Antragsgegnerin handele es sich um eine reine Supportfirma, die keinen selbstständigen Vertrieb, keine selbstständige Vervielfältigung und keine selbstständige öffentliche Zugänglichmachung betreibe, nicht betrieben habe und auch nicht betreiben werde. Die Tatsache, dass Vertreiber Vervielfältiger und öffentlich Zugänglichmacher nicht etwa die Verfügungsbeklagte, sondern vielmehr die Firma SHH Europe BV ei, sei dem Verfügungsklä­ger bekannt.

Da weiter mitgeteilt worden sei, dass bereits die Website abge­ändert worden sei, sei offenkundig, dass von Seiten der Firma s£HflRP Europe BV die Angelegenheit geklärt werden sollte und geklärt werde.

Es fehle deshalb auch an dem Verfügungsgrund. Eine Dringlich­keit sei nicht gegeben. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf sämtliche zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Sitzungsprotokoll vom 19.5.2004 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die einstweilige Verfügung war zu bestätigen, da sowohl Verfü­gungsanspruch als auch Verfügungsgrund gegeben sind.

I. Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 97, 69a, 8 Abs.2; 15 UrhG, da der Verfügungskläger zumindest Miturheber an der streitgegenständlichen Software ist und die Benut­zungshandlungen, die der Verfügungsklägerin zuzurechnen sind, nicht durch ein Nutzungsrecht gerechtfertigt waren.

A. Der Anspruch nach § 97 UrhG setzt voraus, dass die Verfü­gungsbeklagte nicht Inhaberin von Nutzungsrechten an der Software geworden ist.

Die Kammer teilt zunächst die Auffassung, dass in den Be­dingungen GPL (General Public Licene) keinesfalls ein Verzicht auf Urheberrechte und urheberrechtlichen Rechts­positionen gesehen werden kann. Im Gegenteil bedienen sich die Nutzer der Bedingungen des Urheberrechts, um ih­re Vorstellungen der weiteren Entwicklung und Verbreitung von Software sicherzustellen und zu verwirklichen (vgl. nur Dreier/Schulze UrhG § 69a Rn.ll)

Hinsichtlich einer Rechtsverletzung können zwei Fälle un­terschieden werden, einmal, dass die Verfügungsbeklagte zu keinem Zeitpunkt Nutzungsrecht erworben hat und zum anderen, dass die einmal eingeräumten Nutzungsrechte wieder an an den Verfügungskläger gemäß 4 GPL zurückgefallen sind.

Hinsichtlich der ersten Variante ist weiter denkbar, dass auf Grund nichtiger AGB-Klauseln keine dingliche Einigung zu Stande gekommen ist (§ 306 Abs.2 BGB). Die Unterscheidung der beiden Varianten ist auf Grund der Verbreitungsform der Software praktisch nicht durchzufüh­ren, so dass insbesondere auf Grund der Antragsfassung auch bei der ersten Variante zu prüfen ist, ob diese Li­zenzbedingungen Bestandteil der dinglichen Einigung ge­worden sind bzw. hätten werden könnten. Die Kammer ist weiter der Auffassung dass sich die Frage ob die Verfügungsbeklagte Inhaber dinglicher Nutzungs­rechte geworden ist, nach deutschem Recht richtet (vgl. (BGH GRUR 1999, 152 - Spielbankaffaire).

Ob dies auch gelten würde, wenn es um die Frage einer rein schuldrechtlichen Gestaltung geht, muss die Kammer nicht beantworten, da sie mit der herrschenden Meinung davon ausgeht, dass auch ein einfaches Nutzungsrecht ein dingliches Recht darstellt (Vgl. Schricker, Urheberrecht, 2.Aufl., vor §§ 2 8 ff. Rdn.4 9; Dreier/Schulze UrhG § 31 Rn.52)

A. Die Kammer stuft die Lizenzbedingungen als allgemeine Ge­schäftsbedingungen ein, die einer Prüfung nach §§ 3 05 ff. BGB zu unterziehen sind.

1. Die Kammer hat zunächst keinerlei Bedenken, dass die allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 305 Abs.2 BGB wirksam in ein mögliches Vertragsverhältnis zwischen der Verfügungsbeklagten und dem Verfügungskläger einbe­zogen worden sind. Auf der Internetseite ist auf die Bedingungen hingewiesen (Anlage AS 2). Die Bedingungen sind weiter allgemein zugänglich. Auch wenn die deut­sche Übersetzung nicht offiziell sein mag, bestehen an­gesichts des Umstandes, das Englisch in der Computerin­dustrie die gängige Fachsprache ist, keinerlei Beden­ken, weil die offiziellen Bedingungen nur in englischer Sprache vorliegen. Dies gilt zumindest, wenn ein Ver­tragsverhältnis zwischen den Urhebern und einer gewerb­lichen Softwarefirma in Rede steht. 2. Die Kammer ist der Auffassung, dass Ziff. 4 GPL, der bei Verstoß gegen die in Ziffer 2 normierten Verhal­tenscodex einen automatischen Rechterückfall vorsieht, den Vertragspartner des Verwenders nicht ungemessen be­teiligt .

a) Die Ziffer 4 stellt allerdings keine nach § 31 Abs.1 S.2 UrhG zulässige Beschränkung des Nutzungsrechts dar.

Nach § 31 Abs.1 UrhG können Nutzungsrechte räumlich, zeitlich oder inhaltlich beschränkt eingeräumt werden können.

Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine nicht nur schuldrechtlich, sondern dinglich wir- kende Aufspaltung des Verbreitungsrechts (§ 17 Abs.1 UrhG) wegen der damit verbundenen möglichen Ein­schränkung der Verkehrsfähigkeit der betreffenden Werkstücke nur in Betracht, wenn es sich um übliche, technisch und wirtschaftlich eigenständige und damit klar abgrenzbare Nutzungsformen handelt (BGH, GRUR 2001, 153 - 155 - OEM-Version).

Die Regelungen in Ziffer 2 GPL erfüllen diese Voraus­setzungen nicht (Metzger/Jäger, Open Source und deut­sches Urheberrecht GRUR Int. 99, 839 ff.; Omsels Open Source und das deutsche Vertrags- und Urheberrecht in Festschrift für Hertin; Plaß Open Contents im deut­schen Urheberrecht, GRUR 2002, 670 ff) .

b) Die Literatur bemüht sich um rechtliche Konstruktio­nen, um den der Klausel vorgesehenen automatischen Rechterückfall auch im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland rechtlich zum Tragen kommen zu lassen.

In der Literatur wird vorgeschlagen, lediglich eine auflösend bedingte dingliche Einigung anzunehmen, die für den Fall, dass der Lizenznehmer sich nicht an die Vertragspflichten hält, einen automatischen Rechte­rückfall vorsehen (so insb. Metzger/Jaeger a.a.O.). Dies wird damit begründet, dass dingliche Rechtsge­schäfte grundsätzlich nicht bedingungsfeindlich sind.

Die Kammer hält diese Konstruktion mit § 31 Abs.1 S.2 UrhG vereinbar. Zunächst ist anzumerken, dass die Rechtsfolgen einer zulässigen Beschränkung oder eines automatischen Rückfall bei Verstoß gegen gewisse Verhaltenspflich­ten zu den gleichen rechtlichen Folgen führen können, da in beiden Fällen keine Inhaberschaft von Nutzungs­rechten vorliegen und etwaige Verfügungen gegenüber Dritten mangels Berechtigung unwirksam wären.

Es besteht grundsätzlich die Gefahr, dass die Bedin­gungslösung in nicht wenigen Fällen lediglich der Um­gehung der Regelung des § 31 UrhG dient. Aus § 31 UrhG n.F. kann allerdings nach Auffassung der Kammer nicht hergeleitet werden, dass auflösend bedingte Rechtübertragungen von urheberrechtlichen Nutzungsrechten grundsätzlich ausgeschlossen sind.

Die Frage, ob eine derartige Bedingung rechtlich zu­lässig ist, d.h. eine Umgehung des § 31 UrhG dar­stellt oder nicht, ist anhand des gesamten Vertrags­werk zu beurteilen. Es ist dabei zu fragen, welche Auswirkungen eine auflösende Bedingung für die Ver­kehrsfähigkeit der Rechte bzw. der mit der Software bespielten (und weiter bearbeiteten) Werkstücke haben kann.

Ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Beschränkung der dinglichen Gestaltungen der Nutzungsrechts ist, die Verkehrsfähigkeit der Rechte aufrechtzuerhalten, insbesondere in einer mehrstufigen Handelskette, so dass nicht jeder Verstoß gegen irgendwelche Verhal- tenspflichten dazu führt, dass Software von Nichtbe­rechtigten vervielfältigt und/oder weitergegeben wird.

Diese Gefahr besteht bei der vorliegenden Vertrags­konstruktion nur bedingt. Die Bedingungen sehen aus­drücklich vor, dass die Lizenzen Dritter nicht been­det werden, solange diese die GPL voll anerkennen und befolgen.

Die Bedingungsregelung kann allerdings die Verkehrfä­higkeit von Werkstück mit „Open source-software" ein­schränken. Sofern der Distributor zum Zeitpunkt der Herstellung von Vervielfältigungsstücken z.B. wegen des Rechtsrückfalls nicht mehr dazu berechtigt war greift, kann der Grundsatz der Erschöpfung nicht ein­greifen und der Nutzer erwirbt von einem Nichtberech­tigten. Die Regelung des § 69 Abs.1 UrhG hilft dem Nutzer nicht, da § 69 d UrhG voraussetzt, dass der Nutzer Inhaber urheberrechtlicher Nutzungsrechte ist (Vgl. Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 2.Aufl., § 69 d Rdn.4; Plaß a.a.O.).

Da der Dritte bei Anerkennung der GPL jederzeit die erforderlichen Nutzungsrechte von dem Urheber unmit­telbar erwerben kann (bzw. ohnehin nur erwerben kann), kann dieser Gesichtspunkt vernachlässigt wer­den .

Es kann zusammenfassend festgestellt werden, dass die Folgen des Rechterückfalls ähnlich wie bei einer rein schuldrechtlichen Beschränkung vorwiegend den Ver­tragspartner der Urheber betreffen und die Verkehrs­fähigkeit der Rechte kaum beeinträchtigt ist.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass das dingliche An­gebot bei Verstössen nicht erlischt, sondern der Ver-letzer die Rechte durch Annahme und Befolgung der Be­dingungen jederzeit wieder erwerben kann. Der automa­tische Verlust ist daher für den Verletzer nicht be­sonders gravierend (so Omsels a.a.O.). Da ein Dritter die Nutzungsrechte an der Software un­geachtet, dass er sie von einem Nichtberechtigten eingeräumt erhalten hat, jederzeit erwerben kann, ist die Verkehrsfähigkeit der Rechte und der Werkstücke durch diese Bedingung nur geringfügiges beeinträch­tigt sind. Weiter treffen die Folgen des Rückfalls in erster Linie den Vertragsverletzer. Daher stellt nach Auffassung der Kammer in Ziff.4 GPL keine Umgehung der Vorschrift nach § 31 Abs.1 S.2 UrhG dar.

c) Selbst wenn Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Ziffer 4 S.2 und 3 GPL durchgreifen würden, hätte dies nicht eine Unwirksamkeit der Ziffer 4 S.l GPL zur Folge. Nach Auffassung wäre lediglich von einer Teilunwirksamkeit der Klausel auszugehen, mit der Folge, dass ein Verstoß gegen Ziffer 4 S.l GPL nur schuldrechtliche Auswirkungen hätte.

3. Die Kammer hat keine Bedenken gegen die Zulässigkeit die Bedingungen Ziffer 2; 3 GPL.

Der Lizenznehmer wird lediglich verpflichtet, die ihm kostenfrei zur Verfügung gestellte und gegebenenfalls bearbeitete Software so weiterzugegeben, dass auch Dritte diese Software nutzen können. Das Grundprinzip der Open-Source Software wird überdies von dem Gesetz­geber mit der Regelung in § 32 Abs.3 S.3 UrhG ausdrück­lich anerkannt (vgl. Dreier/Schulze UrhG § 32 Rn.80, 81) .

4. Selbst wenn man der Auffassung wäre, dass Ziffer 4 GPL oder Ziffer 3 einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB insgesamt nicht standhielten, wäre nach Auffassung der Kammer sehr genau zu prüfen, ob der Vertrag dann nicht im Ganzen nach § 306 Abs.3 UrhG unwirksam ist. Wenn durch die Unwirksamkeit der Klausel die offene Weiter­entwicklung des Software gefährdet wird und ein Grund­prinzip der Open-Source betroffen ist, so spricht nach Auffassung der Kammer einiges dafür, dass in solchen Fällen keine dingliche Einigung zu Stande gekommen ist, mit der Folge, dass jegliche Nutzung der Software rechtswidrig ist.

B. Die Kammer hält die Passivlegitimation der Verfügungsbe­klagten für ausreichend für glaubhaft gemacht.

Die streitgegenständlichen Software kann über die angebene Internetadresse abgerufen werden. In der deutschspra­chigen Version ist unter der Rubrik „Wir über uns" nur die Firmenanschrift der Verfügungsbeklagte aufgeführt. Aus dieser Gestaltung, von der Verfügungsbeklagte Kennt­nis musste, geht hervor, dass der einzig benannte An­sprechpartner im deutsprachigen Raum die Verfügungsbe­klagte ist. Nach Auffassung der Kammer muss sich die Verfügungsbeklagte aufgrund dieser Gestaltung sämtliche Ang­bote zuzurechnen lassen. Sofern das Angebot auf der Internetseite der Mutterge­sellschaft zuzurechnen wäre, wäre die Verfügungsbeklagte zumindest Mitstörerin, da die Verfügungsbeklagte den Ver­trieb der Software unterstützt.

II. Der Verfügungsgrund war zu bejahen. Dem Verfügungskläger kann nicht zugemutet werden, bis zu einer Hauptsacheent­scheidung eine GPL-widrige Verbreitung seiner Software hinzunehmen. Schwerwiegende Nachteile für die Verfügungs-beklagte sind nicht dargetan und auch nicht erkennbar.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.


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