Rechte und Pflichten beim Betriebsübergang - die Neufassung des § 613a BGB von Rechtsanwältin Anke Norda

In Umsetzung der EU-Richtlinie "2001/23/EG DES RATES vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen" wurden die Regelungen zum Betriebsübergang in § 613a BGB zum 01.04.2002 modifiziert.

Änderungen
Der § 613a BGB (Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang) ist um die Absätze 5 und 6 ergänzt worden. Gemäß § 613a Abs. 5 BGB haben der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von dem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang über den Zeitpunkt und Grund des Übergangs, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs und über die für die Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen in Textform zu unterrichten. Die Unterrichtungspflicht gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern gilt unabhängig von der Größe des Betriebes und unabhängig davon, ob eine Informationspflicht gegenüber dem Betriebsrat besteht. An die Textform sind keine allzu hohen Anforderungen gestellt, so dass die Mitteilung auch als Kopie, Telefax oder E-Mail übermittelt werden kann. Der dem § 613a BGB hinzugefügte Abs. 6 beinhaltet das Recht des Arbeitnehmers dem Übergang des Arbeitsverhältnisses zu widersprechen. Der § 613 Abs. 6 BGB regelt jetzt ausdrücklich, was vom Bundesarbeitsgericht und vom Europäischen Gerichtshof seit langem anerkannt ist. Der Widerspruch hat schriftlich innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung zu erfolgen. Bei Widerspruch des Arbeitnehmers besteht das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber weiter. Die Regelungen des § 613a Abs. 5 und Abs. 6 BGB gelten entsprechend bei einer Unternehmensumwandlung in Form einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung.

Praxisfolgen
Es ist schon schwierig genug, einen Betriebsübergang zu regeln. Jetzt hat der Gesetzgeber Regelungen gesetzlich manifestiert, die einen Betriebsübergang nicht gerade erleichtern. Der bisherige Arbeitgeber muss sich jetzt auch noch mit den Arbeitnehmern auseinandersetzen, die dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen. Wenn die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung besteht, ist der bisherige Arbeitgeber verpflichtet, die betroffenen Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen und eventuell anderen Arbeitnehmern im Wege der Sozialauswahl zu kündigen. Wenn die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung nicht besteht, muss der bisherige Arbeitgeber den Arbeitnehmern kündigen, mit allen Rechten und Pflichten, die sich daraus ergeben. Der bisherige Betriebsinhaber und der zukünftige Betriebsinhaber müssen also die Widerspruchsfrist der Arbeitnehmer abwarten, um genau planen und kalkulieren zu können. Die Durchführung eines Betriebsübergangs wird immer umfangreicher und zeitaufwendiger, so dass die wirtschaftliche Flexibilität weiter eingeschränkt wird.

Der Gesetzestext:

§ 613a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

    1. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
    2. den Grund für den Übergang,
    3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
    4. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

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