Urteil

LG Düsseldorf, Urteil vom 07.02.2003 - 38 O 144/02 ("bigben.de")

In dem Rechtsstreit ... gegen ...

hat die 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 10. Januar 2003 durch ...für Recht erkannt

1.Die Klage wird abgewiesen.

2.Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.500,--EUR vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheitsleistung kann durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin ist am 1. April 2000 als Tochterunternehmen der Firma Bigben lnteractive S.A. in Frankreich gegründet werden. Sie vertreibt Computerspiele und Zubehör. Mit Priorität vom 23. Februar 2000 wurde für die Klägerin die Wortmarke "BIG BEN" für die Klassen 9, 16, 28, 25, 38 und 42, Leitklasse 9, elektrische Unterhaltungsgeräte etc, unter der Nummer 30013578 patentamtlich eingetragen.

Die Beklagte beschäftigt sich u.a. mit dem so genannten E-Commerce und Kommunikationsdienstleistungen im Internet. Sie hat eine Vielzahl von Internetdomains reserviert. Unter anderem bietet sie so genannte Portale an, auf denen sich unter einem eingängigen Oberbegriff verschiedene Firmen darstellen können.

Seit dem 21. April 1998 hat die Beklagte die Domains "bigben. de." und "big­ben.de" für sich registriert. Die Domains "bigben.de" wurde in der Zeit von 1998 bis etwa Mitte des Jahres 2000 einem Herrn ... entgeltlich überlassen, der dort als Privatmann Veröffentlichungen vornahm. Nunmehr hat die Beklagte unter dieser Bezeichnung ein so genanntes Informationsportal zum Thema "BigBen" eröffnet, in welchem zum einen über das Wahrzeichen Londons, Reisen, Flüge und Bücher informiert werden soll. Zum anderen sind über so genannte Links Firmen aufgezählt, die die Bezeichnung Big Ben führen.

Die Domain "big-ben.de" weist nunmehr gleiche Inhalte auf, war ursprünglich jedoch lediglich mit dem Hinweis versehen: "Hier entsteht eine neue Internetpräsenz".

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte verfüge über keinerlei Nutzungsrecht an den Domains, da sie zu diesen Bezeichnungen in keinerlei Beziehung stehe. Die Beklagte sei aus markenrechtlichen, namensrechtlichen und deliktischen Grundsätzen zur Unterlassung und Übertragung der Domains verpflichtet.

Die Klägerin beantragt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken am Geschäftsführer, zu unterlas­sen, im geschäftlichen Verkehr den Namen "bigben", insbesondere im Internet die Domain-Namen "bigben.de" und "big-ben.de" zu benutzen oder benutzten zu lassen und unter der Adresse Leistungen anzubieten und oder sich vorzubehalten, Leistungen anzubieten oder anbieten zu lassen.

2. die Beklagte ferner zu verurteilen, die Domains "bigben.de" und "big-ben.de" für die Nutzung durch die Klägerin freizugeben und die dazu erforderlichen Erklärungen gegenüber dem Deutschen Network Informations Center e.V. (Denic) abzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie sieht in der Klage den Versuch, mittels gegenüber der Registrierung jüngerer Markenrechte den Besitzstand der Beklagten im Wege so genannten "Reverse Domain Grabbing" zu stören. Die tatsächlichen Voraussetzungen allein in Betracht kommender markenrechtlicher Ansprüche seien nicht erfüllt.

Wegen, der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung der Bezeichnung "bigben" im Sinne von Ziffer 1. des Klageantrages.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag bereits insoweit zu weit gefasst ist, als er einschränkungslos "im geschäftlichen Verkehr" den Namen "bigben" betrifft. Die konkret beanstandeten Verwendungen der Bezeichnungen sind jedenfalls nicht rechtswidrig, so dass schon aus dieser Grunde kein Unterlassungsanspruch besteht.

Die Voraussetzungen des §14 Abs. 2 i.V. m. § 14 Abs. 5 MarkG sind nicht erfüllt Die Beklagte hat zu keiner Zeit ein mit der für die Klägerin geschützten Marke ähnliches oder identisches Zeichen in einer Verwechslungsgefahr begründenden Weise benutzt. Die Klägerin trägt selbst nicht vor, es werde irgend ein Produkt oder eine Dienstleistung von der Beklagten unter Verwendung der fraglichen Bezeichnung angeboten die mit derjenigen verwechslungsfähig sei, die die Klägerin unter der Bezeichnung anbietet. Auch zu den Zeiten, als die Domains "bigben.de" einem Dritten überlassen war, ließen sich allenfalls in allgemeiner Form gehaltene Informationen abrufen. Ein bestimmtes oder bestimmbares Produkt mit der Bezeichnung Bigben gab und gibt es nicht. Zudem sind die Domainregistrierungen bereits zu einem Zeitpunkt erfolgt, als es die Klägerin noch gar nicht gab, so dass, von einer markenrechtlichen Priorität nicht gesprochen werden kann.

Die Auffassung der Klägerin, aus § 14 Abs. 1 MarkenG ergebe sich ein Anspruch der Klägerin, da sie Inhaber eines Markenrechts sei, die Beklagte jedoch kein Recht an der Benutzung des Zeichens Bigben habe, ist insofern unzutreffend, als die Voraussetzungen unter denen die Verwendung des Zeichens untersagt werden kann, im einzelnen in § 14 Abs. 2 MarkenG aufgeführt sind. Soweit diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, ergibt sich zwangsläufig, dass jede andere Benutzung zulässig ist, soweit nicht andere Rechtsvorschriften entgegenstehen.

Aus den gleichen Gründen scheiden auch Unterlassungsansprüche gemäß § 15 Abs. 2 und Abs. 4 MarkenG aus. Schon bei ihrer Gründung im Jahr 2000 hätte die Klägerin feststellen können, dass es eine nicht unerhebliche Zahl von Firmen und Marken gibt, die die weltbekannte Bezeichnung des Glo­ckenturms in London geschäftlich auszunutzen versucht. Hierzu mag auch die Beklagte zu zählen sein. Die Domainregistrierung im Jahr 1998 kann keine Firmenrechte der damals noch nicht existenten Klägerin verletzt haben. Soweit die Klägerin beanstandet, dass die Domains in der Folgezeit gerade nicht genutzt wurden, kann in einer Nichtbenutzung kein markenrechtlich zu beurteilendes Fehlverhalten liegen.

Unterlassungsansprüche gemäß § 12 BGB scheiden zum einen wegen des Vorranges des Markenrechts aus, zum anderen gelten die aufgezeigten Grundsätze entsprechend.

Die Klägerin kann schließlich aber auch nicht gemäß § 1 UWG oder gemäß den §§ 823, 1004 BGB verlangen, dass die Beklagte die beiden Domainna­men benutzt oder benutzen lässt. Eine den guten Sitten im Wettbewerb widersprechende oder die Ausübung der Geschäftstätigkeit der Klägerin störende Verhaltensweise ist nicht feststellbar. So trägt die Klägerin selbst nicht vor, die Beklagte habe gezielt auf das Unternehmen der Klägerin gehandelt, sei es, um die Domains zu veräußern, sei es, um ihre geschäftliche Entwicklung in sonstiger Weise zu beeinträchtigen. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht ohnehin nicht. Auch verfügt die Klägerin über eine Internetpräsenz im Toplevelbereich ".de". Hierzu verwendet sie ihren bis auf die Gesellschaftsform vollständigen Firmennamen.

Das für die Klägerin für sich als Firmenschlagwort reklamierte Zeichen BIGBEN ist im Hinblick auf seine Weltberühmtheit außerhalb jeglichen geschäftlichen Verkehrs so gebräuchlich, dass vernünftigerweise jeder Nutzer des lnternets zunächst davon ausgehen muss, Informationen im Zusammenhang mit diesem Wahrzeichen vorzufinden. Ob einzelne Benutzer annehmen, zumindest die Klägerin dort erreichen zu können, ist ohne Bedeutung. Die Klägerin wusste bereits bei ihrer Gründung, dass sie nicht unter den Bezeichnungen "bigben.de" und "big-ben.de" im Internet präsent sein kann. Wenn die Beklagte jedenfalls zeitweise registrierte Domains nicht nutzte, kann dies die geschäftliche Betätigung der Beklagten nicht mehr einschränken, als dies bei jeder anderen Art der Nutzung von Anfang an der Fall war.

Für eine Freigabe der Domains zu Gunsten der Klägerin (Antrag Ziffer 2. der Klageschrift) ist schon mangels Unterlassungsanspruch keinerlei Grundlage zu sehen. Aus diesem Grunde bedarf es keiner Entscheidung, ob nicht ohnehin gegebenenfalls nur eine allgemeine Freigabe verlangt werden könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO.



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