Urteil

OLG Oldenburg, Urteil vom 28.07.2005, Az.: 8 U 93/05
(Angebot bindend - Vertagsschluss - Ebay - Auktion)

Normen: BGB § 130 Abs 1, BGB § 119 Abs 2

Leitsatz: Das Einstellen eines Warenangebots auf der Webseite von eBay zwecks Durchführung einer Online-Auktion begründet ein verbindliches Angebot. Die Wirksamkeit eines solchen verbindlichen Angebots wird durch die nach den eBay-Grundsätzen mögliche vorzeitige Beendigung der Auktion nicht berührt. Seine Willenserklärung kann der Anbieter nur im Wege der Anfechtung beseitigen.

In dem Rechtsstreit ... gegen ... hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ......., den Richter am Oberlandesgericht ........ und den Richter am Oberlandesgericht ........ für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 11. März 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.499,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2004 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines im Rahmen einer Internetauktion geschlossenen Kaufvertrags über einen gebrauchten Pkw ...... .

Der Beklagte bot diesen Pkw ab dem 27. Mai 2004 auf der Website der eBayInternationel AG (im folgenden: eBay) zum Verkauf an. Dem Angebot war eine umfangreiche Produktbeschreibung beigefügt. Der Startpreis belief sich auf 1, €, Angebotsende war der 6. Juni 2004.

Der Beklagte beendete die Auktion vorzeitig am 3. Juni 2004. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mit einem Gebot von 4.500,50 € Meistbietender. Er forderte unter Hinweis auf § 9 Ziffer 1 – 3 der allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay von dem Beklagten die Lieferung des Fahrzeugs gegen einen Kaufpreis von 4.500,50 €. Dies lehnte der Beklagte ab; mit Email vom 10. Juni 2004 teilte er dem Kläger mit, er habe während der Laufzeit der Auktion festgestellt, dass aus dem Getriebe des ........ Öl austrete, weswegen er das Fahrzeug aus der Versteigerung herausgenommen habe.

Der Kläger vertritt die Auffassung, zwischen den Parteien sei ein Kaufvertrag zu einem Preis von 4.500,50 € zustandegekommen. Der ........ habe einen Zeitwert von mindestens 12.000, € besessen. In Höhe der Differenz von 7.499,50 € verlangt er Schadensersatz wegen Nichterfüllung.

Der Beklagte vertritt unter Bezugnahme auf die sogenannten eBayGrundsätze die Auffassung, er habe sein Angebot vorzeitig beenden und die Gebote der Käufer streichen können. Gründe für eine zulässige Streichung seien danach, dass die Beschaffenheit des Artikels sich nachweislich verändert oder der Verkäufer sich beim Einstellen des Artikels bezüglich der Beschaffenheit geirrt hat. Er behauptet, bei der Besichtigung des Fahrzeugs durch einen potentiellen Interessenten seien zuvor nicht bekannte Mängel, nämlich Ölverluste sowie die Durchrostung der Auspuffanlage festgestellt worden. Außerdem habe er es irrtümlich unterlassen, auf einen fachgerecht reparierten Unfallschaden hinzuweisen. Hilfsweise behauptet er, der Wert des Fahrzeugs habe zum damaligen Zeitpunkt maximal 6.700, € betragen; er selbst habe das Fahrzeug etwa ein Jahr zuvor für 7.600, € bei einem Händler erworben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er erneut geltend macht, zwischen den Parteien sei ein Kaufvertrag geschlossen worden, der Beklagte müsse deshalb Schadensersatz wegen Nichterfüllung leisten.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 7.499,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2004 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Angesichts der nach Beginn der Internetauktion festgestellten Beschaffenheit des Fahrzeugs sei er zur Beendigung der Auktion nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet gewesen. Mindestens habe er den Kaufvertrag rechtzeitig und wirksam wegen eines Irrtums über die Beschaffenheit des Pkw angefochten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist zum Teil begründet. Der Kläger kann von dem Beklagten gemäß den §§ 280, 281 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe von 2.499,50 € verlangen.

Die Parteien haben im Rahmen der von dem Beklagten initiierten Internetauktion einen Kaufvertrag über den Pkw ............ zu einem Kaufpreis von 4.500,50 € geschlossen. Der Beklagte hat das Fahrzeug zwecks Durchführung einer OnlineAuktion auf der Webesite von eBay eingestellt und die Angebotsseite für die Versteigerung des Pkw freigeschaltet; darin liegt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGHZ 149, 129, 133 ff = NJW 2002, 363) die ausdrückliche Erklärung, er nehme bereits zu diesem Zeitpunkt das höchste wirksam abgegebene Kaufangebot an. Das entspricht § 9 Ziffer 3 der allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay. Die Annahmeerklärung des Klägers liegt in dem online abgegebenen Höchstgebot. Gemäß § 9 Ziffer 3 der allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay kommt mit dem Ende der Laufzeit der OnlineAuktion oder im Fall der vorzeitigen Beendigung durch den Anbieter zwischen diesem und dem Meistbietenden ein Kaufvertrag zustande. Allgemeine Geschäftsbedingungen für Internetauktionen können als Auslegungsgrundlage für Erklärungen bei Internetauktionen herangezogen werden; der Rückgriff auf derartige allgemeine Geschäftsbedingungen läßt Schlussfolgerungen auf die wechselseitigen Erwartungen von Anbieter und Bieter und deren gemeinsames Verständnis über die Funktionsweise der OnlineAuktion zu (vgl. BGH a.a.O., S. 135). Danach kann nicht zweifelhaft sein, dass das Angebot des Beklagten sich sowohl im Fall des Ablaufs der von ihm bestimmten Laufzeit wie auch im Fall der vorzeitigen Beendigung der OnlineAuktion durch ihn an den jeweils Höchstbietenden richtete. Der Beklagte nimmt nicht für sich in Anspruch, dass seine Erklärung anders zu verstehen sei; er hat sich lediglich für berechtigt oder sogar verpflichtet gehalten, die Auktion vorzeitig zu beenden. Aus dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont des Klägers hatte die Willenserklärung des Beklagten ohnehin den in § 9 Ziffer 3 der allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay niedergelegten Inhalt.

Die Auslegung der Willenserklärung des Beklagten seitens des Landgerichts, das davon ausgegangen ist, dessen Angebot habe sich nur an den bei Ende des von ihm ursprünglich festgelegten Auktionszeitraums Höchstbietenden gerichtet, ist damit nicht fehlerfrei und für den Senat nicht bindend (§§ 513, 546 ZPO).

Das Angebot des Beklagten als Versteigerer war verbindlich und nicht widerruflich. Das folgt aus § 9 Ziffer 1 der allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay; dort wird die gesetzlich (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB) vorgesehene Möglichkeit des vorherigen oder gleichzeitigen Widerrufs der Willenserklärung ausgeschlossen. Die Besonderheiten von Internetauktionen erfordern die Unwiderruflichkeit der Vertragsangebote; der Bieter wäre der Willkür des Anbieters ausgesetzt, wenn dieser es sich jederzeit überlegen könnte, ob er ein Angebot gelten lassen will oder nicht (vgl. KG NJW 2005, 1053; LG Berlin NJW 2004, 2831 f.). Auch die eBayGrundsätze für das vorzeitige Beenden von Angeboten und das Streichen von Geboten, auf die sich der Beklagte beruft, betonen ausdrücklich, dass alle bei eBay eingestellten Artikel grundsätzlich verbindliche Angebote sind und dass nur in Ausnahmefällen eine Auktion vorzeitig beendet werden darf.

Der Beklagte hat zwar die Internetauktion unter Berufung auf die eBay Grundsätze vorzeitig beendet und die bis dahin abgegebenen Gebote gestrichen; das berührt indes die Wirksamkeit seines zuvor abgegebenen Angebots nicht (vgl. KG und LG Berlin a.a.O.; LG Coburg MMR 2005, 330 f). Die eBayGrundsätze nennen als Gründe dafür einen Irrtum über die Beschaffenheit des Artikels oder die zwischenzeitliche Veränderung der Beschaffenheit. Damit soll indes keine zusätzliche Handhabe geschaffen werden, sich auf rechtlich nicht ohne weiteres einzuordnende Art und Weise von der Willenserklärung zu lösen. Nach der gesetzlichen Regelung kann der Erklärende eine verbindliche oder nicht (mehr) widerrufliche Willenserklärung (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB) nur im Wege der Anfechtung wieder beseitigen. Diesen Grundsatz bestätigt § 9 Ziffer 3 der allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, indem dort festgelegt wird, dass bei vorzeitiger Beendigung der OnlineAuktion – was nur auf der Grundlage der genannten eBayGrundsätze geschehen kann – der Vertrag mit dem zu diesem Zeitpunkt Höchstbietenden zustande kommt. Die in den eBayGrundsätzen aufgeführten Gründe für das vorzeitige Beenden von Angeboten bzw. das Streichen von Geboten, nämlich der Irrtum über die Beschaffenheit der Kaufsache oder deren zwischenzeitliche Veränderung, nehmen ausdrücklich auf die Irrtumsanfechtung des § 119 BGB Bezug. Der Anbieter kann zwar aufgrund der eBayGrundsätze tatsächlich die OnlineAuktion vorzeitig beenden; am Bestand der von ihm abgegebenen Willenserklärung ändert diese Maßnahme allein jedoch nichts, wenn er nicht gleichzeitig über einen Anfechtungsgrund verfügt und nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen die Anfechtung erklärt.

Der danach von den Parteien wirksam geschlossene Kaufvertrag ist nicht infolge der von dem Beklagten erklärten Anfechtung wegen eines Eigenschaftsirrtums (§ 119 Abs. 2 BGB) nichtig. Der Beklagte hat zwar unverzüglich im Sinne des § 121 BGB angefochten; er hat dem Kläger, nachdem dieser die Erfüllung des Vertrages angemahnt hatte, eine Woche nach vorzeitiger Beendigung der Internetauktion den Grund mitgeteilt, nämlich den Ölverlust des Getriebes, der ihn zur vorzeitigen Beendigung der Auktion und zum Streichen des Angebots des Klägers bewogen hat. Die Email vom 10. Juni 2004 genügt inhaltlich den nach § 143 BGB an eine Anfechtungserklärung zu stellenden Anforderungen, weil sie erkennen lässt, dass er das Geschäft wegen eines Willensmangels nicht gelten lassen will. Jedoch fehlt es an einem Anfechtungsgrund im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB. Nur vorübergehende Erscheinungen wie ein unschwer durch Reparatur zu behebender Ölverlust des Getriebes sind keine verkehrswesentlichen Eigenschaften einer Sache. Zudem greift hier der Vorrang der Mängelhaftung ein; das Anfechtungsrecht des Verkäufers ist in solchen Fällen ausgeschlossen, weil er sich sonst seiner Mängelhaftung entziehen könnte (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 119 Rdnr. 28).

Der Beklagte beruft sich für seine Anfechtung weiterhin auf eine Korrosion der Auspuffanlage sowie darauf, dass er im Angebot einen fachgerecht repararierten Unfallschaden nicht mitgeteilt habe. Diese Anfechtungsgründe hat er erst im Prozess mitgeteilt; die Email vom 10. Juni 2004 schweigt dazu. Gemäß § 143 BGB muss die Anfechtungserklärung erkennen lassen, auf welche tatsächlichen Gründe die Anfechtung gestützt wird; nach Fristablauf (§ 121 BGB) kann der Anfechtungsberechtigte keine neuen Anfechtungsgründe nachschieben (vgl. Palandt/Heinrichs a.a.O., § 143 Rdnr. 3). Die Mitteilung weiterer Anfechtungsgründe erst im Verlauf des Rechtsstreits ist damit nicht rechtzeitig; es kann deshalb offen bleiben, ob sie überhaupt eine Anfechtung rechtfertigen würden.

Der Beklagte beruft sich erfolglos darauf, dass er beim Einstellen des Fahrzeugs auf der eBayWebsite ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass er den Pkw .......... als Privatperson ohne Garantie und Rückgaberecht verkaufe. Darin mag ein gemäß den §§ 444, 475 BGB zulässiger Haftungsausschluss für Sachmängel liegen. Vor Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung schützt diese Klausel jedoch nicht.

Der Beklagte hat das Fahrzeug inzwischen anderweitig veräußert; er kann es an den Kläger nicht mehr liefern. Er schuldet deshalb wegen der Nichterfüllung der Leistungspflicht den Ausgleich des durch die Nichterfüllung entstandenen Schadens. Der Anspruch ist auf das positive Interesse gerichtet, d. h., der Kläger ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Schuldner den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Es kommt deshalb auf den Wert des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Internetauktion (Juni 2004) an. Diesen Wert schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO auf 7.000, €. Der Beklagte selbst hat das Fahrzeug etwa ein Jahr zuvor mit Vertrag vom 10. Mai 2004 von einem Händler für 7.600, € erworben; das ist durch die Vorlage des Kaufvertrags vom 10. Mai 2003 belegt. Der Kläger hat mit der Berufungserwiderung eine DATSchätzung vorgelegt, die einen HändlerEinkaufswert incl. Mehrwertsteuer von 6.700, € nennt. Nach der vom Senat eingesehenen SchwackeListe 6/2004 beträgt die Einkaufsnotierung incl. Mehrwertsteuer 7.200, €. Mit einem Betrag von 7.000, € ist das Fahrzeug danach angemessen bewertet. Nach Abzug des Gebotes von 4.500,50 € ergibt sich ein Nichterfüllungsschaden von 2.499,50 €.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.


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