Urteil

OLG Karlsruhe, Urteil vom 22. Oktober 2003, Az.: 6 U 112/03
(Internetrecht - Meta-Tags - Suchmaschinenoptimierung)

In dem Rechtsstreit

... gegen ...

wegen Markenverletzung, hier: Antrag auf Erlass einer einstw. Vfg. (MarkenG)

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 08. Oktober 2003 unter Mitwirkung von Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. ... Richter am Oberlandesgericht Dr. ... Richter am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 7. April 2003 - 22 O 3/03 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in Einschränkung der Ziffer 1 der Urteilsformel der Verfügungsbeklagten untersagt wird, ohne Zustimmung der Verfügungsklägerin im geschäftlichen Verkehr die Wort/Bildmarke "Deutscher Video Ring", benutzen, insbesondere den Wortbestandteil der Marke als metatag im HTML-Quellcode verwenden zu lassen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe:

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Verfügungsklägerin (Klägerin) die Verfügungsbeklagte (Beklagte) als Registrar von Internet-Domains aus Marken- und Firmenrecht auf Unterlassung in Anspruch.

Gegenstand des Vorwurfs der Klägerin ist, dass drei von der Beklagten als Registrar angemeldete und verwaltete Internet-Domains einer Gesellschaft (mit Postfachanschrift auf den Caicos Islands) mit einem metatag (Schlüsselwort für Suchmaschinen) verknüpft waren, das aus dem Wortbestandteil der für die Klägerin geschützten Marke und dem kennzeichnungskräftigen Teil ihrer Firma bestand. Der aus dem für die Klägerin geschützten Zeichen gebildete Suchbegriff erschien auf der Trefferliste zusammen mit den von der Beklagten verwalteten Domains (vgl. Anlagenkonvolut A 9).

Das Landgericht hat mit Verfügung vom 4.2.2003 der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, ohne Zustimmung der Klägerin im geschäftlichen Verkehr das für die Klägerin geschützte Kennzeichen zu benutzen, insbesondere dieses bei einer Suchmaschine im Internet anzumelden und/oder als metatag im HTML Quellcode zu verwenden. Auf Widerspruch der Beklagten hat das Landgericht die Verbotsverfügung unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten aufrechterhalten.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie erstrebt Aufhebung der einstweiligen Verfügung sowie Abweisung des Verfügungsantrags und wiederholt ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. In der Sache lehnt sie jede Haftungsverantwortlichkeit ab, da sie lediglich die Registrierung der Domains für ihre Kunden vornehme und insoweit nichts weiter als technische Leistungen für deren Internetnutzung erbringe. Mit der weiteren Gestaltung und Verwendung der Domains selbst habe sie nichts mehr zu tun. Die Klägerin müsse sich daher schon an den jeweiligen Domain-Inhaber oder aber an den Betreiber der Suchmaschine wenden. Sie selbst habe keine tatsächliche und rechtliche Möglichkeit, die behauptete Störung abzustellen.

Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil; hilfsweise mit einem eingeschränkten Verbotsantrag dahin, dass der Beklagten untersagt wird, ohne Zustimmung der Klägerin im geschäftlichen Verkehr das streitige Zeichen bzw. ihren Namen benutzen zu lassen, insbesondere das Zeichen bei einer Suchmaschine im Internet anmelden zu lassen und/oder als metatag im HTML-Quellcode zu verwenden zu lassen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat im Rahmen des von der Klägerin im Berufungsrechtszug hilfsweise eingeschränkten Verbotsantrags (teilweise Rücknahme des Verfügungsantrags, vgl. hierzu Zöller/Vollkommer, ZPO, 320. Aufl., § 920 Rdnr. 13) nur insoweit Erfolg, als die Klägerin in erster Linie die im angefochtenen Urteil aufrechterhaltene Beschlussverfügung verteidigt. Der Klägerin steht der hilfsweise verfolgte Verfügungsanspruch wie aus der Urteilsformel ersichtlich zu (§ 938 Abs. 1 ZPO). Der vom Landgericht zuerkannte weitergehende Unterlassungsanspruch besteht nicht, weil die Beklagte für die rechtswidrige Verknüpfung der Domains mit dem Markenzeichen der Klägerin als Täterin nicht in Betracht kommt.

Der markenrechtliche Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 2, Abs. 5 MarkenG richtet sich gegen die Person, die eine Rechtsverletzung durch Erfüllung der Tatbestandsmerkmale der Verbotsnorm begangen hat oder zu begehen droht. Das ist im Streitfall nach ihrem eigenen Vortrag auch die Beklagte, weil sie als Störerin der markenrechtlichen Unterlassungshaftung unterliegt.

a) Nach dem weiten Störerbegriff, der einen wirkungsvollen Schutz gegen Verletzungshandlungen gewähren soll, kann auf Unterlassung nicht nur derjenige in Anspruch genommen werden, der die Verletzungshandlung selbst vorgenommen oder veranlasst hat. Vielmehr haftet als Störer - und zwar grundsätzlich unabhängig von Art und Umfang seines eigenen Tatbeitrages - jeder, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, wobei als Mitwirkung auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügt, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (ständige Rechtsprechung, vgl. Baumbach/Hefermehl, WettbewerbsR, 20. Aufl., UWG Einleitung, Rdnr. 327). Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist für eine Inanspruchnahme des Mitstörers zusätzlich das Bestehen von Prüfungspflichten vorausgesetzt, deren Einhaltung zur Vermeidung erneuter Inanspruchnahme geboten ist (BGH NJW-RR 1997, 1468 = GRUR 1997, 909 - Branchenbuch - Nomenklatur). Dieser allgemeinen Eingrenzung der Haftung des Mitstörers entspricht im Übrigen auch die besondere Privilegierung der Diensteanbieter durch §§ 8, 9 - 11 Teledienstegesetz (TDG). Danach können auch Personen, die dem Täter lediglich eine rechtliche Hilfestellung bei der Nutzung des Internet bieten, als Störer in die Haftung genommen werden (OLG Stuttgart, MMR 2003, 746, 749).

b) Auf der Grundlage dieser rechtlichen Vorgaben haftet die Beklagte der Klägerin auf Unterlassung, allerdings nur soweit eine Mitstörerhaftung in Rede steht und nicht hinsichtlich einer unmittelbar eigenen Verletzungshandlung.

aa) Die Beklagte zieht ohne Erfolg die Aktivlegitimation der Klägerin in Zweifel. Die Benutzung einer fremden Marke als metatag in den Quellcodes von Websites stellt eine rechtsverletzende Gebrauchshandlung gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar (so die überwiegende Auffassung der Rechtsprechung, Nachweise bei Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 14 Rdnr. 119; vgl. ferner Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl. nach § 15 Rdnr. 83). Auf diese Weise sollen die Suchmaschinen dazu veranlasst werden, bei Eingabe des Wortzeichens durch den Internetnutzer die Homepage des Verletzers (bevorzugt) in der Trefferliste anzuzeigen, und zwar unter Aufführung des gewählten Schlüsselworts (vgl. Anlage A 9). Im Streitfall diente die Markenbenutzung, wie sich aus der Anlage ergibt, der Kennzeichnung und Unterscheidung der Dienstleistungen des Inhabers der Subdomain von anderen Internetanbietern. Denn die benutzte Wortmarke verweist unmittelbar auf den Inhalt der in der betreffenden Website angebotenen Dienstleistung. Damit ist Verwechslungsgefahr mit der zu Gunsten der Klägerin für ähnliche Dienstleistungen geschützten Marke gegeben. Eine identische Benutzung durch das Kollisionszeichen, auf die die Beklagte in Verkennung der Rechtslage abhebt, ist nach dem Gesetz für eine Markenverletzung nicht vorausgesetzt, vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 2 Markengesetz ("Ähnlichkeit"). Auch die andersartige Ausführung und Schreibweise des Wortzeichens der Marke führt nicht aus dem Schutzbereich des § 14 Markengesetz heraus. Im Übrigen liegt hier auf Grund des eindeutig pornografischen Bezugs der Websites auch der Verletzungstatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 3 Markengesetz vor, da es sich bei dem Klagezeichen um eine bekannte Marke handelt.

bb) Nach Erlangung der Kenntnis von den diese konkrete Rechtsverletzung begründenden Tatsachen wird die Beklagte von der Mithaftung nur frei, wenn sie die Störung der Rechtsordnung durch die von ihr verwalteten Domains unverzüglich beseitigt. Daran fehlt es hier, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat. Die Beklagte hat im Streitfall keine eigenen Anstrengungen unternommen, die rechtswidrige Störung ihres Vertragspartners auszuräumen. Sie hat vielmehr die Klägerin aufgefordert, sich selbst darum zu bemühen. Demgegenüber hat bereits das Landgericht - von der Beklagten unwiderlegt - festgestellt, dass die Beklagte die Möglichkeit hat, gegen die Rechtsverletzung einzuschreiten und die Störung zu beseitigen (LGU 6). Hierzu hätte der Beklagten schon der Vertrag mit dem Domain-Inhaber Gelegenheit geboten. Die Beklagte hätte unverzüglich nach Eingang und Prüfung der klägerischen Abmahnung auf ihren Kunden einwirken und ihn zur Wiederherstellung rechtmäßiger Verhältnisse anhalten müssen. Sollte die Einwirkung ohne Erfolg bleiben oder von vornherein aussichtslos erscheinen, wäre die Beklagte als Mitstörerin von Rechts wegen gehalten, die von ihr verwalteten Domains nach vorläufiger Suspendierung endgültig zu löschen. Trotz der ihren Kunden dabei drohenden Nachteile (Verlust der Domain und etwaiger anderer Internetdienstleistungen) bietet der Registrierungsvertrag dafür eine Handhabe, weil der Vertragspartner durch die rechtswidrige Nutzung der Domain eine schwerwiegende Vertragsverletzung begeht.

c) Dass im Streitfall nach der Beanstandung durch die Klägerin offenbar die rechtsverletzende Anmeldung des metatag bei der Suchmaschine zurückgenommen worden ist, entlastet die Beklagte nicht. Die (nach Kenntniserlangung der Beklagten) durch ihren eigenen Verletzungsbeitrag begründete Wiederholungsgefahr besteht solange fort, als sie nicht durch eine strafbewehrte Unterwerfungserklärung aufgehoben wird.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 i. V. m. § 97 Abs. 1 und § 269 Abs. 3 ZPO. Insoweit kann nicht außer Betracht bleiben, dass die Klägerin in der irrigen Meinung, die Beklagte selbst sei Markenverletzerin durch Anmeldung des metatag ein erheblich über die konkrete Verletzungsform hinausgehendes Verbot begehrt und auch vom Landgericht zugesprochen erhalten hat.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 50.000 EUR.


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