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AG Bielefeld: Franchisegeber täuscht über nicht vorhandenes Call-Center - Franchisegeber eines Franchisesystems für Online-Bonitätsauskünfte zur Rückzahlung der Franchisegebühr verurteilt

AG Bielefeld
Urteil vom 29.11.2012
15 C 289/11
nicht rechtskräftig


Das AG Bielefeld musste sich im vorliegenden Fall mit der Wirksamkeit einem Franchisevertrages befassen. Der Franchisenehmer wurde dabei von uns vertreten.

Gegenstand des Vertrages war ein Franchisesystem für Online-Bonitätsauskünfte. Vor Vertragsunterzeichnung hatte der Franchisegeber dem Franchisenehmer u.a. zugesichert, dass das Franchiseunternehmen über ein eigens Call-Center verfügt, welches dem Franchisenehmer qualifizierte Kundenkontakte vermittelt. Nach Unterzeichnung des Vertrages stellte sich heraus, dass der Franchisegeber kein eigenes Call-Center unterhält und dem Franchisenehmer auch nicht die versprochenen Kundenkontakte vermittelt. Daraufhin erklärte der Franchisenehmer die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.

Der Franchisgeber klagte die zum Teil vom Franchisenehmer zurückbehaltene restliche Franchisegebühr ein.

Im Wege der Widerklage verlangte der von uns vertretene Franchisenehmer Rückzahlung der bereits gezahlten Franchisegebühr. Das Gericht wies die Klage des Franchisegebers auf Zahlung der restlichen Franchisegebühr ab und gab der Widerklage des Franchisenehmers auf Rückerstattung der gezahlten Franchisegebühr statt.

Der Franchisegeber hat Berufung eingelegt. Wir werden über den Ausgang des Berufungsverfahrens berichten.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:








In dem Rechtsstreit [...] gegen [...]

hat das Amtsgericht Bielefeld auf die mündliche Verhandlung vom 09.11.2012 durch [...] für Recht erkannt:

Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart vom 10.05.2011 (Geschäftsnummer 11 - 8948114-0 -7) wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 3.867,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2009 zu zahlen.
[...]


Tatbestand

Die Parteien schlossen am 13.03.2009 einen Franchisevertrag, durch welchen die Klägerin dem Beklagten das Recht einräumte, nach dem von der Klägerin entwickelten System unter dem Namen [...] Leistungen in Form von Bonitätsprüfungen und Inkassodienstleistungen anzubieten. Die Parteien vereinbarten eine Eintrittsgebühr in Höhe von 7.735,00 € brutto, welche vom Beklagten in der Folge nur in Höhe von 3.867,50 € geleistet wurde. Wegen der Einzelheiten des Franchisevertrags wird auf Blatt 18 ff. d. A. Bezug genommen.

Vor dem Vertragsschluss stellte die Klägerin gegenüber dem Beklagten mit E-Mail vom 21.10.2008 ihr Angebot vor. Diese E - Mail enthielt u.a. folgende Textpassage:

„Am Wichtigsten ist es aber, dass Sie gute Kundentermine von unserem [...] Call - Center erhalten. Dabei achten wir sehr darauf, dass wenn Sie den Kundentermin wahrnehmen, der Kunde ganz genau weiß, worum es geht und er/sie gut auf den Termin vorbereitet ist."

Wegen der Einzelheiten der E- Mail vom 21.10.2008 wird auf Bl. 66 f. d. A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 18.06.2009 forderte der Beklagte die sofortige Auflösung des Franchisevertrags. Gleichzeitig verlangt er die Rückerstattung der bereits bezahlten Teilgebühr bis zum 30.06.2009. Hierbei berief er sich u.a. auf die fehlende Unterstützung durch Call - Center der Klägerin. Wegen der Einzelheiten des Schreibens vom 18.06.2009 wird auf Blatt 74 d. A. Bezug genommen.

Die Klägerin forderte den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 09.03.2010 vergeblich zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 4.485,00 € auf.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr aus dem Franchisevertrag eine restliche Eintrittsgebühr in Höhe von 3.867,50 € zustehe.

Die Klägerin behauptet, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Firmen [...] sowie [...] im Auftrag der Klägerin Kundentermine für die Franchisenehmer vermittelt hätten.
[...]

Die Klägerin beantragt nun,
den Vollstreckungsbescheid in Höhe von 3.867,50 € aufrechtzuerhalten.
Im Übrigen hat sie die Klage zurückgenommen.

Der Beklagte beantragt,
den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt widerklagend,
die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 3.867,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2009 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,
die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Franchisevertrag aufgrund der Erklärung mit Schreiben vom 18.06.2009 wirksam angefochten worden sei. Die Klägerin sei daher zur Rückzahlung der bereits geleisteten Teilgebühr in Höhe von 3.867,50 € verpflichtet. Der Beklagte behauptet, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses über keine Call - Center verfügt habe. Die Vermittlung von Termin durch Call - Center sei - was unstreitig ist - für ihn der wesentliche Beweggrund für den Vertragsschluss gewesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen [...] und [...] sowie des Beklagten als Partei. Hinsichtlich der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 27.07.2012 (Bl. 128 ff. d. A) sowie vom 09.11.2012 (Bl. 142 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die zulässige Widerklage ist begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der restlichen Gebühr in Höhe von 3.867,50 €, da der Franchisevertrag gem. §§ 142, 123 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist.

Der Beklagte hat den Franchisevertrag mit Schreiben vom 18.06.2009 angefochten, § 143 BGB. Unschädlich ist hierbei, dass der Beklagte das Wort „anfechten" nicht benutzt hat. Ausreichend ist bereits, dass aus der Erklärung erkennbar ist, dass die Partei das Geschäft wegen eines Willensmangels nicht gelten lassen will. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Mit Schreiben vom 18.06.2009 forderte der Beklagte die sofortige Auflösung des Vertrags. Hierbei berief er sich u.a. auf eine Täuschung vonseiten der Klägerin, da diese ihn entgegen ihrer vorvertraglichen Zusicherung nicht mittels eigener Call - Center unterstütze.

Die 1 - Jahresfrist aus § 124 I BGB wurde gewahrt. Die Anfechtungserkläruig erfolgte 3 Monate nach dem Vertragsschluss.

Die Anfechtung ist gem. § 123 BGB begründet, da der Beklagte durch arglistige Täuschung zum Abschluss des Franchisevertrags bestimmt worden ist.
Durch die Erklärung gemäß der E - Mail vom 21.10.2008, wonach die Call - Center der Kläger zugunsten des Beklagten Kundentermine vermitteln würden, hat die Klägerin den Beklagten getäuscht. Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht fest, dass die Beklagte weder über eigene noch über fremde Call - Center verfügte.

Die Behauptung der Klägerin, dass die Firma [...] als Vertragspartnerin der Klägerin entsprechende Tätigkeiten durchgeführt habe, wurde durch die Aussage des Zeugen [...] widerlegt, welcher der Inhaber der Firma [...] ist. Dieser hat bekundet, dass zwischen der Firma [...] sowie der Klägerin zu keinem Zeitpunkt Vertragsbeziehungen bestanden hätten. Ein Geschäftsverhältnis bestünde allein gegenüber einigen Franchisenehmern. Das Gericht ist von der Richtigkeit der Aussage des Zeugen [...] überzeugt. Als eine am Ausgang des Rechtsstreits weder persönlich noch wirtschaftlich interessierte Person ist ihm eine besondere Glaubwürdigkeit zuzumessen. Die Aussage war ins sich stimmig und widerspruchsfrei. Anhaltspunkte, welche gegen die Richtigkeit der Bekundungen sprechen, sind nicht ersichtlich.

Die Behauptung der Klägerin, dass neben der Firma [...] auch die Firma [...] als Vertragspartnerin der Klägerin Termine zugunsten der Franchisenehmer vermittelt habe, wurde durch Aussage des Zeugen [...] widerlegt. Dieser hat bekundet, dass die Firma [...] ihre Leistungen nur aufgrund eines gegenüber ihm bestehenden Vertragsverhältnisses erbracht habe. Das Gericht ist von der Richtigkeit der Aussage des Zeugen überzeugt. Die Bekundungen des Zeugen ließen keine Belastungstendenzen zuungunsten der Klägerin erkennen. Der Zeuge hat vielmehr ausdrücklich erklärt, dass er mit den Geschäftsbeziehungen zu der Klägerin vollumfänglich zufrieden sei. Die Bekundungen des Zeugen [...] werden ferner durch den Inhalt der Aussage des Beklagten bestätigt, welcher bekundet hat, dass die Inhaberin der Firma [...], Frau [...], ihm gegenüber erklärt habe, dass sie mit der Klägerin nicht zusammenarbeite.

Die Täuschung erfolgte arglistig. Hiervon ist dann auszugehen, wenn der Handelnde die Unrichtigkeit seiner Angaben kennt oder für möglich hält. Diese Voraussetzung ist offensichtlich erfüllt. Der Geschäftsführer der Klägerin musste zum Zeitpunkt der E-Mail vom 21.10.2008 bzw. zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gewusst haben, dass die Klägerin mangels eigener Ressourcen bzw. entsprechender vertraglcher Beziehungen zu Drittunternehmen über keine Call - Center verfügte.

Der Beklagte wurde durch die arglistige Täuschung der Klägerin zum Abschluss des Franchisevertrags bestimmt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die versprochene Unterstützung durch Call - Center der wesentliche Grund für den Beklagten gewesen ist, den streitgegenständlichen Franchisevertrag abzuschließen. Hieraus ist abzuleiten, dass der Beklagte ohne die entsprechende Erklärung gemäß E- Mail vom 21.10.2008 vom Vertragsschluss Abstand genommen hätte

Der Beklagte hat gegenüber der Klägerin einen Anspruch auf Rückzahlung der bereits geleisteten Gebühr in Höhe von 3.867,50 €, § 812 I S. 1 1. Alt BGB. Die Leistung des Beklagten erfolgte rechtsgrundlos, da der Franchisevertrag durch Anfechtung gemäß §§ 142, 123 BGB rückwirkend als nichtig anzusehen ist. Insofern wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Der zuerkannte Zinsanspruch ist gem. §§ 280 I, II, 286 I, 288 BGB begründet.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 269, 91, 344, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Streitwert: 7.735,00 €

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