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OLG Frankfurt: Keine Verwechslungsgefahr zwischen Restaurantbezeichnung "Ciao" und Bezeichnung einer Pizzeria "Ciao Mamma"

OLG Frankfurt
Beschluss vom 30.06.2021
6 W 35/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass keine Verwechslungsgefahr zwischen der Restaurantbezeichnung "Ciao" und der Bezeichnung einer Pizzeria "Ciao Mamma" besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Restaurant „Ciao“ nicht mit Pizzeria „Ciao Mamma“ verwechslungsfähig

Zwischen der Bezeichnung „Ciao“ für ein Restaurant, welches italienische Speisen anbietet, und einer Pizzeria, die unter „Ciao Mamma“ firmiert, besteht keine Verwechslungsgefahr. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) wies deshalb mit heute veröffentlichter Entscheidung den geltend gemachten Unterlassungsanspruch zurück.
Nr. 50/2021

Die Parteien betreiben jeweils ein Lokal mit italienischen Speisen in der Umgebung von Darmstadt. Das Lokal des Antragstellers heißt „Ciao“ und ist nach eigener Darstellung ein gehobenes italienisches Restaurant mit Pizzeria. Die Antragsgegnerin bewirbt ihr Lokal als „Hamburgeria“ und „Pizzeria“ unter dem Namen „Ciao Mamma“. Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin auf Unterlassen der Verwendung der Bezeichnung „Ciao Mamma“ in Anspruch. Das Landgericht hat den im Eilverfahren geltend gemachten Anspruch zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.

Die Bezeichnung „Ciao“ sei zwar eine besondere Geschäftsbezeichnung, der auch Unterscheidungskraft zukomme, führte das OLG aus. Insbesondere bei Gaststätten und Hotels sei der Verkehr daran gewöhnt, dass sich Unternehmen häufig glatt beschreibender Etablissementsbezeichnungen bedienten es aber in einem umgrenzten örtlichen Gebiet nur einen einzigen Geschäftsbetrieb mit diesem Namen gebe. Der Bezeichnung „Ciao“ könne damit eine gewisse originäre Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Da es sich erkennbar um eine Grußformel handele, sei der Schutzbereich allerdings geringer.

Es liege jedoch keine Verwechslungsgefahr vor. Die Parteien betrieben zwar beide Lokale, in denen italienisches Essen, insbesondere Pizzen, angeboten würden, so dass Branchenidentität vorliege. Die Kennzeichnungskraft der älteren Bezeichnung „Ciao“ – also ihre Eignung, sich als Unterscheidungsmittel bei den Kunden einzuprägen - sei jedoch mit Rücksicht auf die Bedeutung des Begriffs als italienische Grußformel durchschnittlich. Die einander gegenüberstehenden Bezeichnungen „Ciao“ und „Ciao Mamma“ seien nicht hinreichend ähnlich, um eine Verletzungsgefahr zu begründen. Zu vergleichen sei dabei der Gesamteindruck. Der Bestandteil „Mamma“ führe zu einem deutlich abweichenden Gesamteindruck. Der Verkehr verstehe die Bezeichnung „Ciao Mamma“ auch nicht als Ableger des Lokals „Ciao“, da der Bestandteil „Ciao“ nicht als eigenständiger Stammbestandteil wahrgenommen werde.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.6.2021, Az. 6 W 35/21
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 8.4.2021, Az. 22 O 22/21)



BGH: Daimler-Thermofenster reicht allein nicht aus um Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu begründen

BGH
Urteil vom 13.07.2021
VI ZR 128/20


Der BGH hat abermals entschieden, dass das Daimler-Thermofenster allein nicht ausreicht, um einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu begründen.

Die Pressemitteilung des BGH:

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat hat sich erneut zur Thematik des sogenannten "Thermofensters" geäußert.

Sachverhalt:

Der Kläger erwarb im Oktober 2012 von dem beklagten Fahrzeughersteller ein Neufahrzeug vom Typ Mercedes-Benz C 220 CDI BlueEfficiency zu einem Kaufpreis von rund 35.000 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 ausgestattet und unterliegt keinem Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Für den Fahrzeugtyp wurde eine Typgenehmigung nach der Verordnung 715/2007/EG mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt.

Die Abgasreinigung erfolgt in dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug über die Abgasrückführung, bei der ein Teil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt wird, was zu einer Verringerung der Stickoxidemissionen führt. Die Abgasrückführung wird bei kühleren Temperaturen reduziert ("Thermofenster"), wobei zwischen den Parteien streitig ist, bei welchen Außen-/Ladelufttemperaturen dies der Fall ist.

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe durch den Einbau des Thermofensters und verschiedener weiterer Abschalteinrichtungen in verbotener Weise Einfluss auf das Emissionsverhalten genommen, so im Typgenehmigungsverfahren die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte vorgespiegelt und den Kläger dadurch vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Mit seiner Klage verlangt er von der Beklagten im Wesentlichen die Erstattung des gezahlten Kaufpreises zuzüglich Finanzierungskosten, Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs und abzüglich einer Nutzungsentschädigung.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts steht dem Kläger kein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen die Beklagte zu. Das Inverkehrbringen des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs sei unabhängig von der objektiven Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des in der Motorsteuerung installierten "Thermofensters" weder als sittenwidrige Handlung einzustufen noch ergebe sich daraus der erforderliche Schädigungsvorsatz der Beklagten. Es könne ohne konkrete Anhaltspunkte nicht unterstellt werden, dass die Verantwortlichen bei der Beklagten in dem Bewusstsein agiert hätten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Die Gesetzeslage sei hinsichtlich der Zulässigkeit von "Thermofenstern" nicht eindeutig. Soweit der Kläger eine Vielzahl weiterer Steuerungsstrategien zur Abgasreinigung behaupte, fehle es an einem konkreten Bezug zu dem hier in Rede stehenden Fahrzeug und damit jedenfalls an einem substantiierten, dem Beweis zugänglichen Sachvortrag.

Entscheidung des Senats:

Der VI. Zivilsenat hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Entwicklung und der Einsatz der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) für sich genommen nicht ausreichen, um einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zu begründen. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19 (s. Pressemitteilung Nr. 16/2021) ausgeführt hat, ist der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit vielmehr nur dann gegeben, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Dies ist im Streitfall nicht festgestellt.

Unter den Umständen des Einzelfalles rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber konkreten Sachvortrag des Klägers zu einer der weiteren behaupteten Abschalteinrichtungen als prozessual unbeachtlich angesehen. Aus diesem Grund war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen hierzu treffen kann.

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Vorinstanzen:

Landgericht Koblenz – Urteil vom 30. Oktober 2018 – 1 O 74/18

Oberlandesgericht Koblenz – Urteil vom 6. Januar 2020 – 12 U 1408/18



OLG Celle: Je nach Formulierung der Versicherungsbedingungen kann Betriebsschließungsversicherung bei Schließung aufgrund der Corona-Pandemie greifen

OLG Celle
Urteil vom 01.07.2021
8 U 5/21


Das OLG Celle hat entschieden, dass je nach Formulierung der Versicherungsbedingungen eine Betriebsschließungsversicherung bei Schließung aufgrund der Corona-Pandemie greifen kann.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Betriebsschließungsversicherungen greifen bei einer Schließung aufgrund der Corona-Pandemie nicht immer ein

- OBERLANDESGERICHT CELLE: MASSGEBLICH IST DIE GENAUE FORMULIERUNG DER VERSICHERUNGSBEDINGUNGEN

CELLE. Unternehmer können sich mit sog. Betriebsschießungsversicherungen gegen Schäden absichern, die ihnen bei einer behördlich angeordneten Schließung ihres Betriebes aus Gründen des Infektionsschutzes drohen. Aber greifen diese Versicherungen auch in Fällen ein, in denen die Schließung wegen eines Krankheitserregers wie dem Corona-Virus erfolgt, der bei Abschluss des Versicherungsvertrages noch unbekannt war? Das hängt von der konkreten Formulierung der Versicherungsbedingungen ab, wie der für Rechtsstreitigkeiten über Versicherungsverhältnisse zuständige 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle jetzt mit Urteil vom 1. Juli 2021 entschieden hat (Az.: 8 U 5/21).

In diesem Fall betreibt der Kläger ein Restaurant in Schwanewede. Er hatte im Jahr 2018 eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen, die nach den Versicherungsbedingungen u.a. dann eine Entschädigung leistet, wenn der versicherte Betrieb beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger aufgrund des Infektionsschutzgesetzes geschlossen wird. Nach der sich anschließenden Klausel sind „meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen […] die folgenden im Infektionsschutzgesetz […] namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger: […]“ Im Anschluss sind verschiedene Krankheiten und Krankheitserreger ausdrücklich aufgelistet, nicht aber das – damals noch unbekannte – Coronavirus.

Nachdem der Landkreis Osterholz im März 2020 aufgrund der Corona-Epidemie u.a. Restaurants geschlossen hatte, möchte der Kläger von seiner Versicherung ihm hierdurch entstandene Schäden ersetzt haben. Die Versicherung verweigerte eine Zahlung, weil eine Schließung nur aufgrund derjenigen Krankheiten und Krankheitserreger versichert sei, die in den Versicherungsbedingungen abschließend aufgezählt seien.

Während das Landgericht Verden noch dem Kläger Recht gegeben hatte, wies der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts die Klage auf die Berufung der Versicherung hin ab. Die Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger in den Versicherungsbedingungen erfolgte abschließend. Sollte der Versicherungsfall – wie der Kläger meint – bei jeder Schließung aufgrund irgendeiner nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen Krankheit eintreten, wäre diese Aufzählung sinnlos. Einem verständigen Versicherungsnehmer sei deshalb klar, dass die Versicherung nur das Risiko der ausdrücklich bezeichneten Krankheiten und Erreger übernehme.

Der Senat hat weiter insbesondere geprüft, ob diese Einschränkung des Versicherungsschutzes auf ausdrücklich benannte Krankheiten und Erreger deshalb unwirksam sein könnte, weil sie im Gesamtkontext nicht ausreichend verständlich wäre, den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligte oder typischen Erwartungen an eine Betriebsschließungsversicherung zuwiderliefe. Er hat dies jeweils verneint. Die abschließende Aufzählung bestimmter Krankheiten und Erreger sei vielmehr eine typische Ausprägung einer solchen Versicherung.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.


OLG Stuttgart: Herausgabe von auf Server gespeicherten Daten eines Dritten und Verpflichtung zur Verschwiegenheit keine Onlinedurchsuchung nach § 100b StPO und unzulässig

OLG Stuttgart
Beschluss vom 19.05.2021
2 Ws 75/21


Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass die Aufforderung zur Herausgabe von auf Server gespeicherten Daten eines Dritten und Verpflichtung zur Verschwiegenheit keine Onlinedurchsuchung nach § 100b StPO. Eine derartige Emittlungsmaßnahme gegen einen IT-Dienstleister ist mangels Befugnisnorm unzulässig.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die von der Staatsanwaltschaft Mannheim beantragte Ermittlungsmaßnahme entspricht nicht einer in § 100b StPO normierten Onlinedurchsuchung, sondern stellt sich im Hinblick auf den mitbetroffenen IT-Servicedienstleister als Maßnahme sui generis dar, die der Gesetzgeber (bislang) nicht vorgesehen hat. Insbesondere besteht keine Rechtsgrundlage dafür, den IT-Servicebetreiber zu einer Mitwirkung (1.) an einer gegenüber dem Beschuldigten heimlichen Ausforschung des IT-Systems und zum Stillschweigen (2.) darüber zu verpflichten.

1. § 100b StPO regelt den verdeckten Zugriff der Ermittlungsbehörden auf ein vom Beschuldigten genutztes informationstechnisches System mit technischen Mitteln und sieht keine heimlich auszuübende Mitwirkungsverpflichtung eines Dritten vor.

Bereits vor Normerlass war nach der Rechtsprechung des BGH die Beschlagnahme und Auswertung eines Computers und dessen vollständigen Datenbestandes nach §§ 94 ff., 102 ff. StPO mit den entsprechenden Herausgabepflichten aus § 95 StPO möglich; eine verdeckte Online-Durchsuchung war demgegenüber wegen der damit aufgrund der Heimlichkeit der Maßnahme gesteigerten Eingriffsintensität und mangels gesetzlicher Grundlage nicht zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 31.01.2007 - StB 18/06). Mit Einführung der Onlinedurchsuchung gemäß § 100b StPO wollte der Gesetzgeber die diesbezüglich erkannte Regelunglücke schließen und den Ermittlungsbehörden verdeckte Durchsuchungsmaßnahmen unter bestimmten, einschränkenden Voraussetzungen mit technischen Mitteln ermöglichen, wie sich der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 18/12785) entnehmen lässt. Die Gesetzesmotive (aaO, Seite 54) verdeutlichen, dass der Gesetzgeber eine Online-Durchsuchung im Sinne eines verdeckten, d.h. heimlichen, staatlichen Zugriffs auf ein fremdes informationstechnisches System mit dem Ziel, dessen Nutzung zu überwachen und gespeicherte Inhalte auszuleiten, verstanden wissen wollte. Da er nach der damaligen Rechtslage eine „offene“ Durchsuchung und Beschlagnahme der auf informationstechnischen Geräten gespeicherten Daten nach den §§ 94 ff., 102 ff. StPO jedoch bereits als grundsätzlich legitimiert ansah, stellte er mit der Schaffung des § 100b StPO einerseits die Heimlichkeit der Maßnahme in den Mittelpunkt und wollte zur Wahrung derselben den Einsatz technischer Instrumentarien erlauben. Er wollte staatlichen Ermittlungsbehörden ermöglichen, das IT-System eines Beschuldigten ohne dessen Wissen zu infiltrieren. Zwar lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen, wie hiernach zum Einsatz kommende technische Mittel ausgestaltet sein sollten; die Gesetzesbegründung geht jedoch erkennbar davon aus, dass solche Mittel angewendet werden müssen, um die heimliche Datenerhebung zu erreichen. Deutlich wird in den Gesetzesmaterialien auch, dass die Informationsbeschaffung im Rahmen des § 100b StPO deutlich weiter reichen sollte, als dies bis dahin auf Grundlage einer - ausschließlich Kommunikationsinhalte umfassenden - Telekommunikationsüberwachung nach § 100a StPO möglich war; nicht nur neu hinzukommende Kommunikationsinhalte, sondern alle auf einem informationstechnischen System gespeicherten Inhalte sowie das gesamte Nutzungsverhalten einer Person sollten überwacht werden können.

Vor diesem Hintergrund setzt sich die Gesetzesbegründung auch intensiv mit der Frage auseinander, dass die Ausforschung und Untersuchung aller Daten und Aktivitäten eines IT-Systems über die reinen Kommunikationsinhalte hinaus den von Art. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich besonders geschützten Kernbereich der privaten Lebensführung betreffen kann. Dementsprechend hat der Gesetzgeber sich hinsichtlich der Eingriffsvoraussetzungen und der verfahrensrechtlichen Sicherungen des § 100b StPO an den Regelungen zur akustischen Wohnraumüberwachung orientiert. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollte von der Online-Durchsuchung den verfassungsrechtlichen Vorgaben folgend restriktiv Gebrauch gemacht werden, was auch durch die Subsidiaritätsklausel in § 100b Abs. 1 Nr. 3 StPO zum Ausdruck kommt.

Diesem gesetzgeberischen Willen und den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechend ist bei der Anwendung und Auslegung der Norm nach Ansicht des Senats Zurückhaltung geboten. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Typisierung der einzelnen Ermittlungsmaßnahmen und der ihnen jeweils innewohnende Charakter muss im Blick behalten werden: Im Ausgangspunkt erfährt daher eine Onlinedurchsuchung gemäß § 100b StPO im Gegensatz zur Durchsuchung und Beschlagnahme nach §§ 94 ff., 102 ff. StPO ihre spezifische Prägung durch die Heimlichkeit der Maßnahme. Daher sind in § 100b StPO anders als bei der Telefonüberwachung nach § 100a StPO, der Bestandsdatenauskunft nach § 100j StPO oder der Erhebung von Nutzungsdaten bei Telemediendiensten gem. § 100k StPO gerade keine Mitwirkungspflichten von Providern vorgesehen. Das Fehlen einer vergleichbaren Ermächtigungsnorm im Bereich des § 100b StPO zeigt, dass der Fall einer offenen Maßnahme gegenüber dem Diensteanbieter gerade nicht geregelt ist.

Die Anordnung einer Onlinedurchsuchung durch das Gericht erlaubt den Ermittlungsbehörden, ein bestimmtes IT-System des Beschuldigten oder eines Dritten, dessen IT-System der Beschuldigte nutzt, zu infiltrieren, um Daten aus diesem System zu erheben. Die Ausführung der Maßnahme obliegt zwar der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen. Dabei ist es nach allgemeinen Grundsätzen grundsätzlich auch denkbar, dass die Staatsanwaltschaft als „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ eine gerichtlich angeordnete Ermittlungsmaßnahme nicht oder nur teilweise ausführen lässt, etwa, wenn der Vollzug der angeordneten Maßnahme aufgrund von aktuellen Entwicklungen nicht (mehr) zweckmäßig erscheint. Auch ist es zulässig, eine gerichtlich angeordnete Maßnahme nur teilweise auszuführen, wenn sich eine in der Anordnung vorgesehene Zwangsmaßnahme durch die freiwillige Mitwirkung der betroffenen Person erübrigt.

Für nicht zulässig hält es der Senat allerdings, im Wege eines Erst-Recht-Schlusses - wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerde argumentiert - die Verpflichtung eines Dritten zur Mitwirkung als vermeintlich milderes Mittel gegenüber einer technischen Infiltration auf Grundlage von § 100b StPO anzuordnen; hierin ist kein Minus, sondern vielmehr ein Aliud zu sehen. Die Vorschrift des § 100b StPO behandelt nämlich nur das Verhältnis von staatlichen Ermittlungsbehörden gegenüber Beschuldigten und nicht auch gegenüber Dritten. Hätte der Gesetzgeber über das in § 100b Abs. 3 S. 2 StPO bereits vorgesehene Maß hinaus in Rechte Dritter eingreifen und sie etwa zur Mitwirkung verpflichten wollen, hätte dies bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen einer ausdrücklichen Regelung bedurft.

Denn eine offene, den Diensteanbieter verpflichtende Maßnahme nach § 100b StPO würde neben dem Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts auf Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme und dem Eingriff in das Fernmeldegeheimnis auch einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Diensteanbieters darstellen, der nach Art. 12 Abs.1 S.2 GG einer besonderen gesetzlichen Grundlage bedürfte (vgl. BGH, Beschluss vom 20. August 2015 – StB 7/15 –, juris zu § 100a und 100b Abs. 3 S.1 a.F.). Insoweit stellt auch § 95 StPO mit der dort normierten Herausgabepflicht keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage dar, da dieser allein die Herausgabe von (beschlagnahmefähigen) Gegenständen betrifft, worunter zwar grds. die vorliegend zu erhebenden (Bestands-) Daten fallen, nicht aber die auch dem § 100b StPO unterfallende laufende Kommunikation nebst Überwachung des Nutzungsverhaltens.

Eine gegenüber dem Diensteanbieter - und nicht einem Beschuldigten - als Eingriffsadressaten nach § 100b Abs. 3 S. 2 StPO offene Maßnahme nach § 100b StPO käme darüber hinaus vor dem Hintergrund der Subsidiaritätsklausel des § 100b Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht in Betracht. Insoweit stellt die im vorliegenden Fall zur Erhebung von Bestandsdaten ausreichende analoge Durchsuchung und Beschlagnahme nach §§ 102 ff., 94 ff. StPO den geringeren Eingriff bei gleichem Erfolg der Maßnahme (einmalige Erhebung der zum Zeitpunkt der Durchsuchung vorhandenen Daten) dar.

2. Darüber hinaus ergibt sich aus § 100b i.V.m. § 101 Abs. 4 S. 3 u. 4 StPO, genauso wenig wie (bislang) aus den §§ 94 ff. StPO, eine Ermächtigung, den betroffenen Diensteanbieter zur Verschwiegenheit gegenüber seinem Kunden, dem Beschuldigten, zu verpflichten. Die durch § 101 Abs. 4 S. 3 u. 4 StPO ermöglichte Zurückstellung der Benachrichtigung des Betroffenen stellt lediglich eine Ausnahme von der ansonsten nach § 35 StPO spätestens mit Beginn einer Maßnahme durch die staatlichen Organe vorzunehmende Benachrichtigung dar; keinesfalls kann hierüber ein Dritter - noch dazu in Bezug auf seine Berufsausübung - zum Stillschweigen verpflichtet werden. Eine Stillschweigeverpflichtung ergibt sich für (deutsche) Diensteanbieter allein aus § 113 Abs. 6 S. 2 TKG (bzw. § 17 G 10), der aber seinerseits keine Ermächtigungsnorm für die Strafverfolgungsbehörden darstellt und dessen Reichweite sich überdies auf den Anwendungsbereich des TKG beschränkt, das auf den vorliegend in Rede stehenden Anbieter von Cloud-Diensten keine Anwendung findet.

3. Soweit die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift zu bedenken gibt, dass der Einsatz qualifizierter technischer Mittel (Überwachungssoftware) im Rahmen der sog. Quellen-TKÜ auf praktische Probleme stoße und die Ermittlungsbehörden darauf angewiesen seien, auf andere Art Zugriff auf Kommunikationsplattformen oder Cloud-Dienste zu nehmen, bedarf es vorliegend keiner Entscheidung darüber, ob die Ausnutzung solcher Zugangsdaten sich als Einsatz technischer Mittel im Sinne des § 100b StPO darstellt. Da sich weder aus dem Gesetz noch aus den Gesetzesmaterialien konkrete Festlegungen zur Ausgestaltung der technischen Mittel entnehmen lassen, erscheint es nach Ansicht des Senats jedenfalls nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass andere Eingriffe - etwa durch Verwendung eines heimlich erlangten Zugangspassworts -, die sich aus Sicht eines Systembetreibers jedenfalls als systemfremder Zugriff von außen darstellen dürften, unter § 100b StPO bzw. § 100a Abs. 1 Satz 2 StPO fallen können. In diesem Fall würden sich, solange die Maßnahme durch die Ermittlungsbehörden selbst vorgenommen wird, die in der vorliegend zu entscheidenden Konstellation maßgeblichen Probleme der mangelnden Heimlichkeit sowie der Mitwirkungspflicht eines Dritten nicht stellen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BVerfG: Einheitliches Patentgericht kann kommen - Eilanträge gegen den zweiten Anlauf des Abkommens über ein Einheitliches Patentgerichts abgelehnt

BVerfG
Beschluss vom 23. Juni 2021 - 2 BvR 2216/20
Beschluss vom 23. Juni 2021 - 2 BvR 2217/20


Das Bundesverfassungsgericht hat die Eilanträge gegen den zweiten Anlauf des Abkommens über ein Einheitliches Patentgerichts abgelehnt. Das Einheitliche Patentgericht kann kommen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Erfolglose Eilanträge gegen das Abkommen über ein Einheitliches Patentgericht

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts zwei Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, die sich gegen das am 18. Dezember 2020 zustande gekommene Gesetz zu dem Übereinkommen vom 19. Februar 2013 über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ-ZustG II) richteten. Zur Begründung führt der Senat aus, dass die Verfassungsbeschwerden in der Hauptsache unzulässig sind, weil die Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung ihrer Grundrechte nicht hinreichend substantiiert dargelegt haben.

Sachverhalt:

Das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (im Folgenden: Übereinkommen – EPGÜ) ist Teil eines umfassenderen europäischen Regelungspakets zum Patentrecht, dessen Kern die Einführung eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung als neues Schutzrecht auf der Ebene der Europäischen Union ist. Das Übereinkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Es sieht die Errichtung eines Einheitlichen Patentgerichts als gemeinsames Gericht der Vertragsmitgliedstaaten für Streitigkeiten über europäische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Wirkung vor. Dem Einheitlichen Patentgericht soll in Bezug auf die Patente die ausschließliche Zuständigkeit für einen umfangreichen Katalog von Streitigkeiten übertragen werden. Dieser umfasst insbesondere Klagen wegen Patentverletzungen, Streitigkeiten über den Bestand von Patenten und Klagen gegen Entscheidungen des Europäischen Patentamts in Ausübung der ihm übertragenen Aufgaben. Das angefochtene EPGÜ-ZustG II ersetzt das vom Deutschen Bundestag am 10. März 2017 beschlossene EPGÜ-ZustG I, das der Senat mit Beschluss vom 13. Februar 2020 für nichtig erklärt hat.

Die Beschwerdeführer rügen im Wesentlichen eine Verletzung ihres Anspruchs auf demokratische Selbstbestimmung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 79 Abs. 3 GG. Sie machen eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips, des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz, Verstöße gegen das Unionsrecht als auch eine unzulässige Berührung der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität durch den in Art. 20 EPGÜ geregelten Vorrang des Unionsrechts geltend.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind zurückzuweisen, weil die Verfassungsbeschwerden in der Hauptsache unzulässig sind.

I. Die Beschwerdeführer haben die Möglichkeit einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips, des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz oder Verstöße gegen das Unionsrecht nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

1. Sie haben insbesondere nicht näher dargelegt, inwieweit das Übereinkommen wegen der organisatorischen Ausgestaltung des Einheitlichen Patentgerichts und der Rechtsstellung seiner Richter das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip verletzt und damit das über Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG allein subjektivierte und in Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG niedergelegte Demokratieprinzip berührt wird.

Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG darf eine Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union oder in einem Ergänzungs- oder besonderen Näheverhältnis zu ihr stehende Einrichtungen nicht dazu führen, dass der integrationsfeste Kern des Grundgesetzes im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG – seine Identität – berührt wird. Eine Identitätsrüge ist allerdings an strenge Voraussetzungen gebunden und das sich aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG ergebende Recht der Bürgerinnen und Bürger auf demokratische Selbstbestimmung strikt auf den in der Würde des Menschen wurzelnden Kern des Demokratieprinzips begrenzt. Es gewährt dagegen keinen Anspruch auf eine über dessen Sicherung hinausgehende Rechtmäßigkeitskontrolle demokratischer Mehrheitsentscheidungen.

Eine Beeinträchtigung des Gewährleistungsgehalts des Demokratieprinzips setzt daher die Darlegung voraus, dass durch das angegriffene Übereinkommen Hoheitsrechte auf die Europäische Union oder in einem Ergänzungs- oder besonderen Näheverhältnis zu ihr stehende Einrichtungen diesen eine sogenannte Kompetenz-Kompetenz zuerkannt wird, Blankettermächtigungen zur Ausübung öffentlicher Gewalt ohne entsprechende Sicherungen erteilt werden oder Rechte des Bundestages wesentlich geschmälert, etwa sein Budgetrecht und seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung beeinträchtigt werden.

2. Der Vortrag der Beschwerdeführer beschränkt sich indes auf die Darstellung, dass Art. 6 ff. EPGÜ wegen der Ernennung der Richter des Einheitlichen Patentgerichts auf sechs Jahre, einer möglichen Wiederbestellung und der nicht ausreichenden Anfechtbarkeit einer Amtsenthebung gegen Art. 97 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 EMRK und gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verstießen. Inwieweit hierdurch das Demokratieprinzip berührt ist, tragen sie nicht vor.

II. Nicht hinreichend substantiiert ist die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu I. 1. auch, soweit sie sich gegen die Regelung des Vorrangs des Unionsrechts in Art. 20 EPGÜ richtet.

1. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG enthält ein Wirksamkeits- und Durchsetzungsversprechen für das Unionsrecht, zu dem auch gehört, dem Unionsrecht im Zustimmungsgesetz nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG einen Anwendungsvorrang vor nationalem Recht einzuräumen. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor nationalem Recht gilt grundsätzlich auch mit Blick auf entgegenstehendes nationales Verfassungsrecht und führt bei einer Kollision in aller Regel zu dessen Unanwendbarkeit.

Dieser Anwendungsvorrang reicht indes nur so weit, wie das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlauben oder vorsehen. Das Bundesverfassungsgericht gewährleistet diese Grenzen insbesondere im Rahmen der Identitäts- und der Ultra-vires-Kontrolle. Einen uneingeschränkten Anwendungsvorrang des Unionsrechts lässt das Grundgesetz nicht zu. Diese Anforderungen binden alle Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland und dürfen weder relativiert noch unterlaufen werden.

2. Vor diesem Hintergrund enthalten der Vertrag über die Europäische Union und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union auch keine ausdrückliche Festlegung zum Vorrang des Unionsrechts. Art. 20 EPGÜ kann daher nur so verstanden werden, dass mit ihm Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit des Übereinkommens mit dem Unionsrecht ausgeräumt werden sollen, er hingegen keine über den Status quo hinausgehende Regelung des Verhältnisses von Unionsrecht und nationalem Verfassungsrecht enthält. Dies entspricht auch dem im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Verständnis der Bundesregierung sowie der im Bundesrat abgegebenen Protokollerklärung mehrerer Länder. Den anderen Vertragsmitgliedstaaten ist dieses Verständnis allerdings nicht mitgeteilt worden.

3. Mit alldem setzt sich der Beschwerdeführer zu I. 1 nicht weiter auseinander, sondern beschränkt sich unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Senats vom 13. Februar 2020 auf die Feststellung, dass ihm durch Art. 20 EPGÜ die Identitätskontrolle abgeschnitten werde, was mit Art. 79 Abs. 3 GG nicht vereinbar sei. Das genügt den Substantiierungsanforderungen nicht.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Zu den Ansprüchen bei Patentverletzung bei einem Hersteller im Ausland und Abnehmer im Ausland wenn Patentverletzung in Deutschland zu befürchten ist

BGH
Urteil vom 08.06.2021
X ZR 47/19
Ultraschallwandler
PatG § 139 Abs. 2, § 140a Abs. 3 Satz 1


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit den Ansprüchen bei einer Patentverletzung bei einem Hersteller im Ausland und einem Abnehmer im Ausland befasst, wenn eine Patentverletzung in Deutschland zu befürchten ist.

Leitsätze des BGH:

a) Hat ein im Ausland ansässiger Hersteller einen ebenfalls im Ausland ansässigen Abnehmer mit Erzeugnissen beliefert, obwohl konkrete Anhaltspunkte es als naheliegend erscheinen ließen, dass der Abnehmer die gelieferte Ware trotz dort bestehenden Patentschutzes im Inland anbieten oder in Verkehr bringen wird, bestehen Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz in Bezug auf andere Abnehmer nur insoweit, als in Bezug auf diese dieselben charakteristischen Umstände vorliegen, die die Rechtswidrigkeit der Lieferung an den einen Abnehmer begründen.

b) Diese Umstände sind im Klageantrag oder in der Klagebegründung sowie in einem der Klage stattgebenden Urteil oder dessen Gründen konkret zu umschreiben (Fortführung von BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - X ZR 120/15, BGHZ 215, 89 Rn. 62 ff. - Abdichtsystem).

BGH, Urteil vom 8. Juni 2021 - X ZR 47/19 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Arzneimittel darf in anderem Mitgliedstaat nur dann vertrieben werden wenn dieser das Inverkehrbringen genehmigt hat

EuGH
Urteil vom 08.07.2021
C-178/20
Pharma Expressz


Der EuGH hat entschieden, dass ein Arzneimittel in einem anderen Mitgliedstaat nur dann vertrieben werden darf, wenn dieser das Inverkehrbringen genehmigt hat.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Ein in einem Mitgliedstaat nicht der ärztlichen Verschreibungspflicht unterliegendes Arzneimittel darf in einem anderen Mitgliedstaat nur dann vertrieben werden, wenn auch dieser Mitgliedstaat sein Inverkehrbringen genehmigt

Ohne diese Genehmigung kann die Abgabe dieses Arzneimittels dort jedoch möglich sein, wenn es im Einklang mit dem Unionsrecht in besonderen medizinischen Bedarfsfällen verwendet wird Im März 2019 wiesen die ungarischen Behörden das ungarische Unternehmen Pharma Expressz an, seine Geschäftspraxis zu unterlassen, unter Missachtung der hierfür im ungarischen Recht vorgesehenen Formalitäten in Ungarn Arzneimittel zu vertreiben, deren Inverkehrbringen als nicht der ärztlichen Verschreibungspflicht unterliegendes Arzneimittel durch einen anderen Mitgliedstaat genehmigt wurde. Nach ungarischem Recht dürfen nämlich Arzneimittel, die über keine von den ungarischen Behörden oder der Europäischen Kommission erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen verfügen, nur dann vertrieben werden, wenn ihre Verwendung zu therapeutischen Zwecken den ungarischen Behörden von einem verschreibenden Arzt mitgeteilt wird, der eine Stellungnahme dieser Behörden zu dieser Anwendung einholen muss. Pharma Expressz hat den Bescheid der ungarischen Behörden beim Fővárosi Törvényszék
(Hauptstädtisches Stuhlgericht, Ungarn) angefochten, das den Gerichtshof um Klärung der Frage ersucht, ob es nicht gegen das Unionsrecht verstößt, die Einhaltung dieser Formalitäten für den in Ungarn erfolgenden Vertrieb von Arzneimitteln zu verlangen, deren Inverkehrbringen als nicht der ärztlichen Verschreibungspflicht unterliegende Arzneimittel durch einen anderen Mitgliedstaat genehmigt wurde.

Mit Urteil vom heutigen Tag weist der Gerichtshof darauf hin, dass nach der Arzneimittelrichtlinie ein Arzneimittel in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden darf, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats oder die Kommission in Anwendung des dafür vorgesehenen zentralisierten Verfahrens eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt hat.

Verfügt ein Arzneimittel also nicht über eine von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem es zum Verkauf angeboten wird, oder eine nach dem zentralisierten Verfahren erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen, darf es in diesem Staat nicht vertrieben werden, und zwar unabhängig davon, dass es in einem anderen Mitgliedstaat ohne ärztliche Verschreibung verkauft werden darf.

Zu dem in der Arzneimittelrichtlinie vorgesehenen Verfahren der gegenseitigen Anerkennung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen stellt der Gerichtshof fest, dass es unter strengen Voraussetzungen durchgeführt wird und davon abhängt, dass der Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines bestimmten Arzneimittels in einem Mitgliedstaat einen Antrag auf Anerkennung dieser Genehmigung in den anderen Mitgliedstaaten stellt, was nicht den Umständen der vorliegenden Rechtssache entspricht.

Folglich verlangt die Arzneimittelrichtlinie nicht nur nicht, dass ein Arzneimittel, dessen Inverkehrbringen als nicht der ärztlichen Verschreibungspflicht unterliegendes Arzneimittel durch einen Mitgliedstaat genehmigt wurde, durch einen anderen Mitgliedstaat, der dessen Vertrieb nicht genehmigt hat, ebenfalls als nicht der ärztlichen Verschreibungspflicht unterliegendes Arzneimittel anzusehen ist, sondern steht ganz im Gegenteil dieser Möglichkeit entgegen.

Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass die sich aus den ungarischen Rechtsvorschriften ergebenden Formalitäten offenbar die Umsetzung einer in der Arzneimittelrichtlinie vorgesehenen Ausnahme in ungarisches Recht darstellen, die in besonderen medizinischen Bedarfsfällen das Inverkehrbringen von Arzneimitteln in einem Mitgliedstaat gestattet, selbst wenn keine von diesem Staat oder der Kommission erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen vorliegt. Da Ungarn mit der Einführung dieser Formalitäten eine ordnungsgemäße Umsetzung dieser Ausnahme vorgenommen hat, können sie jedoch nicht als mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen oder Maßnahme gleicher Wirkung im Hinblick auf den Grundsatz des freien Warenverkehrs eingestuft werden.


Tenor der Entscheidung:

1. Die Art. 70 bis 73 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die in der durch die Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie, vorbehaltlich der Anwendung der in Art. 5 Abs. 1 vorgesehenen Ausnahme, dem entgegenstehen, dass ein Arzneimittel, das in einem Mitgliedstaat ohne ärztliche Verschreibung abgegeben werden darf, auch in einem anderen Mitgliedstaat als ein Arzneimittel anzusehen ist, das ohne ärztliche Verschreibung abgegeben werden darf, wenn dieses Arzneimittel in dem letztgenannten Mitgliedstaat über keine Genehmigung für das Inverkehrbringen verfügt und nicht eingestuft worden ist.

2. Eine nationale Maßnahme zur Umsetzung von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2012/26 geänderten Fassung, die für die Abgabe eines Arzneimittels, das über keine Genehmigung für das Inverkehrbringen verfügt, eine ärztliche Verschreibung und eine Stellungnahme der für die Gesundheit zuständigen Behörde vorschreibt, um die Erfüllung der in dieser Bestimmung festgelegten Voraussetzungen sicherzustellen, stellt weder eine mengenmäßige Beschränkung noch eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV dar.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO ist eher weit auszulegen und kann auch interne Vermerke und Kommunikation umfassen

BGH
Urteil vom 15.06.2021
VI ZR 576/19
Verordnung (EU) 2016/679 Art. 15; BGB § 362 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO eher weit auszulegen ist und auch interne Vermerke und Kommunikation umfassen kann.

Leitsatz des BGH:

Zur Reichweite des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO.

BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19 - LG Köln - AG Brühl

Aus den Entscheidungsgründen:

aa) Das Berufungsgericht geht allerdings zu Recht davon aus, dass sich der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch des Klägers nach dem seit dem 25. Mai 2018 unmittelbar anwendbaren Art. 15 DS-GVO beurteilt (Art. 99 Abs. 2 DS-GVO; vgl. Senatsurteil vom 27. Juli 2020 - VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 12). Nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und bestimmte weitere Informationen. Gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO stellt der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung.

bb) Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht weiter an, dass dem Kläger nach dieser Vorschrift grundsätzlich ein Auskunftsanspruch über die bei der Beklagten als Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Nr. 7 Halbsatz 1 DS-GVO verarbeiteten ihn betreffenden personenbezogenen Daten zusteht. Seine Annahme, dieser Anspruch sei seitens der Beklagten bereits vollständig erfüllt, ist jedoch rechtsfehlerhaft.

(1) Erfüllt im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB ist ein Auskunftsanspruch grundsätzlich dann, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Wird die Auskunft in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Der Verdacht, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf Auskunft in weitergehendem Umfang nicht begründen.

Wesentlich für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist daher die - gegebenenfalls konkludente - Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2020 - III ZR 136/18, GRUR 2021, 110 Rn. 43 mwN).

Die Annahme eines derartigen Erklärungsinhalts setzt demnach voraus, dass die erteilte Auskunft erkennbar den Gegenstand des berechtigten Auskunftsbegehrens vollständig abdecken soll. Daran fehlt es beispielsweise dann, wenn sich der Auskunftspflichtige hinsichtlich einer bestimmten Kategorie von Auskunftsgegenständen nicht erklärt hat, etwa weil er irrigerweise davon ausgeht, er sei hinsichtlich dieser Gegenstände nicht zur Auskunft verpflichtet. Dann kann der Auskunftsberechtigte eine Ergänzung der Auskunft verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1952 - IV ZR 45/50 und - IV ZR 16/51, BeckRS 1952,103508 Rn. 28 f.; Bittner/Kolbe in Staudinger, BGB, Neubearb. 2019, § 260 Rn. 36 und § 259 Rn. 32).

(2) Nach diesen Maßstäben tragen die Erwägungen des Berufungsgerichts die Annahme einer vollständigen Erfüllung des klägerischen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs nicht. Das Berufungsgericht hat zwar unangefochten festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger bereits gewisse Auskünfte erteilt und angegeben hat, weitere personenbezogene Daten über den Kläger seien nicht gespeichert bzw. verarbeitet worden. Der Kläger hat jedoch, wie sich aus seinem Zwischenfeststellungsantrag und dem Sitzungsprotokoll der Berufungsverhandlung ergibt und worauf die Revision zu Recht hinweist, sein Auskunftsbegehren angesichts der bereits erteilten Auskünfte unter anderem dahingehend präzisiert, dass er weitergehende Auskünfte hinsichtlich der gesamten noch nicht mitgeteilten Korrespondenz der Parteien, einschließlich der Daten des vollständigen Prämienkontos und etwaig erteilter Zweitschriften und Nachträge zum Versicherungsschein, sowie Datenauskünfte bezüglich sämtlicher Telefon-, Gesprächs- und Bewertungsvermerke der Beklagten zum Versicherungsverhältnis
fordere. Dass die Beklagte auch hinsichtlich dieser Gegenstände des Auskunftsbegehrens erklärt hätte, bereits vollständig Auskunft erteilt zu haben, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Soweit das Berufungsgericht die Auffassung vertritt, diese Auskunftsgegenstände unterfielen bereits ihrer Art nach nicht dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO, beruht dies - jedenfalls teilweise - auf einem fehlerhaften Verständnis des Begriffs der personenbezogenen Daten im Sinne der DS-GVO und des Zwecks des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs.

(a) Gemäß Art. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 DS-GVO sind "personenbezogene Daten" alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Nach dieser Definition und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (vgl. - noch zu Art. 2 lit. a der Richtlinie 95/46/EG - EuGH, Urteil vom 20. Dezember
2017 - Rs. C-434/16, NJW 2018, 767 Rn. 33-35 mwN; Art.-29-Datenschutzgruppe, Stellungn. 4/2007, WP 136, 10 ff.; zu Art. 4 Nr. 1 DS-GVO vgl. Arning/ Rothkegel in Taeger/Gabel, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2019, Art. 4 DS-GVO Rn. 8 ff. mwN; Klar/Kühling in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 4 Nr. 1 DS-GVO Rn. 11 ff.; Klabunde in Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 4 Rn. 10 f.). Soweit die Revisionserwiderung meint, Art. 15 DS-GVO sei im Hinblick auf den Begriff der "personenbezogenen Daten" teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass der Personenbezug im Rahmen von Art. 15 DSGVO voraussetze, dass es um "signifikante biografische Informationen" gehe, die "im Vordergrund" des fraglichen Dokuments stünden (so auch Härting, CR 2019, 219, 224; für eine teleologische Reduktion auch Britz/Beyer, VersR 2020, 65, 73
mwN), ist diese Auffassung mit der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, die sich zweifelsfrei auf den Begriff der personenbezogenen Daten im Sinne des Art. 15 i.V.m. Art. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 DS-GVO übertragen lässt, ersichtlich nicht zu vereinbaren (ablehnend auch König, CR 2019, 295 Rn. 47; gegen eine Einschränkung auf Tatbestandsebene auch Lembke, NJW 2020, 1841, 1843; Schulte/Welge, NZA 2019, 1110, 1111; Brink/Joos, ZD 2019, 483, 488).

Nach Erwägungsgrund 63 Satz 1 der DS-GVO dient das Auskunftsrecht der betroffenen Person hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten dem Zweck, sich der Verarbeitung (zum Begriff vgl. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO; zu dem vom sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung erfassten Bereich der Verarbeitung vgl. Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 6 DS-GVO) bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können.

(b) Nach diesen Grundsätzen können entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die zurückliegende Korrespondenz der Parteien, das "Prämienkonto" des Klägers und Daten des Versicherungsscheins sowie interne Vermerke
und Kommunikation der Beklagten nicht kategorisch vom Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO ausgeschlossen werden.

(aa) Schreiben des Klägers an die Beklagte sind grundsätzlich ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten gemäß Art. 4 Nr. 1 DS-GVO anzusehen. Die personenbezogene Information besteht bereits darin, dass sich der Kläger dem Schreiben gemäß geäußert hat (vgl. noch zu § 4 Abs. 1 BDSG 1990 - Senatsurteil vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08, BGHZ 181, 328 Rn. 17; zu Art. 15 DS-GVO vgl. LArbG Baden-Württemberg, BB 2020, 2169, 2174). Auch die Schreiben der Beklagten an den Kläger unterfallen dem Auskunftsanspruch insoweit, als sie Informationen über den Kläger nach den oben genannten Kriterien enthalten. Dass die Schreiben dem Kläger bereits bekannt sind, schließt für sich genommen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus (vgl. Brink/Joos ZD 2019, 483, 485; Schmidt-Wudy in BeckOK DatenschutzR, 35. Ed. 1.2.2021, Art. 15 DS-GVO Rn. 52.2; aA wohl LArbG Niedersachsen, Urteil vom 9. Juni 2020 - 9 Sa 608/19, juris Rn. 66; zum gegensätzlichen Regelungsansatz hinsichtlich der Informationspflichten nach Art. 13, 14 DS-GVO vgl. Art. 13 Abs. 4, Art. 14 Abs. 5 lit. a DS-GVO und Erwägungsgrund 62). Die Beklagte soll Auskunft darüber geben,
ob sie die im Schriftverkehr enthaltenen personenbezogenen Daten aktuell verarbeitet, insbesondere speichert. Die Auskunft soll den Kläger, wie bereits dargelegt, in die Lage versetzen, sich der Datenverarbeitung bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Er soll sich insbesondere vergewissern können, dass die ihn betreffenden Daten richtig sind und in zulässiger Weise verarbeitet werden (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - Rs. C-434/16, NJW 2018, 767 Rn. 57). Das etwaige Bewusstsein des Klägers, dass die fragliche Korrespondenz einst gewechselt wurde, genügt insoweit nicht. Zu beachten ist ferner, dass der Auskunftsberechtigte grundsätzlich wiederholt Auskunft verlangen kann (vgl. Erwägungsgrund 63 Satz 1, Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO). Dies spricht ebenfalls gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, das Auskunftsrecht nach Art. 15 DS-GVO beschränke sich auf Daten, die dem Betroffenen noch nicht bekannt sind. Daher sind auch etwaige Zweitschriften und Nachträge zu dem Versicherungsschein, auf die sich das Auskunftsbegehren des Klägers ausweislich des Sitzungsprotokolls mit erstreckt, nicht grundsätzlich vom datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch ausgeschlossen, soweit die darin enthaltenen personenbezogenen Daten bei der Beklagten verarbeitet werden. Dementsprechend ist auch nicht ersichtlich, warum bei der Beklagten verarbeitete Daten über Prämienzahlungen des Klägers nicht grundsätzlich Gegenstand des Auskunftsanspruchs sein sollten.

Die Korrespondenz der Beklagten mit Dritten kann, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, ebenfalls auf die Person des Klägers bezogene Daten enthalten. Insoweit hat das Berufungsgericht aber unangefochten festgestellt, die Beklagte habe erklärt, dass solche Korrespondenz nicht über die bereits erteilten Auskünfte hinaus geführt worden sei. Mit dieser abschließenden Negativauskunft ist der Auskunftsanspruch des Klägers hinsichtlich dieses Auskunftsgegenstandes erfüllt.

(bb) Interne Vermerke oder interne Kommunikation bei der Beklagten, die Informationen über den Kläger enthalten, kommen als Gegenstand des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO ebenfalls grundsätzlich in Betracht. Dies ist beispielsweise entsprechend der Beurteilung der Schreiben des Klägers bei Vermerken der Fall, die festhalten, wie sich der Kläger telefonisch oder in persönlichen Gesprächen geäußert hat (vgl. OLG Köln, VersR 2020, 81, 85; Schaffland/Holthaus in Schaffland/Wiltfang, DS-GVO/BDSG, Lfg. 3/21, Art. 15 DS-GVO Rn. 1d). Auch Vermerke über den Gesundheitszustand des Klägers enthalten personenbezogene Daten. Die Erwägung des Berufungsgerichts, es handele sich bei Vermerken um "interne Vorgänge der Beklagten", ist im Hinblick auf den Begriff der personenbezogenen Daten ohne Relevanz. Der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO setzt offensichtlich weder nach seinem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck voraus, dass die fraglichen Daten extern zugänglich sind.

Soweit der Kläger Auskunft über die internen Bewertungen der Beklagten zu den Ansprüchen des Klägers aus der streitgegenständlichen Versicherungspolice verlangt, ist allerdings zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union rechtliche Analysen zwar personenbezogene Daten enthalten können, die auf der Grundlage dieser personenbezogenen Daten vorgenommene Beurteilung der Rechtslage selbst aber keine Information über den Betroffenen und damit kein personenbezogenes Datum darstellt (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - Rs. C-141/12 und C-372/12, CR 2015, 103 Rn. 39 ff.). Daten über Provisionszahlungen der Beklagten an Dritte haben nach den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Kriterien ebenfalls keinen Bezug zur Person des Klägers. Sein nach dem Vorbringen der Revision auch hierauf gerichtetes Auskunftsbegehren kann der Kläger daher nicht auf die DS-GVO stützen.

cc) Die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV zur Klärung des Begriffs der personenbezogenen Daten i.S.d. Art. 15 i.V.m. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO ist nicht geboten. Soweit im derzeitigen Stadium des streitgegenständlichen Verfahrens entscheidungserheblich, ist die Auslegung dieses unionsrechtlichen Begriffs durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteile vom 20. Dezember 2017 - Rs. C-434/16, NJW 2018, 767 Rn. 33-35 und vom 17. Juli 2014 - Rs. C-141/12 und C-372/12, CR 2015, 103 Rn. 39 ff.) eindeutig geklärt ("acte clair", vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, NJW 1983, 1257, 1258; BVerfG, NVwZ 2015, 52 Rn. 35).


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BGH: Verwender gesetzlicher Muster-Widerrufsbelehrung kann sich nicht auf Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB berufen wenn Verbraucher durch weitere unzutreffende Belehrung irregeführt wird

BGH
Urteil vom 20.05.2021
III ZR 126/19
Unwirksamkeit einer Widerrufsbelehrung
EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2


Der BGH hat entschieden, dass sich der Verwender der gesetzlichen Muster-Widerrufsbelehrung sich nicht auf die Schutzwirkung von Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB berufen kann, wenn der Verbraucher durch eine weitere formal oder inhaltlich unzutreffende Belehrung irregeführt wird.

Leitsatz des BGH:

Ein Unternehmer, der die Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1 zum EGBGB verwendet, kann sich auf die Schutzwirkung des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB nicht berufen, wenn der Verbraucher durch eine weitere - formal oder inhaltlich nicht ordnungsgemäße - Belehrung irregeführt oder von einer rechtzeitigen Ausübung seines Rechts abgehalten wird (Fortführung von BGH, Urteil vom 16. Dezember 2015 - IV ZR 71/14, juris Rn. 11 sowie Abgrenzung von BGH, Beschluss vom 2. April 2019 - XI ZR 463/18, juris).

BGH, Urteil vom 20. Mai 2021 - III ZR 126/19 - LG Hamburg - AG Hamburg

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OLG Schleswig-Holstein: Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafeversprechen genügt bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 13a Abs. 2 UWG n. F. zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr

OLG Schleswig-Holstein
Beschluss vom 03.05.2021
6 W 5/21


Das OLG Schleswig-Holstein hat bestätigt, dass eine Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafeversprechen bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 13a Abs. 2 UWG n. F. zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr genügt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, hat das Landgericht den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Es fehlt an der für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 UWG erforderlichen Wiederholungsgefahr. Soweit diese durch die vom Antragsgegner unstreitig begangenen Wettbewerbsverstöße indiziert war, hat der Antragsgegner die Vermutung für die Wiederholung seines wettbewerbswidrigen Verhaltens beseitigt.

1. Die Wiederholungsgefahr als materiell-rechtliche Voraussetzung eines Unterlassungsanspruchs liegt vor, wenn eine Wiederholung des wettbewerbswidrigen Verhaltens ernsthaft und greifbar zu besorgen ist (Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 8 Rn. 1.42). Ist es bereits zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen, so streitet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr. Diese Vermutung zu widerlegen obliegt dem Verletzer.

a) Dafür bedurfte es bisher nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur einer Erklärung des Schuldners, mit der er sich verpflichtete, das beanstandete Verhalten künftig zu unterlassen. Erforderlich war zur Bekräftigung dieser übernommenen Verpflichtung auch das Versprechen der Zahlung einer Vertragsstrafe für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung. Weil dem Verletzer bisher stets dieser einfache Weg offen stand, konnte kaum ein anderer Umstand die Wiederholungsgefahr ausräumen; vielmehr zeigte der Verletzer mit der Verweigerung der Unterwerfung, dass nach wie vor Wiederholungsgefahr bestand (Bornkamm a. a. O. Rn. 1.44 m. w. N.).

b) Unter den in § 13a Abs. 2 UWG n. F. genannten Voraussetzungen, die hier unzweifelhaft vorliegen, ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe zwischen Gläubiger und Verletzer jedoch ausgeschlossen. In diesen Fällen kann an dem Erfordernis der Strafbewehrung zur Widerlegung der vermuteten Wiederholungsgefahr nicht mehr festgehalten werden. Anderenfalls wäre es dem Verletzer unmöglich, die Vermutung der Wiederholungsgefahr im unmittelbaren Verhältnis zum Gläubiger zu widerlegen und so eine außergerichtliche Streitbeilegung zwischen ihm und dem Gläubiger herbeizuführen. Dass der Gesetzgeber aber mit den Änderungen des UWG durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs (BT-Drs. 19/12084, 1) für diese Fälle eine außergerichtliche Streitbeilegung zwischen Mitbewerbern ausschließen wollte, lässt sich weder der Gesetzessystematik in §§ 13, 13a UWG n. F. noch der Gesetzesbegründung entnehmen.

aa) Durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs hat der Gesetzgeber an dem System der außergerichtlichen Streitbeilegung durch Abmahnung und strafbewehrter Unterlassungserklärung grundsätzlich festgehalten (§ 13 Abs. 1 UWG n. F.). Er hat dieses Recht der Abmahnung und Unterwerfung jedoch einer vorsichtigen Umgestaltung unterworfen. Insoweit wird die in § 13 Abs. 1 UWG n. F. genannte „angemessene Vertragsstrafe“ erstmals durch die Regelungen in § 13 a UWG n. F. konkretisiert. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 13a Abs. 1 UWG n. F., denn dort heißt es: „Bei der Festlegung einer angemessenen Vertragsstrafe nach § 13 Absatz 1 sind folgende Umstände zu berücksichtigen…“. Die Ausgestaltung einer angemessenen Vertragsstrafe i. S. d. § 13 Abs. 1 UWG n. F. richtet sich demnach nach § 13 a UWG n. F.. Soweit in § 13a Abs. 2 UWG n. F. die Vereinbarung einer Vertragsstrafe ausgeschlossen ist, ist dies über § 13a Abs. 1 UWG n. F. auch bei der Auslegung des § 13 Abs. 1 UWG n. F. zu berücksichtigen. Das Erfordernis einer angemessenen Vertragsstrafe entfällt in diesen Fällen, weil eine solche Vereinbarung ausgeschlossen ist. Die Regelung in § 13 Abs. 1 UWG ist somit in den Fällen des § 13a Abs. 2 UWG n. F. so zu verstehen, dass der Gläubiger den Schuldner vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihm Gelegenheit geben soll, den Streit durch Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung beizulegen.

bb) Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich nichts Anderes. Dort heißt es zu Absatz 2 des § 13a UWG-E: „Absatz 2 schließt die Vereinbarung einer Vertragsstrafe mit einem Mitbewerber aus, wenn der Mitbewerber erstmalig eine Verpflichtung zur Unterlassung in Fällen des § 13 Abs. 4 UWG-E fordert. {… }. Erfolgt die erstmalige Abmahnung des Verstoßes dagegen durch einen Wirtschaftsverband {… } besteht auch weiterhin die Möglichkeit, zur Streitbeilegung unmittelbar die Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung zu verlangen. Die unterschiedliche Behandlung ist dadurch gerechtfertigt, dass Fälle des Abmahnmissbrauchs überwiegend bei den Klageberechtigten nach § 8 Absatz 3 Nummer 1 UWG-E berichtet werden“ (BT-Drs. 19/12084 S. 33 f.). Hieraus ergibt sich nur, dass die in § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG genannten Gläubiger zur (außergerichtlichen) Streitbeilegung nach wie vor eine Unterwerfungserklärung verlangen können, während von Mitbewerbern zur (außergerichtlichen) Streitbeilegung beim erstmaligen Verstoß kein Strafversprechen verlangt werden kann. Dass demgegenüber eine außergerichtliche Streitbeilegung in diesem Fällen ausgeschlossen sein soll, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht.

cc) Mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs wollte der Gesetzgeber die Generierung von Vertragsstrafen und Gebühren eindämmen und damit missbräuchlicher Anspruchsverfolgung im Lauterkeitsrecht entgegen wirken (BT-Drs. 19/12084 S. 1). Dieser Intention würde es zuwiderlaufen, wenn ein Unterlassungsschuldner die Wiederholungsgefahr bei einer Abmahnung durch einen Mitbewerber in den Fällen des § 13a Abs. 2 UWG n. F. nicht durch die Abgabe einer einfachen, nicht strafbewehrten Unterlassungserklärung ausräumen könnte. Anderenfalls könnte der Mitbewerber den Unterlassungsschuldner trotz abgegebener Unterlassungserklärung - wie im vorliegenden Fall - gerichtlich in Anspruch nehmen. Dies würde zum einen dazu führen, dass die Entlastung der Gerichte durch das System aus Abmahnung und (strafbewehrter) Unterlassungserklärung in einer Vielzahl von Fällen abgeschafft wäre. Zum anderen würde dies in letzter Konsequenz für den Abgemahnten dazu führen, dass seine Belastung mit einer Vertragsstrafe durch eine solche mit Gebühren ersetzt werden würde. Für eine solche Intention des Gesetzgebers geben Wortlaut und Begründung nichts her.

dd) Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird, dass in den Fällen des § 13a Abs. 2 UWG n. F. eine außergerichtliche Streitbeilegung nicht mehr möglich sein soll, da die Wiederholungsgefahr ausschließlich durch das Versprechen einer Vertragsstrafe ausgeräumt werden könne (Bornkamm, a. a. O. § 8 Rn. 1.48a; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, a. a. O. § 13 Rn. 105a, § 13a Rn. 18f.; Seichter/Spoenle, juris-PK-UWG, 5. Aufl., § 13 a UWG Rn. 15 f.,18, § 13 Rn. 66; Möller in NJW 2021, 1 (7); Ulrici in WRP 2019, 1117 (1120); Hofmann in WRP 2021, 1, (4); Buchmann/Panfili in K&R 2021, 21 25), vermag der Senat dem aus den oben genannten Gründen nicht zu folgen. Er verkennt nicht, dass das bisherige System von Abmahnung, Unterwerfung und Wegfall der Wiederholungsgefahr den Zweck verfolgt, dem Gläubiger und dem Schuldner ein Mittel an die Hand zu geben, um einen Streit ohne Inanspruchnahme der Gerichte beizulegen (vgl. BGHZ 149, 371 (374) - missbräuchliche Mehrfachabmahnung). Da der Unterlassungsanspruch immer nur in der Zukunft erfüllt werden kann, muss der bei anderen Ansprüchen durch die Erfüllung eintretende Rechtsfriede auf andere Weise erreicht werden. Dies wurde bisher in dem drohenden Nachteil einer Strafe für den Fall einer Zuwiderhandlung gesehen, der den Schuldner vernünftigerweise von Wiederholungen abhält (vgl. Bornkamm/Feddersen, a. a. O. § 13 Rn. 139). Dieser Dogmatik des Unterlassungsanspruchs scheint es zu widersprechen, wenn die Wiederholungsgefahr in bestimmten Fällen nunmehr auch ohne ein Strafversprechen entfallen kann. Jedoch führt auch eine Unterlassungserklärung ohne Strafbewehrung in den Fällen des § 13a Abs. 2 UWG n. F. im Falle des späteren Verstoßes durchaus zu nachteiligen Rechtsfolgen für den Schuldner. So steht dem Gläubiger (neben dem gesetzlichen) dann auch ein vertraglicher Unterlassungsanspruch zu, sodass das Gericht nicht mehr den Wettbewerbsverstoß selbst prüfen muss, sondern nur noch den Verstoß gegen die Unterlassungserklärung festzustellen hat. Darüber hinaus handelt es sich bei dem erneuten Verstoß dann nicht mehr um den erstmaligen, so dass nunmehr eine Vertragsstrafe zugunsten des Gläubigers vereinbart werden kann.

Zudem führt die in der Literatur vertretene Auffassung in den oben genannten Fällen zu der Konsequenz, dass sich der Schuldner in den Fällen, in denen er durch einen Mitbewerber abgemahnt wird, gegenüber einem der in § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG genannten Gläubiger strafbewehrt unterwerfen müsste, um auch gegenüber dem Mitbewerber die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen (so Bornkamm a. a. O., § 8 Rn. 1.48a; Hofmann a. a. O. S.4). Insoweit wird nach Auffassung des Senats nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Schuldner lediglich ein Angebot zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrages gegenüber einem Dritten abgeben kann. So entfällt die Wiederholungsgefahr bei einer Initiativunterwerfung, die der von einem Mitbewerber abgemahnte Verletzer gegenüber einem Wettbewerbsverband unaufgefordert abgibt, dann nicht, wenn der Wettbewerbsverband die Erklärung nicht annimmt (vgl. Seichter/Spoenle, a. a. O. § 13, Rn. 87). Es ist für den Senat auch nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber dem Schuldner diesen erschwerten Weg der Initiativunterwerfung auferlegen wollte.

c) Einen Verstoß gegen Art. 11 Abs. 1 und Art. 13 der Richtlinie 2005/29 EG vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Klagebefugnis der Mitbewerber wird durch die neuen Regelungen in §§ 13, 13a UWG n. F. nicht eingeschränkt. Nach wie vor bleibt es einem Mitbewerber möglich, auch im Fall des § 13a UWG n. F. gegen Wettbewerbsverletzungen gerichtlich vorzugehen. Dies betrifft sowohl den Fall, in dem sich der Unterlassungsschuldner weigert, eine Unterlassungserklärung abzugeben als auch den Fall, in dem der Gläubiger ohne vorherige Abmahnung, dann allerdings mit dem Kostenrisiko des § 93 ZPO, gegen den Schuldner gerichtlich vorgehen will.

Die Neuregelung führt auch nicht dazu, dass es an geeigneten Maßnahmen der Sanktionierung wettbewerbswidrigen Verhaltens fehlt. Zwar kann der Gläubiger von dem Schuldner in den Fällen der §§ 13 Abs. 4, 13 a Abs. 2 UWG n. F. weder Aufwendungen für eine Abmahnung verlangen noch mit dem Schuldner eine Vertragsstrafe vereinbaren. Der Anspruch der in § 8 Abs. 3 Nummer 2 bis 4 UWG genannten Gläubiger bleibt jedoch unberührt und es bleibt dem Mitbewerber unbenommen, sich an einen qualifizierten Wirtschaftsverband zu wenden, der für ihn eine Abmahnung ausspricht und eine mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrte Unterlassungserklärung des Schuldners entgegen nimmt (vgl. BT-Drs. 19/12084 S. 32).

2. Kann somit in den Fällen des § 13a UWG n. F. die Wiederholungsgefahr grundsätzlich auch dann entfallen, wenn der Schuldner keine strafbewehrte, sondern nur eine „einfache“ Unterlassungserklärung abgegeben hat, so ergibt eine Gesamtwürdigung im vorliegenden Fall, dass die Unterlassungserklärung des Antragsgegners geeignet ist, ihn ernsthaft von Wiederholungen der Verletzungshandlungen abzuhalten. Dies ergibt sich aus dem Verhalten des Antragsgegners nach der begangenen Verletzungshandlung und insbesondere aus seiner Reaktion auf die Abmahnung des Antragstellers. Der Antragsgegner hat die Verletzungshandlungen sofort eingestellt. Er hat darüber hinaus eine sofortige Unterwerfungserklärung hinsichtlich des Verstoßes gegen das Verpackungsgesetz abgegeben und die damit verbundenen Abmahnkosten gezahlt. Er hat überdies in der Unterlassungserklärung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Unterlassungserklärung hinsichtlich der fehlenden Grundpreisangabe und der unvollständigen Widerrufsbelehrung wegen der Regelung in § 13a Abs. 1, 2 UWG nicht mit einer Vertragsstrafe versehen sei. Es besteht somit kein Grund, an der Ernsthaftigkeit des abgegebenen Unterlassungsversprechens zu zweifeln. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr für einen erneuten Wettbewerbsverstoß des Antragsgegners ist damit widerlegt."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Karlsruhe: Verstoß gegen Unterlassungserklärung wenn Lichtbild noch per Direkteingabe der URL oder über Suchmaschine aufrufbar ist

OLG Karlsruhe
Urteil vom 14.04.2021
6 U 94/20


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass ein Verstoß gegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung vorliegt, wenn ein Lichtbild noch per Direkteingabe der URL oder über Suchmaschine aufrufbar ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

" 1. Die Beklagte hat mit dem Verstoß am 28.05.2016 den Vertragsstrafeanspruch in der mit der Klage geltend gemachten Höhe verwirkt.

a) Die Abrufbarkeit des Lichtbildes unter der genannten URL verstößt gegen die vertragliche Unterlassungspflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger.

aa) Die Beklagte hat sich mit ihrer Unterlassungserklärung vom 21.4.2016 gegenüber dem Kläger verpflichtet, es u.a. zukünftig zu unterlassen, die Fotografie „[...]“ oder Teile hieraus öffentlich zugänglich zu machen oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, ohne hierbei den Unterlassungsgläubiger namentlich als Urheber anzugeben.

Für den Fall des Verstoßes hat sie eine Vertragsstrafe in Höhe von mindestens 5.100 EUR versprochen, die vom Unterlassungsgläubiger festzusetzen und im Streitfall der Höhe nach vom zuständigen Gericht zu überprüfen ist. Die Annahme des Versprechens durch den Kläger am 27.4.2016 steht nicht im Streit.

bb) Unstreitig ist das Lichtbild „[...]“ im Internet nach Abgabe der Unterlassungserklärung und deren Annahme am 28.5.2016 unter der im landgerichtlichen Urteil auf Seite 5 genannten URL ohne Urhebernennung für jedermann im Internet abrufbar gewesen, der diese URL-Adresse kennt oder auffindet. Die Beklagte hatte das Lichtbild von der Unterseite ihrer Website (einer russischen Website der Beklagten), in die das Bild zuvor noch eingebunden gewesen ist, zwar unmittelbar nach Abgabe der Unterlassungserklärung entfernt, sie hat es aber ohne Verlinkung zu Webseiten unter der genannten URL im Internet belassen.

cc) Zu dem als Verstoß geltend gemachten Zeitpunkt (28.5.2016) war das Lichtbild allerdings nicht in eine Website eingebunden und konnte daher nicht über Inhalte einer Website abgerufen werden. Der Abruf war damit nur in Kenntnis der URL des Lichtbildes durch Eingabe dieser URL in den Browser oder über eine Suche nach dem konkreten, also vorbekannten, Lichtbild über eine Suchmaschine möglich. Ob der Kläger oder das von ihm mit der Recherche und Dokumentation beauftragte Unternehmen das Lichtbild aufgrund der Kenntnis der URL des Lichtbildes zum Zeitpunkt der Einbindung in eine Website oder über eine Bildersuchmaschine im Internet auf der Domain der Beklagten aufgefunden hat, ist nicht vorgetragen. Unstreitig konnte das Lichtbild jedenfalls ohne Mithilfe der Beklagten im Internet zugänglich aufgefunden und abgerufen werden.

In der Rechtsprechung wird unterschiedlich beurteilt, ob der Umstand der Abrufbarkeit eines Lichtbildes im Internet durch Eingabe einer URL oder durch Suche nach einem Lichtbild mit einer Suchmaschine auf diese Weise ein öffentliches Zugänglichmachen i.S. eines an den Wortlaut des Gesetzes anknüpfenden Vertragsstrafeversprechens darstellt.

(1) Der Senat hatte mit Urteil vom 12.9.2012 – 6 U 58/11 Juris Rn. 22 entschieden, dass es für ein öffentliches Zugänglichmachen genügt, dass es für einen Dritten, wenn - wie im Streitfall - zuvor eine Verlinkung mit einer Website bestanden hatte, möglich bleibt, das Lichtbild im Internet auch ohne genaue Kenntnis der URL aufzufinden. Der Umstand, dass das Lichtbild zu diesem Zeitpunkt nicht in eine Homepage eingebettet war, steht danach der Annahme des öffentlich Zugänglichmachens im Sinne der Unterlassungserklärung nicht entgegen. Das Auffinden ist aufgrund der vorangegangenen Nutzung unter Einbindung in eine Website möglich. Im dortigen Fall hatte der Senat ausgeführt, das Lichtbild könne unter der auf dem Rechner gegebenenfalls noch gespeicherte URL, welche den Nutzer unmittelbar auf die noch vorhandene Datei führe und zum anderen unter Einsatz von Suchmaschinen aufgefunden werden. Entsprechend hatte der Senat auch mit Urteil vom 3.11.2012 – 6 U 92/11 Juris Rn. 29 angenommen, dass ein Beklagter bei einer Unterlassungserklärung dieses Inhalts verpflichtet sei, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass das betreffende Lichtbild nicht mehr über ihre Webseite oder die von ihr verwendete URL öffentlich zugänglich ist und dass das bloße Löschen eines Links zu dem redaktionellen Beitrag, in dessen Zusammenhang das Lichtbild Verwendung gefunden hatte, für die Erfüllung dieser Verpflichtung nicht genügt. Diese Auffassung vertreten auch das Kammergericht mit Urt. v. 29.07.2019 (24 U 143/18, Juris Rn. 20 f., ZUM-RD 2020, 497) und das Oberlandesgericht Hamburg mit Urt. v. 09.04.2008 (5 U 124/07, Juris Rn. 38; ZUM-RD 2009, 72). Den von der Beklagten zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (ZUM 2013, 874) und des LG Kölns (Urt. v. 30.01.2014 ZUM-RD 2014, 220) ist nichts Gegenteiliges entnehmen.

(2) Das Oberlandesgericht Frankfurt (Urt. v. 16.6.2020 – 11 U 46/19 Juris Rn. 33 ff., ZUM-RD 2020, 508) hingegen ist der Ansicht, dass der Umstand, dass ein Lichtbild durch die Eingabe der URL-Adresse zugänglich sei, nicht die Anforderung an ein „öffentliches Zugänglichmachen“ i.S. des § 19a UrhG und eines daran anknüpfenden Unterlassungsvertrages erfülle. Denn der Begriff „öffentlich“ beinhalte bei europarechtlich zutreffender Auslegung des § 19a UrhG, der einer Umsetzung des Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG diene, eine bestimmte Mindestschwelle, die bei einer allzu kleinen oder gar unbedeutenden Mehrzahl betroffener Personen nicht erreicht werde (EuGH, Urt. v. 26.4.2017 – C-527/15 Rn. 44 [dort zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe]). Beschränke sich der Personenkreis, für den das Lichtbild zugänglich sei, faktisch auf diejenigen Personen, denen die URL-Adresse zuvor, als das Lichtbild vor Abgabe der Unterlassungserklärung noch im Rahmen der Anzeige frei zugänglich gewesen sei, zur Kenntnis gelangt sei, oder denen die Adresse von solchen Personen weitergegeben worden sei, und seien dies neben dem Kläger nicht „recht viele Personen“ i.S. der EuGH-Rechtsprechung, stelle dies keine ausreichende Zahl von Personen dar. Daher fehle es an einem öffentlichen Zugänglichmachen. Gegen die Entscheidung ist beim Bundesgerichtshof nach Juris unter dem Aktenzeichen I ZR 119/20 die vom Berufungsgericht zugelassene Revision anhängig.

(3) Der Senat hält an seiner oben unter (1) wiedergegeben Auffassung fest, nach der ein Schuldner – nach vorangegangener urheberrechtswidriger Nutzung eines Lichtbildes auf seiner Website – gegen seine nachfolgend eingegangene vertragliche Verpflichtung, es zu unterlassen, ein Lichtbild ohne Urheberbenennung öffentlich zugänglich zu machen, verstößt, wenn dasselbe Lichtbild im Anschluss durch Eingabe der URL oder durch Suche mit einer Suchmaschine im Internet weiterhin unter der Domainadresse des Schuldners von jedermann aufgerufen werden kann und der Urheber nicht benannt ist.

Im Streitfall ist es nicht maßgeblich, ob ein nicht mit einer Website verknüpftes und nur über die Direkteingabe einer URL im Internet abrufbares Lichtbild öffentlich zugänglich i.S. des § 19a UrhG gemacht wird. Daran bestehen Zweifel, da der Begriff „öffentlich“ erfordert, dass eine nicht allzu kleine oder unbedeutende Zahl das Lichtbild wahrnehmen können muss und dies nicht der Fall ist, wenn mangels Kenntnis von dem Lichtbild nach diesem nicht gesucht werden kann und die URL nur einem sehr eingeschränkten Personenkreis bekannt ist. So aber verhält es sich im Streitfall nicht: Denn die Beurteilung des Streitfalls ist von zwei Unterschieden gekennzeichnet. Zum einen wird kein Anspruch wegen eines Verstoßes gegen § 19a UrhG, sondern ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe wegen Verstoßes gegen eine vertragliche Unterlassungsverpflichtung geltend gemacht. Zum zweiten war das Lichtbild zuvor – ohne Urheberbenennung und unter Einbindung in eine Website – im Internet einem unüberschaubar großen Personenkreis zugänglich gemacht worden. Ob der Umstand, dass das Lichtbild ohne Benennung des Urhebers weiterhin über die Eingabe einer URL oder gegebenenfalls über eine Bildersuchmaschine, nicht aber über die Einbindung einer Website im Internet zugänglich ist, gegen die vorgenannte Unterlassungsverpflichtung verstößt, ist bei dieser Ausgangslage im Tatsächlichen durch Auslegung des Unterlassungsvertrages zu ermitteln.

Bei der Auslegung des Unterlassungsvertrages ist nach §§ 133, 157 BGB davon auszugehen, dass die Parteien mit der Formulierung der Verpflichtung, es zu unterlassen, „die Fotographie (…) öffentlich zugänglich zu machen (…), ohne hierbei den Unterlassungsgläubiger namentlich als Urheber anzugeben“ in jedem Fall das zuvor als rechtswidrig beanstandete Verhalten erfassen und mithin zumindest die Wiederholungsgefahr aus dem zuvor begangenen urheberrechtlichen Verstoß beseitigen wollten. Die Unterlassungsverpflichtung, die der Kläger angenommen hat, sollte damit jedenfalls geeignet sein, die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruches wegen des beanstandeten Verhaltens als urheberrechtswidriges öffentliches Zugänglichmachen i.S. des § 19a UrhG des nach § 72, § 2 UrhG geschützten Lichtbildes auszuschließen. Gegenstand der damaligen Beanstandung war das öffentliche Zugänglichmachen des Lichtbildes auf der Homepage der Beklagten ohne Angabe des Urhebers. Zum damaligen Zeitpunkt war das Lichtbild unstreitig in eine verlinkte Website (die russische Unterseite der Beklagten) eingebettet und der Urheber nicht benannt. Die Beklagte hat damit gegen das Recht des Urhebers nach § 13 UrhG auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk verstoßen. Der Urheber kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist. Der Anspruch auf Namensnennung folgt aus dem Persönlichkeitsrecht auf Anerkennung der Urheberschaft und ist daher in allen Fällen gegeben, in denen das Werk, sei es in bearbeiteter oder in unbearbeiteter Form, an die Öffentlichkeit herangeführt wird (BGH GRUR 1963, 40, 42 – Straßen - gestern und morgen). Das geschieht nicht nur durch das Original, sondern auch durch Vervielfältigungsstücke (BGH NJW 1994, 2621, 2622 - Namensnennungsrecht des Architekten; amtl. Begr. BT-Drucks IV/270, 44). Die damalige Nutzung auf der Website, die zur Abgabe der Unterlassungserklärung geführt hatte, war – falls ein Nutzungsvertrag zustande gekommen sein sollte – auch nicht durch die Nutzungsbedingungen von [P.] gedeckt. Denn nach Ziff. 8 der AGB v. 28.09.2007 hat „der Nutzer (…) am Bild selbst oder am Seitenende [P.] und den Urheber mit seinem beim Upload des Bildes genannten Fotografennamen bei [P.] in folgender Form zu nennen.“ Weder am Bild auf der Website (der russischen Unterseite der Beklagten) noch am Seitenende war der Kläger als Urheber benannt.

Der Umstand, dass es vorliegend an einer Einbettung des Lichtbildes in eine Website, wie dies Anlass der abgegebenen Unterlassungserklärung war, fehlt, führt aber nicht von vornherein zu der Annahme, dass die beanstandete Handlung nicht von der Unterlassungsverpflichtung umfasst ist. Denn eine Unterlassungsvereinbarung ist darüber hinaus dahin auszulegen, dass ein Schuldner nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störzustandes schuldet (vgl. BGH Urt. v. 18.09.2014 – I ZR 76/13 Juris Rn. 67– CT-Paradies). Besteht die Verletzungshandlung in dem urheberrechtswidrigen öffentlichen Zugänglichmachen eines Lichtbildes ohne Urheberbenennung, kann aus der Unterlassungsverpflichtung auch verlangt werden, dass der Schuldner durch geeignete Maßnahmen sicherstellt, dass ein zuvor in das Internet eingestelltes Lichtbild vor dem Zugriff Dritter geschützt wird, nicht mehr öffentlich zugänglich ist (Senat Urt. v. 03.12.2012, aaO Juris Rn. 29; KG Urt. v. 29.07.2019 aaO Juris Rn. 21; insoweit auch OLG Frankfurt Urt. v. 16.06.2020 aaO Juris Rn. 29). Die Beklagte war daher aufgrund ihrer vertraglichen Verpflichtung dazu angehalten, alles dafür zu tun, dass das Lichtbild zukünftig nicht ohne Urhebernennung öffentlich zugänglich wird. Die vertragliche Handlungspflicht zum Schutz vor einem Zugriff Dritter im Internet auf das konkrete Lichtbild geht damit gegebenenfalls weiter als die allgemeinen gesetzlichen (Unterlassungs-)Pflichten. Deshalb genügt es zur Erfüllung dieser Handlungspflicht nicht, das Lichtbild von der Website zu entfernen, es aber ohne selbst ergriffene technische Maßnahmen zur Verhinderung des Auffindens weiterhin im Internet ohne Urheberbenennung unter ihrer Domainadresse abzuspeichern. Denn es besteht aufgrund der vorangegangenen Nutzung des Lichtbildes auf ihrer Website die nicht nur abstrakte Möglichkeit, dass Dritte nach dem Lichtbild suchen, und dieses im Internet auf ihrer Seite auch ohne Verlinkung auf einer URL der Beklagten auffinden. Dass die Beklagte technische Maßnahmen ergriffen habe, damit dies nicht möglich ist, hat sie nicht behauptet.

(4) Ob die Annahme des Landgerichts zutrifft, dass der Unterlassungsvertrag für sich genommen dahin ausgelegt werden kann, dass mit ihm eine in den [P.]-Nutzungsbedingungen nicht vorgesehen Vertragsstrafe vereinbart ist, im Übrigen aber die Nutzungsbedingungen weiterhin gelten, ist zweifelhaft. Denn nach Ziff. 5 Abs. 1 der Nutzungsbedingungen ist die Nutzung nur „für die zulässigen Nutzungen in Übereinstimmung mit den jeweiligen Lizenzen (…)“ eingeräumt. An einer vorangegangenen zulässigen Nutzung durch die Beklagte hat es aber wegen der Wiedergabe des Lichtbildes auf ihrer Homepage ohne Urheberbenennung unter Verstoß gegen Ziff. 8 der Nutzungsbedingungen unzweifelhaft gefehlt.

Jedenfalls aber kommt diese Auslegung im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, da die Beklagte sich wegen eines vorangegangenen Verstoßes dem Kläger gegenüber bereits mit Schreiben v. 08.10.2014 verpflichtet hatte, es „zukünftig zu unterlassen, die Fotografie „[...]“ Ihres Mandanten oder Teile dieser Fotografie zu veröffentlichen, zu vervielfältigen, öffentlich zugänglich zu machen, zu bearbeiten oder umzugestalten“ (LGU S. 4, Klageschrift AS I 4) und die Beklagte schon deshalb – unabhängig von der Urheberbenennung – zu Nutzungshandlungen nicht berechtigt war.

Die Beklagte macht in diesem Zusammenhang außerdem ohne Erfolg geltend, dass die mit den nach dem Verstoß eingeführten Nutzungsbedingungen einhergehende Einschränkung der Pflicht zur Urheberbenennung (es bedarf bei der isolierten Darstellung des Bildes durch direkten Aufruf der Bild-URL keiner Urheberbenennung) bereits in die früheren Nutzungsbedingungen hinein zu lesen sei. Denn in jedem Fall hat sich die Beklagte abweichend von den Nutzungsbedingungen und über diese hinausgehend mit ihrer Unterlassungserklärung verpflichtet, es zu unterlassen, das genannte Lichtbild öffentlich zugänglich zu machen, ohne hierbei den Unterlassungsgläubiger namentlich als Urheber anzugeben.

(5) Und schließlich macht die Beklagte noch geltend, die nach den Nutzungsbedingungen der [P.] vereinbarte Verpflichtung könne nicht der Kläger als Dritter gegen sie geltend machen, da die schuldrechtliche Verpflichtung nur [P.] gegenüber bestehe. Die Beklagte verkennt, dass der Kläger keinen Anspruch aus den Nutzungsbedingungen, sondern aus dem von ihr ihm gegenüber abgegebenen Vertragsstrafeversprechen geltend macht.

(6) Soweit die Beklagte einwendet, sie habe sich nur demjenigen gegenüber verpflichten wollen, der wirklich ihr gegenüber Urheberrechte geltend machen könne und sie bestreite, dass der Kläger Urheber des Bildes „[...]“ sei, geht dies fehl. Die Tatsachen, die zur rechtlichen Wertung führen, dass der Kläger Urheber des Lichtbildes ist, hat das Landgericht als unstreitig festgestellt (LGU S. 3, 2. Abs.). Ein Tatbestandsberichtigungsantrag ist nicht gestellt worden, Gründe für Zweifel an der Feststellung i.S. des § 529 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO) sind nicht aufgezeigt. Im Weiteren handelt es sich allenfalls um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Der Kläger macht außerdem vorliegend gegen die Beklagte auch keine (gesetzlichen) Ansprüche als Urheber, sondern Ansprüche als Vertragspartner der Beklagten geltend.

b) Die Vertragsstrafe ist nach den obigen Darlegungen verwirkt (§ 339 S. 2 BGB). Die Beklagte handelte auch schuldhaft, sie handelte zumindest fahrlässig. Fahrlässig handelt, wer das Maß der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt außer Acht lässt. Die positive Kenntnis der Beklagten bzw. ihrer Organe von dem Verbleib des Lichtbildes unter der vorne festgestellten URL steht außer Zweifel. Das Handeln von Erfüllungsgehilfen muss sie sich zurechnen lassen (§ 278 BGB). Bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte die Beklagte auch erkannt, dass der Verbleib des Lichtbildes im Internet ohne Benennung des Urhebers unter ihrer Domainadresse gegen die mit dem Unterlassungsversprechen selbst eingegangene vertragliche Verpflichtung verstößt.

Nachdem die Vertragsstrafe verwirkt ist, besteht der Zahlungsanspruch in der mit der Klage geltend gemachten Mindesthöhe der versprochenen Strafe (5.100 EUR). Darüber hinaus besteht auch der Zahlungsanspruch auf Erstattung der notwendigen Kosten für die Dokumentation des Verstoßes als Verfolgungs- und Ermittlungskosten in Höhe von 47,60 EUR und nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 BGB der geltend gemachte Zinsanspruch. Mit Schreiben vom 22.7.2016 hat die Beklagte die Ansprüche des Klägers ernsthaft und endgültig verweigert.

2. Der Zahlungsanspruch ist nicht verjährt.

Die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB beträgt drei Jahre. Sie beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Der Verstoß gelangte dem Kläger frühestens nach seiner Abmahnung des vorangegangenen Verstoßes mit Schreiben v. 17.3.2016 und spätestens mit der Dokumentation des Verstoßes durch das von ihm beauftragte Unternehmen am 28.5.2016 zur Kenntnis, so dass die Verjährung frühestens mit Ablauf des 31.12.2019 hätte eintreten können. Allerdings hemmt nach § 204 Nr. 1 BGB die Erhebung der Klage die Verjährung. Zwar ging die Klage bei Gericht am 13.12.2019 ein, nach § 253 Abs. 1 ZPO erfolgt die Erhebung der Klage aber (erst) durch die Zustellung der Klageschrift. Die Zustellung ist im Streitfall am 03.03.2020 erfolgt (PZU AS I AS 61). Nach § 167 ZPO wirkt aber die Zustellung auf den Eingang des Antrags (im Streitfall also auf den 13.12.2019) zurück, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Ist die Zustellung also demnächst erfolgt, hat sie die mit Ablauf des 31.12.2019 eintretende Verjährung wirksam gehemmt. Die Parteien streiten darüber, ob die Zustellung am 03.03.2020 noch als „demnächst“ i.S. des § 167 ZPO bewertet werden kann. Das Landgericht hat, da es bereits das Bestehen eines Anspruchs verneint hat, in der angegriffenen Entscheidung aus seiner Sicht folgerichtig zur Frage der Verjährung keine Ausführungen gemacht.

Die Rückwirkung der Zustellung nach § 167 ZPO ist wegen des gebotenen Vertrauensschutzes für den Empfänger nur vertretbar, wenn die Zustellung in nicht allzu erheblichem zeitlichem Abstand vom Fristablauf erfolgt (Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 167 Rn. 10). Die Rechtsprechung legt diesem Merkmal neben der zeitlichen Komponente allerdings eine wertende Komponente bei, indem sie darauf abstellt, ob der Zustellungsbetreiber alles ihm zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan hat und der Rückwirkung keine schutzwürdigen Belange des Gegners entgegenstehen (BGH NJW 1999, 3125). Denn die gerechte Abwägung der beteiligten Interessen ist auch davon abhängig, wer für die Dauer des Zustellungsverfahrens verantwortlich ist. Verzögerungen durch gerichtliche Sachbehandlung sind einem Kläger nicht anzulasten. Deshalb steht der Beurteilung der Zustellung als „demnächst“, nicht der Umstand entgegen, dass der Kläger die Klage beim örtlich unzuständigen Landgericht erhoben hat. Denn auch mit der Klage vor dem unzuständigen Gericht hätte der Kläger die Zustellung der Klage erreichen können. Dies ist nicht nur durch die Einreichung der Klage bei dem zuständigen, sondern auch durch die Einreichung der Klage bei einem örtlich oder sachlich unzuständigen Gericht möglich. Denn ein örtlich oder sachlich unzuständiges Gericht muss die Sache nicht sofort an das zuständige Gericht verweisen und so die rechtzeitige Zustellung ermöglichen, sondern kann auch zunächst selbst die Zustellung der Klage verfügen (vgl. BGH MDR 2014, 47 Juris Rn26 [zur Wahrung einer Ausschlussfrist nach Art. 237 § 2 Abs. 2 EGGBG]). Daher kann es nicht dem Kläger angelastet werden, dass das unzuständige Landgericht weder den Gebührenvorschuss erhoben (vergl. Vermerk vom 8.1.2029, AS I 43) noch die Zustellung der Klageschrift veranlasst hat. Mit Beschluss vom 14.1.2020 ist das Verfahren an das zuständige Gericht verwiesen worden. Die Vorschussanforderung folgte mit Verfügung der Kostenbeamtin des zuständigen Gerichts mit Verfügung vom 24.1.2020 (AS I 53). Unstreitig hat der Kläger mit dem in Anlage K 12 (AS I 73) vorgelegten Überweisungsauftrag vom 24.1.2020 seiner Bank eine Anweisung zur Zahlung des Kostenvorschusses erteilt. Dass die Beklagte die Richtigkeit einer (darin liegenden) Behauptung der Ausführung des Überweisungsauftrages hat dahingestellt sein lassen, steht dem nicht entgegen. Angesichts des erteilten Überweisungsauftrages kann dem Kläger ein Zuwarten mit einer Sachstandsanfrage an das Gericht bis zum 10.2.2020 nicht als zögerlich vorgeworfen werden. Auch im Weiteren liegt kein zögerliches Handeln des Klägers vor: Auf seine Sachstandsanfrage war ihm mit Verfügung vom 13.2.2020 (AS I 56) durch den Vorsitzenden mitgeteilt worden, dass der Kostenvorschuss zwar angefordert, bislang aber nicht eingegangen und die Klage daher nach § 12 GKG nicht zugestellt worden sei. Das Schreiben des Vorsitzenden ist am 19.2.2020 vom Landgericht abgegangen. Daraufhin ist der Eingang des Kostenvorschusses bereits am 25.2.2020 und somit fünf Tage nach Abgang der Verfügung vom 13.2.2020 verbucht worden (vgl. Zahlungsanzeige in der Vorakte). Bei wertender Betrachtung ist bei diesen Umständen davon auszugehen, dass nicht der Kläger als Zustellungsbetreiber die Verzögerung der Zustellung herbeigeführt hat. Die Erhebung der Klage vor dem örtlich unzuständigen Gericht steht der Annahme einer Zustellung demnächst nicht entgegen, die Sachstandsanfrage ist zeitnah erfolgt und nach Mitteilung des fehlenden Eingangs des Kostenvorschusses ist dieser unmittelbar bezahlt worden. Der Zeitablauf begründet auch keine entgegenstehenden schützenswerten Interessen der Beklagten. Unter Berücksichtigung dieser Umstände, ist die Zustellung der Klage als „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO erfolgt zu bewerten und hat die Erhebung der Klage den Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt. Der Zahlungsanspruch des Klägers ist daher nicht verjährt."


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LG Hamburg: Kündigung per Brief muss auch bei online geschlossenen Verträgen möglich sein - Anderslautende AGB-Klausel unwirksam

LG Hamburg
Urteil vom 29.04.2021
312 O 94/20


Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine Kündigung per Brief auch bei online geschlossenen Verträgen möglich sein muss. Eine anderslautende AGB-Klausel, die nur elektronische Kommunikation zulässt, ist unwirksam.

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OLG Schleswig-Holstein: Verstoß gegen DSGVO wenn Schufa Daten eines Insolvenzschuldners länger verwertet als sie im Insolvenzbekanntmachungsportal veröffentlicht werden dürfen

OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom 02.07.2021
17 U 15/21


Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass ein Verstoß gegen die DSGVO vorliegt, wenn die Schufa Daten eines Insolvenzschuldners länger verwertet, als sie im Insolvenzbekanntmachungsportal nach der InsoBekVO veröffentlicht werden dürfen

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Die Schufa darf Daten eines Insolvenzschuldners nicht länger verwerten als sie im "Insolvenzbekanntmachungsportal" veröffentlicht sein dürfen

Ein Insolvenzschuldner hat einen Löschungsanspruch gegen die Schufa Holding AG, wenn sie diese Daten aus dem Insolvenzbekanntmachungsportal ohne gesetzliche Grundlage länger speichert und verarbeitet als in der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet (InsoBekVO) vorgesehen. Das hat der 17. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts am vergangenen Freitag entschieden.

Zum Sachverhalt: Über das Vermögen des Klägers wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und schließlich wurde ihm am 11. September 2019 durch das Amtsgericht die Restschuldbefreiung erteilt. Diese Information wurde im amtlichen Internetportal veröffentlicht. Die Schufa kopierte die Daten von dort und pflegte sie in ihren Datenbestand ein, um Vertragspartnern diese Daten bei Auskunftsanfragen zum Kläger mitzuteilen. Der Kläger begehrte die Löschung der Daten von der Schufa, da die Verarbeitung zu erheblichen wirtschaftlichen und finanziellen Nachteilen bei ihm führe. Eine uneingeschränkte Teilhabe am Wirtschaftsleben sei ihm nicht möglich. Er könne aufgrund des Eintrags kein Darlehen aufnehmen, keinen Mietkauf tätigen und keine Wohnung anmieten. Derzeit könne er nicht einmal ein Bankkonto eröffnen. Die Schufa wies die Ansprüche des Klägers zurück und verwies darauf, dass sie die Daten entsprechend der Verhaltensregeln des Verbandes "Die Wirtschaftsauskunfteien e.V." erst drei Jahre nach Speicherung lösche. Die Daten seien bonitätsrelevante Informationen und daher für die Vertragspartner der Schufa von berechtigtem Interesse. Das Landgericht Kiel hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers vor dem 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hatte Erfolg.

Aus den Gründen: Der Kläger kann von der Schufa die Löschung der Daten sechs Monate nach Rechtskraft der Entscheidung des Amtsgerichts über die Restschuldbefreiung verlangen. Nach Ablauf dieser Frist steht die weitere Verarbeitung durch die Schufa im Widerspruch zu § 3 Abs. 2 InsoBekVO und ist daher nicht mehr rechtmäßig im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f) Datenschutz-Grundverordnung. Werden die Daten des Klägers unrechtmäßig verarbeitet, kann er die Löschung dieser Information nach Art. 17 Abs. 1 lit. d) Datenschutz-Grundverordnung von der Schufa verlangen und hat einen Anspruch auf künftige Unterlassung dieser Datenverarbeitung.

Die Schufa kann sich nicht darauf berufen, dass die Datenverarbeitung rechtmäßig sei, da sie ihren oder den berechtigten Interessen von Dritten diene. Ein Interesse kann nur dann berechtigt sein, wenn es nicht im Widerspruch zur Rechtsordnung oder den Grundsätzen von Treu und Glauben steht. Die Verarbeitung durch die Schufa steht aber nach Ablauf der gesetzlichen Löschungsfrist im Widerspruch zur gesetzlichen Wertung von § 3 Abs. 2 InsoBekVO, wonach die Information zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung nur sechs Monate im Internetportal zu veröffentlichen ist. Die Verarbeitung und Weitergabe dieser Information an eine breite Öffentlichkeit durch die Beklagte kommt einer Veröffentlichung im Internet gleich und ist daher nach Ablauf der gesetzlichen Löschungsfrist zu unterlassen.

Die Schufa kann sich nicht auf die Verhaltensregeln des Verbandes der Wirtschaftsauskunfteien berufen. Diese Verhaltensregeln entfalten keine Rechtswirkung zulasten des Klägers und stehen im Widerspruch zur gesetzlichen Wertung.

(Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 2. Juli 2021, Az. 17 U 15/21, Revision ist zugelassen)



LG Köln: Kein Anspruch auf Abmahnkosten aus § 97a Abs. 3 UrhG bei Bilderklau wenn Abmahnung keine Wiedergabe des gerügten Bilds bzw. Konkretisierung enthält

LG Köln
Urteil vom 20.05.2021
14 O 167/20


Das LG Köln hat entschieden, dass kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten aus § 97a Abs. 3 UrhG bei Bilderklau im Internet besteht, wenn die Abmahnung entgegen § 97a Abs. 2 UrhG keine Wiedergabe des gerügten Bilds bzw. Konkretisierung enthält

Aus den Entscheidungsgründen:

"Dem Beklagten steht weder ein Anspruch auf (nicht im Wege der Widerklage geltend gemachten) Schadensersatz in Höhe von 2.415,92 € (22.015,92 € abzüglich 19.600,- €) noch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.564,26 € zu. Außerdem hat der Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 1.564,26 € zzgl. Verzugszinsen seit dem 03.06.2020 aus § 97a Abs. 4 UrhG, §§ 286, 288 BGB.

a) Aus den obigen Erwägungen zur Widerklage ergibt sich spiegelbildlich, dass der Beklagte keinen über 1.113,05 € hinaus gehenden Schadensersatzanspruch gegen den Kläger hat. Der Klageantrag zu 1. ist folglich begründet. Dabei war der Klageantrag nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung dahingehend zu korrigieren, dass die Feststellung nur den tenorieren Betrag von 2.415,92 € betrifft.

b) Der Antrag zu 2. der Klage ist ebenfalls begründet, weil der Beklagte gegen den Kläger keinen Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten aus § 97a Abs. 3 UrhG hat, weil die Abmahnung nicht den Anforderungen aus § 97a Abs. 2 UrhG entspricht. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Abmahnung keine Ablichtung oder sonstige eindeutige Konkretisierung des streitgegenständlichen Lichtbilds enthielt und somit die Rechtsverletzung nicht genau bezeichnet war im Sinne von § 97a Abs. 2 Nr. 2 UrhG. Dies genügt bereits, um die Abmahnung unwirksam zu machen. Auf die anderen Einwände des Klägers gegen die Abmahnung kommt es nicht weiter an, sodass weitere Ausführungen entbehrlich sind.

c) Aus den vorstehenden Erwägungen ist auch der Antrag zu 3. der Klage dem Grunde nach begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 97a Abs. 4 UrhG. Mit Blick auf die Höhe hat der Kläger seine erforderlichen Aufwendungen spiegelbildlich zur Höhe der Abmahnkosten berechnet. Dabei hat er einen Gegenstandswert i.H.v. 29.576,18 € und eine 1,5 Geschäftsgebühr angesetzt und einen Betrag von 1.584,26 € berechnet. Mit Ausnahme der fehlerhaften Berechnung der Gebühr begegnet dies im Ergebnis angesichts der Berühmung von Ansprüchen des Beklagten keinen Bedenken. Der Gegenstandswert errechnet sich zwar aus der Höhe der in der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche und zwar Schadensersatz in Höhe von 19.600,- €, dem Unterlassungsanspruch zu 6.000,- € sowie der eigenen Forderung in Höhe von 1.584,26 €, mithin 27.184,26 € (in der Abmahnung geltend gemachte Zinsen in Höhe von 2.415,92 € bleiben als Nebenforderung außer Betracht). Da mit dieser leicht überhöhten Angabe des Gegenstandswerts jedoch kein Gebührensprung verbunden ist, bleibt sie im Ergebnis ohne Folge. Der Ansatz einer 1,5 Geschäftsgebühr ist berechtigt. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nach Anmerkung zu Nr. 2400 VV RVG nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig ist. Eine höher festgesetzte Gebühr ist voll durch die Gerichte überprüfbar. In der Literatur wird vertreten, dass im Regelfall bei urheberrechtlichen Angelegenheiten von einem hohen Schwierigkeitsgrad auszugehen sei. Es handelt sich um eine Spezialmaterie, die eine umfassende Einarbeitung eines nicht darauf spezialisierten Anwalts erfordert (Fromm/Nordemann, UrhG § 97a Rn. 41). Ob jede urheberrechtliche Angelegenheit einen hohen Schwierigkeitsgrad hat, lässt die Kammer ausdrücklich offen. Im vorliegenden Fall der Abwehr einer sehr hohen Schadensersatzforderung in einem Fall mit beiderseitigem Auslandsbezug ist dieser hohe Schwierigkeitsgrad jedoch anzunehmen und der Ansatz einer 1,5 Geschäftsgebühr angemessen. Jedoch beläuft sich eine 1,5 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300, 1008 VV RVG auf 1.294,50 € (nicht wie vom Klägerbevollmächtigten in seinem vorgerichtlichen Schreiben errechnet: 1564,26 €). Zuzüglich der Auslagen nach Nr. 7001 und 7002 VV RVG von 20,- € errechnen sich damit Nettogebühren von 1.314,50 €. Der Kläger forderte dabei in seinem Schreiben nur den Nettobetrag. Umsatzsteuer dürfte wegen § 3a Abs. 2 UStG auch nicht anfallen, sodass der Kläger nur den Nettobetrag ersetzt verlangen kann. Dass der Kläger Umsatzsteuer in Deutschland oder der Schweiz gezahlt hat und deshalb auch insoweit Ersatz verlangen kann, hat er nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.

d) Aus dem vorgenannten Betrag kann der Kläger Verzugszinsen gem. § 288 Abs. 1 BGB seit dem 03.06.2020 fordern, weil der Beklagte durch E-Mail seines Rechtsanwalts vom 02.06.2020 die Zahlung von Aufwendungsersatz eindeutig abgelehnt hat (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB).


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OLG Celle: Rechtsmissbrauch nach § 8c UWG liegt nicht automatisch vor wenn Abmahnung entgegen § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG einen überhöhten Streitwert annimmt

OLG Celle
Beschluss vom 31.05.2021
13 U 23/21


Das OLG Celle hat entschieden, dass Rechtsmissbrauch nach § 8c UWG nicht automatisch vorliegt, wenn der Abmahner in der Abmahnung entgegen § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG einen überhöhten Streitwert zur Berechnung der Abmahnkosten ansetzt. Vielmehr ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände erforderlich.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist nicht gemäß § 8c UWG wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig.

In dem neuen § 8c Absatz 2 UWG sollten die Fallgruppen der missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen weiter konkretisiert und für die Praxis besser handhabbar gemacht werden (BT-Drucksache 19/22238, S. 17). Mit der Formulierung des Einleitungssatzes „ist im Zweifel anzunehmen“ wird klargestellt, dass eine umfassende Würdigung der Gesamtumstände erforderlich ist. Die Erfüllung einer der genannten Konstellationen kommt lediglich eine Indizwirkung für einen Missbrauch zu. Der Abmahnende kann diese Indizien erschüttern (aaO).

Danach ist im Streitfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände nicht von einem Rechtsmissbrauch auszugehen. Zwar hält auch der Senat den bei der Abmahnung in Ansatz gebrachten Gegenstandswert von 82.500 € (11 Verstöße à 7.500 €) für übersetzt. Der Verfügungskläger hat jedoch nachvollziehbar dargetan, welche Überlegungen sein Prozessbevollmächtigter bei der Bemessung des Streitwerts angestellt hat (Bl. 7 f. d.A). Dabei ist der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers zutreffend davon ausgegangen, dass die einzelnen Werbeangaben jeweils gesonderte Unterlassungsansprüche begründen können und daher grundsätzlich eine Wertaddition vorgenommen werden kann. Zwar könnte es sich teilweise um kerngleiche Verstöße handeln, was bei der Bemessung des Gesamtwerts zu berücksichtigen wäre. Diese Frage ist jedoch nicht einfach zu beantworten, weil sich die Aussagen - soweit sie gleichgerichtet sind - auf unterschiedliche Bestandteile („Komponenten“) des Eiweiß-Produkts beziehen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass für die Bemessung der Gegenstandswerte von lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsansprüchen keine feststehenden Kriterien existieren und auch in der Rechtsprechung im Einzelfall ganz erhebliche Unterschiede zu verzeichnen sind, genügen die vorliegenden Umstände jedenfalls nicht für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs. Dabei ist zu berücksichtigen, dass - unstreitig - der Verfügungsbeklagte in einer Abmahnung des Verfügungsklägers für einen einzigen Health Claim bereits einen Wert von 20.000 € zugrunde gelegt hat (Bl. 7, 43 d.A).

Es ist auch nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen, dass der Verfügungskläger ein weiteres Verfügungsverfahren gegen ein mit dem Verfügungsbeklagten wirtschaftlich verbundenes Unternehmen, die … Service GmbH, - ebenfalls wegen Werbeangaben für das Produkt „…“ - betreibt (vgl. Abmahnung vom 3. Februar 2021, Bl. 15 ff. d.A). Es handelt sich um einen anderen Internetauftritt eines anderen Unternehmens. Der Verfügungskläger hat zudem dargetan, dass er diesen Verstoß erst am 3. Februar 2021 - nach der Antwort des Verfügungsbeklagten auf dessen Abmahnung - festgestellt hat. Der Verfügungskläger war nicht gehalten, die Unterlassungsansprüche gegen ein anderes Unternehmen - im Wege einer subjektiven Antragserweiterung - noch in dem vorliegenden Verfahren geltend zu machen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein solches Vorgehen unter Berücksichtigung der Ladungsfristen die Gefahr von Verzögerungen mit sich gebracht hätte und sich in dem vorliegenden Verfahren der Streitwert entsprechend erhöht hätte (lediglich abgemildert durch die Gebührendegression).

2. Die Parteien sind auch Mitbewerber gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG in Bezug auf die mit der streitgegenständlichen Werbung angebotenen Produkte.

Die Eigenschaft als Mitbewerber gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG erfordert ein konkretes Wettbewerbsverhältnis i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Das ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (BGH GRUR 2019, 970 Rn. 23, mwN).

Hiervon ist im Streitfall auszugehen. Die Verfügungsbeklagte hat nicht in Abrede genommen, dass die Verfügungsklägerin gleichartige Nahrungsergänzungsmittel- Eiweißpulver bzw. L-Carnitin - anbietet. Die Angebote richten sich auch jeweils an die gleichen Endverbraucherkreise, nämlich Personen, die - insbesondere bei sportlicher Betätigung - den Muskelaufbau fördern und Trainingseffekte verstärken wollen. Dem steht es nicht entgegen, dass der Verfügungsbeklagte eine Internet-apotheke betreibt. Die angesprochenen Verbraucher wissen, dass Apotheken in großem Umfang nicht nur Arzneimittel, sondern auch eine Vielzahl anderer Produkte, insbesondere aus dem Bereich der Nahrungsergänzungsmittel anbieten. Verbraucher, die im Zusammenhang mit einer sportlichen Betätigung Nahrungsergänzungsmittel einnehmen wollen, werden daher auch das Angebot einer Internetapotheke in Betracht ziehen. Hierauf zielt die Werbung des Verfügungsbeklagten auch ersichtlich ab. Er spricht mit der Werbung gezielt Sportler an, die ihre Trainingsleistung fördern bzw. mit „eiweiß power“ ihre Muskeln regenerieren und aufbauen und Muskelkater reduzieren wollen. Die in dem Urteil des Senats vom9. Juli 2019 – 13 U 31/19 – an dem Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses geäußerten Zweifel stehen dieser Beurteilung nicht entgegen; dieses Verfahren betraf einen anderen Sachverhalt, bei dem das Produkt vom Beklagten nicht für den Sportbereich, sondern als „idealer Begleiter im Alltag und Unterstützer bei zu einseitiger, eiweißarmer Ernährung“ beworben wurde. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Verfügungskläger die Nahrungsergänzungsmittel ausschließlich an bestimmte „Kraftsportler“ verkauft, die einen Einkauf dieser Produkte in einer Internetapotheke nicht in Betracht ziehen würden.

3. Das Landgericht hat auch zu Recht sämtliche Werbeaussagen - auch die Angabe „zur Förderung der Trainingsleistung“ - als gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 10 HCVO (Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) angesehen.

Gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO ist „gesundheitsbezogene Angabe“ jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmitteloder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht.

Dies ist auch in Bezug auf die Angabe „zur Förderung der Trainingsleistung“ der Fall; diese suggeriert im maßgeblichen Kontext der konkreten Verletzungsform, dass das Mittel die positive gesundheitliche Wirkung von Sport-Training verstärkt. Zwar handelt es sich lediglich um eine nicht-spezifische gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 10 Abs. 3 HCVO. Diese ist jedoch gemäß Art. 10 Abs. 3 HCVO unzulässig, weil ihr keine nach Art. 10 Abs. 1 HCVO zulässige spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist."


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