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BGH: Bundesnetzagentur darf Öffentlichkeit per Pressemitteilung über Verfahren gegen Energielieferanten und rechtliche Einschätzung informieren

BGH
Beschluss vom 17.06.2025
EnVR 10/24


Der BGH hat entschieden, dass die Bundesnetzagentur die Öffentlichkeit per Pressemitteilung über Verfahren gegen Energielieferanten und die rechtliche Einschätzung informieren darf.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit einer Pressemitteilung der Bundesnetzagentur

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass die Bundesnetzagentur die Öffentlichkeit darüber informieren durfte, sie habe der betroffenen Energielieferantin diese Tätigkeit zum Schutz der Haushaltskunden untersagt. Die Pressemitteilung durfte auch den Hinweis enthalten, die Betroffene halte nach Auffassung der Bundesnetzagentur die gesetzlichen Regeln nicht ein, die einer sicheren und verbraucherfreundlichen Energieversorgung dienen.

Sachverhalt:

Die Betroffene war in der Vergangenheit als Gaslieferantin tätig. Ende 2021 erklärte sie gegenüber etwa 370.000 Kunden die sofortige Kündigung der bestehenden Gaslieferverträge und zeigte gegenüber der Bundesnetzagentur die Beendigung ihrer Tätigkeit als Energielieferantin von Haushaltskunden an. Das von einer personenidentischen Geschäftsführung geleitete und als Stromlieferantin tätige Schwesterunternehmen der Betroffenen sprach ebenfalls Kündigungen der bestehenden Stromlieferverträge gegenüber Haushaltskunden aus. Insgesamt erfolgten seinerzeit etwa 1,2 Millionen solcher Kündigungen, was erhebliche Folgen für die betroffenen Kunden und die für diese zuständigen Grundversorger hatte. Die Geschehnisse waren auch Anlass für eine kritische Berichterstattung in der Presse.

Im März 2023 zeigte die Betroffene die (Wieder-)Aufnahme ihrer Tätigkeit an. Die Bundesnetzagentur leitete im April 2023 ein Verfahren zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit ein und informierte hierüber die Öffentlichkeit unter namentlicher Nennung der Betroffenen. Mit Beschluss vom 29. Juni 2023 untersagte die Bundesnetzagentur der Betroffenen, die Tätigkeit als Energielieferantin von Haushaltskunden auszuüben. Am 7. Juli 2023 informierte die Bundesnetzagentur die Öffentlichkeit mit einer Pressemitteilung - erneut unter Nennung der Betroffenen - über den Ausgang des Verfahrens. Der Aufforderung der Betroffenen, die Pressemitteilung von ihrer Internetseite zu entfernen, kam die Bundesnetzagentur nicht nach. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat das Beschwerdegericht den Untersagungsbeschluss der Bundesnetzagentur vom 29. Juni 2023 mit Beschluss vom 27. November 2023 aufgehoben. Das Beschwerdegericht hielt die Untersagung zum Untersagungszeitpunkt allerdings weiterhin materiell für gerechtfertigt. Zwischenzeitlich hat die Bundesnetzagentur der Betroffenen die Tätigkeit als Energielieferantin von Haushaltskunden unter Auflagen wieder gestattet.

Bisheriger Prozessverlauf:

Mit ihrer Beschwerde hat die Betroffene unter anderem begehrt, der Bundesnetzagentur bei Meidung eines Ordnungsgelds zu untersagen, in Bezug auf die Betroffene identifizierend zu berichten, dass die Bundesnetzagentur ihr die Tätigkeit als Energielieferantin von Haushaltskunden untersagt habe. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Betroffene ihr Begehren weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Der Betroffenen steht gegen die Bundesnetzagentur kein Anspruch auf Unterlassung der in der Pressemitteilung vom 7. Juli 2023 enthaltenen Aussagen zu. Die Bundesnetzagentur durfte die Veröffentlichung auf der Grundlage von § 74 Satz 2 EnWG aF vornehmen. Die Regelung soll nach ihrem Sinn und Zweck die Transparenz behördlichen Handelns erhöhen und eine frühzeitige Information der Öffentlichkeit ermöglichen. Sie ermächtigt deshalb grundsätzlich auch zur Veröffentlichung einer ergangenen, aber noch nicht bestandskräftigen Untersagungsverfügung unter Nennung des betroffenen Unternehmens durch eine Pressemitteilung. Ob und in welcher Weise die Veröffentlichung im Einzelfall erfolgt, steht im Ermessen der Bundesnetzagentur. Von diesem Ermessen hat die Bundesnetzagentur rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Sie durfte unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dem öffentlichen Informationsinteresse den Vorrang gegenüber den Interessen der Betroffenen einräumen.

Vorinstanz:

OLG Düsseldorf - Beschluss vom 29. Mai 2024 - VI-3 Kart 481/23 [V]

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz)

§ 5 Anzeige der Energiebelieferung

(1) Energielieferanten, die Haushaltskunden mit Energie beliefern, müssen nach Maßgabe des Absatzes 2 Satz 1 und 2 die Aufnahme und Beendigung der Tätigkeit sowie Änderungen ihrer Firma bei der Bundesnetzagentur anzeigen; […]

(4) Mit der Anzeige der Aufnahme der Tätigkeit ist das Vorliegen der personellen, technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie der Zuverlässigkeit der Geschäftsleitung darzulegen. Die Bundesnetzagentur ist berechtigt, das Vorliegen der personellen, technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie der Zuverlässigkeit der Geschäftsleitung jederzeit unter Nutzung der behördlichen Aufsichtsrechte nach diesem Gesetz zu überprüfen. […]

(5) Die Regulierungsbehörde kann einem Energielieferanten die Ausübung der Tätigkeit jederzeit ganz oder teilweise untersagen, wenn die personelle, technische oder wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder Zuverlässigkeit nicht gewährleistet ist. […]

§ 74 Veröffentlichung von Verfahrenseinleitungen und Entscheidungen

[in der bis 28. Dezember 2023 geltenden Fassung]:

Die Einleitung von Verfahren nach § 29 Abs. 1 und 2 und Entscheidungen der Regulierungsbehörde auf der Grundlage des Teiles 3 sind auf der Internetseite und im Amtsblatt der Regulierungsbehörde zu veröffentlichen. Im Übrigen können Entscheidungen von der Regulierungsbehörde veröffentlicht werden.

[in der ab 29. Dezember 2023 geltenden Fassung]:

Die Einleitung von Verfahren nach § 29 Absatz 1 und 2 sowie Entscheidungen der Regulierungsbehörde auf der Grundlage des Teils 3 sind auf der Internetseite der Regulierungsbehörde zu veröffentlichen. Entscheidungen der Bundesnetzagentur auf der Grundlage des Teils 3 und des § 65 sind einschließlich der Begründungen auf der Internetseite der Bundesnetzagentur zu veröffentlichen. Im Übrigen können Verfahrenseinleitungen und Entscheidungen sowie deren Begründung von der Regulierungsbehörde veröffentlicht werden. Die Veröffentlichungen nach den Sätzen 1 bis 3 schließen auch die Veröffentlichung der Firmen betroffener Unternehmen mit ein. Satz 2 ist nicht anzuwenden auf Verfahren nach § 65 auf Grund einer Verordnung nach § 111f.



BKartA: 50+1-Regel der DFL mit Nachbesserungen kartellrechtlich zulässig

Das BKartA kommt zu dem vorläufigen Ergebnis, dass die 50+1-Regel der DFL mit Nachbesserungen kartellrechtlich zulässig ist.

Die Pressemitteilung
Bundeskartellamt sieht Nachbesserungsbedarf bei 50+1

Das Bundeskartellamt hat heute den Deutsche Fußball Liga e.V. (DFL) und die im Verfahren beigeladenen Vereine und Investoren über seine vorläufige kartellrechtliche Bewertung der 50+1-Regel und ihrer Anwendungspraxis informiert. Das Amt hat auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum Sportkartellrecht keine grundlegenden Bedenken gegen die 50+1-Regel. Das Ziel der Vereinsprägung und der Mitgliederpartizipation ist geeignet, eine Ausnahme von kartellrechtlichen Verboten zu rechtfertigen. Nach eingehender Untersuchung der Anwendungspraxis der 50+1-Regel ist das Bundeskartellamt aber der Ansicht, dass die DFL konkrete Maßnahmen vornehmen sollte, um zukünftig eine rechtssichere Anwendung der Regel sicherzustellen.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Die DFL muss unseres Erachtens für einheitliche Wettbewerbsbedingungen sorgen und die 50+1-Regel deshalb diskriminierungsfrei und konsequent anwenden. Maßgeblich wird erstens sein, dass die DFL bei allen Vereinen der Bundesliga und 2. Bundesliga gleichermaßen für offenen Zugang zur Mitgliedschaft und damit für die Mitbestimmung der Fans sorgt. Zweitens sollte die DFL sicherstellen, dass die Wertungen der 50+1-Regel auch bei ihren eigenen Abstimmungen beachtet werden. Drittens muss die DFL bei der vorgeschlagenen Änderung der Bestandsschutzregeln für die vormaligen Förderklubs nachbessern, denn die europäische Rechtsprechung legt hier jetzt einen strengen Standard an.“

Das Bundeskartellamt hat den Verfahrensbeteiligten heute entsprechende Empfehlungen sowie eine vorläufige rechtliche Bewertung übersandt. Die DFL und die beigeladenen Vereine und Investoren haben jetzt Gelegenheit dazu Stellung zu nehmen. Das Bundeskartellamt beabsichtigt, die Empfehlungen im Anschluss zu finalisieren und das Verfahren dann einzustellen.

Andreas Mundt: „Wir führen kein Verfahren gegen die DFL, sondern die DFL ist mit dem Anliegen an uns herangetreten, eine fundierte Einschätzung dieser schwierigen sportkartellrechtlichen Fragestellung zu erhalten. Mit unseren Empfehlungen wollen wir das tun, was uns an Hilfestellung für die DFL angesichts der festgestellten Defizite möglich ist. Die Einzelheiten der Umsetzung liegen dann selbstverständlich im Ermessen der DFL und ihrer Gremien. Den dafür nötigen Meinungsbildungsprozessen können und wollen wir nicht vorgreifen.“

Im Anschluss an neuere Rechtsprechung des EuGH zum Sportkartellrecht (Urteile „Super League“, „ISU“ und „Royal Antwerp“ vom Dezember 2023) hatte das Bundeskartellamt deren Auswirkungen auf die Zulässigkeit der 50+1-Regel geprüft. Es war dabei zum vorläufigen Ergebnis gekommen, dass die 50+1-Grundregel keine bezweckte Beschränkung des Wettbewerbs darstellt und das Ziel der Vereinsprägung grundsätzlich geeignet ist, eine Ausnahme vom Kartellrecht zu tragen. Aufgrund der strengen Anforderungen des EuGH an die konsistente und einheitliche Anwendung solcher Ausnahmen war allerdings die Lizenzierungspraxis der DFL näher zu betrachten (vgl. Bundeskartellamt, Pressemitteilung vom 29. Mai 2024).

Vereinsprägung und Mitgliederpartizipation

Die Ermittlungen hierzu haben nach vorläufiger Bewertung ergeben, dass die DFL in ihrer Lizenzierungspraxis nicht ausreichend darauf achtet, dass durchgängig alle Vereine der Bundesliga und 2. Bundesliga ihren Fans die Möglichkeit bieten, als stimmberechtigtes ordentliches Neumitglied aufgenommen zu werden. Nur mit einer stringenten Durchsetzung der Zugänglichkeit der Vereine kann die 50+1-Regel das Ziel der Vereinsprägung erfüllen, das sie vom Kartellrecht ausnehmen kann. Hierfür wird die DFL in Zukunft sorgen müssen, wenn sie eine rechtssichere Anwendung der 50+1-Regel anstrebt.

Abstimmungspraxis

Außerdem ergaben die Ermittlungen, dass die DFL bei der Abstimmung über eine Investorenbeteiligung an ihren Medienerlösen im Dezember 2023 die 50+1-Regel nach aktueller Einschätzung nicht konsequent umgesetzt hat. Die DFL war vorab informiert über eine Weisung des Muttervereins von Hannover 96, wonach der Geschäftsführer, Martin Kind, gegen die Beteiligung stimmen sollte. Zugleich war das Weisungsrecht des Muttervereins gegenüber Herrn Kind für die DFL der ganz zentrale Gesichtspunkt für die Einhaltung der 50+1-Regel bei Hannover 96. Trotzdem hat sie bei der Abstimmung ihrerseits keine Maßnahmen ergriffen, um zu überprüfen, ob Herr Kind tatsächlich weisungsgemäß abstimmte, und hieraus ggf. Konsequenzen zu ziehen. Eine inkonsequente Anwendung der 50+1-Regel in den Gremien der DFL stellt die Ausnahme vom Kartellrecht in Frage, auch hier muss die DFL für die Zukunft nachbessern.

Förderausnahme und Bestandsschutz für „Werksklubs“

Die bereits vorliegenden Vorschläge der DFL zur Streichung der Förderausnahme von der 50+1-Regel (vgl. Pressemitteilung vom 12. Juli 2023) bleiben im Ausgangspunkt geeignet, zur zukünftig rechtssicheren Anwendung der 50+1-Regel beizutragen. Mit der Streichung der Förderausnahme beseitigen sie die aus ihrer Anwendung folgende Ungleichbehandlung. Nach der neuen Rechtsprechung des EugH erscheint es allerdings nicht mehr möglich, zu den bislang vorgeschlagenen Bedingungen einen dauerhaften Bestandsschutz für Vereine vorzusehen, die bereits eine Förderausnahme erhalten haben – nach aktuellem Stand Bayer Leverkusen und der VfL Wolfsburg, die TSG Hoffenheim fällt inzwischen nicht mehr unter die Ausnahme. Vielmehr müssen alle Klubs grundsätzlich homogene Wettbewerbsbedingungen vorfinden. Das bedeutet, dass bei allen Klubs – ob vormaliger „Förderklub“ oder nicht – zumindest perspektivisch sichergestellt werden muss, dass der für Neumitglieder offene Mutterverein die Profiabteilung beherrscht.

Die 50+1-Regel erfüllt aktuell bei der weit überwiegenden Zahl der Klubs der Bundesliga und 2. Bundesliga das Gemeinwohlziel, breiten Bevölkerungsschichten mitbestimmende Partizipationsmöglichkeiten zu verschaffen. Die aus Sicht des Bundeskartellamtes erforderlichen Nachbesserungen können auf verschiedene Art und Weise erfolgen. Sie erfordern eine Diskussion in den Selbstverwaltungsgremien der DFL. Im Hinblick auf ihre wirtschaftliche und sportliche Bedeutung könnte für die Umsetzung auch ein längerer Übergangszeitraum gerechtfertigt sein.



Volltext OLG Köln liegt vor: Urheberrechtsverletzung durch Bildagentur - Schadensersatz für Fotos aus dem Innenraum des Kölner Doms

OLG Köln
Urteil vom 23.05.2025
6 U 61/24


Wir hatten bereits in dem Beitrag OLG Köln: Urheberrechtsverletzung durch Bildagentur - Schadensersatz für Fotos aus dem Innenraum des Kölner Doms über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin berechtigt ist, im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft für Herrn Prof. E. Schadensersatzansprüche geltend zu machen und dass die von ihr insoweit verfolgten Ansprüche dem Grunde nach gemäß §§ 97 Abs. 2, 15, 16, 19 a, 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG bestehen. Allerdings war die Entscheidung des Landgerichts im Hinblick auf die Höhe des insoweit zuerkannten Schadensersatzanspruchs abzuändern.

a) Es ist zunächst mit dem Landgericht davon auszugehen, dass die Klägerin im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft berechtigt ist, für Herrn Prof. E. Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

Dass Herr Prof. E. Urheber des Entwurfs des Fensters ist, ist jedenfalls aufgrund der tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts (vgl. S. 34 des Urteils unter 7 a)) als zwischen den Parteien unstreitig zu behandeln und im Übrigen auch gerichtsbekannt. Ferner ist mit dem Landgericht davon auszugehen, dass dieser Entwurf seine Umsetzung im Richterfenster gefunden hat. Für eine diesbezügliche weitere Tatsachenfeststellung – wie von den Beklagten in Gestalt des Abgleichs des Entwurfs mit dem Fenster gefordert – bestand für das Landgericht und auch für den Senat keinerlei Veranlassung, da die Beklagten die korrekte Umsetzung des Entwurfs durch die am Bau beteiligten Handwerker bzw. Fensterbauer erstinstanzlich ohne weitere Begründung ins Blaue hinein in Abrede gestellt haben und weiterer Vortrag hierzu auch in zweiter Instanz nicht erfolgt ist.

Ferner ist davon auszugehen, dass Herr Prof. E. die Klägerin zur Geltendmachung seiner Schadensersatzansprüche aus § 97 Abs. 2 UrhG ermächtigt hat und die Klägerin berechtigterweise im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft vorgehen kann. Dies ergibt sich aus dem zwischen der Klägerin und Herrn Prof. E. geschlossenen „Vertrag über die Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsrechte“ sowie der dem Vertrag beigefügten Prozessstandschaftserklärung (Anlage K 8). Sofern die Beklagten mit ihrer Berufung gerügt haben, dass diese Vertragsunterlagen nur unvollständig vorgelegt worden seien und daher deren Richtigkeit nicht beurteilt werden könne, hat sich dies durch die Vorlage der Originaldokumente im Termin, in welche der Beklagtenvertreter Einsicht erhalten hat, erledigt. Ist aber aufgrund dieser vorgelegten Vertragsunterlagen davon auszugehen, dass der Klägerin durch Herrn Prof. E. einfache Verwertungsrechte eingeräumt worden sind, insbesondere auch – wie unter Ziffer 2.1 des Vertrages ausgeführt – das Vervielfältigungsrecht (Ziffer 2.1.1) sowie das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung (Ziffer 2.1.5), dann werden durch die Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung der Werke von Herrn Prof. E. durch die Beklagten auch die einfachen Nutzungsrechte der Klägerin berührt. Für diese Fälle ist aber das berechtigte Interesse für den einfachen Lizenznehmer für die Wahrnehmung fremder Rechte im eigenen Namen anerkannt (vgl. Wandtke/Bullinger/v. Wolff/Bullinger, 6. Auflage 2022, UrhG § 97 Rn. 12).

b) Das Landgericht hat die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 97 Abs. 2, 15, 16, 19 a, 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG dem Grunde nach zu Recht als gegeben angesehen. Die Beklagten haben die hier streitgegenständlichen 9 Lichtbilder von dem „H.“ (Ziffer 3. des Tenors des landgerichtlichen Urteils) vervielfältigt und über ihre Datenbank öffentlich zugänglich gemacht.

aa) Dass es sich bei dem „H.“ – wie vom Landgericht angenommen – um ein schutzfähiges Werk im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG handelt, wird von der Berufung bereits – zu Recht – nicht mehr angegriffen.

bb) Die Beklagten können insoweit auch nicht mit dem von ihnen erhobenen Einwand der Erschöpfung durchdringen. Dieser findet beim Vervielfältigungsrecht und dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung bereits keine Anwendung (vgl. Wandtke/Bullinger/Heerma, 6. Auflage, UrhG § 15 Rn. 43; Dreier/Schulze/Raue, 8. Auflage 2025, UrhG § 15 Rn. 18).

cc) Die Zulässigkeit ihrer Handlungen im Hinblick auf die unter Ziffer 3. des landgerichtlichen Urteils eingeblendeten Lichtbildern 7.7 und 7.8 mit der ehemaligen J. B. im Vordergrund lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht damit begründen, dass auf diesen Lichtbildern das „H.“ nicht das Hauptmotiv darstellt, sondern nur im Hintergrund zu sehen ist, und sowohl die Klägerin als auch Frau B. diesen Aufnahmen sowie deren Verwendung zu redaktionellen Zwecken zugestimmt hätten.

Sofern sich die Beklagten insofern auf die Schranke des § 57 UrhG berufen wollen, verfängt dies nicht. Denn das „H.“ stellt hier nicht nur ein unwesentliches Beiwerk dar. Ein Werk ist grundsätzlich nur dann im Sinne des § 57 UrhG unwesentliches Beiwerk, wenn es weggelassen oder ausgetauscht werden kann, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffällt oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstands in irgendeiner Weise beeinflusst wird (BGH GRUR 2015, 667 Rn. 27 – Möbelkatalog). Mit anderen Worten, das Beiwerk darf keine noch so unbedeutende inhaltliche Beziehung zum Hauptgegenstand aufweisen, sondern muss durch seine Zufälligkeit und Beliebigkeit für diesen ohne jede Bedeutung sein bzw. es muss der eigentliche Gegenstand so beherrschend sein, dass das neben ihm erscheinende Beiwerk ohne Beeinträchtigung der Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes und unmerklich ausgetauscht werden könnte (s. OLG München ZUM-RD 2008, 554: T-Shirt auf Titelblatt als unwesentliches Beiwerk). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das betreffende Werk nur zufällig in Erscheinung tritt (Dreier/Schulze/Dreier, 8. Aufl. 2025, UrhG § 57 Rn. 2). Hiervon kann indes vorliegend nicht ausgegangen werden. Denn das „H.“ weist eine bedeutende inhaltliche Beziehung zu dem vorgeblichen Hauptmotiv der ehemaligen J. auf und ist insofern für die Aufnahme von Bedeutung. Dieses wird aufgrund seiner Bekanntheit, auch wenn es wie auf dem Lichtbild 7.7. (Q.) nur ausschnittsweise im Hintergrund zu sehen ist, vom durchschnittlichen Betrachter als solches erkannt werden und kann daher nicht ausgetauscht werden, ohne die Gesamtwirkung des Bildes zu verändern.

Die Rechtswidrigkeit der Handlungen der Beklagten entfällt auch nicht aufgrund einer ihnen insoweit erteilten Gestattung. Diese hätte nur durch Herrn Prof. E. erteilt werden können, was aber auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht erfolgt ist. Unabhängig davon würde aber auch die von den Beklagten angeführte Zustimmung der ehemaligen J. und der Klägerin selbst zur Anfertigung und Verwertung der Lichtbilder die hier erfolgte Nutzung nicht rechtfertigen, da nach dem von den Beklagten in Bezug genommenem Vorbringen des Fotografen Y. nur eine Verwendung zu redaktionellen Zwecken und nicht für die hier streitgegenständliche Einstellung auf der Internetseite der Beklagten zum Zwecke der Weiterlizenzierung gestattet sein sollte.

dd) Im Weiteren bleibt die Rüge der Beklagten, dass für die im Tenor unter Ziffer 3 eingeblendeten Lichtbilder 7.1. und 7.4 nur einmal eine Verurteilung zu Schadensersatz hätte erfolgen dürfen, ohne Erfolg. Denn selbst wenn es sich insoweit - wie von den Beklagten geltend gemacht - tatsächlich um identische Lichtbilder handelt, ist dies vorliegend deshalb unerheblich, da die Beklagten diese zweimal (unter zwei verschiedenen Nummern) öffentlich zugänglich gemacht und damit auch zweimal vervielfältigt haben.

ee) Das Landgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagten die Verletzungshandlungen jedenfalls fahrlässig begangen haben. Der Senat bewertet die Rechtslage insoweit in Übereinstimmung mit dem 19. Zivilsenat in seiner Entscheidung vom 18.02.2022 – 19 U 130/21 – sowie dem 15. Zivilsenat in den von der Klägerin als Anlagen THS B2 und B3 vorgelegten Entscheidungen 15 U 183/22 und 15 U 20/22. Die Beklagten sind aufgrund ihrer aktiven Rolle selbst unmittelbarer Handlungsstörer, da sie - was von ihnen auch nicht in Abrede gestellt wird - sich selbst Verwertungsrechte an den Bildern einräumen lassen und diese dann, nach Kennzeichnung der Bilder mit ihrer eigenen Marke und der Vergabe von einer auf sich bezogenen Nummer, gegen Entgelt an ihre Kunden weiterübertragen, die bei einer gegen Entgelt erlaubten weiteren Veröffentlichung dann weiterhin den Namen der Beklagten angeben müssen. Insofern unterscheidet sich das Verhalten der Beklagten maßgeblich von jemanden, der lediglich fremde Informationen und Inhalte auf seinem eigenen Webserver und den eigenen Seiten einstellt. Ausgehend davon, dass die Beklagten aber selbst Handlungsstörerin ist, ist bereits fraglich, ob ihre Haftung dann überhaupt eine Verletzung von Prüfpflichten voraussetzt (dies ablehnend der 15. Zivilsenat in seinen Entscheidungen 15 U 183/22 (Anlage THS B2) und 15 U 20/22 (Anlage THS B3). Dies kann vorliegend allerdings dahin gestellt bleiben, da hier mit dem 19. Zivilsenat und dem Landgericht auch von einer Verletzung solcher den Beklagten zumutbarer Prüfpflichten auszugehen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit vollumfänglich auf die Ausführungen auf S. 21 ff und S. 35 der angegriffenen Entscheidung verwiesen, gegen welche auch die Berufung der Beklagten nichts Wesentliches vorzubringen vermag. Letztlich läuft die Argumentation der Beklagten – verkürzt – darauf hinaus, dass ihr Geschäftsmodell anders nicht funktionieren könne und sie sich darauf verlassen müsse, dass die Fotografen sich an die von ihnen gegebenen Zusicherungen der Rechtmäßigkeit der Verwertung der Lichtbilder halten werden. Diese Argumentation verfängt jedoch nicht, sondern verkennt gerade die Verantwortlichkeit der Beklagten für das von ihnen betriebene Geschäftsmodell. Wenn es den Beklagten tatsächlich nicht möglich sein sollte, ihren Geschäftsbetrieb in der von ihnen bisher betriebenen Form im Hinblick auf etwaige Rechtsverletzungen zu beherrschen, müssen sie diesen so umstrukturieren, dass ihnen dies möglich ist.

c) Im Hinblick auf die Schadenshöhe sieht der Senat jedoch auch unter Zugrundelegung der von der Klägerin sowie auch vom Landgericht im Rahmen seiner Schätzung gemäß § 287 ZPO herangezogenen Tarife der VG Bild-Kunst nur eine Forderung in Höhe von 9.960,00 Euro als berechtigt an, weshalb die Entscheidung des Landgerichts insoweit abzuändern war. Der Senat ist an die auf § 287 ZPO gründende Entscheidung der Vorinstanz nicht gebunden, sondern kann den Prozessstoff vielmehr auf der Grundlage der nach § 529 ZPO berücksichtigungsfähigen Tatsachen ohne Bindung an die Ermessensausübung des erstinstanzlichen Gerichts selbständig nach allen Richtungen von neuem prüfen und bewerten (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 35. Auflage, § 287 Rn. 8; BGH NJW-RR 2021, 76). Von dieser Möglichkeit der eigenen Ermessensausübung macht der Senat vorliegend Gebrauch.

Die Schadensberechnung hat hier nach den Grundsätzen der sog. Lizenzanalogie zu erfolgen, wie sie auch das Landgericht zutreffend angewendet hat. Hiernach wird der Abschluss eines Lizenzvertrages zu angemessenen Bedingungen fingiert. Als angemessen gilt die Lizenzgebühr, die verständige Vertragspartner vereinbart hätten; das ist der objektive, sachlich angemessene Wert der Rechtsbenutzung, wobei der objektive Nutzungswert von Umständen beeinflusst werden kann, die sich aus den Besonderheiten des jeweiligen Verletzungsfalls ergeben. Dabei ist unerheblich, ob und inwieweit der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung zu zahlen. Bei der Ermittlung des objektiven Werts der Benutzungsberechtigung sind die gesamten relevanten Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen und umfassend zu würdigen. Zugrundezulegen ist der Zeitpunkt des Eingriffs. Eine entgegen der Prognose eintretende tatsächliche Entwicklung zu Lasten des fiktiven Lizenznehmers ist allerdings bei der Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie nicht schadensmindernd zu Lasten des fiktiven Lizenznehmers zu berücksichtigen (vgl. BGH GRUR 1993, 55 – Tchibo/Rolex II; Schricker/Loewenheim/Wimmers, 6. Aufl. 2020, UrhG § 97 Rn. 271).

Grundsätzlich ist bei der Ermittlung der Höhe der fiktiven Lizenzgebühr im Ausgangspunkt zunächst auf die eigene Verwertung des Verletzten abzustellen, mithin – sofern eine solche existiert – seine eigene Lizenzierungspraxis anzuwenden. Fehlen eigene Preislisten bzw. eine eigene Vertragspraxis, ist regelmäßig die Tarifvergütung zugrunde zu legen, die die fiktive Lizenzgeberin bei Einholung ihrer Erlaubnis für derartige Nutzungen berechnet. Lassen sich keine üblichen Honorare ermitteln, ist die angemessene Lizenzgebühr gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung aller Umstände, wie Dauer, Art und Umfang der Verletzungshandlungen, Wert des verletzten Ausschlussrechts, Ruf des Rechtsinhabers und Nähe der Nachbildung, in freier Beweiswürdigung zu schätzen (vgl. Schricker/Loewenheim/Wimmers, 6. Aufl. 2020, UrhG § 97 Rn. 273 ff.).

Nach dem Vortrag der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 02.02.2024 – dort S. 13 -, auf welchen sie in ihrem Schriftsatz vom 25.04.2025 nochmal Bezug genommen hat, orientiert sich die Höhe der von Herrn Prof. E. geforderten Lizenzgebühren grundsätzlich an den Lizenzen der VG Bild-Kunst als unterer Grenze. Da Herr Prof. E. allerdings eine eigene Bilddatenbank unterhält, wäre die Anfrage einer Datenbank wie derjenigen der Beklagten von vornherein abschlägig beschieden worden. Wäre aber eine Lizenzzusage erteilt worden, wären hierfür Gebühren mindestens in Höhe der Tarife der VG Bild–Kunst gefordert worden und zwar – aufgrund des eigengewerblichen Interesses, welches hinter der Anfrage steht – mindestens in Höhe der aktuellen Tarife Ziff. A >Werbliche Nutzung und PR<, welche wie folgt lauten:

Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.

Der Senat erachtet zwar in Übereinstimmung mit der Klägerin und dem Landgericht die Heranziehung der VG Bild-Kunst-Tarife im Rahmen von § 287 ZPO zur Schadensberechnung für angemessen, allerdings nicht unter Anwendung der dort unter Tarife Ziff. A >Werbliche Nutzung und PR<, sondern der unter Ziff. D >Gewerbliche Nutzung von Informationsdiensten/- anbietern, Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen< aufgeführten Tarife. Diese stellen sich wie folgt dar:

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Unerheblich ist zunächst, ob Herr Prof. E. bereit gewesen wäre, überhaupt einen Lizenzvertrag für ein Geschäftsmodell wie dasjenige der Beklagten abzuschließen, da ihrer normativen Zielsetzung entsprechend die – fiktive – Lizenz nicht voraussetzt, dass es bei korrektem Verhalten des Verletzten tatsächlich zum Abschluss eines Lizenzvertrags gekommen wäre (vgl. BGH GRUR 2016, 184 Rn. 41 Tauschbörse II). Auch kann Herr Prof. E. sich nicht – da insoweit die Gesamtumstände in den Blick zu nehmen sind (vgl. BGH, GRUR 2010, 239, 243 Rn. 49 - BTK) - einseitig darauf berufen, nur zum Abschluss eines Lizenzvertrages auf der Grundlage der Gruppe D bereit gewesen zu sein.

Die Tarife der VG Bild-Kunst erfassen – wie auch diejenigen der mfm – nicht ein Geschäftsmodell, wie es die Beklagten betreiben, sondern sind vielmehr auf bestimmte Nutzungsarten beschränkt und lassen sich daher nicht ohne Weiteres auf ein solches übertragen. Gilt aber kein unmittelbar anwendbarer Tarif, so ist von derjenigen Vergütung auszugehen, die nach Art und Umfang der Verwertung am nächsten liegt (vgl. BGH GRUR 1986, 376 – Filmmusik; GRUR 1983, 565, 567 – Tarifüberprüfung II). Demgemäß hat sich die anzusetzende Vergütung vorliegend zur Überzeugung des Senats nicht an der Gruppe A der VG Bild-Kunst-Tarife, sondern denjenigen der Gruppe D der VG Bild-Kunst-Tarife zu orientieren. Die Tarife der Gruppe A erfassen Veröffentlichungen kommerzieller Nutzer zum Zwecke der Bewerbung von Produkten, Leistungen oder Angeboten und zur direkten oder indirekten Verkaufsförderung, und damit eine Nutzungsart, die weder mit dem Geschäftsmodell der Beklagten in Einklang zu bringen ist, noch nach Art und Umfang mit der vorgenommenen Verwertung vergleichbar ist. Zwar bilden die Tarife der Gruppe D das Geschäftsmodell der Beklagten ebenfalls nicht als solches ab, allerdings liegen diese nach Art und Umfang der vorgenommenen Verwertung am nächsten. Insoweit ist zu beachten, dass bei der Bestimmung der Höhe des Lizenzsatzes alle Umstände zu berücksichtigen sind, die auch bei freien Lizenzverhandlungen Einfluss auf die Höhe der Vergütung gehabt hätten (vgl. BGH, GRUR 2006, 143, 146 = NJW-RR 2006, 184, 186 – Catwalk). Hierzu gehören auch die in der Branche üblichen Umsatzerlöse. Ein vernünftiger Lizenznehmer wird regelmäßig kein Lizenzentgelt vereinbaren, das doppelt so hoch ist, wie der zu erwartende Gewinn. Zwar wird sich einem Lizenznehmer auf Grund der Benutzung eines bekannten Kunstwerks - wie hier dem „H.“ - möglicherweise häufig die Chance eröffnen, mit höheren Preisen kalkulieren zu können. Je geringer jedoch die branchenübliche Umsatzrendite und je umkämpfter damit der Markt ist, desto weniger wird es dem Lizenznehmer möglich sein, höhere Preise am Markt durchzusetzen. Die branchenübliche Umsatzrendite hat deshalb Einfluss auf den objektiven Wert der Nutzungsberechtigung. Die wirtschaftliche Bedeutung des geschützten Lizenzrechts wirkt sich auch in den Gewinnaussichten aus, die sich unter Verwendung des Schutzrechts erzielen lassen (vgl. BGH, GRUR 2010, 239, 243 Rn. 49 - BTK).

Vorliegend haben die Beklagten – ohne dass die Klägerin dem erheblich entgegen getreten wäre – im Rahmen ihrer der Klägerin ursprünglich über die von ihr erzielten Gewinne/Umsätze erteilten Auskunft (Anlage B 20), auf welche sie in ihrer Klageerwiderung nochmal Bezug genommen haben, nachvollziehbar dargelegt, dass in einer Vielzahl der Fälle keine Einzellizenzen abgeschlossen werden, sondern die Lichtbilder von den Kunden im Rahmen von Verträgen heruntergeladen werden, welche eine Monatspauschale für ein monatliches Kontingent an herunterladbaren Bildern beinhalten und sich die Preise für die lizenzierten Lichtbilder daher teilweise nur auf wenige Euro belaufen. Insofern soll nach Auskunft der Beklagten über einen Zeitraum von 19 Jahren für alle 236 Bilder, die Gegenstand der Verurteilung des 19. Zivilsenates waren, mithin auch der hier streitgegenständlichen 9 Lichtbilder von dem „H.“, nur ein Gesamtumsatz von 863,71 Euro erzielt worden sein (vgl. hierzu Anlage K 3; Anlage B 19- 21). Vor diesem Hintergrund kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Beklagten - trotz dem gerichtsbekannt besonderen Ruf von Herrn Prof. E. und damit dem besonderen Wert seiner Werke - vernünftigerweise auf den Abschluss einer Lizenzvereinbarung gemäß der Gruppe A. eingelassen hätten, sondern ist vielmehr im Ausgangspunkt - da diese die Interessenlage insoweit am ehesten abbilden - die Tarifgruppe D der VG Bild-Kunst-Tarife im Rahmen der Schadensschätzung zu Grunde zu legen.

Ausgehend von der Tarifgruppe D ergibt sich rechnerisch zunächst eine Gebühr in Höhe von 4.980,00 Euro für alle 9 Lichtbilder. Die Tarife der Gruppe D sind nach Anzahl der Werke sowie der Dauer der Nutzungszeiträume gestaffelt. Im Hinblick auf Letztere sind die von der Klägerin angegebenen Veröffentlichungsdaten zu Grunde zu legen und von einer Einstellung jedenfalls bis zu den von ihr vorgetragenen Daten auszugehen. Sofern die Beklagten die angegebenen Veröffentlichungsdaten bestritten und geltend gemacht haben, es handele sich insoweit um die Aufnahmedaten, ist ihr Vorbringen unerheblich und können sie damit nicht durchdringen. Bei den Daten der Einstellung der Lichtbilder handelt es sich um Vorgänge aus der Geschäftssphäre der Beklagten, weshalb sie sich insoweit nicht auf ein einfaches Bestreiten zurückziehen können, sondern ihnen insoweit vielmehr weiterer Vortrag oblegen hätte. Zudem hat die Klägerin aber auch geltend gemacht, dass aufgrund des Aktualitätsanspruchs der Beklagten sowie der Fotografen von einer zeitnahen Einstellung der Lichtbilder nach dem Aufnahmezeitpunkt – am selben Tag oder allenfalls geringfügig verzögert – auszugehen sei, ohne dass die Beklagten dem nochmal mit weiterem Vortrag entgegengetreten wären. Demgemäß ist entsprechend der Angaben der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 13.03.2023 für die unter Ziffer 3. im landgerichtlichen Tenor eingeblendeten Lichtbilder 7.7. und 7.8. unter Berücksichtigung dessen, dass – wie vom Landgericht zu Recht ausgeführt – die Ansprüche verjährt sind, sofern die Nutzung vor dem Jahr 2013 erfolgt ist, von einem Nutzungszeitraum von etwa 6 Jahren und 6 Monaten (2013 bis 05.07.2019) auszugehen und damit eine Gebühr in Höhe von insgesamt 3.120,00 Euro anzusetzen (78 x 40,00 Euro). Für die 7 unter Ziffer 3. im landgerichtlichen Tenor eingeblendeten Lichtbilder 7.1 bis 7.6 und 7.9, welche sämtlich seit dem Jahr 2018 genutzt worden sind, ergibt sich eine Gebühr in Höhe von insgesamt 1.860,00 Euro. Insoweit ist - da diese Lichtbilder sämtlich seit 2018 bis Mitte 2019 genutzt worden sind - zunächst von einem einheitlichen Nutzungszeitraum von einem Jahr auszugehen, so dass sich insoweit ein Vergütungsanspruch in Höhe von 600,00 Euro (12 x 50,00 Euro) ergibt. Für das unter Ziffer 3. im landgerichtlichen Tenor eingeblendete Lichtbild 7.9 ist - da dieses darüber hinaus bis jedenfalls zum 05.01.2023 veröffentlicht worden ist - zudem eine weitere Gebühr in Höhe von 1.260,00 Euro (42 x 30,00 Euro) anzusetzen.

Da diese Tarife aber – wie ausgeführt – auf das Geschäftsmodell der Beklagten ebenfalls nicht ohne weiteres angewendet werden können und insbesondere unberücksichtigt bleibt, dass die Beklagten für die eingestellten Lichtbilder Unterlizenzierung für jedwede Zwecke anbieten, ist diese Gebühr angemessen auf das Doppelte und damit einen Betrag in Höhe von insgesamt 9.960,00 Euro zu erhöhen.

2. Ferner ist die Entscheidung des Landgerichts im Hinblick auf den für die gewerbliche Lizenzierung sowie das Angebot zu einer solchen Lizenzierung für die drei Lichtbilder gemäß dem Antrag der Beklagten zu Ziffer. 1.1. sowie die 217 Lichtbilder, die bereits Gegenstand des Urteils des 19. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Köln vom 18.02.2022 – 19 U 130/21 – waren, der Klägerin zuerkannten Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Allerdings war die Entscheidung des Landgerichts auch insoweit im Hinblick auf die Höhe des zuerkannten Schadensersatzanspruchs – wenn auch nur geringfügig – abzuändern.

a) Im Hinblick auf das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB kann zunächst vollumfänglich Bezug auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angegriffenen Entscheidung genommen werden.

Die diesbezüglich erhobenen Einwendungen der Beklagten sind nicht erheblich.

Sofern die Beklagten die vom Landgericht zugrunde gelegten Feststellungen des Oberlandesgerichts Köln in seiner Entscheidung vom 18.02.2022 – 19 U 130/21 –, insbesondere zur Frage des Vorliegens einer rechtwidrigen Eigentumsverletzung, angreifen und dem Oberlandesgericht Köln verschiedene Verfahrensfehler - Berücksichtigung von verspätetem Vortrag, Hinweispflichtverletzung - vorwerfen, können sie damit im hiesigen Verfahren nicht gehört werden. Das beim Oberlandesgericht Köln unter dem Aktenzeichen 19 U 130/21 geführte Verfahren ist rechtskräftig abgeschlossen und damit ist auch die Feststellung gemäß Ziffer 2 des Urteilstenors, dass die Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Bezug auf die in diesem Verfahren streitgegenständlichen 236 Bilder verpflichtet sind, in Rechtskraft erwachsen. Einwendungen hiergegen können daher - zumal in diesem Verfahren - nicht mehr geltend gemacht werden. Sofern die Beklagten ihr Vorbringen zu diesem Punkt in ihrer Berufungserwiderung vom 05.09.2024 – dort Seite 5 ff. - nochmals vertiefen und unter Bezugnahme auf Stellungnahmen von verschiedenen Fotografen geltend machen wollen, dass aufgrund der seitens der Klägerin an die Fotografen erfolgten Einladungen und dem Umstand, dass die Klägerin die Nutzung ihres Eigentums nicht wirksam unter bestimmte Bedingungen gestellt hat, keine rechtswidrigen Eigentumsbeeinträchtigungen vorgelegen hätten, verfängt dies zudem dann nicht, wenn man das Vorbringen auch als Einwendung gegen die Verurteilung zu Schadensersatz bezogen auf die drei Lichtbilder gemäß dem Berufungsantrag zu Ziffer 1.1. versteht. Denn die Veröffentlichung der Lichtbilder auf der Internetseite der Beklagten zum Zwecke der entgeltlichen Lizenzierung wäre nur dann nicht als Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums der Klägerin anzusehen, wenn - wie vom 15. Zivilsenat in seiner Entscheidung zum Aktenzeichen 15 U 20/22 (dort Seite 14 ff.) ausgeführt - die Veröffentlichung, wofür die Beklagten darlegungs- und beweisbelastet sind, von einer dem jeweiligen Fotografen erteilten Genehmigung gedeckt gewesen wäre. Eine solche den Fotografen der Lichtbilder gemäß Berufungsantrag zu Ziffer 1.1. erteilte Genehmigung ist von der Klägerin aber durchgehend bestritten worden und haben die Beklagten weder erstinstanzlich noch in zweiter Instanz überhaupt nachvollziehbar behauptet.

Das Landgericht ist ferner auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagten die diesbezüglichen Verletzungshandlungen jedenfalls fahrlässig begangen haben. Im Hinblick auf die 217 Bilder, welche bereits Gegenstand der Verurteilung des 19. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Köln waren, ist die Schadensersatzpflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin bereits rechtskräftig festgestellt, so dass insoweit der Einwand des fehlenden Verschuldens von vornherein nicht mehr erhoben werden kann. Aber auch im Hinblick auf die weiteren drei Lichtbilder ist – insoweit kann auf die Ausführungen unter Ziffer II. 1.b) ee) verwiesen werden – von einem jedenfalls fahrlässigen Verhalten der Beklagten auszugehen.

b) Die Höhe des insoweit festzusetzenden Schadensersatzes schätzt der Senat jedoch abweichend vom Landgericht im Rahmen der ihm insoweit eingeräumten Möglichkeit der eigenen Ermessensausübung gemäß § 287 ZPO auf insgesamt 24.772,00 Euro.

Grundsätzlich ist - dies wird auch von den Beklagten, anders als noch in erster Instanz, in der Berufungsinstanz nicht mehr angegriffen - mit dem Landgericht davon auszugehen, dass die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch auch insoweit im Wege der Lizenzanalogie berechnen kann. Zwar hat der Bundesgerichtshof in seiner hierzu maßgeblichen Entscheidung vom 17.12.2010 (NJW 2011, 749 – „Preußische Schlösser und Gärten“) nicht - wie von den Beklagten erstinstanzlich gerügt - explizit ausgeführt, dass die zum Urheberrecht entwickelten Grundsätze auch auf den Schadensersatzanspruch Anwendung finden sollen. Dies ist jedoch - wie auch vom Landgericht zu Recht ausgeführt - in der Entscheidung jedenfalls angelegt. Denn der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung zumindest für den Auskunftsanspruch die zum Urheberrecht entwickelten Grundsätze für anwendbar erklärt. Da der Auskunftsanspruch aber letztlich nur der Vorbereitung eines bezifferten Schadensersatzanspruchs dient, müssen dann die urheberrechtlichen Grundsätze auch konsequenterweise Anwendung auf den späteren Schadensersatzanspruch finden.

Die demnach ebenfalls unter Anwendung der oben unter Ziffer II. 1.c) dargestellten Grundsätze zu ermittelnde Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr ist gemäß § 287 ZPO vorliegend auf 24.772,00 Euro zu schätzen. Insofern ist wiederum die Tarifgruppe D der VG Bild-Kunst-Tarife heranzuziehen, da die darin festgelegten Vergütungssätze nach Art und Umfang der vorgenommenen Verwertung am nächsten liegen. Insoweit kann - da auch im Hinblick auf die Nutzung der Lichtbilder, die nicht das H. abbilden, nichts anderes gilt - vollumfänglich auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Eine abweichende Festsetzung ist insofern auch nicht im Hinblick auf die von der Klägerin nunmehr im Rahmen ihrer Berufungsbegründung erstmalig näher dargelegte eigene Lizenzierungspraxis für eine im Eigeninteresse vorgenommene wirtschaftliche Verwertung von Lichtbildern im kulturellen, wissenschaftlichen oder historischen Kontext veranlasst. Die von der Klägerin insoweit in Bezug genommene Tabelle THS B1 sieht Entgelte für Reproduktionen in Druckwerken abhängig von der Auflagenhöhe sowie die Internetnutzung (Homepage/Unterseite) abhängig von der Zeitdauer vor, und ist damit auf ein Geschäftsmodell wie dasjenige der Beklagten in keiner Weise übertragbar.

Daher führt auch der von der Klägerin herangezogene Wert des verletzten Rechts zu keiner abweichenden Beurteilung. Diesem steht ebenfalls die verhältnismäßig geringe Intensität des Eingriffs gegenüber. Zwar sind die Bilder teilweise über einen sehr langen Zeitraum zur Lizenzierung angeboten worden, dies allerdings in einer – hiervon ist nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten (vgl. S. 15 der Berufungsbegründung) auszugehen - Millionen von Lichtbildern fassenden Datenbank. Die hierdurch gegebene verhältnismäßig geringe Intensität des Eingriffs wird auch dadurch bestätigt, dass es nach der von den Beklagten erteilten Auskunft im Zeitraum 2012 bis 2020 „nur“ in etwa 50 Fällen zum Abschluss von Lizenzverträgen gekommen (Anlage K 3) ist. Für den weitaus überwiegenden Teil der Bilder ist es demgemäß nie zu einer über das Einstellen in die Datenbank hinausgehenden Nutzung gekommen.

Ausgehend von der Tarifgruppe D sind bei der hier vorliegenden Anzahl von 201 bis 300 Bildern 563,00 Euro im Monat zu veranschlagen. Da die Mehrzahl der Bilder (vgl. hierzu die Aufstellung in der Klageschrift, dort S. 4 ff.) seit dem Jahr 2018 veröffentlicht worden war und jedenfalls bis zum 21.10.2019 zur Lizenzierung auf der Webseite der Beklagten angeboten wurde, legt der Senat im Rahmen seines Schätzungsermessens insoweit einen einheitlichen Zeitraum von rund 22 Monaten zugrunde. Hiernach ergibt sich rechnerisch ein Betrag in Höhe von 12.386,00 Euro. Diese Gebühr ist sodann wiederum – auch insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden - angemessen auf das Doppelte und damit einen Betrag in Höhe von insgesamt 24.772,00 Euro zu erhöhen.

3. Der Zinsanspruch hinsichtlich der zu zahlenden Schadensersatzforderung für die Bilder des „H.s“ ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB und hinsichtlich der zu zahlenden Schadensersatzforderung für die weiteren Bilder aus §§ 286, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Insoweit wird auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen.

4. Der im Tenor des landgerichtlichen Urteils unter Ziffer 6. zugesprochene Feststellungsantrag betreffend die Erledigung des ursprünglich unter Ziffer 1) geltend gemachten Klageantrages (Unterlassungsantrag betreffend die Nutzung der Lichtbilder gemäß Berufungsantrag unter Ziffer 1.1.) ist demgemäß ebenfalls zu Recht erfolgt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts sowie die Ausführungen unter Ziffer II. 2a) verwiesen.

5. Im Hinblick auf die Lichtbilder gemäß den Berufungsanträgen zu Ziffer 1.1. und 1.2. steht der Klägerin – wie vom Landgericht in Bezug auf die Lichtbilder des „H.s“ zutreffend erkannt – demgemäß ebenfalls gemäß § 242 BGB ein Auskunftsanspruch bezogen auf das Enddatum der Nutzung zu. Da der Klägerin bisher das Enddatum der Nutzung nicht bekannt ist, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass ihr ein weiterer Schadensersatzanspruch zusteht. Für diese Auskunft haften die Beklagten allerdings nicht als Gesamtschuldner, vielmehr ist jeder jeweils nur zur Mitteilung seines Kenntnisstandes verpflichtet (vgl. hierzu BGH GRUR 1981, 592, 595 – Championne du Monde). Demgemäß war die durch das Landgericht vorgenommene Verurteilung zur Auskunft in Bezug auf die Lichtbilder des „H.s“ (Ziffer 4. des Tenors des landgerichtlichen Urteils) ebenfalls entsprechend abzuändern.

6. Der Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten für das Aufforderungsschreiben vom 08.09.2022 in Höhe von 1.375,88 Euro ergibt sich aus § 823 Abs. 1 BGB, derjenige für das Abmahnschreiben vom 18.01.2023 in Höhe von 800,39 Euro aus §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB.

Da abweichend vom Landgericht von einem dem Aufforderungsschreiben vom 08.09.2022 zugrundeliegenden berechtigten Schadensersatzanspruch in Höhe von 24.772,00 Euro und nicht lediglich 21.700,00 Euro auszugehen ist, ergibt sich insoweit bei Ansatz einer 1,3fachen Geschäftsgebühr und einer Auslagenpauschale von 20,00 Euro sowie unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer in Höhe von 19% ein Anspruch in Höhe von 1.375,88 Euro.

Sofern die Beklagten sich mit ihrer Berufungsbegründung gegen die Verurteilung zur Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gewendet haben, fehlt es im Hinblick auf die Verurteilung zur Kostentragung für das Aufforderungsschreiben vom 08.09.2022 bereits an jeglicher Begründung. Aber auch die Einwendungen im Hinblick auf die Verurteilung zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 800,39 Euro in Bezug auf das Abmahnschreiben vom 18.01.2023 gehen fehl, da diese Abmahnung in der Sache berechtigt war, insofern haben die Beklagten später eine Unterlassungserklärung abgegeben. Dem Anspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin die Beklagten zur Abgabe der im Anhang beigefügten strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert haben. Vielmehr ist der Gläubiger grundsätzlich gehalten, dem Schuldner mit der Abmahnung den Weg zu weisen, wie er sich zu verhalten hat, damit ein Prozess vermieden wird. Dementsprechend muss die Abmahnung die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung enthalten (vgl. BGH GRUR 2019, 82, 85 Rn. 35 - Jogginghosen). Sofern mit der vorgeschlagenen Unterwerfungserklärung mehr gefordert wird, als dem Gläubiger zusteht, ist dies – wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt – dann aber grundsätzlich unschädlich, denn es ist Sache des Schuldners, aufgrund der Abmahnung die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche Erklärung abzugeben (vgl. BGH GRUR 2007, 607, 610 Rn. 24 – Telefonwerbung für „Individualverträge“).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Schleswig-Holstein: Für die Dringlichkeit bei einer Urheberrechtsverletzung auf einer Website ist auf die konkrete Verletzungshandlung und nicht eine Änderung im Impressum abzustellen

OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom 05.06.2025
6 U 3/25


Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass für die Dringlichkeit bei einer Urheberrechtsverletzung auf einer Website auf die konkrete Verletzungshandlung und nicht eine Änderung im Impressum abzustellen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist gem. §§ 935, 938 ZPO zurückzuweisen, da der Verfügungskläger die erforderliche Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht hat.

Der Senat teilt hierbei grundsätzlich die Einschätzung des Landgerichts, dass eine Dringlichkeit regelmäßig zu bejahen sein dürfte, wenn weitere Verletzungshandlungen drohen oder durch eine Verletzungshandlung ein noch andauernder Störungszustand geschaffen wird. Allerdings kann in diesen Fällen die vorzunehmende Interessenabwägung dann zu einem anderen Ergebnis gelangen, wenn der Antragsteller durch zu langes Zuwarten nach Kenntniserlangung von dem anspruchsbegründenden Sachverhalt zu erkennen gegeben hat, dass ihm selbst die Sache nicht so eilig ist (Meckel in: Dreyer/​Kotthoff/​Meckel/​Hentsch, Urheberrecht, 4. Auflage 2018, § 97 UrhG, Rn. 88). Hierbei ist aber nach Auffassung des Senats an die konkrete Verletzungshandlung bzw. den andauernden Zustand der behaupteten Rechtsverletzung und nicht an die Änderung des Impressums der Internetseite anzuknüpfen.

Im Urheberrecht besteht eine gesetzliche Vermutung der Eilbedürftigkeit analog § 12 Abs. 2 UWG nicht; die tatsächlichen Voraussetzungen einer besonderen Eilbedürftigkeit sind daher glaubhaft zu machen (Schricker/Loewenheim/Wimmers, 6. Aufl. 2020, UrhG § 97 Rn. 341a, beck-online). Die Eilbedürftigkeit folgt nicht bereits aus dem Vorliegen einer Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr. Die einstweilige Verfügung muss vielmehr notwendig sein, um wesentliche Nachteile in Bezug auf das Rechtsverhältnis abzuwenden oder um die Vereitelung bzw. wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung zu verhindern; die ohne den Erlass der einstweiligen Verfügung zu befürchtenden Nachteile müssen so schwer wiegen, dass ihre Abwehr den Verzicht auf die Erkenntnismöglichkeiten des ordentlichen Verfahrens rechtfertigt (Schricker/Loewenheim/ Wimmers, a.a.O.). Das setzt nicht nur eine Dringlichkeit im zeitlichen Sinne, sondern auch eine Interessenabwägung zwischen den schutzwürdigen Belangen des Antragstellers und den schutzwürdigen Interessen des Antragsgegners voraus. Die Darlegungslast dafür, dass die Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO vorliegen, liegt beim verletzten Antragsteller (Schricker/Loewenheim/Wimmers, a.a.O.).

Bei dem Verfügungsgrund handelt es sich um eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung (OLG Hamburg, ZUM 2007, 917; OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2002, 44; MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 917 Rn. 1, 2). Der Erlass einer einstweiligen Verfügung muss aus Sicht des Gläubigers so dringlich sein, dass ohne eine Sofortmaßnahme die Durchsetzung des Verfügungsanspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert würde (Anders/Gehle/Becker, 83. Aufl. 2025, ZPO § 935 Rn. 6-7). Ein Verfügungsgrund ist nur dann gegeben, wenn dem Antragsteller ohne die beantragte einstweilige Regelung eine konkrete, schwerwiegende Beeinträchtigung seiner rechtlichen Interessen droht (Anders/Gehle, a.a.O.). Dem Antragsteller darf ein Zuwarten auf eine Hauptsacheentscheidung nicht zuzumuten sein (Anders/Gehle, a.a.O.). Der einmal grundsätzlich gegebene Verfügungsgrund kann jedoch wieder entfallen, wenn der Antragsteller nach Eintritt der Gefährdung mit einem Antrag zuwartet (Anders/Gehle, a.a.O., m.w.N.).

Der Verfügungskläger hat mit seinem Verhalten ab 2017 nicht gezeigt, dass er nachhaltig und zügig gegen die Nutzung seiner angeblichen Werke auf der Internetseite XY […Internetdomain] vorgehen wollte. Unstreitig erfolgte die vom Verfügungskläger behauptete Verletzung seiner Urheberrechte bereits seit Jahren relativ unverändert auf der Internetseite XY […Internetdomain]. Die einzige Veränderung, die der Kläger am 01.11.2024 wahrnahm, war, dass eine neue Person als Verantwortlicher im Impressum der Internetseite angegeben war. Diese Veränderung bedeutet zwar offenkundig, dass der Verfügungsbeklagte unstreitig die auf der Internetseite am 01.11.2024 veröffentlichten Daten und Grafiken genutzt hat. Dies mag im Vergleich zu einer Nutzungshandlung der S. GmbH oder der M. GmbH eine neue Verletzungshandlung darstellen. Allein dies impliziert jedoch nicht eine Dringlichkeit der Rechtsverfolgung für den Verfügungskläger. Schließlich ist die Dringlichkeit einer Untersagung der Nutzung für jede Verletzungshandlung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zu beurteilen.

Hierbei ist insbesondere auch abzuwägen, ob es dem Verfügungskläger in Anbetracht der Gesamtumstände im Einzelfall zumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. In Anbetracht der Tatsache, dass der Verfügungskläger zu einer Dringlichkeit im Sinne von §§ 935, 940 ZPO trotz Hinweises des Senats nichts Erhebliches vorgetragen hat, ist nicht erkennbar, aus welchem Grund die Untersagung für den Verfügungskläger in Anbetracht der seit Jahren andauernden Verletzungshandlung besonders dringlich sein sollte.

Auch die vorzunehmende Abwägung der Interessen der Parteien spricht zur Überzeugung des Senats dafür, dass der Verfügungskläger seine Unterlassungsansprüche im Klageverfahren und nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren, welches nur eingeschränkte Beweisführungsmöglichkeiten hat und nur einer vorläufigen Regelung dient, geltend machen muss. Unstreitig hat der Verfügungsbeklagte den gesamten Geschäftsbetrieb der M. GmbH im Oktober 2024 erworben. Aufgrund der Tatsache, dass der Verfügungskläger sich jahrelang bis November 2024 nicht mit Nachdruck um die Durchsetzung der von ihm behaupteten Unterlassungsansprüche kümmerte, konnte der Verfügungsbeklagte darauf vertrauen, dass ihm eine Nutzung der über einen längeren Zeitraum von der M. GmbH bereits genutzten Werke nicht unmittelbar nach Geschäftsübernahme vom Verfügungskläger per einstweiliger Verfügung untersagt werden würde. Dieses stellt den Verfügungskläger auch keineswegs rechtlos, da er eben den ordentlichen Klageweg beschreiten kann, um seine behaupteten Rechte durchzusetzen.

Mangels Dringlichkeit kommt es für die Entscheidung über die Berufung im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht auf die wirksame Vollziehung der zunächst erlassenen einstweiligen Verfügung oder die Wirksamkeit des vom Kläger behaupteten Lizenzvertrags an.


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OLG Dresden: Journalistische Sorgfaltsanforderungen können auch für private Blogbetreiber gelten - Unzulässige identifizierende Verdachtsberichterstattung

OLG Dresden
Hinweisbeschluss vom 14.04.2025
4 U 1466/24


Das OLG Dresden hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass journalistische Sorgfaltsanforderungen auch für private Blogbetreiber gelten können. Vorliegend ging es um eine unzulässige identifizierende Verdachtsberichterstattung

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Beklagten bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die begehrte Unterlassung bejaht, denn der beanstandete Textbeitrag des Beklagten verletzt den Kläger nach Abwägung aller beiderseitigen Interessen rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe greifen nicht durch.

Bei den Äußerungen des Beklagten handelt es sich zumindest teilweise um Tatsachenbehauptungen (1.). Für diese gelten die Grundsätze der identifizierenden Verdachtsberichterstattung (2.). Der Beklagte kann sich hierbei nicht auf das Laienprivileg berufen (a.). Den journalistischen Sorgfaltsanforderungen im Rahmen der identifizierenden Verdachtsberichterstattung ist der Beklagte nicht gerecht geworden (b.). Der Beitrag verletzt den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, was der Kläger nach Abwägung aller widerstreitenden Interessen nicht hinnehmen muss (3.).

1. Der Beitrag des Beklagten enthält teilweise substanzarme Meinungsäußerungen, teilweise aber auch die Äußerung von Verdachtstatsachen.

Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese für die Rezipienten erkennbar waren. Die Äußerung darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21.12.2016 - 1 BvR 1018/15, juris Rn. 21; BGH, Urteil vom 04.04.2017 - VI ZR 123/16, juris Rn. 30, jeweils m.w.N.).

Die Abgrenzung zwischen Werturteilen und Tatsachenbehauptungen kann im Einzelfall schwierig sein, weil die beiden Äußerungsformen nicht selten miteinander verbunden sind und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen. In solchen Fällen ist der Begriff der Meinungsäußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes weit zu verstehen: Sofern die Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.10.1991 – 1 BvR 1555/88, juris Rn. 46).

Der maßgebliche Rezipient entnimmt dem streitgegenständlichen Artikel in Bezug auf den Kläger im Gesamtkontext zunächst die Aussage, der Kläger sei möglicherweise in leitender Position in einem Unternehmen in der Schweiz tätig, das unter anderem ("auch") digitale Investments an Anleger verkauft.

Hierbei handelt es sich weder in der Einzelschau noch bei Berücksichtigung des gesamten Kontextes um eine Tatsachenbehauptung, weil der Begriff "nicht unbedeutende Position" zwar den Schluss nahelegt, der Kläger sei bei einem Schweizer Unternehmen in leitender Position tätig gewesen, tatsächlich aber derart unbestimmt ist, dass er einer Beweisaufnahme nicht zugänglich wäre. Auf welcher Hierarchieebene und mit welcher Einflussmöglichkeit der Kläger in dem Unternehmen tätig war und um welches Unternehmen es sich überhaupt handelt, bleibt völlig offen. Aus dem Zusammenhang des Berichts vom 18.9.2023 (Anlage AS 4, 1. Instanz) drängt sich lediglich die Schlussfolgerung auf, dass es sich hierbei jedenfalls nicht um die T... AG selbst handelt, denn der Bericht legt nur nahe, dass der Kläger sich "in deren engem Umfeld" bewegt.

Der Bericht enthält aber weiter die Behauptung, der Kläger sei in der nicht näher bezeichneten Position möglicherweise selbst als Verkäufer tätig geworden und habe Anlegern Investments verkauft, bei denen die Kunden ihr Geld verloren hätten. Er enthält weiter die Behauptung, der Kläger habe auch daran mitgewirkt ("im näheren Umfeld"), dass Anleger bei der T... investiert hätten. Der Begriff "abgewickelt" legt dem Leser im Zusammenhang mit der Information "Anleger verloren dabei über 40 Millionen Euro" unabweislich den Schluss nahe, die Firma sei wegen erfolgloser Investments in Insolvenz gegangen, und der Kläger persönlich habe als Verkäufer den Anlegern wertlose Anlagen verkauft und zusätzlich darauf hingewirkt ("im näheren Umfeld der T..."), dass die Kunden bei der T... investieren. Jeder dieser Teilaspekte wäre durch eine Beweisaufnahme überprüfbar. Die einschränkenden Zusätze in Bezug auf den Kläger ("möglicherweise", "im Umfeld... sehen", "unserer Sicht nach") ändern an der Einordnung als Tatsachenbehauptung nichts (vgl. Wenzel; Handbuch der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Kap. 4, Rz. 55). Ebenso verhält es sich mit den weiteren im Test enthaltenen Formulierungen "sehen wir", "möglicherweise" und "aus unserer Sicht".

2. Für diese Tatsachenbehauptungen gelten die Grundsätze der identifizierenden Verdachtsberichterstattung.

Danach darf eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt werden. Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen. Andererseits sind die Anforderungen umso höher, je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Allerdings ist auch das Interesse der Öffentlichkeit an derartigen Äußerungen zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 16.11.2021 - VI ZR 1241/20, juris Rz. 18).

a) Für den Beklagten gelten hierbei keine geringeren Sorgfaltsanforderungen als für die Medien allgemein. Das sogenannte Laienprivileg findet vorliegend keine Anwendung. Hiernach dürfen sich im Grundsatz Privatpersonen auf Berichte Dritter ungeprüft berufen, sofern diese unwidersprochen geblieben sind (vgl. BVerfG, B. v. 23.2.2000 - 1 BvR 456/95, B. v. 9.10.1991 - 1 BvR 1555/88, jeweils nach juris). Journalisten hingegen, die ohne eigene Recherche Meldungen aus anderen Medien übernehmen, genügen ihrer Sorgfaltspflicht nicht (OLG Köln, U. v. 16.3.2017 - 15 U 134/16, juris). Wie dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannt ist, betreibt der Beklagte seit vielen Jahren die Internetseite www.DieBewertung.de, für die er zu den dort behandelten Themen eigene Recherchen anstellt, Presseanfragen stellt und in den Artikeln auch ausdrücklich auf seine journalistische Tätigkeit verweist. So ist er auch für den vorliegenden Artikel vorgegangen, der gerade nicht auf eine Berichterstattung Dritter Bezug nimmt, sondern die dortigen Inhalte als Ergebnisse eigener Recherchen präsentiert. Auch weist ihn das Impressum seiner Seite als "Chefredakteur" und als Mitglied des DJV, also des journalistischen Verbands Deutschland aus (Anl. AS 2, I. Instanz). Der Mitarbeiterstab des Bewertungsportals wird dort als "Redaktion" bezeichnet. Hier erwartet der Leser eine journalistische Arbeitsweise und einen an journalistischen Qualitätsanforderungen zu messenden Informationsgehalt, wodurch der Beklagte den Eindruck erweckt, sich an diesen Standards messen zu lassen.

b) Den journalistischen Sorgfaltsanforderungen im Rahmen der identifizierenden Verdachtsberichterstattung ist der Beklagte nicht gerecht geworden.

Bei der hierfür notwendigen Recherche muss jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst Öffentlichkeitswert verleihen, zutage treten. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen.

Das grundsätzliche Erfordernis einer Möglichkeit zur Stellungnahme soll sicherstellen, dass der Standpunkt des von der Verdachtsberichterstattung Betroffenen in Erfahrung und gegebenenfalls zum Ausdruck gebracht wird, der Betroffene also selbst zu Wort kommen kann. Dies setzt voraus, dass der Betroffene nicht nur Gelegenheit zur Stellungnahme erhält, sondern dass seine etwaige Stellungnahme auch zur Kenntnis genommen und der Standpunkt des Betroffenen in der Berichterstattung sichtbar wird (BGH, Urteil vom 16.11.2021 - VI ZR 1241/20, juris Rz. 25 m.w.N.). Der Standpunkt des Betroffenen ist dabei für den Leser nicht nur dann relevant, wenn sich die Stellungnahme konkret zu den geäußerten Verdachtsmomenten verhält, sich der Beschuldigte vom Verdacht "entlasten" kann. Auch die Information über ein bloßes Dementi ist grundsätzlich geeignet, der Gefahr einer Vorverurteilung des Betroffenen zu begegnen (BGH, a.a.O).

Während der Inhalt der behaupteten Presseanfrage vom 12.09.2023 nicht in das Verfahren eingeführt wurde, genügt die vom Beklagten an den Kläger gerichtete Anfrage vom 18.10.2022 (AG 16, I. Instanz) schon nicht den an eine Aufforderung zur Stellungnahme zu stellenden Anforderungen, weil in ihr zwar der Kläger zu seinen Verbindungen zur W... AG und zur T..., nicht aber zu den Vorwürfen im Zusammenhang mit dem Totalverlust von vermittelten Investments der Anleger befragt wurde. Da die Anfrage bereits nicht vollständig die in der Berichterstattung erhobenen Verdächtigungen abbildet und damit nicht den Anforderungen in der Rechtsprechung genügt, dem Betroffenen die zum Gegenstand der Berichterstattung gemachten Vorwürfe konkret vorzuhalten (BGH, Urteil vom 17.12.2013 - VI ZR 211/12 - juris), bedarf es keiner Entscheidung, ob das ausweichende Antwortverhalten des Klägers ("... wenden Sie sich bitte an...") der endgültigen Ablehnung einer Stellungnahme gleichkommt. Im Übrigen rechtfertigen auch die vom Beklagten in erster Instanz vorgelegten Rechercheergebnisse nicht vollständig die mitgeteilten Verdächtigungen. So kommt an keiner Stelle zum Ausdruck, dass der Kläger, der nach den Recherchen zwar Vertriebspartner abgeworben haben, und in leitender Position tätig geworden sein soll, auch über einen eigenen, von ihm persönlich betreuten Kundenstamm verfügt haben soll. Letzteres suggeriert aber der beanstandete Bericht.

Entscheidend ist allerdings, dass alle vom Beklagten nunmehr angeführten Anknüpfungstatsachen, die Anhaltspunkte für die geäußerten Verdächtigungen bieten sollen, in dem Bericht nicht erwähnt werden. Eine identifizierende Berichterstattung ist aber nicht zulässig, wenn sie lediglich dazu dient, in den Raum gestellte, nicht belegte Behauptungen und substanzarme Verdachtsmomente zu verbreiten. Wenn - wie hier - nur vage Verdachtsmomente mitgeteilt werden aus denen der Leser ohne zusätzliche Informationen nichts ableiten kann, fehlt es entweder an einem Vorgang von gravierendem Gewicht, der erst ein Informationsinteresse an einer namentlichen Nennung begründen könnte, oder die Äußerung wird ohne Zusatzinformationen insgesamt so substanzarm, dass sie als Meinungsäußerungen zu qualifizieren wäre. Dann aber bestünde keine Berechtigung zu einer Namensnennung (vgl. zu den Anforderungen: Wenzel, a.a.O., Kap. 10, Rz. 157). Ein Fall von Schwerstkriminalität oder ein besonderes öffentliches Interesse gerade an der Person des Klägers, das die Berechtigung zur identifizierenden Verdachtsberichterstattung begründen könnte (Wenzel, a.a.O. m.w.N.), liegt hier nicht vor.

3. Die Berichterstattung stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar und ist rechtswidrig. Im Rahmen der insoweit vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit (st. Rspr. BGH: Urteil vom 19.11.2024 - VI ZR 87/24; Urteil vom 20. 6. 2023 - VI ZR 262/21 - jeweils nach juris) überwiegt das Schutzinteresse des Klägers.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass es im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 GG den Medien obliegen muss, nach publizistischen Kriterien über Gegenstand und Inhalt ihrer Berichterstattung zu entscheiden und sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden können (vgl. BGH v. 21.11.2006 - VI ZR 259/05, AfP 2007, 44; BVerfG v. 25.01.2012 - 1 BvR 2499/09, AfP 2012, 143). In Ansehung dessen darf zwar grundsätzlich nicht die Frage aufgeworfen werden, ob auch ohne Identifizierung des Klägers hätte berichtet werden können, doch ist das nicht absolut zu verstehen (unklar Sajuntz, NJW 2017, 698, 700). Der Umfang und die Notwendigkeit einer Identifizierung ist vielmehr bei der wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts gebotenen Abwägung zwischen dem durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu berücksichtigen (OLG Köln, U. v. v. 03.10.2016 - 15 U 127/16, BeckRS 2016, 113198). Grundsätzlich muss dabei zwischen dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit an einem Vorgang als solchem und an der Identifizierbarkeit der Betroffenen unterschieden werden, zumal nicht jedes öffentliche Interesse an einem Vorgang zugleich auch ein vergleichbar schützenswertes Interesse auch und gerade an der Identifizierung der daran Beteiligten mit sich bringen muss. Es ist grundsätzlich immer mit besonderer Sorgfalt abzuwägen, ob dem Informationsinteresse nicht ggf. auch ohne Namensnennung und/oder sonstige Identifizierbarkeit in gleichem Umfang genügt werden kann (OLG Köln, Urteil vom 16. März 2017 – 15 U 134/16 –, juris Rz. 25 m.w.N.).

So liegt der Fall hier: Es mag sich um eine Angelegenheit von allgemeinem Interesse handeln, über digitale Investments mit einem hohen Verlustrisiko und einer Vielzahl hiervon betroffener Anleger ("40 Millionen Schaden") zu berichten. Anknüpfungstatsachen, die eine solche Bewertung erläutern würden, sind der streitgegenständlichen Berichterstattung aber nicht zu entnehmen. Der Bericht äußert aber den Verdacht, dass der Kläger - direkt als Verkäufer oder Vermittler ("Kunden von ihm") oder indirekt ("im Umfeld", "leitende Position") für den Verlust von Anlegergeldern in Millionenhöhe, möglicherweise sogar in betrügerischer Absicht ("kein gutes Bild vom Verhalten der T...") persönlich verantwortlich ist. Unabhängig davon, dass der Kläger selbst keine Person des öffentlichen Interesses ist, ist ein schutzwürdiges Interesse an der Verbreitung derartiger Gerüchte unter Namensnennung nicht erkennbar.


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BGH: Kein Erfolgshonorar für Studienplatzvermittlung bei Nichtannahme des Studienplatzes

BGH
Urteil vom 05.06.2024
I ZR 160/24
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, § 652 Abs. 1 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass kein Anspruch auf Zahlung eines Erfolgshonorar für die Studienplatzvermittlung besteht, wenn der Studienplatz vom Kunden nicht angenommen wird.

Leitsätze des BGH:
a) Gemischte Verträge, die Elemente verschiedener Vertragstypen aufweisen, sind nach dem Grundsatz zu beurteilen, dass der Eigenart des Vertrags grundsätzlich nur die Unterstellung unter ein einziges Vertragsrecht gerecht wird, nämlich dasjenige, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Vertrags liegt (Fortführung der st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1994 - I ZR 172/92, GRUR 1995, 68 [juris Rn. 31] = WRP 1995, 89 - Schlüssel-Funddienst).

b) Ein gemischttypischer Vertrag, der zwar dienst- und werkvertragliche Elemente aufweist, im Schwerpunkt aber darauf gerichtet ist, Bewerbern aus Deutschland gegen Entgelt Studienplätze an ausländischen Universitäten zu vermitteln, ist bei der Prüfung der unangemessenen Benachteiligung unter dem Gesichtspunkt der Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) am Leitbild des Maklervertrags (Erfolgsabhängigkeit der Provision, Entschließungsfreiheit des Auftragsgebers, Ursächlichkeit der Maklertätigkeit für den Vertragsschluss, fehlende Verpflichtung des Maklers zur Leistungserbringung) zu messen.

BGH, Urteil vom 5. Juni 2024 - I ZR 160/24 - OLG München - LG München II

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BGH: Ein Kündigungsbutton nach § 312k BGB ist auch dann erforderlich wenn der Kunde ein einmaliges Entgelt zahlt und der Vertrag nach der vereinbarten Laufzeit automatisch endet

BGH
Urteil vom 22.05.2025
I ZR 161/24
Kündigungsschaltfläche
BGB § 312k Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass ein Kündigungsbutton nach § 312k BGB auch dann erforderlich ist, wenn der Kunde ein einmaliges Entgelt zahlt und der Vertrag nach der vereinbarten Laufzeit automatisch endet.

Leitsatz des BGH:
Hat der Unternehmer dem Verbraucher ermöglicht, über eine Internetseite einen Vertrag über die wiederkehrende Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen zu schließen, so muss er auf der Internetseite eine Kündigungsschaltfläche auch dann bereitstellen, wenn der Verbraucher für die vertraglichen Leistungen des Unternehmers ein einmaliges Entgelt zu entrichten hat und der Vertrag nach der vereinbarten Laufzeit automatisch endet.

BGH, Urteil vom 22. Mai 2025 - I ZR 161/24 - OLG Hamburg

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BFH: Statthafte Klageart für Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO gegen das Finanzamt ist eine Verpflichtungsklage - es gilt die Monatsfrist nach §§ 47, 55 FGO

BFH
Urteil vom 06.05.2025
IX R 2/23


Der BFH hat entschieden, dass statthafte Klageart für die Geltendmachung eines Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO gegen das Finanzamt eine Verpflichtungsklage ist. Es gilt nach Ansicht des BFH hierfür die einmonatige Frist nach §§ 47 Abs.1 , 55 Abs. 2 Satz 1 FGO.

Leitsätze des BFH:
1. Statthafte Klageart für die gerichtliche Geltendmachung des gegen eine Finanzbehörde gerichteten Anspruchs aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist die Verpflichtungsklage gemäß § 40 Abs. 1 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑ (Anschluss an Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.11.2022 - 6 C 10.21, BVerwGE 177, 211, Rz 14).

2. Die unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und Effektivität gebieten es nicht, eine Verpflichtungsklage, die einen Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO zum Gegenstand hat, losgelöst von der in § 47 Abs. 1 FGO beziehungsweise in § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO geregelten Frist (das heißt "jederzeit") erheben zu können.

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OLG Stuttgart: Deutscher Puzzlehersteller darf den "Vitruvianischen Menschen" von Leonardo Da Vinci weiterhin als Puzzlemotiv verwenden

OLG Stuttgart
Urteil vom 11.06.2025
4 U 136/24


Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass ein deutscher Puzzlehersteller den "Vitruvianischen Menschen" von Leonardo Da Vinci weiterhin als Puzzlemotiv verwenden darf.

Die Pressmitteillung des Gerichts:
Urteil des 4. Zivilsenats: Großer deutscher Puzzlehersteller darf „Vitruvianischen Menschen“ von Leonardo Da Vinci weiterhin als Puzzle vertreiben Oberlandesgericht Stuttgart weist Unterlassungsbegehren des italienischen Kulturministeriums und der Gallerie dell’Accademia di Venezia zurück

Der 4. Zivilsenat hat mit heutigem Urteil vom 11. Juni 2025 entschieden, dass ein großer deutscher Hersteller von Puzzeln auch künftig eines der berühmtesten Werke Leonardo Da Vincis, den „Vitruvianischen Menschen“, als Puzzlevorlage außerhalb Italiens weltweit verwenden und vertreiben darf.

Gegenstand des Verfahrens

Die um 1490 entstandene Proportionsstudie „Studio di proporzioni del corpo umano", bekannt als der „Vitruvianische Mensch" ist eines der bekanntesten Kunstwerke Leonardo Da Vincis. Die Klägerinnen - Unternehmen einer weltweit tätigen Unternehmensgruppe und international für das Angebot von Gesellschaftsspielen, Puzzles sowie von Kinder- und Jugendbüchern bekannt - verwendet den „Vitruvianischen Menschen“ seit längerem als Vorlage für von ihr vertriebene Puzzles.

Im Jahr 2019 verlangte die Gallerie dell'Accademia di Venezia - ein Museum in Venedig, in dessen Besitz sich das Originalwerk Leonardo Da Vincis seit 1822 befindet - von dem Puzzlehersteller den Abschluss eines Lizenzvertrages und knüpfte daran die Erlaubnis, das Werk auch künftig nutzen zu dürfen. Das Museum stützte sein Verlangen auf Bestimmungen des italienischen Codice dei beni culturali e del paesaggio („Gesetz zum Schutz des kulturellen Erbes"). Nachdem Verhandlungen zwischen den Parteien zu keinem Ergebnis gelangten, erwirkten das Museum und das italienische Kulturministerium (Ministero della Cultura) vor einem Zivilgericht in Venedig eine einstweilige Verfügung (vorläufiges Eilverfahren), mit welcher den Klägerinnen die kommerzielle Nutzung des Werkes in Italien und im Ausland untersagt wurde.

Hierauf erhoben die Klägerinnen gegen das italienische Kulturministerium und die Gallerie dell'Accademia di Venezia vor dem Landgericht Stuttgart eine Klage in der Hauptsache, mit der sie festgestellt haben wollen, dass die Beklagten ihnen die Nutzung des Werkes zumindest außerhalb Italiens nicht verbieten können. Das Landgericht Stuttgart hat der Klage stattgegeben und entschieden, dass die Beklagten keinen globalen Unterlassungsanspruch auf Grundlage des italienischen Kulturgüterschutzgesetzes haben.

Berufung des italienischen Kulturministeriums und der Gallerie dell'Accademia di Venezia

Gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart haben das italienische Kulturministerium und die Gallerie dell'Accademia di Venezia Berufung zum Oberlandesgericht Stuttgart eingelegt. Auch im Berufungsverfahren stützten die Beklagten ihr Unterlassungsverlangen weiterhin auf Bestimmungen des italienischen Codice dei beni culturali e del paesaggio („Gesetz zum Schutz des kulturellen Erbes"). Dabei stellten sie sich auf den Standpunkt, deutsche Gerichte dürften nicht über die Anwendung von Normen entscheiden, deren Erlass Ausdruck der Souveränität des italienischen Staates sei. Die Vorschriften hätten außerdem weltweit Gültigkeit. Ein Festhalten am sterilen Konzept der territorialen Grenzen sei angesichts der technischen Entwicklungen einer Einmischung in die Souveränität des Staates bezüglich des Schutzes seiner Kulturgüter gleichzusetzen. Zudem seien deutsche Gerichte wegen der vorangegangenen Anrufung eines italienischen Gerichts für eine Entscheidung nicht zuständig und vor allem nicht berechtigt, die von einem italienischen Gericht getroffene Entscheidung inhaltlich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

Entscheidung des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat mit heutigem Urteil vom 11. Juni 2025 der Berufung der Beklagten lediglich insoweit stattgegeben, als es für eine der Klägerinnen - eine italienische Tochtergesellschaft der Unternehmensgruppe - die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte verneint hat. Im Übrigen hat der Senat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und damit die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart bestätigt, nach der die Beklagten gegen den Puzzlehersteller keinen globalen Unterlassungsanspruch haben.

Denn deutsche Gerichte sind an die vorangegangene Entscheidung des italienischen Gerichts nicht gebunden und auch nicht an einer eigenen Entscheidung in der Sache gehindert. Das in Italien geführte Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz (vorläufiges Eilverfahren) ist mit dem nunmehr in Deutschland anhängigen Hauptsacheverfahren nicht identisch. Im Gegensatz zu der Hauptsacheentscheidung wird im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht mit Rechtskraftwirkung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs entschieden. Sondern Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist allein die vorläufige Sicherung eines Anspruchs oder Regelung eines Rechtsverhältnisses bis zu einer späteren rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache. Wegen dieses unterschiedlichen Zwecks greift weder die Sperrwirkung des europäischen Rechts (Art. 29 EuGVVO) ein, noch erfolgt eine inhaltliche Prüfung der von dem italienischen Gericht getroffenen Entscheidung.

In der Sache selbst hat der Senat entschieden, dass die Beklagten den Klägerinnen jedenfalls außerhalb des Staatsgebiets Italiens die Nutzung des Werkes nicht verbieten können. Die Vorschriften des italienischen Gesetzes zum Schutz des kulturellen Erbes sind dazu als Anspruchsgrundlage nicht geeignet, weil sie nur für das italienische Staatsgebiet Anwendung finden. Denn das völkerrechtlich geschützte Territorialitätsprinzip beschränkt die Geltung von Rechtsnormen auf das Territorium des jeweiligen Staates. Dieses basiert auf der Gebietshoheit eines Staates und erlaubt den Erlass, die Anwendung und Durchsetzung von Normen grundsätzlich nur innerhalb des jeweiligen Staatsgebiets. Außerhalb Italiens ist für die rechtliche Beurteilung vielmehr die jeweils in den einzelnen Staaten geltende Rechtslage maßgeblich.

Andere Anspruchsgrundlagen als der italienische Codice dei beni culturali e del paesaggio („Gesetz zum Schutz des kulturellen Erbes") werden von den Beklagten nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Ein globaler Unterlassungsanspruch besteht danach nicht.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Zwar hat der Senat die Revision nicht zugelassen. Den Beklagten steht aber die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof offen. Diese muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils eingelegt werden.

Aktenzeichen:
4 U 136/24 Oberlandesgericht Stuttgart
17 O 247/22 Landgericht Stuttgart



BMI: Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der NIS-2-Richtlinie und zur Regelung wesentlicher Grundzüge des Informationssicherheitsmanagements in der Bundesverwaltung - Stand 26.05.2025

Das BMI hat einen aktualisierten Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der NIS-2-Richtlinie und zur Regelung wesentlicher Grundzüge des Informationssicherheitsmanagements in der Bundesverwaltung - Stand 26.05.2025 (NIS-2-Umsetzungs- und Cybersicherheitsstärkungsgesetz) - Stand 26.05.2025 vorgelegt.

LG Frankfurt: Stiftung Warentest muss für unvertretbares Testergebnis Schadensersatz leisten - Rauchmeldertest

LG Frankfurt
Urteil vom 13.03.2025
2-03 O 430/21


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass die Stiftung Warentest für ein unvertretbares Testergebnis Schadensersatz leisten muss. Es ging um einen Rauchmeldertest.

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Prozessuales

Die Kammer entscheidet gemäß § 304 ZPO vorab über den Grund der vorliegenden Klage, da sowohl zum Grund als auch zum Betrag des Anspruchs Streit zwischen den Parteien besteht. Aus Gründen der Prozessökonomie erscheint es sinnvoll, eine zeitnahe rechtskräftige Entscheidung über den Grund des Anspruchs herbeizuführen, bevor die Höhe des mit Klageantrag zu 4 geltend gemachten Schadensersatzanspruchs im Rahmen weiterer Sachverhaltsaufklärung (und voraussichtlich durch Einholung eines Sachverständigengutachtens) ermittelt wird. Hinsichtlich der Höhe des mit Klageantrag zu 4 geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ist der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif.

Hinsichtlich des Klageantrags zu 2 (Urteilsveröffentlichung) konnte ein Teilurteil ergehen, da insoweit Entscheidungsreife vorliegt. Eine Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen besteht aufgrund der Entscheidung im Grundurteil nicht.

II. Klageantrag zu 4 (Schadensersatzanspruch dem Grunde nach)

Der klägerseits geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz besteht dem Grunde nach.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin folgt aus §§ 823 Abs.1, 31 BGB.

1. Der streitbefangene Testbericht genügte nicht den von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien an einen Warentest. Der Testbericht und insbesondere das Qualitätsurteil „mangelhaft“ begründen einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin.

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessenssphäre anderer ergeben. Die Behinderung der Erwerbstätigkeit ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Interessen der anderen Seite überwiegt (BGH, NJW 2012, 2579 Rn. 27, mwN). Dem geschützten Rechtsgut des Gewerbebetriebs steht die ebenso geschützte Freiheit zur Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) des Testinstituts gegenüber, das sich mit dessen Produkten befasst und die Befriedigung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit – der Verbraucher – an dessen Waren für sich in Anspruch nimmt.

Die Veröffentlichung eines nicht zu Wettbewerbszwecken erfolgenden vergleichenden ... ist zulässig, wenn die dem Testbericht zugrunde liegende Untersuchung neutral, sachkundig und objektiv im Sinne eines Bemühens um objektive Richtigkeit durchgeführt worden ist und sowohl die Art des Vorgehens bei der Prüfung als auch die aus den Untersuchungen gezogenen Schlüsse vertretbar, d. h. diskutabel, erscheinen (st. Rspr., vgl. nur: BGH GRUR 1989, 539 – Warentest V). Unter diesen Voraussetzungen ist dem Tester in der Frage der Angemessenheit der Prüfungsmethoden, der Auswahl der Testobjekte und der Darstellung der Untersuchungsergebnisse ein erheblicher Entscheidungsfreiraum einzuräumen, weil nur das der Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG für derartige Veröffentlichungen auch in Ansehen ihrer volkswirtschaftlichen Funktion für Markttransparenz und Verbraucheraufklärung entspricht und nur so der Gefahr entgegengewirkt werden kann, dass vergleichende Warentests wegen der Angriffspunkte, die solche Entscheidungen der Tester in Bezug auf Verfahren und Art der Darstellung den Herstellern von schlechter beurteilten Produkten immer bieten werden, von vornherein unterbleiben (BGH, GRUR 1989, 539 – Warentest V).

Grenzen sind diesem Gestaltungs- und Beurteilungsermessen des Testers u.a. dort gesetzt, wo unter Verstoß gegen § 824 Abs. 1 BGB unwahre Tatsachen behauptet werden oder die Untersuchungsmethode bzw. die gezogenen Schlüsse nicht mehr diskutabel erscheinen (BGH a. a. O. – Warentest V; Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 10 Rn. 118) und dadurch eine als Werturteil anzusehende Aussage rechtswidrig in den nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingreift. Das heißt, die Untersuchungen müssen neutral, objektiv und sachkundig durchgeführt worden sein und sowohl die Art des Vorgehens bei der Prüfung als auch die aus den Untersuchungen gezogenen Schlüsse vertretbar, das heißt diskutabel, erscheinen.

2. Dies war vorliegend nicht der Fall. Der dem Testbericht zugrundliegende durch die [Association] durchgeführte Rauchmeldertest war nicht sachkundig durchgeführt und das so gewonnene Testergebnis war nicht vertretbar. Hierauf aufbauend waren die aus den durchgeführten Prüfungen gezogenen Schlüsse, namentlich die mit dem ursprünglichen Unterlassungsantrag angegriffenen Äußerungen und das Testergebnis, insbesondere das test-Qualitätsurteil „mangelhaft“, ebenfalls nicht mehr „diskutabel“ im Sinne der Rechtsprechung.

Die beiden Testfeuer TF 3 Glimmschwelbrand (Baumwolle), also sowohl das erste Testfeuer TF 3 am 26.08.2020 als auch die Absicherungsprüfung hinsichtlich des Testfeuers TF 3 am 29.10.2020, entsprachen nach den nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen ...in dessen schriftlichen Gutachten (Bl. 243 der Papierakte) und in der mündlichen Verhandlung am 25.01.2024 (Bl. 371 der Papierakte, 284 der E-Akte) nicht den Anforderungen der EN 14604:2005 und waren für die getesteten Rauchwarnmelder der Klägerin in der vorgegebenen Zeit nicht detektierbar.

Dies folgt daraus, dass der (durch die Anlage H zur DIN EN 14604:2005 festgelegte) Grenzkorridor gemäß den Graphen für die Funktion m über y (m=f(y)), der die Sichtbarkeit des beim Testfeuer produzierten Rauchs abbildet, bei beiden Testfeuern (Anlagen B 13 und B 14, Bl. 151 ff. d. Papierakte) nicht eingehalten wurde. Die Ergebnisse beider Testfeuer TF 3, also sowohl der ersten Testung am 26.08.2020 (Bl. 152 der Papierakte) und der erneuten Testung am 29.10.2020 (Bl. 155 der Papierakte), bei denen Rauchwarnmelder der Klägerin nicht rechtzeitig anschlugen, wären jeweils als ungültig zu bewerten gewesen und hätten wiederholt werden müssen.

Der durch das Testfeuer TF 3 produzierte Rauch war gemäß den überzeugenden, widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2024 (Bl. 371 der Papierakte) für den jeweiligen Feuermelder nicht hinreichend „sichtbar“. Wie der Sachverständige nachvollziehbar erläuterte, beschreibt der in der DIN EN 14604:2005 festgelegte Grenzkorridor für die Funktion m über y (m=f(y)) die Sichtbarkeit des Rauchs für den Rauchmelder. Die Sichtbarkeit des Rauchs hängt nach den Ausführungen des Sachverständigen von der Konzentration der Rauchpartikel ab. Demnach sei – so der Sachverständige – der Rauch lediglich in dem Bereich des festgelegten Grenzkorridors (vgl. Anlage H zur DIN EN 14604:2005, Anlage K 3, dort S. 51) für den optischen Rauchmelder sichtbar bzw. detektierbar, während bei einem Unterschreiten des Grenzkorridors eine Sichtbarkeit der Rauchpartikel für den Rauchmelder nicht gegeben sei. Der Grenzkorridor lege insoweit fest, wann der Rauchmelder überhaupt auslösen könne.

Bei beiden Testfeuern TF 3 (am 26.08.2020 und am 29.10.2020) war aus dem Graphen für die Funktion m über y (m=f(y)) jeweils der Grenzkorridor nicht eingehalten und konnten folglich die getesteten Rauchmelder der Klägerin nicht in der vorgesehen Zeit auslösen.

Der Sachverständige führte dabei auch nachvollziehbar und überzeugend aus, dass sich durch die Unterschreitung des Grenzkorridors in den Graphen für die Funktion m über y (m=f(y)) die Bedingungen für das getestete Gerät erheblich erschwerten, weil nicht genug sichtbarer Rauch bzw. keine ausreichende Rauchdichte, vorhanden gewesen sei (vgl. Protokoll zur mündlichen Verhandlung am 25.01.2024, Bl. 374 der Papierakte).

Vor diesem Hintergrund war die durch die [Association] vertretene Ansicht nicht vertretbar, die beiden Testfeuer TF 3 betreffend die Rauchwarnmelder der Klägerin seien trotz der Unterschreitung des Grenzkorridors gemäß den Graphen für die Funktion m über y (m=f(y)) „gültig“, weil die Unterschreitung der Grenzlinie dazu führe, dass mehr Rauchpartikel vorhanden und der Rauch sogar leichter zu detektieren gewesen wäre. Eine solche Annahme steht nicht nur im Widerspruch zu den überzeugenden Erläuterungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen ... in seinem Gutachten und in der mündlichen Anhörung, wonach der Rauch für die Rauchmelder nicht sichtbar war und diese daher innerhalb der vorgesehenen Zeit nicht auslösen konnten und mussten.

Eine solche Annahme ist auch mit den Vorgaben in der DIN EN 14604:2005 nicht vereinbar. Darin es unter Ziffer 5.15.2.1 heißt (Unterstreichung hinzugefügt):

„Die Prüflinge müssen den vier Prüfbränden TF 2 bis TF 5 ausgesetzt werden. In den Anhängen G bis J werden für jeden Prüfbrand Art, Menge und Anordnung des Brennstoffs sowie das Verbrennungsverfahren, das Ende der Prüfung und die für die Profilkurven geforderten Grenzwerte festgelegt.

Der Prüfbrand ist nur dann gültig, wenn er sich so entwickelt, dass die Profilkurven für m in Abhängigkeit von y bzw. für m in Abhängigkeit von der Zeit bis zu dem jeweils früheren Zeitpunkt, an dem entweder alle Prüflinge ein Alarmsignal erzeugt haben oder bis das Ende der Prüfung erreicht ist, innerhalb vorgegebener Grenzen liegen. Falls diese Bedingungen nicht erfüllt werden, ist die Prüfung ungültig und muss wiederholt werden. Um gültige Prüfbrände zu erreichen, kann eine Veränderung der Brennstoffmengen und der Brennstoffanordnung zulässig bzw. erforderlich sein.“

Das Vorgehen der [Association], diese klare Vorgabe zu ignorieren und auch Testfeuer, in welchen der Grenzkorridor nicht eingehalten wurde, für gültig zu erklären (sofern es sich um eine Abweichung nach unten handelte), war nach alledem unvertretbar. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass nach den Ausführungen der Beklagten die interne Arbeitsanweisung der [Association] (Anlage B 23), die durch die Akkreditierungsstelle geprüft und nicht beanstandet worden sei, ein entsprechendes Vorgehen vorsah. Auch diese Arbeitsanweisung beruht auf der unzutreffenden Annahme, dass ein Abweichen des Grenzkorridors für die Funktion m über y (m=f(y)) nach unten „günstig“ für die Rauchwarnmelder sei.

Nach alledem war die Durchführungen der beiden Testfeuer TF 3 nicht nur mit der DIN EN 14604:2005 nicht vereinbar und wären die Testfeuer aus diesem Grunde zu wiederholen gewesen. Die getesteten Rauchmelder konnten nach den eindeutigen Ausführungen des Sachverständigen … die Testfeuer TF 3 wegen eines Mangels an sichtbarem Rauch nicht in der vorgegebenen Zeit detektieren.

Dass hierauf der streitgegenständliche Testbericht und insbesondere die mit der hiesigen Klage ursprünglich angegriffenen konkreten Äußerungen und das Testergebnis „mangelhaft“ beruhten, liegt auf der Hand und wird auch von den Parteien nicht in Zweifel gezogen. Insbesondere bestanden die Rauchmelder der Klägerin die anderen Testfeuer bzw. lösten den Alarm innerhalb der vorgegebenen Zeit (spätestens während der Absicherungsprüfung) aus. Zwar löste eines der getesteten Geräte im Rahmen des Testfeuers TF 4 am 26.08.2020 nicht rechtzeitig aus. Allerdings lösten sodann im Rahmen der Absicherungsprüfung zum Testfeuer TF 4 alle getesteten Geräte der Klägerin innerhalb der vorgegebenen Zeit aus.

Gemäß den Ausführungen im streitgegenständlichen Testbericht war die Kategorie „Zuverlässigkeit des Alarms“, in der die Klägerin mit „mangelhaft“ bewertet wurde, mit 50% gewichtet (vgl. Anlage K 1, S. 65). Gemäß dem neben dem Wort „mangelhaft“ angebrachten Sternchen-Symbol führte das Ergebnis „mangelhaft“ in der Kategorie „Zuverlässigkeit des Alarms“ zu einer Abwertung für das gesamte test-Qualitätsurteil. Dies führte dazu, dass der [X] [P] insgesamt das Qualitätsurteil „mangelhaft“ erhielt, obwohl er in den weiteren bewerteten Unterkategorien (Lautstärke des Alarms, Handhabung, Robustheit und Deklaration) jeweils mit den Noten „gut“ bzw. „sehr gut“ bewertet worden war.

Das Testergebnis basierte nach alledem auf einer unvertretbaren Tatsachengrundlage und war gemessen an den oben dargelegten Grundsätzen nicht mehr „diskutabel“ und auch nicht mehr von dem der Beklagten zuzugestehenden Beurteilungsspielraum gedeckt. Das Testergebnis gründet erkennbar (allein oder jedenfalls maßgeblich) auf der Annahme, dass die Rauchmelder der Klägerin bei den Testfeuern TF 3 nicht rechtzeitig ausgelöst hatten. Andere Gründe für das schlechte Abschneiden des Rauchwarnmelders der Klägerin sind aus dem Testbericht nicht ersichtlich und nicht dargetan.

3. Bei einem fehlerhaften Test, der nicht durch den Beurteilungsspielraum gedeckt wird (also unvertretbar ist), haftet das Testinstitut nach den Grundsätzen der unerlaubten Handlung. Voraussetzung dieser Haftung ist ein Verschulden des Testinstituts. Da Voraussetzung der Haftung gerade die Unvertretbarkeit der Bewertung ist, muss sich das Verschulden auch auf diese Frage beziehen, das heißt, das Testinstitut muss vor der Veröffentlichung erkannt haben oder infolge Fahrlässigkeit nicht bemerkt haben, dass diese Bewertung nicht vertretbar ist. Die Beklagte treffen in diesem Zusammenhang besondere Sorgfaltspflichten. An sie sind wegen der von ihr in Anspruch genommenen besonderen Vertrauenswürdigkeit, der weiten Verbreitung ihrer Berichte und der daraus resultierenden möglichen weitreichenden Folgen ihrer Äußerungen hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BGH NJW 1976, 268 – Warentest II; BGH NJW 1986, 330, 331 – Warentest III).

Gemessen an diesen Grundsätzen ergibt sich gleichwohl ein Verschulden der Beklagten noch nicht aus dem Umgang der Beklagten mit den Einwendungen der Klägerin mit E-Mail (Anlage K 17) und im anwaltlichen Schreiben vom 29.10.2020 (Anlage K 18), nachdem die Beklagte dieser das Testergebnis im Rahmen der Anbietervorinformation mitgeteilt hatte.

Zwar erhob die Klägerin in diesen Schreiben – soweit ihr das aufgrund der Vorinformation möglich war – konkrete Einwände gegen das Testergebnis. Sie wies insbesondere darauf hin, dass die Produkte [P] und [PC] nicht baugleich seien und vor diesem Hintergrund ausgeschlossen erscheine, dass die Testergebnisse zwischen den beiden Produkten identisch ausfielen. Ferner wies sie darauf hin, dass die Messergebnisse auch deswegen „höchst ungewöhnlich“ seien, weil die Testfeuer TF 3 und TF 4 als „nicht bestanden“ ausgewiesen seien, während der „mit weitem Abstand am schwersten zu detektierende Testbrand TF2“ bestanden sei. Als naheliegendste Erklärung komme in Betracht, dass der Tester bei den nicht bestandenen Testbränden die Alarm-Stummschalttaste gedrückt habe. Mit anwaltlichem Schreiben ebenfalls vom 29.10.2020 (Anlage K 18) ließ die Klägerin überdies u.a. die Prüfberichte der ...Testzentrums GmbH und von … Ltd. übermitteln, aus denen sich ergebe, dass die Geräte der Klägerin sämtliche Testbrände stets bestanden hätten und schlug vor, mit den bereits von der Beklagten getesteten Feuermeldern einen erneuten Test durch die … Testzentrum GmbH durchführen zu lassen.

Hierauf blieb die Beklagte indes nicht untätig, sondern sie leitete der [Association] die E-Mail der Klägerin weiter. Ferner erkundigte sie sich, ob die Vermutung der Klägerin, dass während des Tests die Alarm-Stammschalttaste gedrückt gewesen sei, ausgeschlossen werden könne, was die [Association] bestätigte. Das nicht getestete Modell [PC] nahm die Beklagte aus dem Test. Zuvor hatte die Beklagte bereits die Absicherungsprüfung durch die [Association] veranlasst, welche parallel zur Vorinformation stattfand, jedoch im Hinblick auf das Testfeuer TF 3 den ersten Test insoweit „bestätigte“, als wieder ein Rauchmelder der Klägerin nicht rechtzeitig alarmierte.

Die Beklagte ist im Hinblick auf die Einwendungen der Klägerin auf die Vorinformationen ihren Sorgfaltspflichten jedenfalls dadurch nachgekommen, dass sie das von ihr mit der Testung beauftragte Institut [Association] mit den Einwendungen der Klägerin konfrontierte.

Im Rahmen der die Beklagte treffenden Sorgfaltspflicht war es hingegen nicht erforderlich, dass die Beklagte der Forderung der Klägerin nachkam, einen erneuten Test durch die … Testzentrum GmbH durchführen zu lassen. Die Auswahl eines geeigneten Testinstituts für die von der Beklagten beauftragten Warentests liegt originär im Verantwortungs- und Entscheidungsbereich der Beklagten selbst und (aus offensichtlichen Gründen) gerade nicht des getesteten Warenproduzentens. Insbesondere ist nicht dargelegt oder ersichtlich, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt bereits konkreten Anlass hatte, an der ordnungsgemäßen Durchführung der Testung durch die [Association] zu zweifeln.

Solche Zweifel ergaben sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass in der Anbietervorinformation die gleichen Testergebnisse für die Modelle [P] und [PC] auswies und dies – so die Vermutung der Klägerin – auf eine Verwechslung der beiden (unstreitig nicht baugleichen) Modelle durch die [Association] hindeute. Nach dem Vortrag der Beklagten war es nicht die [Association], die die Daten des von der [Association] getesteten Modells [P] versehentlich für das Modell [PC] übernommen hatte, sondern die Beklagte selbst. Dies sei auf eine E-Mail der Klägerin vom 01.12.2015 zurückzuführen, im Rahmen derer die Klägerin selbst mitgeteilt habe, dass die Produkte [P] und [PC] baugleich seien. Diese Fehlinformation korrigierte die Beklagte auf Hinweis der Klägerin rechtzeitig vor der Veröffentlichung.

Soweit die Beklagte ferner geltend machte, dass es „höchst ungewöhnlich“ sei, dass die Testfeuer TF 3 und TF 4 nicht bestanden seien, während der „am schwersten zu detektierende Testbrand TF2“ bestanden sei, musste auch dieser Hinweis nicht zwingend Zweifel an der Zuverlässigkeit der Testung durch die [Association] bei der Beklagten aufkommen lassen. Die DIN EN 14604:2005 sah eine Testung mit vier verschiedenen Arten von Bränden vor und bestimmte, dass die Prüfgeräte bei allen vier Prüfbränden vor dem Ende der Prüfung den Alarm auslösen müssen. Wäre es faktisch ausgeschlossen, dass Rauchmelder das Testfeuer TF 2 bestehen, nicht jedoch die – nach Ansicht der Klägerin – leichter zu detektierenden Testfeuer TF 3 und TF 4, so wäre das durch die DIN EN 14604:2005 vorgesehene Prüfprogramm nicht plausibel. Die Beklagte hatte keinen Anlass hiervon auszugehen.

Unstreitig lagen der Beklagten überdies zu diesem Zeitpunkt die Graphen für die Funktion m über y (m=f(y)) (B 13 und B 14), aus welchen sich die Unterschreitung der Grenzkorridore bei den TF 3 ergab, nicht vor. Diese Graphen waren nicht Teil des Prüfgutachtens (Anlage B 11, dort S. 79 f., USB-Stick). Vielmehr erhielt die Beklagte von der [Association] betreffend den getesteten Rauchmelder der Klägerin lediglich eine Tabelle, aus der sich in der letzten Spalte unter der Überschrift „Résult“ jeweils ein „P“ für „Pass“ (bestanden) oder ein „F“ für „Fail“ (durchgefallen) ergab, sowie die Graphen der Funktion „m über t“. Gemäß Abschnitt A.3.2 des Prüfprogramms (Anlage K 9) ergab sich auch nicht, dass diese Graphen Teil des Prüfberichts sein mussten.

Folglich verfügte die Beklagte vor der Veröffentlichung nicht über die notwendigen Unterlagen, um die ordnungsgemäße Durchführung der Testfeuer durch die [Association] entsprechend der EN 14604:2005 Abschnitt 5.15, was gemäß Abschnitt D 5 (S. 12) des von der Beklagten entwickelten Prüfprogramms für das Projekt „Rauchmelder“ vom 09.06.2020 (Anlage B 5, Anlagenband -Leitzordner) war, zu überprüfen.

Das von der [Association] an die Beklagte übersandte Prüfgutachten (Anlage B 11) ließ insoweit keine Abweichungen von den Vorgaben gemäß Abschnitt D.5 des Prüfprogramms und der DIN EN 14604:2005 erkennen. Die Beklagte hatte aufgrund des Prüfgutachtens keinen Anlass, an der Ordnungsmäßigkeit der Durchführung der Testfeuer zu zweifeln.

4. Eine Haftung der Beklagten nach § 831 BGB für ein Verschulden der [Association] scheidet aus, da die [Association] nicht Verrichtungsgehilfin der Beklagten war. Denn sie handelte als selbstständiges Unternehmen, war nicht in den Organisationsbereich der Beklagten eingegliedert und stand im Rahmen der Testung auch nicht im Abhängigkeitsverhältnis zu der Beklagten (vgl. MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, BGB § 831 Rn. 17 f.).

5. Die Beklagte haftet jedoch nach §§ 823 Abs. 1, 31 BGB eines Organisationsverschuldens nach den Grundsätzen einer Fiktionshaftung.

a. Eine Haftung nach den Grundsätzen eines Organisationsverschuldens der Organe ohne Exkulpationsmöglichkeit wird nach der Rechtsprechung über den Wortlaut des § 31 BGB hinaus für Organisationsmängel angenommen. Demnach haben die Organe einer juristischen Person diese so organisieren, dass für alle wichtigen Aufgaben ein verfassungsgemäßer Vertreter im Sinne des § 30 BGB zuständig ist, der die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Entspricht die Organisation diesen Anforderungen nicht, muss sich die juristische Person so behandeln lassen, als wäre der tatsächlich eingesetzte Vertreter ein verfassungsgemäßer Vertreter, für dessen Handeln sie ohne Exkulpationsmöglichkeit nach § 31 BGB haftet (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl., § 31, Rn. 8 f.).

Dies wird im Bereich des Äußerungsrechts etwa für Medienunternehmen/Verleger/Rundfunkanstalten im Falle von Veröffentlichungen angenommen, die ein besonderes Risikopotential beinhalten und für den Betroffenen mit besonderen Nachteilen verbunden sein können (sich mit einem sog. „heißen Eisen“ befassen), in denen in besonderem Maße Verletzungen des Persönlichkeitsrechts oder Unternehmensrechts drohen (vgl. BGH, GRUR 1963, 490, 492 – Fernsehansagerin; BGH, NJW 1980, 2810, 2811 – Medizin-Syndikat; Steffen/Lauber-Rönsberg in Löffler, Presserecht, § 6 LPG Rn. 522 m.w.N.). In diesem Falle sollen die Geschäftsführer verpflichtet sein, durch organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass unberechtigte Eingriffe in fremde Rechtssphären vermieden werden. Allein im Hinblick auf das Ausmaß materieller und immaterieller Schäden, die durch unzulässige Veröffentlichungen betroffenen Personen drohen, dürfe die Entscheidung über die Aufnahme von Reportagen nicht allein Redakteuren überlassen werden. Das Medienunternehmen hafte daher nach § 831 und § 823 BGB für angerichtete Schäden und könne die Verantwortung nicht allein Redakteuren zuschieben (BGH, GRUR 1963, 490, 492 – Fernsehansagerin). Hiernach müssen Verleger und Herausgeber einen besonders gefährlichen Beitrag, mit dem ehr- oder persönlichkeitsrechtliche Beeinträchtigungen verbunden sind, grundsätzlich entweder selbst überprüfen oder dem damit beauftragten Dritten Organstellung i.S.d. §§ 30, 31 BGB verschaffen, so dass sie für sein Verschulden ohne Entlastungsmöglichkeit einzustehen haben.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE250000614


LG Frankfurt: Smartphoneaufnahmen vom Tagesgeschehen sind als Laufbilder gemäß § 95 UrhG geschützt

LG Frankfurt
Urteil vom 16.05.2025
2-06 O 299/24


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass Smartphoneaufnahmen vom Tagesgeschehen als Laufbilder gemäß § 95 UrhG geschützt sind.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Urheberrecht - Handyaufnahmen genießen urheberrechtlichen Schutz
Smartphoneaufnahmen von Tagesgeschehnissen, z. B. von Naturereignissen, sind urheberrechtlich geschützt. Die ausschließlichen Nutzungsrechte daran können an ein Medienunternehmen übertragen werden. Darüber hat das Landgericht Frankfurt am Main am 16.05.2025 (Aktenzeichen 2-06 O 299/24) entschieden.

Im Juni 2024 kam es in einer Gemeinde von Baden-Württemberg zu einem Hochwasser. Eine Privatperson filmte die Überschwemmung mit ihrem Smartphone. Genau in diesem Moment brach aufgrund der Wassermassen eine Lärmschutzwand. Am Morgen des nächsten Tages bot ein Medienunternehmen, die spätere Beklagte, Standbildaufnahmen dieses Videos über einen Newsletter und auf ihrer Webseite gegen Entgelt an. Der Kläger des späteren Verfahrens betreibt ebenfalls eine Nachrichtenagentur. Vor dem Landgericht Frankfurt am Main berief er sich darauf, der Ersteller des Videos habe ihm die Rechte daran zur ausschließlichen Nutzung schon vorher, nämlich am selben Tag der Aufnahme von dem Naturereignis übertragen.

Die auch für das Urheberrecht zuständige 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main hat der Klage stattgegeben. Die Richterinnen und Richter gelangten nach einer Zeugenvernehmung zu der Überzeugung, dass die Person, die das Video erstellt hatte, dem Kläger „exklusiv“ die ausschließlichen Nutzungsrechte daran übertragen hatte. Der Kläger könne daher von dem beklagten Medienunternehmen verlangen, dass es die Verbreitung der Standbildaufnahmen aus dem Video unterlasse. Außerdem stünde ihm ein Schadensersatzanspruch wegen der Verbreitung der Bilder zu.

Bei dem streitgegenständlichen Video handele es sich um ein sog. Laufbild, also eine Bild- und Tonfolge ohne Filmcharakter. „Das Video gibt ein Naturereignis in Echtzeit wieder und wurde weder bearbeitet noch fanden andere gestalterische Leistungen statt. Vielmehr handelt es sich um eine einfache, alltägliche Aufnahme ohne die für ein Filmwerk notwendige Schöpfungshöhe“, erklärte die Kammer in ihrem Urteil. Ohne Filmcharakter seien auch Live-Berichterstattungen in Nachrichtensendungen und Berichte über aktuelle Ereignisse, bei welchen wegen des zeitlichen Drucks keine schöpferische Gestaltung möglich sei. Für ein Filmwerk sei hingegen die Leistung eines Regisseurs, Kameramanns oder sonstiger Personen charakteristisch, die bei der Umsetzung des Gedankeninhalts mit filmischen Mitteln schöpferisch mitwirkten.

Wenngleich die Smartphoneaufnahme von dem Hochwasserereignis demnach kein Filmwerk darstelle, ordne § 95 des Urhebergesetzes an, dass auch solche Laufbilder von urheberrechtlichem Schutz profitieren. An den Aufnahmen könne der Ersteller einer anderen Person zudem Rechte zur ausschließlichen Nutzung einräumen. Indem die Beklagte das Video kommerziell angeboten und weitergegeben habe, habe sie in die zuvor von dem Kläger erworbenen ausschließlichen Nutzungsrechte eingegriffen.

Dem Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch des Klägers stünde auch nicht entgegen, dass oder ob das Video bereits kurze Zeit nach dem Hochwasserereignis auf sozialen Netzwerken verbreitet worden sei. „Denn auch nach dem Teilen eines Inhalts auf einer Social Media Plattform kann der Urheber einem Dritten ein ausschließliches Nutzungsrecht an dem Inhalt einräumen“, erklärte das Gericht.

Das Urteil vom 16.05.2025 (Aktenzeichen 2-06 O 299/24) ist nicht rechtskräftig. Es wird in Kürze unter

Auszug aus dem Urhebergesetz
§ 95 Laufbilder. Die §§ (…), 94 sind auf Bildfolgen und Bild- und Tonfolgen, die nicht als Filmwerk geschützt sind, entsprechend anwendbar.

§ 94 Schutz des Filmherstellers. Der Filmhersteller hat das ausschließliche Recht, (…) den Bild- und Tonträger (…) zu vervielfältigen, zu verbreiten und zu veröffentlichen (…).


BGH: Rücktritt von einem Bauträgervertrag schließt bereits verwirkte Vertragsstrafe nicht aus

BGH
Urteil vom 22.05.2025
VII ZR 129/24
BGB § 339 Satz 1, § 341 Abs. 1, § 346 Abs. 1, § 347 Abs. 1 Satz 1, § 650u Abs. 1 Satz 1


Der BGH hat entzschieden, dass der Rücktritt von einem Bauträgervertrag eine bereits verwirkte Vertragsstrafe nicht ausschließt.

Leitsatz des BGH:
Tritt ein Besteller aufgrund eines ihm in einem Bauträgervertrag vertraglich eingeräumten Rücktrittsrechts wegen nicht termingerechter Fertigstellung eines abnahmereifen Bauwerks von dem Vertrag zurück, erlischt hierdurch nicht der Anspruch auf Zahlung einer vereinbarten und bereits verwirkten Vertragsstrafe wegen des Verzugs des Unternehmers mit der Fertigstellung, sofern die Parteien nichts Abweichendes vereinbart haben.

BGH, Urteil vom 22. Mai 2025 - VII ZR 129/24 - KG Berlin - LG Berlin II Tegeler Weg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Frankfurt: Kein wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 11 Abs. 1 ApoG durch Vorauswahl einer Apotheke durch eine telemedizinische Plattform

LG Frankfurt
Beschluss vom 28.05.2025
2-06 O 150/25

Das LG Frankfurt hat entschieden, das kein wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 11 Abs. 1 ApoG durch Vorauswahl einer Apotheke durch eine telemedizinische Plattform vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Es fehlt jedenfalls an einem Verfügungsanspruch.

1. Ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 ApoG liegt nicht vor. Gemäß § 11 Abs. 1 ApoG dürfen Erlaubnisinhaber und Personal von Apotheken, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, mit Ärzten oder anderen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen, oder mit Dritten keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen oder die Fertigung von Arzneimitteln ohne volle Angabe der Zusammensetzung zum Gegenstand haben. Dies gilt auch für Rechtsgeschäfte oder Absprachen, die die Zuweisung von Verschreibungen in elektronischer Form oder von elektronischen Zugangsdaten zu Verschreibungen in elektronischer Form zum Gegenstand haben. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Apotheken, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum liegen, sowie deren Inhaber, Leiter oder Personal, soweit diese Apotheken Patienten in Deutschland mit Arzneimitteln versorgen.

a. Der Beklagte ist zwar als Apotheker in Deutschland Normadressat und zwischen den Parteien besteht auch ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, da beide auf dem Gebiet des Versandhandels mit Medikamenten (speziell medizinischem Cannabis) tätig sind.

b. Durch die Teilnahme des Beklagten an der Plattform S ist auch davon auszugehen, dass zwischen dem Beklagten und S bestimmte „Absprachen“ zur Funktionsweise der Plattform (einschließlich des Premium-Lieferservice-Modells) und den Rechten und Pflichten des Beklagten und von S getroffen wurden, wenn auch, soweit ersichtlich, nur im Rahmen eines Nutzungsvertrags auf der Grundlage von AGB.

c. Es liegt jedoch zwischen dem Beklagten und S als Drittem i.S.d. § 11 Abs. 1 ApoG keine Absprache vor, die eine (unzulässige) Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand hat.

aa. Untersagt sind nach § 11 Abs. 1 S. 1 ApoG zunächst vor allem jedwede Absprachen, die auf einen Leistungsaustausch des Dritten mit dem Patienten bzw. Kunden gerichtet sind, d.h. die Zuweisung von Patienten an den Arzt bzw. die Zuweisung von Patienten an die Apotheke, insbesondere durch Zuweisung von Verschreibungen. Erforderlich ist hierbei, dass die ärztliche Verschreibung dem Patienten nicht ausgehändigt, sondern direkt an die Apotheke weitergeleitet wird (Spickhoff/Sieper, ApoG, 4. Aufl. 2022, § 11 Rn. 3 m.w.N.). Die Regelung des § 11 Abs. 1 S. 1 ApoG schützt das Vertrauen der Verbraucher in die Unabhängigkeit der Tätigkeit des Apothekers, so dass [ref=d3fc746a-bc1f-4aac-b854-9d7c2b9bcd6a]§ 11 Abs. 1 S. 1 ApoG[/ref] sicherstellen soll, dass sich der Erlaubnisinhaber einer Apotheke bei seinem Kontakt zu anderen Gesundheitsberufen nicht von sachfremden und vor allem nicht von finanziellen Erwägungen leiten lässt (Spickhoff/Sieper, ApoG, 4. Aufl. 2022, § 11 Rn. 1 m.w.N.). Der Apotheker soll seine Kontrollfunktion bei der Belieferung von Verschreibungen eigenverantwortlich wahrnehmen. Zudem soll das Recht des Patienten auf freie Wahl der Apotheke gewahrt werden, sodass es nicht zu einem Tätigwerden der beteiligten Berufsträger über den Kopf des Patienten hinweg ohne dessen Einflussmöglichkeit kommen darf (vgl. Spickhoff/Sieper, ApoG, 4. Aufl. 2022, § 11 Rn. 3 m.w.N.).

Eine Absprache kann stillschweigend getroffen werden oder aus einer eingespielten Übung heraus entstanden sein. Es liegt jedoch keine unzulässige Absprache i.S.d. § 11 Abs. 1 ApoG vor, wenn die Zuweisung der Verschreibung einer zuvor von den Patienten getroffenen Auswahlentscheidung an die gewählte Apotheke folgt (vgl. Spickhoff/Sieper, ApoG, 4. Aufl. 2022, § 11 Rn. 3 m.w.N.). Am Merkmal der Zuweisung kann es dann fehlen, wenn der Arzt dem Patienten vor der Anwendung eines Applikationsarzneimittels hierzu neutral verschiedene Auswahlmöglichkeiten an die Hand gibt, etwa in Form der Aushändigung des Rezepts an den Patienten oder in Form der Beauftragung des Arztes mit der Einlösung in einer vom Patienten bestimmten Apotheke oder in einer vom Arzt selbst ausgewählten Apotheke, und der Patient sich dann für die zuletzt genannte Möglichkeit entscheidet (BGH, GRUR 2016, 213 Rn. 23 – Zuweisung von Verschreibungen; Spickhoff/Sieper, ApoG, 4. Aufl. 2022, § 11 Rn. 3).

bb.In Anwendung dieser Grundsätze liegt eine unzulässige Zuweisung nicht vor.

Von der Klägerin wurde zuletzt unstreitig gestellt, dass auf der Plattform S die alternative Option „Elektronisches Rezept (ohne Medikamente)“ bzw. „Elektronisches Rezept (ohne Medikamente) – Abholung in der Apotheke“ für jedes Produkt angeboten wird. Über diese Option werden auch die jeweiligen Apotheken mit ihren Verfügbarkeiten zur Auswahl angeboten.

(1) Eine unzulässige Einschränkung liegt nicht schon deshalb vor, weil S zwei verschiedene Wege der Bestellung aufzeigt.

Auf der Plattform S wird sowohl bei der Option „Premium-Service“ als auch bei der Option „Elektronisches Rezept (ohne Medikamente)“ die ärztliche Verschreibung dem Patienten nicht ausgehändigt, sondern direkt an die Apotheke weitergeleitet. Während im Rahmen der Option „Premium-Service“ die Plattform die Auswahl einer bestimmten Apotheke vornimmt, nimmt der Patient im Rahmen der Option „Elektronisches Rezept (ohne Medikamente)“ selbst die Auswahl einer Apotheke vor. Dadurch, dass dem Patienten zum einen die Auswahl zwischen „Premium-Service“ und der Option „Elektronisches Rezept (ohne Medikamente)“ angeboten wird, und dadurch, dass der Patient im Rahmen der letzteren Option eine bestimmte Apotheke auswählen kann, worauf er auch ausdrücklich hingewiesen wird, indem ihm offenbart wird, dass mit dem Premium-Service S automatisch eine Apotheke für den Kunden auswählt, wird insgesamt das Recht des Patienten auf freie Apothekenwahl (§ 31 Abs. 1 S. 5 SGB V) nicht in unzulässiger Weise beschränkt.

Auch wenn im Rahmen des Premium-Service eine automatische Apothekenauswahl erfolgt, ist zu beachten, dass der Patient sein Wahlrecht bereits vorab durch Auswahl des Premium-Service am Ende des Bestellprozesses dahingehend ausgeübt hat, dass er der Plattform die Auswahl der konkreten Apotheke überlässt. Die Auswahl der konkreten Apotheke wird somit nicht ohne jegliche Einflussnahme des Patienten auf dem Weg von der ärztlichen Verschreibung bis zum Erhalt des Medikaments von der Apotheke getroffen. Vielmehr stehen dem Patienten verschiedene Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung, nämlich (1) Einlösung des Rezepts bei einer vom Patienten bestimmten Apotheke mit Abholung; (2) Einlösung des Rezepts bei einer vom Patienten bestimmten Apotheke mit Versand und (3) Einlösung des Rezepts bei einer im Auftrag des Patienten von der Plattform ausgewählten Apotheke mit Versand. Im Rahmen der beiden ersten Optionen bleibt dem Patienten die Auswahl der konkreten Apotheke überlassen. Der Umstand, dass die Plattform dem Patienten – neben anderen Optionen der direkten Apothekenauswahl - die Möglichkeit gibt, die Auswahl einer konkreten Apotheke auf die Plattform zu übertragen, ist jedoch nicht unzulässig (vgl. BGH, GRUR 2016, 213 Rn. 23). Damit wird der Patient insgesamt nicht in seiner freien Apothekenwahl eingeschränkt.

(2) Die Apothekenwahlfreiheit des Patienten wird auch nicht durch die konkrete Gestaltung und Funktionalität der Plattform „S“ in unzulässiger Weise beeinträchtigt.

Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass die weiteren von der Klägerin beanstandeten Gestaltungsmerkmale den „Premium Service“ prominenter bewerben als den „Standardservice“. Dies führt jedoch noch nicht dazu, dass dem Patienten seine nach § 11 Abs. 1 ApoG geschützte Apothekenauswahlfreiheit genommen wird.

Denn entgegen der Ansicht der Klägerin wird die Option des „Standardservice“ nicht verschleiert. Vielmehr wird dem Patienten bereits zu Beginn des Bestellvorgangs die alternative Option „Standardservice Nur Rezept“ (blau unterlegt) gut sichtbar angeboten (vgl. S. 2 und S. 5 d. SS d. AStV v. 27.05.25):

[Bild]

Unter der Formulierung „Standardservice Nur Rezept“ als Gegenüberstellung zum „Premium Service Medikament + Rezept + Lieferung“ versteht der Patient, dass er im „Standardservice“ das Rezept erhält und die Einlösung des Rezeptes selbst betreiben muss. Später bei der Auswahl der Versandoptionen wird dem Patienten dann nochmals ausdrücklich erläutert, dass beim Premium-Service eine automatische Apothekenauswahl erfolgt, beim Standardservice hingegen nicht. Durch diese Gestaltung des Bestellprozesses wird die Apothekenwahlfreiheit nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt.

(3) Die freie Apothekenwahl des Patienten wird auch nicht dadurch eingeschränkt, dass auf der Plattform S nur solche Apotheken angezeigt werden, die mit der Plattform kooperieren. Denn der Patient, dem bewusst ist, dass nicht sämtliche Apotheken in Deutschland, in der EU und im EWR an einer deutschen Plattform wie der von S teilnehmen, hat durch den Aufruf der Plattform sein Wahlrecht bereits eigenverantwortlich auf Apotheken konkretisiert, die diesen Kommunikationskanal nutzen (vgl. BGH, Urt. v. 20.02.2025 – I ZR 46/24, GRUR 2025, 496 Rn. 62 – Partnervertrag).

cc. Es ist auch nicht ersichtlich, dass durch die Nutzung der Plattform S durch den Beklagten das Vertrauen der Verbraucher in die Unabhängigkeit der Tätigkeit des Apothekers dahingehend beeinträchtigt wird, dass sich der Beklagte bei der Teilnahme an der Plattform von sachfremden oder finanziellen Erwägungen leiten lässt. Die Teilnahme an einer derartigen Plattform wie im Streitfall ist nicht generell unzulässig (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 62). Darüber hinaus ist nicht ersichtlich und wurde von der Klägerin auch nicht glaubhaft gemacht, dass der Beklagte einen finanziellen Vorteil durch die Absprache erlangt, die ihn in unzulässiger Weise gegenüber anderen Apotheken bevorzugen würde.

Nachdem der Beklagte bestritten hat, einen Partnervertrag mit S zu unterhalten, der Regelungen entsprechend dem von der Klägerin vorgelegten Screenshot enthält, und nachdem er unbestritten dargelegt hat, dass er seine Rechnungen gegenüber den Patienten selbst ausstellt, hat die Klägerin insbesondere nicht glaubhaft gemacht, dass sich der Beklagte bei der Teilnahme an der Plattform von sachfremden oder finanziellen Erwägungen hat leiten lassen, insbesondere dass er Kenntnis von der Abrechnung einer „versteckten Servicepauschale“ hatte oder eine solche bei der Abrechnung der von ihm ausgelieferten Medikamente abgerechnet wurde. Der Vortrag der Klägerin zu Transaktionszahlen, die sich aus Bewertungen auf einer Bewertungsplattform herleiten lassen sollen, lässt keinen Rückschluss auf die Transaktionszahlen des Beklagten und eine etwaige Gefährdung der wohnortnahen Versorgung zu.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: