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BGH legt EuGH Fragen zur Haftung des Händlers für Werbeaussagen des Herstellers kosmetischer Mittel vor

BGH
Beschluss vom 18.06.2025
I ZR 78/24
Förderung der Zellerneuerung
Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1; Richtlinie 2005/29/EG Art. 3 Abs. 4


Der BGH hat dem EuGH Fragen zur Haftung des Händlers für Werbeaussagen des Herstellers kosmetischer Mittel zur Voarbentscheidung vorgelegt.

Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. L 342 vom 22. Dezember 2009, S. 59) und zu Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt (ABl. L 149 vom 11. Juni 2005, S. 22) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Hat ein Händler, der nicht verantwortliche Person im Sinne von Art. 4 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 ist, gemäß Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 dieser Verordnung Grund zu der Annahme, dass die Werbung eines Herstellers
nicht den Anforderungen des Art. 20 Abs. 1 der Verordnung genügt, wenn er die ihm vom Hersteller überlassene Werbung zu eigenen geschäftlichen Zwecken verwendet, ohne zu prüfen, ob die beworbenen Funktionen des kosmetischen Mittels hinreichend belegt sind? Oder hat der Händler nur unter bestimmten - wenn ja, unter welchen - Voraussetzungen gemäß Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 Grund zu der Annahme, dass die von ihm verwendete Werbung des Herstellers nicht den Anforderungen des Art. 20 Abs. 1 der Verordnung genügt, und zu prüfen, ob die beworbenen Funktionen des kosmetischen Mittels hinreichend belegt sind?

2. Schließen die Bestimmungen in Art. 4 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG aus, dass die Werbung eines Händlers mit einer vom Hersteller übernommenen irreführenden Aussage zu den Funktionen eines kosmetischen Mittels als unlautere Geschäftspraxis im Sinne von Art. 5 Abs. 1 und 4 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG anzusehen ist?

BGH, Beschluss vom 18. Juni 2025 - I ZR 78/24 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 7 HWG wenn Versandhandelsapotheke für das Einlösen von e-Rezepten 10-Euro-Gutscheine auslobt

OLG Frankfurt
Urteil vom 15.05.2025
6 U 347/24

Das OLG Frankfurt hat enntschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 7 HWG vorliegt, wenn eine Versandhandelsapotheke für das Einlösen von e-Rezepten 10-Euro-Gutscheine auslobt.

DIe Pressmeitteilung des Gerichts:
Heilmittelwerbegesetz - Auslobung von 10 €-Gutscheinen durch Versandhandelsapotheke ist unzulässig

Die Auslobung von 10 €-Gutscheinen bei der Einlösung von e-Rezepten, deren Guthaben - jedenfalls teilweise - auch für den Kauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel verwendet werden kann, verstößt gegen das Heilmittelwerbegesetz. Das Oberlandesgericht wies mit heute veröffentlichter Entscheidung die Berufung einer niederländischen Versandhandelsapotheke zurück.

Die Klägerin betreibt eine auf gesundheitsbezogene Leistungen ausgerichtete Internet-Plattform. Über ihr Angebot können u.a. Bestellungen von - auch verschreibungspflichtigen - Arzneimitteln aufgegeben werden. Die in den Niederlanden ansässige Beklagte bietet einen Versandhandel mit Arzneimitteln an und ist auch für den Vertrieb rezeptpflichtiger Arzneimittel zugelassen. Sie bewarb die Inanspruchnahme ihrer Leistungen mit zwei Gutscheinaktionen: Zum einen wurde ein 10 €-Gutschein ausgelobt bei Einlösung eines e-Kassenrezepts. Die Verrechnung sollte zunächst mit der gesetzlichen Zuzahlung und bei einem verbleibenden Restbetrag mit nicht verschreibungspflichtigen Produkten erfolgen. Zum anderen wurde ein 10 €-App-Gutschein für die erste Bestellung nicht verschreibungspflichtiger Artikel über ihre App ausgelobt.

Das Landgericht hatte den auf Unterlassung der Gutscheinaktionen gerichteten Anträgen stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte auch vor dem für Wettbewerbsrecht zuständigen 6. Zivilsenat des OLG keinen Erfolg.

Die Beklagte verstoße mit dieser Werbung gegen das Heilmittelwerbegesetz (i.F.: HWG), begründete der Senat seine Entscheidung. Gemäß § 7 HWG ist beim Verkauf von Arzneimitteln u.a. das Anbieten und Ankündigen von nicht nur geringwertigen Werbegaben unzulässig. Hier liege eine derartige unzulässige produktbezogene Werbung vor. Auch die Werbung für das gesamte Warensortiment einer Apotheke könne produktbezogen im Sinne des HWG sein. „Es gibt keinen Grund, den vom Gesetzgeber im Bereich der Heilmittelwerbung als grundsätzlich unerwünscht angesehenen Anreiz einer Wertreklame gerade dann hinzunehmen, wenn diese Form der Reklame für eine besonders große Zahl von Heilmitteln eingesetzt wird“, erläuterte der Senat. Dieses Verständnis sei auch unionsrechtskonform. Grundsätzlich erfasse das Verbot der Werbung für Arzneimittel die Frage, „ob“ ein Arzneimittel gekauft werde. Nur die Entscheidung des „wie“, d.h. in welcher Apotheke, sei nicht vom Werbeverbot erfasst.

Der Gutscheinbetrag könne hier in beiden Fällen für den vergünstigten Bezug nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel genutzt werden. Die Werbung fördere damit den Verbrauch nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel.

Die Gutscheine stellten sog. Werbegaben dar. Diese lägen vor, wenn es sich aus der Sicht des Empfängers um ein Geschenk handele. Ihr Wert von 10 € übersteige auch den Betrag einer „geringwertigen Kleinigkeit“, der bei Publikumswerbung mit 1 € angesetzt werde. Soweit im Handelsverkehr etablierte Sofortrabatte von diesem Verbot ausgenommen werden, liege hier kein derartiger Sofortrabatt vor.

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

(Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 15.5.2025, Az. 6 U 347/24
Vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, 3-10 O 134/24)

Erläuterungen:
§ 7 HWG
(1) Es ist unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass

es sich bei den Zuwendungen oder Werbegaben um Gegenstände von geringem Wert, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes oder beider gekennzeichnet sind, oder um geringwertige Kleinigkeiten handelt; Zuwendungen oder Werbegaben sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die auf Grund des
Arzneimittelgesetzes
Öffnet sich in einem neuen Fenster oder des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch
Öffnet sich in einem neuen Fenster gelten;
(...)



VG Schleswig: Meta / Facebook verstößt gegen Transparenzpflichten aus § 93 MStV da Nutzer nicht ausreichend über Kriterien und Funktionsweisen der Algorithmen informiert werden

VG Schleswig
Beschluss vom 30.06.2025
10 B 185/24


Das VG Schleswig hat entschieden, dass Meta / Facebook gegen die Transparenzpflichten aus § 93 MStV verstößt, da Nutzer nicht ausreichend über Kriterien und Funktionsweisen der Algorithmen informiert werden.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Meta verstößt mit Facebook gegen Transparenzgebot im Medienstaatsvertrag

Die 10. Kammer hat mit Beschluss vom 30. Juni 2025 einen einstweiligen Rechtsschutzantrag der Meta Platforms Ireland Limited (Antragstellerin) gegen einen Bescheid der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (Antragsgegnerin) abgelehnt. Die Antragsgegnerin hatte gegenüber Meta mit Bescheid vom 2. Oktober 2024 beanstandet, dass sie mit ihrem Dienst Facebook gegen Transparenzpflichten aus dem Medienstaatsvertrag verstoße. Sie informiere Nutzer u. a. nicht leicht genug wahrnehmbar über die Kriterien und Funktionsweisen der Algorithmen, die über gezeigte Beiträge, deren Auswahl und Gewichtung im News-Feed entscheiden. Die Antragsgegnerin forderte Meta unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, die Verstöße kurzfristig zu beheben. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit diversen Einwänden; u. a. verstießen die maßgeblichen Vorschriften des Medienstaatsvertrags (MStV) gegen Europarecht.

Das Gericht lehnte den Antrag der Antragstellerin aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung ab. Zwar komme die Kammer bei summarischer Prüfung zu dem

Ergebnis, dass der Bescheid formell rechtmäßig sei und die Voraussetzungen für eine Beanstandung vorlägen, da die Antragstellerin den Transparenzpflichten aus § 93 MStV nicht hinreichend nachkomme. Im Eilverfahren lasse sich jedoch die komplexe Rechtsfrage, ob § 93 und § 1 Abs. 8 Satz 1 MStV gegen Unionsrecht verstießen, nicht abschließend beantworten. Die infolge der offenen Erfolgsaussichten vorzunehmende Interessenabwägung falle angesichts der Bedeutung der mit den Transparenzvorschriften geschützten Meinungsvielfalt und demokratischen Meinungsbildungsprozessen, die durch Dienste wie Facebook erheblich mitgestaltet würden, zulasten der Antragstellerin aus. Für die Kammer sei nicht erkennbar gewesen, dass der mit den Transparenzpflichten verbundene Aufwand zu besonders tiefgreifenden oder gar unverhältnismäßigen Belastungen der Antragstellerin führen würde.

Die Antragstellerin kann gegen den Beschluss (10 B 185/24) binnen zwei Wochen Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht einreichen.



EuG: Unionsmarke TESTAROSSA von Ferrari ist nicht wegen Verfalls für Waren im Bereich Automobile, Einzelteile, Zubehör und Modellfahrzeuge zu löschen

EuG
Urteil vom 02.07.2025 - T-1103/23
Urteil vom 02.07.2025 - T-1104/23
Ferrari/EUIPO – Hesse (TESTAROSSA)


Das EuG hat entschieden, dass die Unionsmarke TESTAROSSA von Ferrari nicht wegen Verfalls für Waren im Bereich Automobile, Einzelteile, Zubehör und Modellfahrzeuge zu löschen ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Unionsmarken: Das Gericht hebt die Entscheidungen auf, mit denen die Wortmarke TESTAROSSA von Ferrari für bestimmte Waren für verfallen erklärt wurde, darunter Automobile, Einzelteile und Zubehör sowie Modellfahrzeuge

Die Ferrari SpA ist seit 2007 Inhaberin der Wortmarke TESTAROSSA, u. a. für Automobile, Einzelteile und Zubehör sowie Modellfahrzeuge (Spielzeug).

Das mit zwei Anträgen auf Erklärung des Verfalls der Marke TESTAROSSA befasste Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) erklärte diese Marke von Ferrari für verfallen. Es war der Ansicht, dass diese Marke für die Waren, für die sie eingetragen worden war, während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren zwischen 2010 und 2015 in der Europäischen Union nicht „ernsthaft benutzt“ worden sei.

In seinen Urteilen hebt das von Ferrari angerufene Gericht die Entscheidungen des EUIPO auf.

Zu den Fahrzeugen des Modells Testarossa führt das Gericht aus, dass diese zwischen 1984 und 1996 gebaut wurden und danach nur Gebrauchtwagen durch Vertragshändler oder von Ferrari autorisierte Händler vertrieben wurden. Hierzu weist es darauf hin, dass die Benutzung der Marke durch ihren Inhaber entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren – beim Wiederverkauf von Gebrauchtwaren eine „ernsthafte Benutzung“ darstellen kann. Dies gilt auch für ihre Benutzung durch Dritte mit ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung des Inhabers.

Unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten und Merkmale speziell des Automobilmarktes stellt das Gericht fest, dass beim Verkauf eines Gebrauchtwagens durch einen Vertragshändler oder einen vom Markeninhaber autorisierten Händler davon ausgegangen werden kann, dass dieser mit der stillschweigenden Zustimmung des Markeninhabers erfolgt ist, da eine Autorisierung besteht, die eine Verbindung zwischen diesen beiden Gesellschaften herstellt. Diese Verbindung setzt voraus, dass der Markeninhaber dem Vertragshändler oder dem autorisierten Händler gestattet hat, die Marke zu benutzen. Außerdem weist das Gericht darauf hin, dass Ferrari am Verkauf bestimmter Gebrauchtwagen des Modells Testarossa durch die Vertragshändler oder autorisierten Händler über die Dienstleistung der Bescheinigung der Echtheit dieser Fahrzeuge beteiligt war.

Daher kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass Ferrari nachgewiesen hat, der Benutzung der angegriffenen Marke durch Dritte stillschweigend zugestimmt zu haben.

Zu den Einzelteilen und dem Zubehör stellt das Gericht fest, dass die Marke auch für diese Waren in dem betreffenden Zeitraum von Vertragshändlern und autorisierten Händlern benutzt wurde. Darüber hinaus umfasst die von Ferrari angebotene Dienstleistung der Echtheitsbescheinigung eine Überprüfung der betrieblichen Herkunft der Hauptteile, aus denen sich die Fahrzeuge des Modells Testarossa zusammensetzen. Daher kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass das Unternehmen seine stillschweigende Zustimmung zur Benutzung der betreffenden Marke durch Dritte nachgewiesen hat.

Zu den Modellfahrzeugen (Spielzeug) (Rechtssache T-1104/23) weist das Gericht darauf hin, dass die von einem Dritten vorgenommene Anbringung eines Zeichens, das mit einer für Spielzeug eingetragenen Marke identisch ist, auf Modellfahrzeugen nur dann untersagt werden kann, wenn sie die Funktionen dieser Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann, was anhand der Merkmale des Marktes für Modellfahrzeuge zu beurteilen ist.

Nach Auffassung des Gerichts kann ein Dritter eine solche Marke ohne Zustimmung ihres Inhabers benutzen, sofern sich die Benutzung der Marke auf einem Modellfahrzeug darauf beschränkt, die maßgeblichen Verkehrskreise darauf hinzuweisen, dass es sich bei dieser Ware um eine originaltreue Nachbildung eines echten Fahrzeugmodells handelt. Geht die Benutzung der Marke durch einen Dritten hingegen über diesen bloßen Hinweis hinaus und wird z. B. auf eine Lizenzvereinbarung mit dem Inhaber der Marke verwiesen, so wird sie als Hinweis darauf wahrgenommen werden, dass diese Waren vom Automobilhersteller oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen.

Nach Prüfung der Beweise für die Benutzung der angegriffenen Marke stellt das Gericht fest, dass diese im betreffenden Zeitraum von Dritten für Modellfahrzeuge mit der Angabe „offizielles Produkt unter Ferrari-Lizenz“ benutzt wurde. Somit wurde die Marke entsprechend ihrer Hauptfunktion benutzt, die darin besteht, die betriebliche Herkunft der Waren, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren. Außerdem erfolgte ihre Benutzung für Modellfahrzeuge durch Dritte mit der stillschweigenden Zustimmung von Ferrari.


Die vollständigen Entscheidungen finden Sie hier:
T-1103/23
T-1104/23

BGH: Zur Rückzahlung von zu Unrecht erhobenen Kontoführungsentgelten nach unwirksamer formularmäßig vereinbarter Zustimmungsfiktion in den AGB der Sparkassen

BGH
Urteil vom 03.06.2025
XI ZR 45/24
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2, § 675g Abs. 1, EGBGB Art. 248 §§ 2, 3 AGB-Sparkassen Nr. 7 Abs. 3 Satz 2


Der BGH hat sich mit der Rückzahlung von zur Unrecht erhobenen Kontoführungsentgelten nach unwirksamer formularmäßig vereinbarter Zustimmungsfiktion in den AGB der Sparkassen befasst.

Leitsätze des BGH:
a) Der Bereicherungsanspruch des Kunden gegen die Sparkasse wegen eines ohne Rechtsgrund vom Girokonto des Kunden abgebuchten Entgelts entsteht erst mit dem Anerkenntnis des Saldoabschlusses durch den Kunden, in den der vermeintliche Entgeltanspruch der Sparkasse eingestellt worden ist. Sofern der Kunde den Saldoabschluss nicht ausdrücklich anerkennt und innerhalb von sechs Wochen keine Einwendungen gegen den Abschluss vorbringt, gilt dieser gemäß Nr. 7 Abs. 3 Satz 2 AGB-Sparkassen nach Ablauf der sechswöchigen Frist als anerkannt

b) Der Kunde erhält durch die Mitteilung der Sparkasse, die ihn gemäß § 675g Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 248 §§ 2, 3 EGBGB über eine beabsichtigte Änderung eines Entgelts informiert, die auf einer unwirksam formularmäßig vereinbarten Zustimmungsfiktion des Kunden beruht, und durch den anschließenden Ausweis des Entgelts in dem von der Sparkasse erstellten Saldoabschluss Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB von den seinen Rückforderungsanspruch begründenden Umständen.

c) Die Rechtslage hinsichtlich der AGB-rechtlichen Unwirksamkeit von Zustimmungsfiktionsklauseln im Rechtsverkehr der Banken und Sparkassen war vor Verkündung des Senatsurteils vom 27. April 2021 (XI ZR 26/20, BGHZ 229, 344) nicht unsicher
und zweifelhaft. Dem Kunden war die Erhebung einer Rückforderungsklage bereits vor Verkündung dieses Urteils zumutbar. Einer langjährigen und verbreiteten Verwendung von unwirksamen Zustimmungsfiktionsklauseln im Bankgeschäft kommt
kein für die Unzumutbarkeit einer Klageerhebung maßgebendes Gewicht zu.

d) Der Musterbeklagte kann in das Verfahren über eine Musterfeststellungsklage im Rahmen einer Widerklage eigene Feststellungsziele einbringen. Vom Musterbeklagten eingebrachte Feststellungsziele sind allerdings unzulässig, wenn sie sich
nicht im Rahmen des Lebenssachverhalts halten, der durch die Feststellungsziele des Musterklägers vorgegeben ist.

BGH, Urteil vom 3. Juni 2025 - XI ZR 45/24 - KG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Karlsruhe: Juristische Personen aus dem Nicht-EU-Ausland können sich nicht auf eine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrecht nach deutschem Recht berufen

LG Karlsruhe
Urteil vom 12.06.2025
22 O 10/24


Das LG Karlsruhe hat entschieden, dass sich juristische Personen aus dem Nicht-EU-Ausland nicht auf eine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrecht nach deutschem Recht berufen können.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist wegen fehlender internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte als unzulässig abzuweisen.

I. Sowohl nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als auch des Europäischen Gerichtshofs ist die internationale Zuständigkeit stets von Amts wegen und vor jeder Sachprüfung zu prüfen (BGH NJW 1991, 3092, 3093; EuGH NJW 2024, 2823 Rn. 24 ff. – JX/FTI Touristik GmbH).

1. Eine internationale Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO ist hier nicht geltend gemacht und liegt auch nicht vor. Die Beklagte hat nach ihrem Vortrag Wohnsitze in Monaco und den VAE, also außerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung. Dieser Umstand ist vom Gericht trotz des Bestreitens mit Nichtwissen durch die Klägerin zugrunde zu legen, da es an der Klägerin gewesen wäre, einen anderen (deutschen oder EU-ausländischen) Wohnsitz der Beklagten zu behaupten und unter Beweis zu stellen.

2. Eine internationale Zuständigkeit auf der Grundlage von §§ 12 ff. ZPO, insbesondere nach § 32 ZPO, besteht nicht.

a) Die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit (§§ 12 ff. ZPO) regeln mittelbar auch die Grenzziehung zwischen der Zuständigkeit deutscher und ausländischer Gerichte (BGH NJW 2010, 1752 Rn. 7 m.w.N.). Sie greifen ein, wenn – wie hier – vorrangige unions- oder völkerrechtliche Regelungen nicht existieren.

Randnummer23
b) Begehungsort der deliktischen Handlung i.S.v. § 32 ZPO ist sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort, sodass eine Zuständigkeit wahlweise dort gegeben ist, wo die Verletzungshandlung begangen wurde, oder dort, wo in ein geschütztes Rechtsgut eingegriffen wurde (BGH NJW 2010, 1752 Rn. 8).

aa) Die Grundsätze, die zu Rechtsverletzungen durch Presseveröffentlichungen entwickelt wurden („Verletzungen des Persönlichkeitsrechts mittels Presseerzeugnissen sind dort ‚begangen‘, wo das Presseerzeugnis erscheint oder wo es vertrieben wird, nicht jedoch unabhängig davon auch am Wohn- oder Aufenthaltsort des Betroffenen“; BGH NJW 1977, 1590), können auf Internetinhalte nicht ohne Weiteres übernommen werden. Bei Internetinhalten bedarf es einer „besonderen Beziehung der Streitigkeit zum Forum“ (BGH NJW 2010, 1752 Rn. 17) in Form eines „über die bloße Abrufbarkeit der rechtsverletzenden Inhalte hinausgehende[n] Inlandsbezug[s]“ (a.a.O. Rn. 18). Es kommt darauf an, ob die Inhalte einen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen nach den Umständen des konkreten Falls im Inland stattfinden kann/stattgefunden hat: „Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstanden Meldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher liegt, als dies bei der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre, und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten würde“ (a.a.O. Rn. 20).

bb) Danach liegt eine Kenntnisnahme der Postings der Beklagten im Inland nahe, da die Beklagte vor allem in Deutschland aufgrund ihrer Fernsehserie „…“ bekannt ist und dementsprechend auch der Großteil ihrer „Follower“ aus Deutschland kommt. Zudem sind die Posts in deutscher Sprache gehalten. Falls die Klägerin ausschließlich in den VAE geschäftsaktiv sein sollte, würde dies daran nichts ändern (dazu der Vortrag der Klägerin in der Replikschrift vom 10.01.2025, S. 11 ff.). Dieser Punkt kann aber letztlich dahinstehen.

c) Zur Begründung der Zuständigkeit ist erforderlich, dass der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich das Vorliegen einer im Gerichtsbezirk begangenen unerlaubten Handlung ergibt. Soweit zuständigkeits- und anspruchsbegründende Tatsachen zusammenfallen (Doppelrelevanz), ist die Klage bei deren Nichtvorliegen unbegründet, nicht nur unzulässig (BGH NJW-RR 2010, 1554 Rn. 8; Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage, 10/2023, § 32 ZPO, Rn. 22). Anders liegt es hingegen, wenn die (unterstellten) Tatsachen – ihr Vorliegen unterstellt – bei zutreffender rechtlicher Würdigung schon nicht alle Tatbestandsmerkmale der Deliktsnorm erfüllen. Dann fehlt es bereits an der internationalen Zuständigkeit (BGH a.a.O.). Die fehlende Schlüssigkeit des Vorbringens führt in diesem Falle nicht zur bloßen Unbegründetheit der Klage, sondern, weil schon keine schlüssigen zuständigkeitsbegründenden Umstände vorgetragen sind, zu ihrer Unzulässigkeit.

d) So liegt der Fall hier. Der Vortrag der Klägerin ist insoweit unschlüssig, denn sie kann sich nicht auf ein Unternehmenspersönlichkeitsrecht nach deutscher Rechtsordnung berufen, folglich in einem solchen auch nicht verletzt sein.

aa) Das sog. Unternehmenspersönlichkeitsrecht ist im deutschen Recht durch §§ 1004 Abs. 1, 823 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG geschützt. Es ist anerkannt, dass juristische Personen Persönlichkeitsschutz genießen, soweit sie aus ihrem Wesen als Zweckschöpfung des Rechts und ihren Funktionen dieses Rechtsschutzes bedürfen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn und soweit sie in ihrem sozialen Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenbereich betroffen sind (BGH NJW 2016, 1584 Rn. 11; BGH NJW 2020, 1587 Rn. 34).

bb) Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte nur für inländische juristische Personen. Hierbei ist der effektive Sitz der Gesellschaft entscheidend (BVerfGE 163, 363, Rn. 103; BVerfG NVwZ 2008, 670 (671)). Eine Anwendungserweiterung über das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV oder spezielle Gleichheitssätze findet nur für juristische Personen mit Sitz im EU-Ausland statt (BVerfGE 129, 78 (95 ff.) = NJW 2011, 3428; BeckOK GG/Enders, 61. Ed. 15.3.2025, GG Art. 19 Rn. 37). Daher gilt auch das unmittelbar aus dem Grundgesetz entwickelte Unternehmenspersönlichkeitsrecht nur für inländische und EU-ausländische juristische Personen. Soweit ersichtlich, hat auch die Instanzrechtsprechung eine Erstreckung auf Unternehmen aus dem Nicht-EU-Ausland nicht vorgenommen (vgl. nur LG Hamburg, Urt. v. 14.12.2012 – 324 O 64/12, BeckRS 2012, 25340; OLG Dresden, Beschl. v. 22.04.2024 – 4 U 1921/23, BeckRS 2024, 19280).

cc) Die Klägerin hat ihren Sitz in den VAE. Auf den Schutz der deutschen Grundrechte kann sie sich nicht berufen, mithin auch nicht auf das aus der Verfassung abgeleitete Unternehmenspersönlichkeitsrecht als absolutes Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: