EuG: Zeichenfolge Fack Ju Göhte kann nicht als Unionsmarke eingetragen werden - Verstoß gegen die guten Sitten
EuG
Urteil vom 24.01.2018
Rechtssache T-69/17
Constantin Film Produktion / EUIPO (Fack Ju Göhte)
Das EuG hat entschieden, dass die Zeichenfolge "Fack Ju Göhte" nicht als Unionsmarke eingetragen werden kann. Das Gericht sieht darin einen Verstoß gegen die guten Sitten.
Aus den Entscheidungsgründen:
" Insoweit ist festzustellen, dass gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 Marken, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen, von der Eintragung ausgeschlossen sind. Nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung finden die Vorschriften des Abs. 1 auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Union vorliegen. Ein solcher Teil kann gegebenenfalls aus einem einzigen Mitgliedstaat bestehen (vgl. Urteil des Gerichts vom 20. September 2011, Couture Tech/HABM [Darstellung des sowjetischen Staatswappens], T‑232/10, EU:T:2011:498, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Das dem absoluten Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 zugrunde liegende Allgemeininteresse besteht nach der Rechtsprechung darin, die Eintragung von Zeichen zu verhindern, deren Benutzung im Gebiet der Union gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen würde (Urteil vom 20. September 2011, Darstellung des sowjetischen Staatswappens, T‑232/10, EU:T:2011:498, Rn. 29).
Die Prüfung, ob ein Zeichen gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt, muss im Hinblick auf die Wahrnehmung dieses Zeichens bei seiner Benutzung als Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise in der Union oder in einem Teil derselben vorgenommen werden (Urteile vom 20. September 2011, Darstellung des sowjetischen Staatswappens, T‑232/10, EU:T:2011:498, Rn. 50, und vom 9. März 2012, Cortés del Valle López/HABM, [¡Que buenu ye! HIJOPUTA], T‑417/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:120, Rn. 12).
Erstens steht fest, dass es sich bei den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen um solche des laufenden täglichen Verbrauchs handelt. Folglich setzen sich die maßgeblichen Verkehrskreise, wie die Beschwerdekammer bei der Verwendung des Begriffs „allgemeiner Verbraucher“ zutreffend angenommen und das EUIPO in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, aus der breiten Öffentlichkeit zusammen; der Grad der Aufmerksamkeit der maßgeblichen Verkehrskreise sei der eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers.
Die maßgeblichen Verkehrskreise können für die Prüfung des in Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenen Eintragungshindernisses jedoch nicht auf das Publikum begrenzt werden, an das sich die Waren und Dienstleistungen, auf die sich die Anmeldung bezieht, unmittelbar richten. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass das von diesem Eintragungshindernis erfasste Zeichen nicht nur bei den Verkehrskreisen, an die sich die mit dem Zeichen gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen richten, sondern auch bei anderen Personen Anstoß erregen wird, die dem Zeichen, ohne an den genannten Waren und Dienstleistungen interessiert zu sein, im Alltag zufällig begegnen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2011, PAKI Logistics/HABM [PAKI], T‑526/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:564, Rn. 18).
Zweitens ist daran zu erinnern, dass der Durchschnittsverbraucher, auch wenn er eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet, gleichwohl ein von ihm wahrgenommenes Wortzeichen in die Wortbestandteile aufteilen wird, die ihm eine konkrete Bedeutung vermitteln oder die ihm bekannten Wörtern ähnlich sind (vgl. Urteil vom 8. Juli 2015, Deutsche Rockwool Mineralwoll/HABM – Redrock Construction [REDROCK], T‑548/12, EU:T:2015:478, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
In der vorliegenden Rechtssache wird der durchschnittliche Verbraucher feststellen, dass das angemeldete Zeichen dem häufig verwendeten und weit verbreiteten englischen Ausdruck „fuck you“ ähnlich ist, dem die Klägerin den Bestandteil „Göhte“ hinzugefügt hat, der dem Familiennamen des Schriftstellers und Dichters Johann Wolfgang von Goethe ähnlich ist. Da es sich aber zum einen bei dem angemeldeten Zeichen um eine lautschriftliche Übertragung des dem deutschsprachigen Publikum allgemein bekannten englischen Ausdrucks „fuck you“ ins Deutsche handelt, und zum anderen Johann Wolfgang von Goethe ein in Deutschland und Österreich sehr geschätzter Dichter und Schriftsteller ist, ist die Beurteilung der Beschwerdekammer zu bestätigen, wonach die maßgeblichen Verkehrskreise aus deutschsprachigen Verbrauchern in der Union, und zwar denjenigen in Deutschland und in Österreich, bestehen.
Drittens ist in Bezug auf die Wahrnehmung des angemeldeten Zeichens durch die maßgeblichen Verkehrskreise oben in Rn. 17 darauf hingewiesen worden, dass das Publikum das Zeichen mit dem englischen Ausdruck „fuck you“, verbunden mit dem Familiennamen Goethe – das Ganze in fehlerhafter Rechtschreibung –, gleichsetzen werde. Der Begriff „fuck“ wird sowohl als Nomen, als auch als Adjektiv, Adverb und Interjektion verwendet, und wie bei den meisten gebräuchlichen Wörtern entwickelt sich sein Sinn im Laufe der Jahre und hängt vom Zusammenhang ab, in dem er verwendet wird. Wenn dem englischen Ausdruck „fuck you“ in seiner ureigenen Bedeutung also eine sexuelle Bedeutung beizumessen und er von Vulgarität geprägt ist, so wird er doch auch, wie von der Beschwerdekammer übrigens in Betracht gezogen wurde, in einem anderen Zusammenhang verwendet, um Wut, Enttäuschung oder Missachtung gegenüber einem anderen zum Ausdruck zu bringen. Aber selbst in einem solchen Fall bleibt dieser Ausdruck durch eine ihm innewohnende Vulgarität geprägt und der am Ende des in Rede stehenden Zeichens hinzugefügte Bestandteil „Göhte“ ermöglicht zwar eine Bestimmung des „Adressaten“ der Wörter am Anfang des Zeichens, ist aber nicht geeignet, die Vulgarität abzumildern.
Im Übrigen ist festzustellen, dass entgegen den Ausführungen der Klägerin in ihrer Klageschrift und in der mündlichen Verhandlung der Umstand, dass der Film „Fack Ju Göhte“ seit seinem Kinostart von mehreren Millionen Menschen gesehen wurde, nicht bedeutet, dass die maßgeblichen Verkehrskreise nicht von dem angemeldeten Zeichen schockiert wären.
Demnach ist die Beschwerdekammer zu Recht davon ausgegangen, dass der englische Ausdruck „fuck you“ und somit das angemeldete Zeichen insgesamt naturgemäß vulgär sind und die maßgeblichen Verkehrskreise daran Anstoß nehmen könnten. Somit hat sie hieraus zutreffend geschlossen, dass das angemeldete Zeichen nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 von der Eintragung auszuschließen sei."
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
Urteil vom 24.01.2018
Rechtssache T-69/17
Constantin Film Produktion / EUIPO (Fack Ju Göhte)
Das EuG hat entschieden, dass die Zeichenfolge "Fack Ju Göhte" nicht als Unionsmarke eingetragen werden kann. Das Gericht sieht darin einen Verstoß gegen die guten Sitten.
Aus den Entscheidungsgründen:
" Insoweit ist festzustellen, dass gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 Marken, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen, von der Eintragung ausgeschlossen sind. Nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung finden die Vorschriften des Abs. 1 auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Union vorliegen. Ein solcher Teil kann gegebenenfalls aus einem einzigen Mitgliedstaat bestehen (vgl. Urteil des Gerichts vom 20. September 2011, Couture Tech/HABM [Darstellung des sowjetischen Staatswappens], T‑232/10, EU:T:2011:498, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Das dem absoluten Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 zugrunde liegende Allgemeininteresse besteht nach der Rechtsprechung darin, die Eintragung von Zeichen zu verhindern, deren Benutzung im Gebiet der Union gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen würde (Urteil vom 20. September 2011, Darstellung des sowjetischen Staatswappens, T‑232/10, EU:T:2011:498, Rn. 29).
Die Prüfung, ob ein Zeichen gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt, muss im Hinblick auf die Wahrnehmung dieses Zeichens bei seiner Benutzung als Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise in der Union oder in einem Teil derselben vorgenommen werden (Urteile vom 20. September 2011, Darstellung des sowjetischen Staatswappens, T‑232/10, EU:T:2011:498, Rn. 50, und vom 9. März 2012, Cortés del Valle López/HABM, [¡Que buenu ye! HIJOPUTA], T‑417/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:120, Rn. 12).
Erstens steht fest, dass es sich bei den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen um solche des laufenden täglichen Verbrauchs handelt. Folglich setzen sich die maßgeblichen Verkehrskreise, wie die Beschwerdekammer bei der Verwendung des Begriffs „allgemeiner Verbraucher“ zutreffend angenommen und das EUIPO in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, aus der breiten Öffentlichkeit zusammen; der Grad der Aufmerksamkeit der maßgeblichen Verkehrskreise sei der eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers.
Die maßgeblichen Verkehrskreise können für die Prüfung des in Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenen Eintragungshindernisses jedoch nicht auf das Publikum begrenzt werden, an das sich die Waren und Dienstleistungen, auf die sich die Anmeldung bezieht, unmittelbar richten. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass das von diesem Eintragungshindernis erfasste Zeichen nicht nur bei den Verkehrskreisen, an die sich die mit dem Zeichen gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen richten, sondern auch bei anderen Personen Anstoß erregen wird, die dem Zeichen, ohne an den genannten Waren und Dienstleistungen interessiert zu sein, im Alltag zufällig begegnen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2011, PAKI Logistics/HABM [PAKI], T‑526/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:564, Rn. 18).
Zweitens ist daran zu erinnern, dass der Durchschnittsverbraucher, auch wenn er eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet, gleichwohl ein von ihm wahrgenommenes Wortzeichen in die Wortbestandteile aufteilen wird, die ihm eine konkrete Bedeutung vermitteln oder die ihm bekannten Wörtern ähnlich sind (vgl. Urteil vom 8. Juli 2015, Deutsche Rockwool Mineralwoll/HABM – Redrock Construction [REDROCK], T‑548/12, EU:T:2015:478, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
In der vorliegenden Rechtssache wird der durchschnittliche Verbraucher feststellen, dass das angemeldete Zeichen dem häufig verwendeten und weit verbreiteten englischen Ausdruck „fuck you“ ähnlich ist, dem die Klägerin den Bestandteil „Göhte“ hinzugefügt hat, der dem Familiennamen des Schriftstellers und Dichters Johann Wolfgang von Goethe ähnlich ist. Da es sich aber zum einen bei dem angemeldeten Zeichen um eine lautschriftliche Übertragung des dem deutschsprachigen Publikum allgemein bekannten englischen Ausdrucks „fuck you“ ins Deutsche handelt, und zum anderen Johann Wolfgang von Goethe ein in Deutschland und Österreich sehr geschätzter Dichter und Schriftsteller ist, ist die Beurteilung der Beschwerdekammer zu bestätigen, wonach die maßgeblichen Verkehrskreise aus deutschsprachigen Verbrauchern in der Union, und zwar denjenigen in Deutschland und in Österreich, bestehen.
Drittens ist in Bezug auf die Wahrnehmung des angemeldeten Zeichens durch die maßgeblichen Verkehrskreise oben in Rn. 17 darauf hingewiesen worden, dass das Publikum das Zeichen mit dem englischen Ausdruck „fuck you“, verbunden mit dem Familiennamen Goethe – das Ganze in fehlerhafter Rechtschreibung –, gleichsetzen werde. Der Begriff „fuck“ wird sowohl als Nomen, als auch als Adjektiv, Adverb und Interjektion verwendet, und wie bei den meisten gebräuchlichen Wörtern entwickelt sich sein Sinn im Laufe der Jahre und hängt vom Zusammenhang ab, in dem er verwendet wird. Wenn dem englischen Ausdruck „fuck you“ in seiner ureigenen Bedeutung also eine sexuelle Bedeutung beizumessen und er von Vulgarität geprägt ist, so wird er doch auch, wie von der Beschwerdekammer übrigens in Betracht gezogen wurde, in einem anderen Zusammenhang verwendet, um Wut, Enttäuschung oder Missachtung gegenüber einem anderen zum Ausdruck zu bringen. Aber selbst in einem solchen Fall bleibt dieser Ausdruck durch eine ihm innewohnende Vulgarität geprägt und der am Ende des in Rede stehenden Zeichens hinzugefügte Bestandteil „Göhte“ ermöglicht zwar eine Bestimmung des „Adressaten“ der Wörter am Anfang des Zeichens, ist aber nicht geeignet, die Vulgarität abzumildern.
Im Übrigen ist festzustellen, dass entgegen den Ausführungen der Klägerin in ihrer Klageschrift und in der mündlichen Verhandlung der Umstand, dass der Film „Fack Ju Göhte“ seit seinem Kinostart von mehreren Millionen Menschen gesehen wurde, nicht bedeutet, dass die maßgeblichen Verkehrskreise nicht von dem angemeldeten Zeichen schockiert wären.
Demnach ist die Beschwerdekammer zu Recht davon ausgegangen, dass der englische Ausdruck „fuck you“ und somit das angemeldete Zeichen insgesamt naturgemäß vulgär sind und die maßgeblichen Verkehrskreise daran Anstoß nehmen könnten. Somit hat sie hieraus zutreffend geschlossen, dass das angemeldete Zeichen nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 von der Eintragung auszuschließen sei."
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