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LG München: Gezielte Behinderung von Fluggesellschaften wenn Internet-Buchungsportal zur Buchung von Error Fares bei Flugreisen animiert

LG München
Urteil vom 11.12.2017
37 O 14236/17

Das LG München hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige gezielte Behinderung von Fluggesellschaften vorliegt, wenn ein Internet-Buchungsportal seine Kunden zur Buchung von "Error Fares" (Angeboten mit Preisfehlern) bei Flugreisen animiert.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Indem die Verfügungsbeklagte ihre Nutzer zur Buchung von Error Fares animiert, verstößt sie gegen §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 4 UWG.

Das streitgegenständliche Verhalten der Verfügungsbeklagten ist unlauter und stellt eine nicht hinnehmbare Behinderung des Wettbewerbs der Verfügungsklägerin iSd § 4 Nr. 4 UWG dar.

Eine unlautere Behinderung von Mitbewerbern iSd § 4 Nr. 4 UWG setzt die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über eine mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung nicht nur, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und dadurch zu verdrängen, sondern auch dann, wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können (Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Auflage 2017, § 4, Rn. 4.10). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf Grund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer sowie Interessen der Allgemeinheit zu beurteilen (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Auflage 2017, § 4, Rn. 4.11; BGH GRUR 2014, 785 mwN).

a) Unlauterkeit der Behinderung

Die Verfügungsbeklagte handelt unlauter, weil sie bewusst einen erkennbaren Fehler der Verfügungsklägerin ausnutzt und damit einen deutlichen Wettbewerbsnachteil für die Verfügungsklägerin schafft.

Unlauter ist eine Maßnahme dann, wenn sie sich zwar (auch) als Entfaltung des eigenen Wettbewerbs darstellt, aber das Eigeninteresse des Handelnden unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Wettbewerbsfreiheit weniger schutzwürdig ist, als die Interessen der üblichen Beteiligten und der Allgemeinheit (BGH WRP 2014, 424). Entscheidend ist, ob die Auswirkungen der Handlung auf das Wettbewerbsgeschehen so erheblich sind, dass sie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Gesetzes von den Marktteilnehmern nicht hingenommen werden müssen (BGH GRUR 2007, 800). Dabei ist die Marktmacht des handelnden Unternehmens im Verhältnis zum behinderten Mitbewerber zu berücksichtigen, sowie, ob der Handelnde seine Ziele mit weniger einschneidenden Wirkungen erreichen könnte (Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Auflage 2017, § 4, Rn. 4.11).

Es läuft den Interessen der Verfügungsklägerin als Mitbewerberin in erheblichem Maße zuwider, dass die Verfügungsbeklagte, indem sie ihre Nutzer zur Buchung von Error Fares animiert, auch rechtsmissbräuchliches Verhalten der Nutzer gegenüber der Verfügungsklägerin provoziert.

Das Ausnutzen eines Error Fares kann, entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten, nicht nur dann ein rechtsmissbräuchliches Verhalten darstellen, wenn die Buchung erfolgt, um den Anbieter für die Nichtinanspruchnahme der gebuchten Leistung zu einer (Vergleichs-) Zahlung zu veranlassen (vgl. OLG München NJW 2003, 367). Vielmehr können auch Nutzer, die auf Vertragserfüllung bei Angeboten bestehen, welche für sie erkennbar fehlerhaft erheblich unterhalb der üblichen Bepreisung liegen, rechtsmissbräuchlich handeln (bspw. OLG Nürnberg NJOZ 2010, 1733 und AG Dortmund MMR 2017, 497 zu Bestellung in Onlineshops sowie AG München v. 4.11.2009, Az. 163 C 6277/09 zur Buchung eines sog. error fare).

Zumindest in diesem Fall geht die Kammer vom Vorliegen einer fehlerhaften Preisauszeichnung in Form eines Error Fares aus – dies auch vor dem Hintergrund als die Verfügungsbeklagte den Preis selber als „waschechten Error Fare“ bei ihrer Veröffentlichung beworben hat (Anlage AS 1). Insofern handelt es sich hier nicht um einen Zweifelsfall. Die Fehlerhaftigkeit des Preises war für die Nutzer klar erkennbar.

Auch wirbt die Verfügungsbeklagte generell nicht nur mit günstigen Angeboten, die unerkannt Error Fares sein könnten, sondern zumindest bei Werbung für die Nutzung ihres WhatsApp-Alarms explizit auch mit der Mitteilung von (erkennbaren) Error Fares (Anlage AS 8). Damit nutzt sie die Fehler der Verfügungsklägerin gezielt als prominentes Marketing-Instrument für sich.

Der Verfügungsklägerin entstehen durch die flächendeckende Verbreitung eines Error Fares nicht nur erhöhte Rechtsverfolgungskosten, sondern sie hat auch nachvollziehbar dargelegt, und glaubhaft gemacht, dass ihr durch die sich anschließende Rückabwicklung ein Imageschaden in der Öffentlichkeit droht. Zudem hat sie schlüssig vorgetragen, dass sich eine Rückabwicklung zeitnah zum Flugangebot, um dieses sodann noch zum angemessenen Preis zu verkaufen, wegen des Zeitablaufs äußerst schwierig gestaltet. Bleibt die Verfügungsklägerin an den Vertrag mit dem Nutzer gebunden, muss sie diesen für einen Bruchteil des üblichen Preises befördern, wodurch ihr ein Schaden zumindest in der Differenz zwischen dem marktüblichen und dem fehlerhaft ausgeschriebenen Preis entsteht. Schafft sie es, sich wieder von dem Vertrag zu lösen, kann sie ggf. wegen Zeitablaufs den Flug zum regulären Preis nicht mehr erneut verkaufen.

Bereits bei einer sehr viel geringeren Buchungszahl eines Error Fares sind der Verfügungsklägerin in der Vergangenheit mit Rechtsverfolgung und Rückabwicklung Wettbewerbsnachteile (wie zwei Jahre Rückabwicklungszeit sowie Rechtsanwaltskosten) entstanden. Die Rückgängigmachung der durch die Ausnutzung des streitgegenständlichen Error Fare zustande gekommenen 600 Buchungen ist für die Verfügungsklägerin demnach mit rechtlichen Unwägbarkeiten und mit erheblichem Mehraufwand verbunden, den sie auch als größte deutsche Fluggesellschaft nicht hinzunehmen hat.

Dabei ist mit zu berücksichtigen, dass es vorliegend nicht um vereinzelte Buchungen eines Error Fare geht, sondern die Verfügungsbeklagte als Markführerin im Bereich „Reiseschnäppchenportal“ Millionen von Nutzern erreicht und über das Vorliegen Error Fares informiert, so dass es – wie im vorliegenden Fall – binnen weniger Stunden zu einer Vielzahl von Buchungen kommt. Der Marktmacht der Verfügungsbeklagten kommt daher ein zusätzliches Gewicht bei der Bewertung des (parasitären) Ausnutzens hinzu.
b) Kein gleichwertig schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit oder der Verfügungsbeklagten

Demgegenüber besteht kein gleichwertiges schutzwürdiges Interesse seitens der Allgemeinheit bzw. der Verbraucher. Zwar kann die Vergleichsmöglichkeit verschiedener Angebote sowie die Information über besonders günstige Angebote die Interessen der Verbraucher fördern. Diese Interessen können jedoch nicht die Information über preislich fehlerhafte Angebote umfassen, deren Wahrnehmung ein rechtsmissbräuchliches Verhalten darstellen kann und auch für die Verbraucher letztendlich zumindest mit rechtlichen Unwägbarkeiten verbunden ist.

Das berechtigte wirtschaftliche Interesse der Verfügungsbeklagten, ihre Nutzerzahl zu erhöhen, indem sie möglichst umfassend und detailliert über „Schnäppchenangebote“ informiert, darf ebenfalls nicht dazu führen, ihre Nutzer flächendeckend und zum Nachteil der Verfügungsklägerin zur Ausnutzung von erkennbaren Error Fares zu animieren. Die Verfügungsbeklagte kann ihr legitimes Ziel, die Nutzerzahlen durch „Schnäppchenangebote“ zu erhöhen, auch ohne die Bewerbung eines erkennbaren Error Fares weiterverfolgen, indem sie andere, günstige Flugangebote bewirbt, die keinen klar erkennbaren Error Fare darstellen.

Das streitgegenständliche Verhalten der Verfügungsbeklagten stellt sich in der Gesamtschau nicht mehr als bloße Folge eines freien Wettbewerbs dar, welchen die Verfügungsklägerin hinzunehmen hat. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich die Verfügungsbeklagte auf Preisvergleiche und die Information über besonders günstige Angebote beschränken würde, kann jedoch nicht die Aufforderung des Marktführers im Bereich „Reiseschnäppchenportal“ mit einem derart hohen Verbreitungsgrad umfassen, gezielt erkennbare Fehler der Verfügungsklägerin auszunutzen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




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