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OLG Frankfurt: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Wettbewerbsverletzungen im Internet wenn Internetauftritt bestimmungsgemäß auch deutschen Verbrauchern zugänglich gemacht wird

OLG Frankfurt
Urteil vom 07.11.2019
6 U 61/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Wettbewerbsverletzungen im Internet gegeben ist, wenn der Internetauftritt bestimmungsgemäß auch deutschen Verbrauchern zugänglich gemacht wird.

Aus den Entscheidungsgründen:

a) Die deutschen Gerichte sind international zuständig.

aa) Das angebliche Fehlen der internationalen Zuständigkeit konnte auch noch im Berufungsrechtszug gerügt werden. Die Vorschrift des § 513 Abs. 2 ZPO, nach der die Berufung nicht darauf gestützt werden kann, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, bezieht sich nicht auf die internationale Zuständigkeit (BGH NJW 2004, 1456).

bb) Die internationale Zuständigkeit ergibt sich im Streitfall aus Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO. Die Antragsgegnerin hat ihren Sitz in Luxemburg. Sie verfügt nicht über eine deutsche Niederlassung. Bei dem vorgeworfenen Wettbewerbsverstoß handelt es sich um eine unerlaubte Handlung. Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats hat, kann vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Damit ist sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens gemeint, so dass der Kläger die Wahl zwischen beiden Orten hat (EuGH GRUR 2014, 806 Rn. 46 - Parfumflakon II; BGH GRUR 2016, 946 Rn. 15 - Freunde finden). Bei Wettbewerbsverletzungen im Internet ist der Erfolgsort im Inland belegen, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß dort auswirken soll. Indikator für die bestimmungsgemäße Auswirkung in Deutschland ist - wie hier - ein in deutscher Sprache gehaltener Internetauftritt (vgl. BGH GRUR 2006, 513 - Arzneimittelwerbung im Internet). Das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, ist wegen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme besonders geeignet, den Rechtsstreit zu entscheiden (EuGH, Urt. v. 5.9.2019, C-172/18, Rn. 57 zu Art. 97 V UMV). Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt auch der Handlungsort in Deutschland. Verkaufsangebote, die elektronisch für Waren angezeigt werden, sind als in dem Hoheitsgebiet „begangen“ anzusehen, in dem sie zu einer Werbung und zu einem Verkaufsangebot geworden sind, nämlich dem Gebiet, in dem der geschäftliche Inhalt den Verbrauchern, an die er gerichtet war, tatsächlich zugänglich gemacht worden ist (EuGH, Urt. v. 5.9.2019, C-172/18, Rn. 64 zu Art. 97 V UMV). Es ist hingegen nicht der Ort maßgeblich, an dem der Handelnde seine Website eingerichtet und die Anzeige seiner Werbung und Verkaufsangebote ausgelöst hat bzw. technische Maßnahmen zur Schaltung der Anzeige im Internet getroffen hat (EuGH aaO Rn. 51). Auf eine besonders enge Beziehung zur Stadt Frankfurt am Main kommt es für die internationale Zuständigkeit entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht an.

cc) Im Übrigen hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für das vorliegende Eilverfahren jedenfalls aus Art. 35 EuGVVO ergibt. Danach können die im Recht eines Mitgliedstaats vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen bei den Gerichten dieses Mitgliedstaats auch dann beantragt werden, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen Mitgliedstaats zuständig ist. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin fehlt es insoweit nicht an der „realen Verknüpfung“, zwischen dem Gegenstand der beantragten Maßnahmen und der gebietsbezogenen Zuständigkeit des Vertragsstaats des angerufenen Gerichts (EuGH, Urt. v. 17.11.1998 - C-391/95 - van Uden Maritime, juris). Hierfür reicht es vielmehr aus, dass auch in Frankfurt ein Erfolgsort der behaupteten unerlaubten Handlung belegen ist. Darauf, dass für die Vollstreckung die Möglichkeit des Zugriffs auf Vermögen des Schuldners im Erlassstaat besteht, kommt es - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - bei einem Verbotsanspruch nicht an.

b) Der nach Hinweis des Senats konkretisierte Eilantrag ist hinreichend bestimmt (§ 253 II Nr. 2 ZPO). Nach dem Tenor der einstweiligen Verfügung des Landgerichts sollte das verbotene Verhalten darin bestehen, solchen Händlern den Fernabsatz von Bestandteilen elektronischer Zigaretten zu ermöglichen, die nicht „bei der zuständigen Behörde registriert“ sind. Damit wird lediglich der Gesetzeswortlaut des § 22 I Nr. 2 TabakerzG wiederholt. Zwischen den Parteien besteht Streit, wie das Merkmal „bei der zuständigen Behörde registriert“ auszulegen ist. Während die Antragsgegnerin meint, es sei die Registrierung bei der Behörde eines einzigen Bundeslandes ausreichend, steht der Antragsteller auf dem Standpunkt, bundesweit tätige Händler müssten in jedem Bundesland registriert sein. Der Antragsteller hat mit dem konkretisierten Antrag nun klargestellt, dass das Verbot des Fernabsatzes bereits dann gelten soll, wenn Händler nur in einzelnen, nicht in allen Bundesländer nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 TabakerzG registriert sind.

c) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antragsteller prozessführungsbefugt ist (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 UWG), was das Landgericht mit schlüssigen Erwägungen bejaht hat. Zu einer abschließenden Klärung der Prozessführungsbefugnis besteht im vorliegenden Eilverfahren kein Anlass, da die Berufung der Antragsgegnerin aus anderen Gründen Erfolg hat. Bei einer solchen Lage kann die Prozessführungsbefugnis im Eilverfahren dahingestellt bleiben (Senat, WRP 1998, 324).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



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