VG Düsseldorf: Landesmedienanstalt kann Verbreitung ausländischer pornographischer Internetangebote ohne nach deutschem Recht ausreichender Altersverifikation untersagen
VG Düsseldorf
Beschlüsse vom 30.11.2021
27 L 1414/20
27 L 1415/20
27 L 1416/20
Das VG Düsseldorf hat entschieden, dass die Landesmedienanstalten die Verbreitung ausländischer pornographischer Internetangebote ohne nach deutschem Recht ausreichender Altersverifikation untersagen können.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Jugendmedienschutz im Internet - Untersagung von pornografischen Internetangeboten aus Zypern rechtmäßig
Die Landesanstalt für Medien NRW hat zu Recht gegenüber zwei Anbietern mit Sitz in Zypern insgesamt drei Internetseiten mit frei zugänglichen pornografischen Inhalten beanstandet und deren Verbreitung in dieser Form in Deutschland in Zukunft untersagt. Das hat die 27. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit Beschlüssen vom 30. November 2021 entschieden, die den Beteiligten heute zugestellt wurden, und entsprechende Anträge der zypriotischen Gesellschaften auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt.
Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt: Die Vorschriften des deutschen Jugendmedienschutzstaatsvertrages seien anwendbar, auch wenn eine Internetseite vom EU-Ausland aus betrieben werde. Das von der zuständigen Landesanstalt für Medien NRW betriebene Verfahren verstoße weder gegen nationales Verfassungsrecht noch gegen Völkerrecht oder das Recht der Europäischen Union. Insbesondere könnten sich die Anbieter nicht auf das sog. Herkunftslandprinzip berufen, wonach für Internetanbieter aus einem EU-Mitgliedstaat grundsätzlich nur die dortigen Regeln gelten. Es müsse vielmehr das strenge deutsche Jugendmedienschutzrecht Anwendung finden, weil Kindern und Jugendlichen ernste und schwerwiegende Gefahren durch freien Zugang zu pornografischen Internetseiten drohten. Studien hätten gezeigt, dass etwa die Hälfte der dort befragten Kinder und Jugendlichen schon frei zugängliche Pornografie im Internet konsumiert hätten, während nur knapp ein Viertel der Eltern Geräte oder Programme genutzt habe, um solche Inhalte zu blockieren. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass nach deutschem Recht eine reine Kennzeichnung solcher Internetseiten mit sog. Jugendschutzlabeln nicht ausreiche. Die Anbieter müssten vielmehr sicherstellen, dass nur Erwachsene Zugang zu solchen Inhalten erhalten, etwa durch Einrichtung eines Systems zur Altersverifikation. Der EU-Mitgliedstaat Zypern sei von den deutschen Behörden auch hinreichend in die Maßnahmen eingebunden gewesen.
Gegen sämtliche Beschlüsse kann Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
Leitsätze des Entscheidungen:
1. Der Anwendbarkeit der Vorschriften des Jugendmedienschutzstaatsvertrages a.F. steht nicht der Umstand entgegen, dass die Antragstellerin ihren Sitz nicht im Bundesgebiet, sondern auf Zypern hat. Insbesondere ist das sog. Herkunftslandprinzip der Richtlinie 2000/31/EG (E-Commerce-Richtlinie) nicht als Kollisionsregel einzuordnen.
2. Die Vorschrift des § 20 Abs. 6 Satz 2 JMStV a.F., die gerade eine Sonderregelung für den Fall trifft, dass der Anbieter keine Niederlassung im Inland hat, setzt implizit die Möglichkeit des Vorgehens gegen einen im Ausland ansässigen Anbieter voraus.
3. Weder Art. 3 Abs. 1 GG noch Art. 12 Abs. 1 GG gebieten die Aufstellung eines behördlichen Eingriffskonzepts für die zeitliche Reihenfolge des Einschreitens gegen Anbieter von Telemedienangeboten im Unionsgebiet außerhalb Deutschlands, die pornografische Inhalte frei zugänglich anbieten.
4. Das frei zugängliche Angebot pornografischer Inhalte im Internet durch Anbieter mit Sitz im Unionsgebiet außerhalb Deutschlands dürfte eine Ausnahme vom Herkunftslandprinzip aus Art. 3 Abs. 2 TMG a.F. i.V.m. Art. 3 Abs. 2 E-Commerce-Richtlinie begründen:
a) Der Jugendschutz in Gestalt von § 4 Abs. 2 JMStV a.F. stellt ein Schutzgut dar, das ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
b) Dieses Schutzgut ist bei frei zugänglicher Pornografie im Internet ernsthaft und schwerwiegend gefährdet.
c) Die streitbefangenen Maßnahmen - die Beanstandung und die Untersagung der Verbreitung des Angebots in Deutschland, soweit es frei zugängliche Pornografie enthält - dürften im Sinne von § 3 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz TMG a.F. und der gleichlautenden Vorgabe in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a iii) E-Commerce-Richtlinie auch in einem angemessenen Verhältnis zu diesem Schutzgut stehen, mithin auch nach Rechtsprechung des EuGH verhältnismäßig sein. Dies gilt insbesondere angesichts dessen, dass es der Antragstellerin freigestellt ist, den Anforderungen durch Implementierung eines Altersverifikationssystems nachzukommen.
d) Der Umfang der von Art. 3 Abs. 4 b) E-Commerce-Richtlinie geforderten Konsultations- und Informationspflichten gegenüber dem EU-Mitgliedstaat, in dem der Anbieter seinen Sitz hat, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, u.a. auch danach, ob das in Rede stehende Verhalten im Sitzland der dortigen Rechtsordnung entspricht.
Die Entscheidungen finden Sie im Volltext hier:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2021/27_L_1414_20_Beschluss_20211130.html
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2021/27_L_1415_20_Beschluss_20211130.html
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2021/27_L_1416_20_Beschluss_20211130.html
Beschlüsse vom 30.11.2021
27 L 1414/20
27 L 1415/20
27 L 1416/20
Das VG Düsseldorf hat entschieden, dass die Landesmedienanstalten die Verbreitung ausländischer pornographischer Internetangebote ohne nach deutschem Recht ausreichender Altersverifikation untersagen können.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Jugendmedienschutz im Internet - Untersagung von pornografischen Internetangeboten aus Zypern rechtmäßig
Die Landesanstalt für Medien NRW hat zu Recht gegenüber zwei Anbietern mit Sitz in Zypern insgesamt drei Internetseiten mit frei zugänglichen pornografischen Inhalten beanstandet und deren Verbreitung in dieser Form in Deutschland in Zukunft untersagt. Das hat die 27. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit Beschlüssen vom 30. November 2021 entschieden, die den Beteiligten heute zugestellt wurden, und entsprechende Anträge der zypriotischen Gesellschaften auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt.
Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt: Die Vorschriften des deutschen Jugendmedienschutzstaatsvertrages seien anwendbar, auch wenn eine Internetseite vom EU-Ausland aus betrieben werde. Das von der zuständigen Landesanstalt für Medien NRW betriebene Verfahren verstoße weder gegen nationales Verfassungsrecht noch gegen Völkerrecht oder das Recht der Europäischen Union. Insbesondere könnten sich die Anbieter nicht auf das sog. Herkunftslandprinzip berufen, wonach für Internetanbieter aus einem EU-Mitgliedstaat grundsätzlich nur die dortigen Regeln gelten. Es müsse vielmehr das strenge deutsche Jugendmedienschutzrecht Anwendung finden, weil Kindern und Jugendlichen ernste und schwerwiegende Gefahren durch freien Zugang zu pornografischen Internetseiten drohten. Studien hätten gezeigt, dass etwa die Hälfte der dort befragten Kinder und Jugendlichen schon frei zugängliche Pornografie im Internet konsumiert hätten, während nur knapp ein Viertel der Eltern Geräte oder Programme genutzt habe, um solche Inhalte zu blockieren. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass nach deutschem Recht eine reine Kennzeichnung solcher Internetseiten mit sog. Jugendschutzlabeln nicht ausreiche. Die Anbieter müssten vielmehr sicherstellen, dass nur Erwachsene Zugang zu solchen Inhalten erhalten, etwa durch Einrichtung eines Systems zur Altersverifikation. Der EU-Mitgliedstaat Zypern sei von den deutschen Behörden auch hinreichend in die Maßnahmen eingebunden gewesen.
Gegen sämtliche Beschlüsse kann Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
Leitsätze des Entscheidungen:
1. Der Anwendbarkeit der Vorschriften des Jugendmedienschutzstaatsvertrages a.F. steht nicht der Umstand entgegen, dass die Antragstellerin ihren Sitz nicht im Bundesgebiet, sondern auf Zypern hat. Insbesondere ist das sog. Herkunftslandprinzip der Richtlinie 2000/31/EG (E-Commerce-Richtlinie) nicht als Kollisionsregel einzuordnen.
2. Die Vorschrift des § 20 Abs. 6 Satz 2 JMStV a.F., die gerade eine Sonderregelung für den Fall trifft, dass der Anbieter keine Niederlassung im Inland hat, setzt implizit die Möglichkeit des Vorgehens gegen einen im Ausland ansässigen Anbieter voraus.
3. Weder Art. 3 Abs. 1 GG noch Art. 12 Abs. 1 GG gebieten die Aufstellung eines behördlichen Eingriffskonzepts für die zeitliche Reihenfolge des Einschreitens gegen Anbieter von Telemedienangeboten im Unionsgebiet außerhalb Deutschlands, die pornografische Inhalte frei zugänglich anbieten.
4. Das frei zugängliche Angebot pornografischer Inhalte im Internet durch Anbieter mit Sitz im Unionsgebiet außerhalb Deutschlands dürfte eine Ausnahme vom Herkunftslandprinzip aus Art. 3 Abs. 2 TMG a.F. i.V.m. Art. 3 Abs. 2 E-Commerce-Richtlinie begründen:
a) Der Jugendschutz in Gestalt von § 4 Abs. 2 JMStV a.F. stellt ein Schutzgut dar, das ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
b) Dieses Schutzgut ist bei frei zugänglicher Pornografie im Internet ernsthaft und schwerwiegend gefährdet.
c) Die streitbefangenen Maßnahmen - die Beanstandung und die Untersagung der Verbreitung des Angebots in Deutschland, soweit es frei zugängliche Pornografie enthält - dürften im Sinne von § 3 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz TMG a.F. und der gleichlautenden Vorgabe in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a iii) E-Commerce-Richtlinie auch in einem angemessenen Verhältnis zu diesem Schutzgut stehen, mithin auch nach Rechtsprechung des EuGH verhältnismäßig sein. Dies gilt insbesondere angesichts dessen, dass es der Antragstellerin freigestellt ist, den Anforderungen durch Implementierung eines Altersverifikationssystems nachzukommen.
d) Der Umfang der von Art. 3 Abs. 4 b) E-Commerce-Richtlinie geforderten Konsultations- und Informationspflichten gegenüber dem EU-Mitgliedstaat, in dem der Anbieter seinen Sitz hat, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, u.a. auch danach, ob das in Rede stehende Verhalten im Sitzland der dortigen Rechtsordnung entspricht.
Die Entscheidungen finden Sie im Volltext hier:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2021/27_L_1414_20_Beschluss_20211130.html
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2021/27_L_1415_20_Beschluss_20211130.html
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