Skip to content

OLG Frankfurt: Bei Schadensberechnung auf Grundlage des entgangenen Gewinns muss Kläger Kalkulationsgrundlagen und Kausalität für den Schaden detailliert darlegen und beweisen

OLG Frankfurt
Urteil vom 28.10.2021
6 U 147/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass bei einer Schadensberechnung auf Grundlage des entgangenen Gewinns der Kläger die Kalkulationsgrundlagen und die Kausalität für den Schaden detailliert darlegen und beweisen muss.

Aus den Entscheidungsgründen:

"b) Die Klägerin hat indes einen entgangenen Gewinn nicht schlüssig darlegen können.

aa) Bereits untauglich ist der Versuch, einen entgangenen Gewinn ohne Darlegung der Kalkulationsgrundlagen zu berechnen. Zwar ist nachvollziehbar, dass die Klägerin ihre internen Kalkulationsdaten nicht offenlegen will. Dies ist jedoch zwingend erforderlich, wenn die Klägerin darlegen will, dass ihr durch das Verhalten der Beklagten ein bestimmter eigener Gewinn entgangen sei. Der Geschädigte darf sich nicht auf allgemeine Darlegungen zum mutmaßlichen Gewinn beschränken, sondern er muss produktbezogene Ausführungen machen, um dem Gericht eine Schadensschätzung zu ermöglichen. Er ist gehalten, die Kalkulation für seine Ware zu offenbaren (Ströbele/Hacker MarkenG, 10. Aufl. 2012, § 14 MarkenG Rn 464) und muss insbesondere Erlöse und produktbezogene Kosten einander gegenüberstellen (BGH GRUR 1980, 841, 842 f. - Tolbutamid; BGH GRUR 1993, 757, 759 - Kollektion Holiday; OLG Köln GRUR-RR 2014, 329; BeckOK MarkenR/Goldmann, 26. Ed. 1.7.2021, MarkenG § 14 Rn 750.3). Vor diesem Hintergrund ist der Vortrag der Klägerin unzureichend, da sie lediglich eine allgemeine Gewinnspanne vorgetragen hat. Sie hätte zumindest die Gewinnspanne unter Darlegung der genannten Einzelheiten (Erlöse und Kosten) - bezogen auf die beanstandeten Modelle bzw. auf ihre mit diesen vergleichbaren Modellen - vortragen müssen. Diesen Vortrag hat sie auch nachdem der Senat in der mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Hinweis erteilt hat, nicht gehalten.

Der Versuch der Klägerin, die Kalkulationsparameter hinter einer „Gutachtenwand“ zu verstecken, indem sie einem Privatgutachter diese zugänglich gemacht hat, diese aber nicht in das Gutachten Eingang gefunden haben, ist daher nicht erfolgreich. Soweit die Klägerin dem in der mündlichen Verhandlung entgegengehalten hat, §§ 252 BGB, 287 ZPO entbinde sie insoweit von der Darlegung der Kalkulationsgrundlagen und sie weiterhin ein Sachverständigengutachten angeboten hat, kann dies zu keinem anderen Ergebnis führen.

Die Bestimmung des § 252 S. 2 BGB, nach welcher der Gewinn als entgangen gilt, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, und die Vorschrift des § 287 ZPO, nach der das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung darüber entscheidet, wie hoch sich ein unter den Parteien streitiger Schaden beläuft, entheben den Verletzten zwar der Notwendigkeit, den entgangenen Gewinn genau zu belegen. Sie ersparen es ihm jedoch nicht, dem Gericht eine tatsächliche Grundlage zu unterbreiten, die diesem eine wenigstens im Groben zutreffende Schätzung des entgangenen Gewinns ermöglicht (BGH GRUR 2016, 860 Rn 20, 21 - Deltmethrin II). Auf solche konkreten Anhaltspunkte kann nicht verzichtet werden, da der Schädiger sonst im Einzelfall der Gefahr einer willkürlichen Festsetzung der von ihm zu erbringenden Ersatzleistung ausgesetzt wäre. Bei aller Anerkennung des häufig bestehenden Beweisnotstandes des Geschädigten wäre dies mit dem Sinn und Zweck der §§ 287 ZPO, 252 BGB nicht zu vereinbaren.

bb) Auch im Hinblick auf die Kausalität fehlt es an einem schlüssigen Vortrag.

Dem Verletzten obliegt es, die Kausalität zwischen der Verletzung und dem ihm entgangenen Gewinn nachzuweisen. Die Befugnis zur Schätzung der Höhe des Gewinns schließt auch alle Kausalitäts- und Zurechnungsfragen mit ein (Goldmann WRP 2011, 950, 953). Für den Nachweis eines Schadens bestehen in der Natur der Sache liegende Beweisschwierigkeiten, vor allem was die künftige Entwicklung des Geschäftsverlaufs betrifft.

In dem vorliegenden besonderen Fall ist nicht hinreichend dargelegt, dass nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ein Gewinn mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Vielmehr liegen besondere Umstände vor, die so erhebliche Zweifel begründen, dass trotz des reduzierten Beweismaßstabes eine Kausalität zwischen rechtswidriger Handlung und dem behaupteten Schaden nicht dargelegt ist. Hier ist nämlich zum einen zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu einem erheblich niedrigeren Preis geliefert hat. Bei gedanklichem Wegfall der Beklagten hätten nicht alle Kunden sicher bei der Klägerin gekauft, auch wenn es sich um notwendige Ware gehandelt hat, die von den Kunden benötigt wurde. Aufgrund der Tatsache, dass es in anderen EU-Ländern weitere Anbieter gab, die dort (legal) Ersatzteile für die Kupplungen angeboten haben, ist nämlich denkbar, dass ein Teil der Kunden der Beklagten sich im EU-Ausland eingedeckt hätte. Dort wäre dies auch legal gewesen, so dass dies bei der Schadensberechnung durchaus berücksichtigt werden kann. Im Gegensatz dazu sind ebenfalls rechtswidrige handelnde inländische Wettbewerber außer Betracht zu lassen. Der Beklagten ist es aus Rechtsgründen untersagt, dem Schadensersatzanspruch der Klägerin entgegenzuhalten, ihre Kunden hätten ihren Bedarf an Ersatzteilen bei anderen Anbietern gedeckt, die ihrerseits Ersatzteile ohne Zulassung vertrieben haben. Der Beklagten kann es nicht zum Vorteil gereichen, wenn sich andere Marktteilnehmer ebenfalls nicht nach den Vorschriften der StVZO richten (vgl. BGH GRUR 2016, 860, 864, Rn 39 - Deltamethrin II).

Vor allem aber hat die Beklagte fast die gesamte beauskunftete Ware an ihre Tochterfirma in Deutschland geliefert, die wiederum nach Auskunft der Beklagten nur in das Ausland geliefert haben soll. Damit wäre im Hinblick auf die Lieferungen an die deutsche Tochter der Beklagten ausgeschlossen, dass es zu irgendeiner Art von entgangenem Gewinn für die Klägerin gekommen ist. Durch die Weiterlieferung ins Ausland ist nämlich keinerlei inländischer Nachfrage bedient worden und damit der Klägerin kein Gewinn entgangen. Die deutsche Vertriebstochter der Beklagten hätte sich wiederum, wenn sie hypothetisch von der Beklagten nicht beliefert worden wäre, ganz sicher nicht bei der Klägerin eingedeckt. Die deutsche Tochter hatte nämlich die Aufgabe, (nur) die Produkte der Beklagten (in das Ausland) zu vertreiben. Sie ist insoweit nicht irgendeine Händlerin, die sich alternativ auch bei anderen Lieferanten eindeckt, sondern eine Händlerin, die eben nur bei der Beklagten einkauft. Ein Schadensersatz kommt daher von vorneherein nur hinsichtlich der anderen deutschen Abnehmer in Betracht. Es fehlt aber an einer entsprechenden Differenzierung. Die Abgrenzung der in das Inland und das Ausland gelieferten Teil wäre als anspruchsbegründenden Tatsache Sache der Klägerin.

Soweit die Klägerin dem entgegenhält, sie halte die entsprechende Auskunft der Beklagten für falsch, verkennt sie, dass sie für die anspruchsbegründenden Tatsachen die Darlegungs- und Beweislast trägt. Hält sie die von ihr selbst vorgetragenen Tatsachen für falsch, macht sie ihre Klage insoweit selbst unschlüssig. Dass dem eine Auskunft der Beklagten zugrunde lag, ändert nichts an der bestehenden Darlegungs- und Beweislast. Der Klägerin hätte bei Zweifeln an der Richtigkeit der Auskunft einen Antrag auf eidesstattliche Versicherung stellen müsse, um die Grundlage für ihre geltend gemachten Schadensersatzansprüche zu validieren."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Trackbacks

Keine Trackbacks

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Die Kommentarfunktion wurde vom Besitzer dieses Blogs in diesem Eintrag deaktiviert.

Kommentar schreiben

Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.
Formular-Optionen