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LAG Mecklenburg-Vorpommern: Recht des Arbeitnehmers sich auf Unwirksamkeit des Widerrufs der Bestellung zum Datenschutzbeauftragten zu berufen kann verwirken

LAG Mecklenburg-Vorpommern
Urteil vom 07.12.2021
5 Sa 113/21

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat entschieden, dass das Recht des Arbeitnehmers, sich auf die Unwirksamkeit des Widerrufs der Bestellung zum Datenschutzbeauftragten zu berufen, verwirken kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die ordentliche Kündigung des Klägers ist nicht aufgrund seiner früheren Stellung als Datenschutzbeauftragter der Beklagten ausgeschlossen.

Nach § 6 Abs. 4 Satz 2, § 38 Abs. 2 BDSG ist die Kündigung eines Datenschutzbeauftragten unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, welche den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Nach dem Ende der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Jahres unzulässig, es sei denn, dass der Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt ist (§ 6 Abs. 4 Satz 3, § 38 Abs. 2 BDSG).

Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung war der Kläger nicht mehr Datenschutzbeauftragter der Beklagten. Der nachwirkende einjährige Kündigungsschutz war ebenfalls ausgelaufen. Die Beklagte hat die Bestellung des Klägers zum Datenschutzbeauftragten mit Schreiben vom 19.02.2018 widerrufen. Dieser Widerruf ist wirksam geworden. Es kann dahinstehen, ob seinerzeit gemäß § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG in der bis zum 24.05.2018 geltenden Fassung ein wichtiger Grund in entsprechender Anwendung des § 626 BGB für einen Widerruf vorlag. Der Kläger hat jedenfalls das Recht, die Unwirksamkeit des Widerrufs geltend zu machen, unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls verwirkt. Ist die Abberufung als Datenschutzbeauftragter wirksam geworden, ist diese Arbeitsaufgabe nicht mehr Bestandteil der vertraglich geschuldeten Leistung. Es bedarf dann keiner Teilkündigung mehr (BAG, Urteil vom 23. März 2011 – 10 AZR 562/09 – Rn. 30, juris = ZTR 2011, 561).

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes und trägt dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit Rechnung. Die Verwirkung verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner bereits dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger seine Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist

(z. B. BAG, Urteil vom 22. Juli 2021 – 2 AZR 6/21 – Rn. 26, juris = NZA 2021, 1405).

Die Beklagte durfte spätestens bei Zugang der Kündigung vom 28.05.2020 davon ausgehen, dass der Kläger ihr gegenüber eine evtl. Unwirksamkeit des Widerrufs seiner Bestellung zum Datenschutzbeauftragten nicht mehr geltend machen werde. Der Kläger hat sich zwar gegen die beiden außerordentlichen Kündigungen der Beklagten gewehrt. Die Abberufung als Datenschutzbeauftragter hat er ihr gegenüber jedoch weder gerichtlich noch in anderer Weise ausreichend geltend gemacht. Soweit der Kläger die Beklagte im Nachgang zur Kündigung mit Schreiben vom 22.07.2020 aufgefordert hat, seinen Status als Datenschutzbeauftragter anzuerkennen, ist diese Aufforderung für die rechtliche Bewertung der Kündigung nicht von Bedeutung, da hierfür allein der Zeitpunkt des Kündigungszugangs maßgeblich ist. Gerichtlich geltend gemacht hat der Kläger die Unwirksamkeit des Widerrufs seiner Bestellung zum Datenschutzbeauftragten durch die Beklagte lediglich gegenüber der Universitätsmedizin A-Stadt. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts hierzu vom 25.02.2020 (Aktenzeichen 5 Sa 108/19) bindet nur die Universitätsmedizin A-Stadt, nicht aber die Beklagte, was im Übrigen auch insoweit gilt, als das Arbeitsgericht die Klage – u. a. hinsichtlich des Widerrufs der Beklagten – rechtskräftig abgewiesen hat. Das Vertrauen der Beklagten in die Wirksamkeit der Abberufung ist schutzwürdig. Der Kläger hat ihr gegenüber mehr als zwei Jahre lang eine evtl. Unwirksamkeit des Widerrufs nicht geltend gemacht. Die Beklagte durfte davon ausgehen, nunmehr über den Arbeitsplatz des Klägers betrieblich disponieren zu können.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

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