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BGH: Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO analog bis EuGH entscheidungserhebliche Fragen zur DSGVO geklärt hat - hier: Auslegung von Art. 15 DSGVO

BGH
Beschluss vom 21.02.2023
VI ZR 330/21


Der BGH hat ein Verfahren, in dem es um Auslegung von Art. 15 DSGVO geht, gemäß § 148 ZPO analog ausgesetzt, bis der EuGH die entscheidungserheblichen Fragen zur DSGVO geklärt hat.

Aus den Entscheidungsgründen:
Das vorliegende Verfahren wird gemäß § 148 ZPO analog bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) in den dort anhängigen Verfahren C-487/21 bzw. C-307/22 ausgesetzt.

1. Das Österreichische Bundesverwaltungsgericht hat durch Beschluss vom 9. August 2021 (W211 2222613 - 2; ECLI:AT:BVWG:2021: W211.2222613.2.00; Rs. C-487/21; ABl. EU C 431 vom 25. Oktober 2021 S. 8 f.) dem Gerichtshof u.a. folgende Fragen zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt:

1. Ist der Begriff der "Kopie" in Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, ABl L 119/1 vom 4. Mai 2016, S. 1; im Folgenden: "DS-GVO") dahingehend auszulegen, dass damit eine Fotokopie bzw. ein Faksimile oder eine elektronische Kopie eines (elektronischen) Datums gemeint ist, oder fällt dem Begriffsverständnis deutscher, französischer und englischer Wörterbücher folgend unter
den Begriff auch eine "Abschrift", un "double" ("duplicata") oder ein "transcript"?

2. Ist Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO, wonach "der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind", zur Verfügung stellt, dahingehend auszulegen, dass darin ein allgemeiner Rechtsanspruch einer betroffenen Person auf Ausfolgung einer Kopie - auch - gesamter Dokumente enthalten ist, in denen personenbezogene Daten der betroffenen Person verarbeitet werden, bzw. auf Ausfolgung einer Kopie eines Datenbankauszuges bei Verarbeitung der personenbezogenen Daten in einer solchen, oder besteht damit - nur - ein Rechtsanspruch für die betroffene Person auf originalgetreue Reproduktion der nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO zu beauskunftenden personenbezogenen Daten?

3. Für den Fall, dass die Frage 2. dahingehend beantwortet wird, dass nur ein Rechtsanspruch für die betroffene Person auf originalgetreue Reproduktion der nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO zu beauskunftenden personenbezogenen Daten besteht, ist Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO dahingehend auszulegen, dass es, bedingt durch die Art der verarbeiteten Daten (zum Beispiel in Bezug auf die im Erwägungsgrund 63 angeführten Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde oder auch Unterlagen im Zusammenhang mit einer Prüfung im Sinne des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 20. Dezember 2017,
C-434/16; ECLI:EU:C:2017:994) und das Transparenzgebot in Art. 12 Abs. 1 DSGVO im Einzelfall dennoch erforderlich sein kann, auch Textpassagen oder ganze Dokumente der betroffenen Person zur Verfügung zu stellen?

2. Der erkennende Senat hat dem Gerichtshof durch Beschluss vom 29. März 2022 - VI ZR 1352/20 (DB 2022, 1249; Rs. C-307/22) unter Ziff. 3 folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Umfasst der Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO im Arzt-Patienten-Verhältnis einen Anspruch auf Überlassung von Kopien aller die personenbezogenen Daten des Patienten enthaltenden Teile der Patientenakte oder ist er nur auf Herausgabe einer Kopie der personenbezogenen Daten des Patienten als solche gerichtet, wobei es dem datenverarbeitenden Arzt überlassen bleibt, in welcher Weise er dem betroffenen Patienten die Daten zusammenstellt ?

3. Diese Fragen sind auch im vorliegenden Fall entscheidungserheblich. Die Parteien streiten unter anderem darüber, ob sich aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO (lediglich) ein Anspruch auf eine Kopie der nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO zu beauskunftenden Daten oder ein Anspruch auf Herausgabe von Kopien der diese Daten enthaltenden Dokumente ergibt.

4. Aufgrund der Entscheidungserheblichkeit der oben unter II. 1 und 2 genannten Fragen kann der Senat in dieser Sache unter Beachtung seiner in Art. 267 Abs. 3 AEUV enthaltenen Vorlageverpflichtung keine abschließende Sachentscheidung treffen. Eine Vorlage auch dieses Verfahrens an den Gerichtshof würde jedoch dort nicht zu einer schnelleren Beantwortung der maßgeblichen Rechtsfrage führen. Im Gegenteil würde die Funktion des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren beeinträchtigt, wenn die gleiche Rechtsfrage mehrfach vorgelegt würde. Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV stellt ein grundlegendes Instrument dar, um den Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht zu verwirklichen und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Die verbindliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist dem Gerichtshof vorbehalten. Da der Gerichtshof aber kein Rechtsmittelgericht für sämtliche mitgliedschaftlichen Verfahren darstellt, genügt es, wenn dort über die klärungsbedürftige Rechtsfrage in den bereits anhängigen Verfahren verhandelt und entschieden wird (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Mai 2022 - VI ZR 223/21, juris Rn. 9; BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - VIII ZR 236/10, RIW 2012, 405 Rn. 8 mwN).

5. Der Senat hält es daher für angemessen, wie auch von der Revision angeregt, das vorliegende Verfahren gemäß § 148 ZPO analog wegen Vorgreiflichkeit der beim Gerichtshof anhängigen Vorlageverfahren auszusetzen (zur Zulässigkeit dieser Vorgehensweise vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - VIII ZR 236/10, RIW 2012, 405 Rn. 9 mwN).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

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