OLG Nürnberg: Wettbewerbsverstoß wenn ein Online-Shop Vorkasse verlangt und der Vertragsschluss erst mit Zustellung der Ware erfolgt
OLG Nürnberg
Urteil vom 30.01.2024
3 U 1594/23
Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass eine unangemessene Benachteiligung und somit ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn ein Online-Shop Vorkasse verlangt und der Vertragsschluss erst mit Zustellung der Ware erfolgt
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Rechtsmittel des Klägers ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die in Nr. 6 der AGB für die Zahlungsoption „Vorkasse“ getroffenen Regelungen und die entsprechende Praxis der Beklagten sind mit AGB-rechtlichen Vorgaben nicht vereinbar, wenn zugleich die in Nr. 1 ihrer AGB getroffene Regelung verwendet wird, und stellen damit eine unlautere Handlung i.S.v. § 3a UWG dar. Der Kläger kann deshalb nach § 8 Abs. 1 UWG Unterlassung entsprechender Aufforderungen zur Vorleistung verlangen; ebenso steht ihm ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Abmahnkosten zu.
1. Die allgemeinen Voraussetzungen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs, insbesondere die Aktivlegitimation des Klägers nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, sind gegeben und werden von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Dahinstehen kann auch, ob das Unterlassungsbegehren des Klägers auch im Wege der Unterlassungsklage nach § 1 oder § 2 UKlaG verfolgt werden könnte, weil das UKlaG keine abschließende Wirkung besitzt und daher den berechtigten Verbänden auch eine Rechtsverfolgung auf Grundlage der lauterkeitsrechtlichen Bestimmungen eröffnet ist, weil das Verwenden unzulässiger AGB den Tatbestand des § 3a UWG, jedenfalls des § 3 Abs. 2 UWG, verwirklicht; dasselbe muss für entsprechende Praktiken gelten. Anerkannt ist auch, dass an den Maßstäben der §§ 305 ff. BGB nicht nur Regelungen zu messen sind, die den Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten betreffen, sondern auch Bestimmungen, dazu, wann und wie der Vertrag zustande kommt.
2. Der verfolgte Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt einer Irreführung (§ 3 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 UWG) darüber, wann der Vertrag geschlossen wird.
a) Der Zeitpunkt, zu welchem der Vertrag zustande kommen soll, ist in Nr. 1 der AGB eindeutig und transparent angegeben.
b) Eine Irreführung der Verbraucher erfolgt nicht dadurch, dass die Beklagte nach Eingang der Bestellung den Kunden automatisiert eine Bestellbestätigung übersendet. Zwar dürfte eine Bestellbestätigung oftmals eine Annahmeerklärung darstellen oder zumindest so empfunden werden; dies gilt allerdings nur, wenn sich nichts Abweichendes aus ihrem Inhalt ergibt. So liegt der Fall hier, weil die Beklagte in der Bestellbestätigung ausdrücklich darauf hinweist, dass die Bestätigung aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen übermittelt wird, aber noch keine Vertragsannahme darstellt, sondern diese erst in der Zustellung der Ware liegt.
c) Ebenso wenig ergibt sich eine Irreführung des Verbrauchers daraus, dass er zuvor im Zuge des Bestellvorgangs den Button „zahlungspflichtig bestellen“ zu betätigen hatte. Der Kunde gibt damit ein verbindliches Angebot zum Kauf einer Ware zu dem angegebenen Preis ab (§ 145 BGB), das (im Fall späterer Annahme gern. §§ 147 ff. BGB) eine Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung nach sich zieht. Der entsprechende Hinweis Ist daher geschuldet und erforderlich, um dem Kunden in der gebotenen Weise klarzumachen, dass er sich bindet und einer Zahlungspflicht aussetzt, deren Entstehen er nicht mehr verhindern kann. Diese Selbstbindung des Kunden, vor der durch den Button gewarnt wird, genügt aber nicht für den Vertragsschluss.
d) Ohne Erfolg bleibt schließlich der in der mündlichen Verhandlung vom Klägervertreter unternommene Hinweis auf die Regelung zum Verzug im vorletzten Absatz der Nr. 6 der AGB. Ein Verzug setzt zwar denknotwendig das Bestehen einer fälligen und auch im Übrigen durchsetzbaren Pflicht voraus, was praktisch bedeutet, dass zuvor ein Kaufvertrag zustande gekommen sein muss. Die Regelung in diesem Absatz ist aber nicht ausdrücklich oder aus systematischen Gründen ausschließlich auf den Fall der Bezahlung per Vorkasse bezogen. Vielmehr finden sich in den vorangegangenen Absätzen der Nr. 6 auch Regelungen zur Bezahlung per Sofortüberweisung, Kreditkarte, Rechnung, Einlösung eines Gutscheins oder Finanzierung. Auch dann, wenn der Vertragsschluss erst mit der Zustellung der Ware erfolgt, kann insbesondere im Fall der Zahlung per Rechnung ein Verzug eintreten; der vorletzte Absatz der Nr. 6 hat dann einen sinnvollen Inhalt. Dasselbe gilt, wenn eine Überweisung oder Kreditkartenbelastung ausnahmsweise keinen Bestand hat.
Unabhängig davon, ob es als Irreführung über den Zeitpunkt des Vertragsschlusses anzusehen wäre, wenn sich aus der Gesamtbetrachtung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergäbe, dass der Kläger inkonsistente Bestimmungen verwendet, liegt ein solcher Fall somit nicht vor. Vielmehr ist – was insoweit auch nicht gegen den Grundsatz verstößt, dass in Verfahren der vorliegenden Art die „kundenfeindlichste Auslegung“ heranzuziehen ist – die Regelung im vorletzten Absatz der Nr. 6 dahin zu verstehen, dass sie einen wirksamen Vertragsschluss nach Maßgabe der übrigen Bestimmungen voraussetzt, aber gerade keine Geltung beanspruchen soll, wenn sich nach den übrigen Bestimmungen ein Vertragsschluss und damit ein Verzug noch nicht ergab.
3. Ebenso kann der Senat das Vorgehen der Beklagten, die Zustellung der Ware als Annahme zu definieren, nicht als Zugangsfiktion (die nach § 308 Nr. 6 BGB unzulässig wäre) oder als Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung (die an § 307 BGB zu messen wäre, vgl. MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 308 Nr. 6 Rn. 5) bewerten.
Die Bestimmung in Nr. 1 führt dazu, dass mit der Zustellung der Ware eine Willenserklärung verbunden wird, was bedeutet, dass eine Annahmeerklärung i.S.v. §§ 147 ff. BGB jedenfalls erfolgen soll. Der Kunde nimmt auch aus den nachfolgend dargestellten Gründen regelmäßig wahr, dass die Ware zugestellt wurde (was bei der „Versendung der Ware“, auf die in dem vom Landgericht München I entschiedenen Sachverhalt abgestellt wurde, gerade nicht der Fall ist).
Fraglich kann daher nur sein, ob diese Gleichsetzung den Kunden gegenüber einer „gewöhnlichen“ Form der Annahme unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 BGB). Dies kann der Senat, wie der mündlichen Verhandlung erörtert, nicht erkennen: Die Zustellung der bestellten Ware, mit der erkennbar die Übergabe nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB bewirkt werden soll, setzt voraus, dass die Ware in den Besitz des Empfängers gelangt i.S.v. § 854 BGB, also in seine räumliche tatsächliche Herrschaftssphäre verbracht wird. Damit werden auch alle Voraussetzungen erfüllt, die nach den Grundsätzen zu § 130 Abs. 1 S. 1 BGB an den Zugang einer Willenserklärung zu stellen sind. Die Ablieferung oder ggf. eine Information darüber, wo die Ware abgeholt werden kann (z.B. Packstation) ist nicht weniger leicht wahrzunehmen als eine E-Mail, ein Brief o.Ä„in der ausdrücklich erklärt wird, dass das Angebot angenommen worden sei.
Daher kann dahinstehen, ob der formulierte Antrag und das in den Schriftsätzen zum Ausdruck gebrachte Begehren des Klägers, welches sich gegen das Vorkasse-Verlangen richtet, Erfolg haben könnte, wenn die Bestimmung in Nr. 1 aus solchen Gründen unwirksam wäre.
4. Aus demselben Grund muss nicht abschließend darüber befunden werden, ob die Regelung in Nr. 1 generell, d.h. losgelöst von der Situation, dass die Zahlungsoption „Vorkasse“ gewählt wird, zulässig ist. Bedenken ergeben sich insoweit daraus, dass wegen der Bedeutung der Zustellung der Ware die Lieferfrist, die in Nr. 3 behandelt wird, zugleich Bedeutung als Frist für die Annahme des Angebots gewinnt, und wegen der Gestaltung der Nr. 3 der Verbraucher nicht hinreichend sicher feststellen kann, ob sein Angebot angenommen wurde und bis wann er daran gebunden ist.
a) § 308 Nr. 1 BGB verbietet u.a. Bestimmungen, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält Das Verbot nicht hinreichend bestimmter oder zumindest bestimmbarer Fristen soll gewährleisten, dass der Verbraucher erkennen kann, ob er noch an sein Angebot gebunden ist oder er zur Deckung seines Bedarfs einen anderen Vertrag schließen muss, ohne zu riskieren, zweifach gebunden zu sein. Die Frist für die Annahme des Angebots muss dazu nach Beginn, Dauer und Ende ohne Schwierigkeit oder rechtliche Beratung berechenbar sein (MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 9; BeckOGK/Weiler, 1.9.2023, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 122; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 7. Aufl. 2020, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 19). Die fehlende Feststellbarkeit kann sich z.B. aus der Verwendung unbestimmter Zeitbegriffe, aus der Anknüpfung an den Eintritt von Bedingungen oder aus der Anknüpfung an Entscheidungen des Verwenders oder Dritter ergeben (Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 7. Aufl. 2020, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 19). Unwirksam sind danach nicht nur Klauseln, in denen der Verwender sich für die Annahme des von dem Kunden gemachten Angebots eine nicht hinreichend bestimmte Frist ausbedungen hat, wie etwa bei Bindung „bis zum Eingang einer sachlichen Antwort“ oder „bis zum Ende der Saison“, sondern auch, wenn die Bindung „bis zur Versendung der Ware“ bestehen soll (MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 9). Während Höchstfristen („Bindung an Bestellung höchstens 10 Tage“) das Erfordernis der Bestimmtheit oder wenigstens Bestimmbarkeit noch erfüllen, genügen „circa-Fristen“ hierzu nicht (MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 9). Als unzulässig wurde auch eine Klausel bewertet, nach der die Annahme des Vertragsangebots durch den Unternehmer unter der Bedingung des Zahlungseingangs steht, weil der Kunde nicht in der Lage ist, zu erkennen, wie lange er an sein Angebot gebunden ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. August 2012, 6 W 84/12, MMR 2012, 808).
b) Selbst wenn man zugunsten der Beklagten annimmt, dass die „Auslieferung“, zu der sich Nr. 3 verhält, der „Zustellung“ i.S.v. Nr. 1 entspricht, lässt sich damit nicht, d.h. weder für den durchschnittlichen Verbraucher noch für sonstige Personen außerhalb der Sphäre der Beklagten, feststellen, wie lange die Beklagte befugt sein soll, das Angebot noch anzunehmen; wegen der Übereinstimmung von Annahmefrist und Bindung bedeutet dies, dass der Verbraucher nicht erkennen kann, wie lange er an sein Angebot gebunden sein soll. Die in Nr. 3 der AGB enthaltenen Lieferfristen, die insoweit auch den möglichen Zeitraum für die Annahme definieren, sind dort ausdrücklich als ca-Fristen angegeben („ca. 10 Werktage“ bei per Spedition gelieferten Waren; i.Ü. „ca. 1-3 Werktage“). Der Verbraucher hat also auch nach Ablauf der dort genannten Zeiträume keine Gewissheit, dass die Beklagte den Vertragsschluss abgelehnt hat und er deshalb von der Bindung an das Angebot freigeworden ist, sondern muss auch über diese Zeiträume hinaus für eine nicht sicher eingrenzbare Zeitspanne damit rechnen, dass die Beklagte noch durch Bewirkung der Zustellung und die darin liegenden Annahmeerklärung den Vertrag zustande kommen lassen will. Die angegebenen Fristen können gerade nicht als Höchstfristen verstanden werden.
5. Die Klage hat jedenfalls deshalb Erfolg, weil die Vorkasse-Regelung in Nr. 6 aufgrund der Kombination mit der Regelung zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrags die Verbraucher unangemessen benachteiligt.
a) Die Bestimmung im 5. Absatz der Nr. 6 der AGB der Beklagten, die das Vorgehen bei Bezahlung per Vorkasse regelt, sieht vor, dass der Kunde den vollen Rechnungsbetrag innerhalb von 7 Tagen nach der Bestellung an die Beklagte zu überweisen hat. Weder bei Beauftragung der Überweisung durch den Kunden noch bei Zahlungseingang bei der Beklagten besteht jedoch bereits ein schuldrechtlicher Kaufvertrag, weil nach Nr. 1 dieser erst mit der mehrere Tage späteren Zustellung der Ware geschlossen wird.
b) Der Senat sieht mit dem Kläger und dem OLG Frankfurt/Main (Beschluss vom 29. August 2012, 6 W 84/12, MMR 2012, 808) einen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung i.S.v. § 397 Abs. 1 Nr. 1 BGB darin, dass Leistungen nur erbracht werden müssen oder sollen, wenn ein Rechtsgrund besteht, und dementsprechend ein Verlangen nach einer Leistung nur geäußert werden darf, wenn bereits eine wirksame rechtliche Verpflichtung begründet worden ist. Hiervon dürfte § 241 Abs. 1 BGB als selbstverständlich ausgehen. Jedenfalls liegt der geltenden Zivilrechtsordnung das Prinzip zugrunde, dass Verträge durch einen Konsens der Parteien geschlossen werden und sich daraus die wechselseitigen Verpflichtungen ergeben (§ 311 Abs. 1 BGB). Umgekehrt ist nicht geschuldeten Leistungen immanent, dass sie nicht erbracht werden müssen; die Rechtsordnung kennt auch keine Fälle, in denen vorgesehen ist, dass solche Leistungen (obwohl nicht geschuldet) erbracht werden, um den anderen zu einer Vertragsannahme zu bewegen. Zu den Grundgedanken gehört somit auch, dass niemand Leistungen erbringen muss, ohne äquivalente Ansprüche auf eine Gegenleistung zu besitzen.
Gegen diese Annahmen sprechen auch nicht die Regelungen zur in der condictio ob rem (§ 812 Abs. 1 S. 2 Var. 2 BGB) und/oder der Handschenkung (§ 518 Abs. 2 BGB). Danach ist zwar denkbar, dass jemand im Wissen um das Nichtbestehen einer Schuld leistet, weil er einen Rechtserfolg oder ein tatsächliches Handeln des anderen herbeiführen will (und zwar im klassischen Fall der Handschenkung gerade die Wirksamkeit eines Rechtsverhältnisses). Jedoch geht in diesen Fällen stets die Initiative vom Leistenden aus, während vorliegend der Verwender und Leistungsempfänger ein entsprechendes Verlangen äußert, um sein Absatzgeschäft tätigen zu können. Eine derartige Situation findet sich im BGB an keiner Stelle. Darüber hinaus könnten selbst solche Sondersituationen nicht dazu führen, dass der zuvor beschriebene Mechanismus als Grundgedanke anzusehen wäre.
Der Grundsatz, dass im Zuge von entgeltlichen Austauschverträgen unter nicht persönlich bekannten Parteien Leistungen erst dann zu erbringen sind, wenn eine vertragliche Bindung besteht und damit die wechselseitigen Ansprüche entstanden sind, ist auch keine bloße Verlegenheits- oder Zweckmäßigkeitslösung, sondern Ausdruck eines entsprechenden Gerechtigkeitsgedankens. Es ist bei entgeltlichen Austauschverträgen grundsätzlich keiner Vertragspartei zuzumuten, eine Leistung erbringen zu müssen oder zu sollen, ohne bereits selbst die entsprechenden, synallagmatischen Leistungen beanspruchen zu können.
c) Wegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB impliziert die durch Nr. 1 der AGB bewirkte Abweichung von diesen Grundsätzen die Unangemessenheit der Regelung. Diese wird im vorliegend zu untersuchenden Fall, dass die Zahlungsoption „Vorkasse“ gewählt wird, auch nicht widerlegt:
aa) Die Beklagte besitzt zwar ein legitimes Interesse daran, nicht dem Risiko ausgesetzt zu sein, dass der Besteller den Kaufpreis für die Ware nicht leisten will oder nicht leisten kann; in Fällen, in denen sie sich nicht auf eine Zahlung per Rechnung einlassen will und keine Zahlung durch Einschaltung eines geeigneten Intermediärs sichergestellt ist, bleibt damit nur die Sicherung durch „Vorkasse“. Dies stellt auch der Kläger ausdrücklich nicht in Abrede.
Dieses Interesse rechtfertigt jedoch nur, eine Vorauszahlung zu verlangen. Der anzuerkennende Bedarf nach Absicherung gegen einen Zahlungsausfall kann aber nicht legitimieren, auch den Vertragsschluss hinauszuschieben.
bb) Die vom Gesetz für derartige Fälle zugelassene und vorgesehene Lösung, den Vertrag sogleich zu schließen und sich lediglich (abweichend von § 320 BGB) auszubedingen, die eigene Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung (hier: Zahlungseingang) zurückbehalten zu dürfen, und sich bei Ausbleiben der Zahlung vom Vertrag lösen zu können (§ 323 Abs. 1 BGB) trägt dem beschriebenen Interesse der Beklagten in jeder Hinsicht Rechnung.
Insbesondere ist es entgegen der Argumentation des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung nicht so, dass die Beklagte bei dieser Gestaltung zunächst den Kunden auf Kaufpreiszahlung verklagen müsste. Vielmehr kann sie nach Maßgabe des § 323 Abs. 1 BGB den Rücktritt erklären, wenn der Kunde die geschuldete Leistung nicht fristgerecht erbringt.
Richtig ist zwar, dass für einen Rücktritt nach § 323 Abs. 1 BGB eine Fristsetzung oder vergleichbare Aufforderung erforderlich ist, was zum einen voraussetzt, dass der Kunde erreicht werden kann, und zum anderen dazu führt, dass die Beklagte über einen längeren Zeitraum die Ware vorhalten muss, ohne sicher zu sein, ob es zum Vollzug des Vertrags kommt oder nicht. Diese Nachteile sind ihr jedoch grundsätzlich zuzumuten. Insoweit ist zu bedenken, dass die Regelung in § 323 Abs. 1 BGB, nach der es einer entsprechenden Aufforderung bedarf, ebenfalls eine gesetzgeberische Grundentscheidung darstellen dürfte; dies folgt daraus, dass eine formularmäßige Erweiterung der Regelung in § 323 Abs. 2 BGB, wie sie bei einer Abbedingung des Fristsetzungserfordernisses gegeben wäre, nach dem Klauselverbot des § 309 Nr. 4 BGB gegenüber Verbrauchern unzulässig ist (BeckOK BGB/H. Schmidt, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 323 Rn. 23). Der Gesetzgeber wollte dem schuldenden Verbraucher eine erneute Gelegenheit nach vorangegangener Warnung zubilligen, bevor sich der Gläubiger von dem Vertrag lösen kann. Die von der Beklagten gewählte Konstruktion zielt jedenfalls in dieselbe Richtung, da sie der Beklagten eine Möglichkeit verschaffen soll, sich kurzfristig von Zusagen zu lösen, wenn der andere die Leistung nicht erbringt. Im Übrigen muss die Beklagte die Konsequenzen daraus tragen, dass sie im anonymisierten Online-Verkehr Waren absetzt und daher, zumal eine Zug-um-Zug-Ab- wicklung praktisch nicht durchführbar ist, gewissen Solvenzrisiken ausgesetzt ist. Soweit die Beklagte schließlich auf mögliche Schwierigkeiten verweist, eine Nachfrist zu setzen, kann dies allenfalls theoretischer Natur sein, da im Zuge der Online-Bestellung ohnehin eine E-Mail-Adresse abgefragt wird, die für eine entsprechende Kommunikation genutzt werden kann (und für die Bestellbestätigung offenbar auch genutzt wird).
cc) Umgekehrt führt das Zusammenspiel der beiden AGB-Regelungen dazu, dass der Verbraucher über einen gewissen Zeitraum das Insolvenzrisiko der beklagten Verwendern zu tragen hat, ohne dass hiergegen eine Absicherung zu seinen Gunsten erfolgt, und dass der Kunde die Liquidität entbehren muss, ohne sicher sein zu können, dass es zu einem Vertragsschluss kommt und er ggf. Ansprüche auf das positive Interesse besitzt.
Den Nachteil, der sich daraus ergibt, dass der Kunde das Insolvenzrisiko hinsichtlich der Beklagten trägt, wird man dabei zwar grundsätzlich noch als notwendige Kehrseite der Vorauszahlungsabrede begreifen und rechtfertigen können (zu den sich aus § 307 BGB ergebenden Anforderungen an eine Vorleistungsklausel vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 7. Aufl. 2020, Teil V Rn. 507; OLG Zweibrücken, Urteil vom 29. Mai 1998 – 2 U 8-98, NJW-RR 1998, 1753), zumal der Kunde auch grundsätzlich andere Möglichkeiten hat, die Zahlung zu bewirken, und gewisse Konsequenzen tragen muss, wenn er hierzu nicht in der Lage ist.
Jedoch bewirkt die Verbindung von Vorkasse-Abrede und spätem Vertragsschluss, dass der Kunde an die Beklagte den Kaufpreis leisten muss, ohne dass bereits ein Vertrag zustande gekommen ist und er seinerseits einen Anspruch auf die Gegenleistung besitzt.
Auch wenn die Beklagte eine Reservierung des Gegenstands verspricht und gewisse Lieferfristen benennt, bietet dies nicht denselben Schutz wie ein vollwirksamer Kaufvertrag. Der Kunde könnte nur das negative Interesse ersetzt verlangen, wenn der Gegenstand doch nicht mehr zur Verfügung steht oder die Beklagte aus anderen Gründen die Lieferung nicht unternimmt, ebenso, wenn die Ware beim Versand verloren geht oder zerstört oder beschädigt wird und die Lieferung eines Ersatzgegenstands wegen Erschöpfung des Vorrats nicht mehr möglich ist. Das gesamte Risiko, dass nur im Umfang der Bevorratung Kaufverträge geschlossen werden, und die eingegangenen und bestätigten Bestellungen tatsächlich durch Auslieferung an den Verbraucher bedient werden können, wird faktisch auf den Kunden überwälzt, wenn erst die Zustellung vertragliche Verpflichtungen begründen soll. Insbesondere stellt auch die Zusage, die Ware über einen gewissen Zeitraum für den Kunden zu reservieren, keine einem Vorvertrag gleichbedeutende Verpflichtung dar, aus der im Fall einer Verletzung Ersatz des positiven Interesses beansprucht werden könnte; jedenfalls käme eine solche unbedingte Bindung nicht mit der nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zu fordernden Deutlichkeit zum Ausdruck. Zudem würde diese Reservierung nicht gegen das Risiko eines Verlustes etc. in der Phase des Transports schützen.
Ein vorvertragliche Schuldverhältnis, wie es nach einer der Varianten des § 311 Abs. 2 BGB zustande kommt, wenn ein Kunde zwecks Lieferung und Vertragsschluss eine Bestellung aufgibt, begründet grundsätzlich nur Schutz- und Rücksichtnahmepflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB, aber keine Erfüllungsansprüche. Der Kunde könnte daher, wenn die Beklagte – sei es aus willkürlichen Erwägungen, sei es, weil sie versehentlich keine Reservierung der Ware vorgenommen hat oder weil die Lieferung wegen Fehlern beim Transport nicht ankommt – die Zustellung der Ware nicht bewirkt und so einen Kaufvertrag nicht zustande kommen lässt, weder Lieferung in natura noch Schadensersatz statt der Leistung i.S.v. § 280 Abs. 3 BGB verlangen. Aufgrund der vorgenannten Aspekte, die eine Symmetrie der Rechten und Pflichten der Vertragspartner bedingen, erscheint es nicht hinnehmbar, dass der Kunde die volle Leistung erbringen muss, aber keine adäquaten Mittel im Fall einer Pflichtverletzung des Verkäufers besitzt, weil dieser aufgrund der gewählten Gestaltung Verpflichtungen noch nicht eingegangen ist.
Auch aus § 282 BGB ergibt sich nichts anderes. Richtig ist zwar, dass § 311 Abs. 2 BGB Nebenpflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB entstehen lässt und § 282 BGB unter den dort genannten Bedingungen zu Schadenersatz statt der Leistung verpflichtet, wenn solche Pflichten verletzt wurden. Die Anwendung des § 282 BGB setzt aber voraus, dass durch das Schuldverhältnis Leistungspflichten, d.h. Ansprüche auf Erfüllung, an deren Stelle der Schadenersatz statt der Leistung treten kann, anderweitig begründet sind (so ausdrücklich auch BeckOGK/Riehm, 1.8.2023, BGB § 282 Rn. 34; Staudinger/Schwarze (2019), § 282 Rn. 15); die Bestimmung kann solche nicht erst herbeiführen. Dies folgt jedenfalls daraus, dass § 282 BGB dann, wenn der Schuldner seine Leistungspflichten ordnungsgemäßerfüllt und nur Nebenpflichten verletzt hat, einen Übergang vom Erfüllungsanspruch zum Schadensersatzanspruch statt der Leistung eröffnen soll (BeckOK BGB/Lorenz, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 282 Rn. 1; BeckOGK/Riehm, 1.8.2023, BGB § 282 Rn. 3, 8), um einer drohenden Verletzung des Integritätsinteresses zu begegnen (Staudinger/Schwarze (2019), § 282 Rn. 1). Die Bestimmung erweitert insoweit die Haftung des Schuldners auf das Erfüllungsinteresse wegen einer Leistungspflicht über die Fälle des § 281 BGB hinaus (BeckOK BGB/Lorenz, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 282 Rn. 1), indem er eröffnet, eine an sich ordnungsgemäß erbrachte/erbringbare Leistung abzulehnen und statt dessen Geldersatz zu begehren. Dies zeigt, dass die Bestimmung eine solche Leistungspflicht nicht begründen kann, sondern voraussetzt. Insoweit ist nicht denkbar, dass § 282 BGB zu einem Schadenersatz statt einer Leistung, welche nicht bereits rechtsgeschäftlich begründet ist und nicht geschuldet ist, verpflichten soll.
Der Senat legt dabei ausdrücklich zugrunde, dass dem Kunden ein vollwertiger Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Beträge zusteht, und insoweit kein Nachteil für ihn besteht. Ein solcher Anspruch ergibt sich jedenfalls aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB bzw. §812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB, die aufgrund der Besonderheiten jeweils auch nicht an den Konditionssperren des § 814, § 815 BGB scheitern. Zudem dürfte Grundlage eines solchen Anspruchs auch entweder § 311 Abs. 2 BGB oder unmittelbar die Vorauszahlungsabrede selbst sein. Die Sicherung der Rückzahlung deckt aber die Interessen des Kunden nicht vollständig ab, weil er ein Interesse an weitergehenden Ansprüchen haben darf, wenn er selbst eine Leistung vollständig und ordnungsgemäß erbracht hat, der Verkäufer dies aber nicht tut.
dd) Die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung bedeutet im Streitfall einen nicht unerheblichen Liquiditätsverlust für den Kunden, ohne dass er Erfüllungs- oder gleichwertige Ersatzansprüche besitzt.
Insoweit sind die Auswirkungen der Regelung in Nr. 1 der AGB bei der Option „Vorkasse“ wesentlich gewichtiger als in den anderen Fällen. Der Kunde, der bei Wahl der „Vorkasse“ typischerweise ohnehin finanziell schlecht aufgestellt sein wird, muss über einen Zeitraum von rund 2 Wochen die Liquidität entbehren, ohne Gewissheit zu haben, die Ware geliefert zu bekommen.
Unerheblich muss sein, dass – wie der Beklagtenvertreter angemerkt hat – der Kunde die Liquidität auch entbehren muss, wenn ein Vertrag geschlossen wurde, der Unternehmer aber nicht liefert. In diesem Fall stehen dem Kunden nämlich jedenfalls Ansprüche aus Verzug oder auf Schadensersatz statt der Leistung zu, woran es vorliegend wegen der von der Beklagten gewählten Gestaltung gerade fehlt.
d) Insgesamt bewirkt daher das Hinausschieben des Vertragsschlusses jedenfalls im vom Kläger angegriffenen Fall, wenn der Kunde die Zahlungsoption „Vorkasse“ gewählt hat/wählen musste, erhebliche Nachteile für den Kunden. Er wird, falls die Beklagte ihren Ankündigungen nicht nachkommt, im Hinblick auf Erfüllungs- und Ersatzansprüche weitgehend schutzlos gestellt; er muss die Liquidität über einen längeren Zeitraum entbehren, ohne sicher sein zu können, dass er die Ware geliefert bekommt. Die Beklagte könnte sich gegen das Risiko, die Leistung zu erbringen, ohne die Gegenleistung zu erhalten, anderweitig absichern; einen Schutz dagegen, hier zuerst das Procedere der Nachfristsetzung durchlaufen zu müssen, kann sie nicht beanspruchen. Die von der Beklagten in Nr. 6 i.V.m. Nr. 1 getroffene und praktizierte Regelung weicht damit in ungerechtfertigter Weise vom gesetzlichen Leitbild ab. Selbst nach dem Maßstab des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wäre überdies aus den genannten Gründen eine unzumutbare Benachteiligung wider Treu und Glauben gegeben.
Aus diesen Erwägungen folgt zugleich, dass es irrelevant ist, dass der Kunde zunächst nicht verpflichtet ist, die Vorleistung zu erbringen, da eine vertragliche Verpflichtung noch nicht zustande gekommen sei. Daraus, dass ihm die faktische Obliegenheit auferlegt wird, die Zahlung zu leisten, ohne eine ausreichend gesicherte und gleichwertige rechtliche Position zu besitzen, resultiert gerade die Benachteiligung.
e) Der Unterlassungsanspruch mit dem zuletzt genannten Inhalt ist daher gegeben. Der Senat fasst den Tenor geringfügig anders als den Berufungsantrag, um den Inhalt prägnanter zum Ausdruck zu bringen, ohne dass damit eine Einschränkung oder Teilzurückweisung verbunden wäre.
f) Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ist dementsprechend nach § 13 Abs. 3 UWG dem Grunde nach gerechtfertigt, der Anspruch auf Verzinsung folgt aus § 291 BGB. Der geforderte Betrag von 260,00 € entspricht nach der Erfahrung des Senats, der als Spezialsenat u.a. für UWG-Sachen regelmäßig mit solchen Fragestellungen befasst ist, dem, was üblicherweise von Verbänden wie dem Kläger angesetzt wird; insbesondere fallen zur Bearbeitung derartiger Vorgänge typischerweise die in Ansatz gebrachten Stunden für die jeweiligen Kräfte an, was wiederum entsprechende Personalkosten auslöst.
6. Wegen der Nebenentscheidungen ergibt sich:
a) Die Beklagte hat, da sie unterlegen ist, nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge zu tragen.
b) Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund nach § 543 ZPO nicht erkennbar ist. Im Senat ist nicht bekannt, dass auch andere Online-Händler derartige Klauselkombinationen verwenden und das angegriffene Verhalten praktizieren, so dass sich die aufgeworfenen Fragen in einer größeren Vielzahl von Fällen stellen würde; auch auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung wurde derartiges nicht aufgezeigt. Die Entscheidung beruht auf eine Anwendung des Gesetzes und hierzu ergangener, anerkannter Grundsätze auf den Einzelfall, ohne dass „Neuland“ betreten würde. Der Senat weicht nicht von Entscheidungen anderer Gerichte ab. Es ist auch sonst nicht erkennbar, dass eine höchstrichterliche Entscheidung im vorliegenden Verfahren die Klärung grundsätzlicher Fragen oder die Fortentwicklung der Rechtsprechung bewirken könnte.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
Urteil vom 30.01.2024
3 U 1594/23
Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass eine unangemessene Benachteiligung und somit ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn ein Online-Shop Vorkasse verlangt und der Vertragsschluss erst mit Zustellung der Ware erfolgt
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Rechtsmittel des Klägers ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die in Nr. 6 der AGB für die Zahlungsoption „Vorkasse“ getroffenen Regelungen und die entsprechende Praxis der Beklagten sind mit AGB-rechtlichen Vorgaben nicht vereinbar, wenn zugleich die in Nr. 1 ihrer AGB getroffene Regelung verwendet wird, und stellen damit eine unlautere Handlung i.S.v. § 3a UWG dar. Der Kläger kann deshalb nach § 8 Abs. 1 UWG Unterlassung entsprechender Aufforderungen zur Vorleistung verlangen; ebenso steht ihm ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Abmahnkosten zu.
1. Die allgemeinen Voraussetzungen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs, insbesondere die Aktivlegitimation des Klägers nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, sind gegeben und werden von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Dahinstehen kann auch, ob das Unterlassungsbegehren des Klägers auch im Wege der Unterlassungsklage nach § 1 oder § 2 UKlaG verfolgt werden könnte, weil das UKlaG keine abschließende Wirkung besitzt und daher den berechtigten Verbänden auch eine Rechtsverfolgung auf Grundlage der lauterkeitsrechtlichen Bestimmungen eröffnet ist, weil das Verwenden unzulässiger AGB den Tatbestand des § 3a UWG, jedenfalls des § 3 Abs. 2 UWG, verwirklicht; dasselbe muss für entsprechende Praktiken gelten. Anerkannt ist auch, dass an den Maßstäben der §§ 305 ff. BGB nicht nur Regelungen zu messen sind, die den Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten betreffen, sondern auch Bestimmungen, dazu, wann und wie der Vertrag zustande kommt.
2. Der verfolgte Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt einer Irreführung (§ 3 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 UWG) darüber, wann der Vertrag geschlossen wird.
a) Der Zeitpunkt, zu welchem der Vertrag zustande kommen soll, ist in Nr. 1 der AGB eindeutig und transparent angegeben.
b) Eine Irreführung der Verbraucher erfolgt nicht dadurch, dass die Beklagte nach Eingang der Bestellung den Kunden automatisiert eine Bestellbestätigung übersendet. Zwar dürfte eine Bestellbestätigung oftmals eine Annahmeerklärung darstellen oder zumindest so empfunden werden; dies gilt allerdings nur, wenn sich nichts Abweichendes aus ihrem Inhalt ergibt. So liegt der Fall hier, weil die Beklagte in der Bestellbestätigung ausdrücklich darauf hinweist, dass die Bestätigung aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen übermittelt wird, aber noch keine Vertragsannahme darstellt, sondern diese erst in der Zustellung der Ware liegt.
c) Ebenso wenig ergibt sich eine Irreführung des Verbrauchers daraus, dass er zuvor im Zuge des Bestellvorgangs den Button „zahlungspflichtig bestellen“ zu betätigen hatte. Der Kunde gibt damit ein verbindliches Angebot zum Kauf einer Ware zu dem angegebenen Preis ab (§ 145 BGB), das (im Fall späterer Annahme gern. §§ 147 ff. BGB) eine Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung nach sich zieht. Der entsprechende Hinweis Ist daher geschuldet und erforderlich, um dem Kunden in der gebotenen Weise klarzumachen, dass er sich bindet und einer Zahlungspflicht aussetzt, deren Entstehen er nicht mehr verhindern kann. Diese Selbstbindung des Kunden, vor der durch den Button gewarnt wird, genügt aber nicht für den Vertragsschluss.
d) Ohne Erfolg bleibt schließlich der in der mündlichen Verhandlung vom Klägervertreter unternommene Hinweis auf die Regelung zum Verzug im vorletzten Absatz der Nr. 6 der AGB. Ein Verzug setzt zwar denknotwendig das Bestehen einer fälligen und auch im Übrigen durchsetzbaren Pflicht voraus, was praktisch bedeutet, dass zuvor ein Kaufvertrag zustande gekommen sein muss. Die Regelung in diesem Absatz ist aber nicht ausdrücklich oder aus systematischen Gründen ausschließlich auf den Fall der Bezahlung per Vorkasse bezogen. Vielmehr finden sich in den vorangegangenen Absätzen der Nr. 6 auch Regelungen zur Bezahlung per Sofortüberweisung, Kreditkarte, Rechnung, Einlösung eines Gutscheins oder Finanzierung. Auch dann, wenn der Vertragsschluss erst mit der Zustellung der Ware erfolgt, kann insbesondere im Fall der Zahlung per Rechnung ein Verzug eintreten; der vorletzte Absatz der Nr. 6 hat dann einen sinnvollen Inhalt. Dasselbe gilt, wenn eine Überweisung oder Kreditkartenbelastung ausnahmsweise keinen Bestand hat.
Unabhängig davon, ob es als Irreführung über den Zeitpunkt des Vertragsschlusses anzusehen wäre, wenn sich aus der Gesamtbetrachtung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergäbe, dass der Kläger inkonsistente Bestimmungen verwendet, liegt ein solcher Fall somit nicht vor. Vielmehr ist – was insoweit auch nicht gegen den Grundsatz verstößt, dass in Verfahren der vorliegenden Art die „kundenfeindlichste Auslegung“ heranzuziehen ist – die Regelung im vorletzten Absatz der Nr. 6 dahin zu verstehen, dass sie einen wirksamen Vertragsschluss nach Maßgabe der übrigen Bestimmungen voraussetzt, aber gerade keine Geltung beanspruchen soll, wenn sich nach den übrigen Bestimmungen ein Vertragsschluss und damit ein Verzug noch nicht ergab.
3. Ebenso kann der Senat das Vorgehen der Beklagten, die Zustellung der Ware als Annahme zu definieren, nicht als Zugangsfiktion (die nach § 308 Nr. 6 BGB unzulässig wäre) oder als Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung (die an § 307 BGB zu messen wäre, vgl. MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 308 Nr. 6 Rn. 5) bewerten.
Die Bestimmung in Nr. 1 führt dazu, dass mit der Zustellung der Ware eine Willenserklärung verbunden wird, was bedeutet, dass eine Annahmeerklärung i.S.v. §§ 147 ff. BGB jedenfalls erfolgen soll. Der Kunde nimmt auch aus den nachfolgend dargestellten Gründen regelmäßig wahr, dass die Ware zugestellt wurde (was bei der „Versendung der Ware“, auf die in dem vom Landgericht München I entschiedenen Sachverhalt abgestellt wurde, gerade nicht der Fall ist).
Fraglich kann daher nur sein, ob diese Gleichsetzung den Kunden gegenüber einer „gewöhnlichen“ Form der Annahme unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 BGB). Dies kann der Senat, wie der mündlichen Verhandlung erörtert, nicht erkennen: Die Zustellung der bestellten Ware, mit der erkennbar die Übergabe nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB bewirkt werden soll, setzt voraus, dass die Ware in den Besitz des Empfängers gelangt i.S.v. § 854 BGB, also in seine räumliche tatsächliche Herrschaftssphäre verbracht wird. Damit werden auch alle Voraussetzungen erfüllt, die nach den Grundsätzen zu § 130 Abs. 1 S. 1 BGB an den Zugang einer Willenserklärung zu stellen sind. Die Ablieferung oder ggf. eine Information darüber, wo die Ware abgeholt werden kann (z.B. Packstation) ist nicht weniger leicht wahrzunehmen als eine E-Mail, ein Brief o.Ä„in der ausdrücklich erklärt wird, dass das Angebot angenommen worden sei.
Daher kann dahinstehen, ob der formulierte Antrag und das in den Schriftsätzen zum Ausdruck gebrachte Begehren des Klägers, welches sich gegen das Vorkasse-Verlangen richtet, Erfolg haben könnte, wenn die Bestimmung in Nr. 1 aus solchen Gründen unwirksam wäre.
4. Aus demselben Grund muss nicht abschließend darüber befunden werden, ob die Regelung in Nr. 1 generell, d.h. losgelöst von der Situation, dass die Zahlungsoption „Vorkasse“ gewählt wird, zulässig ist. Bedenken ergeben sich insoweit daraus, dass wegen der Bedeutung der Zustellung der Ware die Lieferfrist, die in Nr. 3 behandelt wird, zugleich Bedeutung als Frist für die Annahme des Angebots gewinnt, und wegen der Gestaltung der Nr. 3 der Verbraucher nicht hinreichend sicher feststellen kann, ob sein Angebot angenommen wurde und bis wann er daran gebunden ist.
a) § 308 Nr. 1 BGB verbietet u.a. Bestimmungen, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält Das Verbot nicht hinreichend bestimmter oder zumindest bestimmbarer Fristen soll gewährleisten, dass der Verbraucher erkennen kann, ob er noch an sein Angebot gebunden ist oder er zur Deckung seines Bedarfs einen anderen Vertrag schließen muss, ohne zu riskieren, zweifach gebunden zu sein. Die Frist für die Annahme des Angebots muss dazu nach Beginn, Dauer und Ende ohne Schwierigkeit oder rechtliche Beratung berechenbar sein (MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 9; BeckOGK/Weiler, 1.9.2023, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 122; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 7. Aufl. 2020, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 19). Die fehlende Feststellbarkeit kann sich z.B. aus der Verwendung unbestimmter Zeitbegriffe, aus der Anknüpfung an den Eintritt von Bedingungen oder aus der Anknüpfung an Entscheidungen des Verwenders oder Dritter ergeben (Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 7. Aufl. 2020, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 19). Unwirksam sind danach nicht nur Klauseln, in denen der Verwender sich für die Annahme des von dem Kunden gemachten Angebots eine nicht hinreichend bestimmte Frist ausbedungen hat, wie etwa bei Bindung „bis zum Eingang einer sachlichen Antwort“ oder „bis zum Ende der Saison“, sondern auch, wenn die Bindung „bis zur Versendung der Ware“ bestehen soll (MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 9). Während Höchstfristen („Bindung an Bestellung höchstens 10 Tage“) das Erfordernis der Bestimmtheit oder wenigstens Bestimmbarkeit noch erfüllen, genügen „circa-Fristen“ hierzu nicht (MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 308 Nr. 1 Rn. 9). Als unzulässig wurde auch eine Klausel bewertet, nach der die Annahme des Vertragsangebots durch den Unternehmer unter der Bedingung des Zahlungseingangs steht, weil der Kunde nicht in der Lage ist, zu erkennen, wie lange er an sein Angebot gebunden ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. August 2012, 6 W 84/12, MMR 2012, 808).
b) Selbst wenn man zugunsten der Beklagten annimmt, dass die „Auslieferung“, zu der sich Nr. 3 verhält, der „Zustellung“ i.S.v. Nr. 1 entspricht, lässt sich damit nicht, d.h. weder für den durchschnittlichen Verbraucher noch für sonstige Personen außerhalb der Sphäre der Beklagten, feststellen, wie lange die Beklagte befugt sein soll, das Angebot noch anzunehmen; wegen der Übereinstimmung von Annahmefrist und Bindung bedeutet dies, dass der Verbraucher nicht erkennen kann, wie lange er an sein Angebot gebunden sein soll. Die in Nr. 3 der AGB enthaltenen Lieferfristen, die insoweit auch den möglichen Zeitraum für die Annahme definieren, sind dort ausdrücklich als ca-Fristen angegeben („ca. 10 Werktage“ bei per Spedition gelieferten Waren; i.Ü. „ca. 1-3 Werktage“). Der Verbraucher hat also auch nach Ablauf der dort genannten Zeiträume keine Gewissheit, dass die Beklagte den Vertragsschluss abgelehnt hat und er deshalb von der Bindung an das Angebot freigeworden ist, sondern muss auch über diese Zeiträume hinaus für eine nicht sicher eingrenzbare Zeitspanne damit rechnen, dass die Beklagte noch durch Bewirkung der Zustellung und die darin liegenden Annahmeerklärung den Vertrag zustande kommen lassen will. Die angegebenen Fristen können gerade nicht als Höchstfristen verstanden werden.
5. Die Klage hat jedenfalls deshalb Erfolg, weil die Vorkasse-Regelung in Nr. 6 aufgrund der Kombination mit der Regelung zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrags die Verbraucher unangemessen benachteiligt.
a) Die Bestimmung im 5. Absatz der Nr. 6 der AGB der Beklagten, die das Vorgehen bei Bezahlung per Vorkasse regelt, sieht vor, dass der Kunde den vollen Rechnungsbetrag innerhalb von 7 Tagen nach der Bestellung an die Beklagte zu überweisen hat. Weder bei Beauftragung der Überweisung durch den Kunden noch bei Zahlungseingang bei der Beklagten besteht jedoch bereits ein schuldrechtlicher Kaufvertrag, weil nach Nr. 1 dieser erst mit der mehrere Tage späteren Zustellung der Ware geschlossen wird.
b) Der Senat sieht mit dem Kläger und dem OLG Frankfurt/Main (Beschluss vom 29. August 2012, 6 W 84/12, MMR 2012, 808) einen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung i.S.v. § 397 Abs. 1 Nr. 1 BGB darin, dass Leistungen nur erbracht werden müssen oder sollen, wenn ein Rechtsgrund besteht, und dementsprechend ein Verlangen nach einer Leistung nur geäußert werden darf, wenn bereits eine wirksame rechtliche Verpflichtung begründet worden ist. Hiervon dürfte § 241 Abs. 1 BGB als selbstverständlich ausgehen. Jedenfalls liegt der geltenden Zivilrechtsordnung das Prinzip zugrunde, dass Verträge durch einen Konsens der Parteien geschlossen werden und sich daraus die wechselseitigen Verpflichtungen ergeben (§ 311 Abs. 1 BGB). Umgekehrt ist nicht geschuldeten Leistungen immanent, dass sie nicht erbracht werden müssen; die Rechtsordnung kennt auch keine Fälle, in denen vorgesehen ist, dass solche Leistungen (obwohl nicht geschuldet) erbracht werden, um den anderen zu einer Vertragsannahme zu bewegen. Zu den Grundgedanken gehört somit auch, dass niemand Leistungen erbringen muss, ohne äquivalente Ansprüche auf eine Gegenleistung zu besitzen.
Gegen diese Annahmen sprechen auch nicht die Regelungen zur in der condictio ob rem (§ 812 Abs. 1 S. 2 Var. 2 BGB) und/oder der Handschenkung (§ 518 Abs. 2 BGB). Danach ist zwar denkbar, dass jemand im Wissen um das Nichtbestehen einer Schuld leistet, weil er einen Rechtserfolg oder ein tatsächliches Handeln des anderen herbeiführen will (und zwar im klassischen Fall der Handschenkung gerade die Wirksamkeit eines Rechtsverhältnisses). Jedoch geht in diesen Fällen stets die Initiative vom Leistenden aus, während vorliegend der Verwender und Leistungsempfänger ein entsprechendes Verlangen äußert, um sein Absatzgeschäft tätigen zu können. Eine derartige Situation findet sich im BGB an keiner Stelle. Darüber hinaus könnten selbst solche Sondersituationen nicht dazu führen, dass der zuvor beschriebene Mechanismus als Grundgedanke anzusehen wäre.
Der Grundsatz, dass im Zuge von entgeltlichen Austauschverträgen unter nicht persönlich bekannten Parteien Leistungen erst dann zu erbringen sind, wenn eine vertragliche Bindung besteht und damit die wechselseitigen Ansprüche entstanden sind, ist auch keine bloße Verlegenheits- oder Zweckmäßigkeitslösung, sondern Ausdruck eines entsprechenden Gerechtigkeitsgedankens. Es ist bei entgeltlichen Austauschverträgen grundsätzlich keiner Vertragspartei zuzumuten, eine Leistung erbringen zu müssen oder zu sollen, ohne bereits selbst die entsprechenden, synallagmatischen Leistungen beanspruchen zu können.
c) Wegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB impliziert die durch Nr. 1 der AGB bewirkte Abweichung von diesen Grundsätzen die Unangemessenheit der Regelung. Diese wird im vorliegend zu untersuchenden Fall, dass die Zahlungsoption „Vorkasse“ gewählt wird, auch nicht widerlegt:
aa) Die Beklagte besitzt zwar ein legitimes Interesse daran, nicht dem Risiko ausgesetzt zu sein, dass der Besteller den Kaufpreis für die Ware nicht leisten will oder nicht leisten kann; in Fällen, in denen sie sich nicht auf eine Zahlung per Rechnung einlassen will und keine Zahlung durch Einschaltung eines geeigneten Intermediärs sichergestellt ist, bleibt damit nur die Sicherung durch „Vorkasse“. Dies stellt auch der Kläger ausdrücklich nicht in Abrede.
Dieses Interesse rechtfertigt jedoch nur, eine Vorauszahlung zu verlangen. Der anzuerkennende Bedarf nach Absicherung gegen einen Zahlungsausfall kann aber nicht legitimieren, auch den Vertragsschluss hinauszuschieben.
bb) Die vom Gesetz für derartige Fälle zugelassene und vorgesehene Lösung, den Vertrag sogleich zu schließen und sich lediglich (abweichend von § 320 BGB) auszubedingen, die eigene Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung (hier: Zahlungseingang) zurückbehalten zu dürfen, und sich bei Ausbleiben der Zahlung vom Vertrag lösen zu können (§ 323 Abs. 1 BGB) trägt dem beschriebenen Interesse der Beklagten in jeder Hinsicht Rechnung.
Insbesondere ist es entgegen der Argumentation des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung nicht so, dass die Beklagte bei dieser Gestaltung zunächst den Kunden auf Kaufpreiszahlung verklagen müsste. Vielmehr kann sie nach Maßgabe des § 323 Abs. 1 BGB den Rücktritt erklären, wenn der Kunde die geschuldete Leistung nicht fristgerecht erbringt.
Richtig ist zwar, dass für einen Rücktritt nach § 323 Abs. 1 BGB eine Fristsetzung oder vergleichbare Aufforderung erforderlich ist, was zum einen voraussetzt, dass der Kunde erreicht werden kann, und zum anderen dazu führt, dass die Beklagte über einen längeren Zeitraum die Ware vorhalten muss, ohne sicher zu sein, ob es zum Vollzug des Vertrags kommt oder nicht. Diese Nachteile sind ihr jedoch grundsätzlich zuzumuten. Insoweit ist zu bedenken, dass die Regelung in § 323 Abs. 1 BGB, nach der es einer entsprechenden Aufforderung bedarf, ebenfalls eine gesetzgeberische Grundentscheidung darstellen dürfte; dies folgt daraus, dass eine formularmäßige Erweiterung der Regelung in § 323 Abs. 2 BGB, wie sie bei einer Abbedingung des Fristsetzungserfordernisses gegeben wäre, nach dem Klauselverbot des § 309 Nr. 4 BGB gegenüber Verbrauchern unzulässig ist (BeckOK BGB/H. Schmidt, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 323 Rn. 23). Der Gesetzgeber wollte dem schuldenden Verbraucher eine erneute Gelegenheit nach vorangegangener Warnung zubilligen, bevor sich der Gläubiger von dem Vertrag lösen kann. Die von der Beklagten gewählte Konstruktion zielt jedenfalls in dieselbe Richtung, da sie der Beklagten eine Möglichkeit verschaffen soll, sich kurzfristig von Zusagen zu lösen, wenn der andere die Leistung nicht erbringt. Im Übrigen muss die Beklagte die Konsequenzen daraus tragen, dass sie im anonymisierten Online-Verkehr Waren absetzt und daher, zumal eine Zug-um-Zug-Ab- wicklung praktisch nicht durchführbar ist, gewissen Solvenzrisiken ausgesetzt ist. Soweit die Beklagte schließlich auf mögliche Schwierigkeiten verweist, eine Nachfrist zu setzen, kann dies allenfalls theoretischer Natur sein, da im Zuge der Online-Bestellung ohnehin eine E-Mail-Adresse abgefragt wird, die für eine entsprechende Kommunikation genutzt werden kann (und für die Bestellbestätigung offenbar auch genutzt wird).
cc) Umgekehrt führt das Zusammenspiel der beiden AGB-Regelungen dazu, dass der Verbraucher über einen gewissen Zeitraum das Insolvenzrisiko der beklagten Verwendern zu tragen hat, ohne dass hiergegen eine Absicherung zu seinen Gunsten erfolgt, und dass der Kunde die Liquidität entbehren muss, ohne sicher sein zu können, dass es zu einem Vertragsschluss kommt und er ggf. Ansprüche auf das positive Interesse besitzt.
Den Nachteil, der sich daraus ergibt, dass der Kunde das Insolvenzrisiko hinsichtlich der Beklagten trägt, wird man dabei zwar grundsätzlich noch als notwendige Kehrseite der Vorauszahlungsabrede begreifen und rechtfertigen können (zu den sich aus § 307 BGB ergebenden Anforderungen an eine Vorleistungsklausel vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 7. Aufl. 2020, Teil V Rn. 507; OLG Zweibrücken, Urteil vom 29. Mai 1998 – 2 U 8-98, NJW-RR 1998, 1753), zumal der Kunde auch grundsätzlich andere Möglichkeiten hat, die Zahlung zu bewirken, und gewisse Konsequenzen tragen muss, wenn er hierzu nicht in der Lage ist.
Jedoch bewirkt die Verbindung von Vorkasse-Abrede und spätem Vertragsschluss, dass der Kunde an die Beklagte den Kaufpreis leisten muss, ohne dass bereits ein Vertrag zustande gekommen ist und er seinerseits einen Anspruch auf die Gegenleistung besitzt.
Auch wenn die Beklagte eine Reservierung des Gegenstands verspricht und gewisse Lieferfristen benennt, bietet dies nicht denselben Schutz wie ein vollwirksamer Kaufvertrag. Der Kunde könnte nur das negative Interesse ersetzt verlangen, wenn der Gegenstand doch nicht mehr zur Verfügung steht oder die Beklagte aus anderen Gründen die Lieferung nicht unternimmt, ebenso, wenn die Ware beim Versand verloren geht oder zerstört oder beschädigt wird und die Lieferung eines Ersatzgegenstands wegen Erschöpfung des Vorrats nicht mehr möglich ist. Das gesamte Risiko, dass nur im Umfang der Bevorratung Kaufverträge geschlossen werden, und die eingegangenen und bestätigten Bestellungen tatsächlich durch Auslieferung an den Verbraucher bedient werden können, wird faktisch auf den Kunden überwälzt, wenn erst die Zustellung vertragliche Verpflichtungen begründen soll. Insbesondere stellt auch die Zusage, die Ware über einen gewissen Zeitraum für den Kunden zu reservieren, keine einem Vorvertrag gleichbedeutende Verpflichtung dar, aus der im Fall einer Verletzung Ersatz des positiven Interesses beansprucht werden könnte; jedenfalls käme eine solche unbedingte Bindung nicht mit der nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zu fordernden Deutlichkeit zum Ausdruck. Zudem würde diese Reservierung nicht gegen das Risiko eines Verlustes etc. in der Phase des Transports schützen.
Ein vorvertragliche Schuldverhältnis, wie es nach einer der Varianten des § 311 Abs. 2 BGB zustande kommt, wenn ein Kunde zwecks Lieferung und Vertragsschluss eine Bestellung aufgibt, begründet grundsätzlich nur Schutz- und Rücksichtnahmepflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB, aber keine Erfüllungsansprüche. Der Kunde könnte daher, wenn die Beklagte – sei es aus willkürlichen Erwägungen, sei es, weil sie versehentlich keine Reservierung der Ware vorgenommen hat oder weil die Lieferung wegen Fehlern beim Transport nicht ankommt – die Zustellung der Ware nicht bewirkt und so einen Kaufvertrag nicht zustande kommen lässt, weder Lieferung in natura noch Schadensersatz statt der Leistung i.S.v. § 280 Abs. 3 BGB verlangen. Aufgrund der vorgenannten Aspekte, die eine Symmetrie der Rechten und Pflichten der Vertragspartner bedingen, erscheint es nicht hinnehmbar, dass der Kunde die volle Leistung erbringen muss, aber keine adäquaten Mittel im Fall einer Pflichtverletzung des Verkäufers besitzt, weil dieser aufgrund der gewählten Gestaltung Verpflichtungen noch nicht eingegangen ist.
Auch aus § 282 BGB ergibt sich nichts anderes. Richtig ist zwar, dass § 311 Abs. 2 BGB Nebenpflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB entstehen lässt und § 282 BGB unter den dort genannten Bedingungen zu Schadenersatz statt der Leistung verpflichtet, wenn solche Pflichten verletzt wurden. Die Anwendung des § 282 BGB setzt aber voraus, dass durch das Schuldverhältnis Leistungspflichten, d.h. Ansprüche auf Erfüllung, an deren Stelle der Schadenersatz statt der Leistung treten kann, anderweitig begründet sind (so ausdrücklich auch BeckOGK/Riehm, 1.8.2023, BGB § 282 Rn. 34; Staudinger/Schwarze (2019), § 282 Rn. 15); die Bestimmung kann solche nicht erst herbeiführen. Dies folgt jedenfalls daraus, dass § 282 BGB dann, wenn der Schuldner seine Leistungspflichten ordnungsgemäßerfüllt und nur Nebenpflichten verletzt hat, einen Übergang vom Erfüllungsanspruch zum Schadensersatzanspruch statt der Leistung eröffnen soll (BeckOK BGB/Lorenz, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 282 Rn. 1; BeckOGK/Riehm, 1.8.2023, BGB § 282 Rn. 3, 8), um einer drohenden Verletzung des Integritätsinteresses zu begegnen (Staudinger/Schwarze (2019), § 282 Rn. 1). Die Bestimmung erweitert insoweit die Haftung des Schuldners auf das Erfüllungsinteresse wegen einer Leistungspflicht über die Fälle des § 281 BGB hinaus (BeckOK BGB/Lorenz, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 282 Rn. 1), indem er eröffnet, eine an sich ordnungsgemäß erbrachte/erbringbare Leistung abzulehnen und statt dessen Geldersatz zu begehren. Dies zeigt, dass die Bestimmung eine solche Leistungspflicht nicht begründen kann, sondern voraussetzt. Insoweit ist nicht denkbar, dass § 282 BGB zu einem Schadenersatz statt einer Leistung, welche nicht bereits rechtsgeschäftlich begründet ist und nicht geschuldet ist, verpflichten soll.
Der Senat legt dabei ausdrücklich zugrunde, dass dem Kunden ein vollwertiger Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Beträge zusteht, und insoweit kein Nachteil für ihn besteht. Ein solcher Anspruch ergibt sich jedenfalls aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB bzw. §812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB, die aufgrund der Besonderheiten jeweils auch nicht an den Konditionssperren des § 814, § 815 BGB scheitern. Zudem dürfte Grundlage eines solchen Anspruchs auch entweder § 311 Abs. 2 BGB oder unmittelbar die Vorauszahlungsabrede selbst sein. Die Sicherung der Rückzahlung deckt aber die Interessen des Kunden nicht vollständig ab, weil er ein Interesse an weitergehenden Ansprüchen haben darf, wenn er selbst eine Leistung vollständig und ordnungsgemäß erbracht hat, der Verkäufer dies aber nicht tut.
dd) Die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung bedeutet im Streitfall einen nicht unerheblichen Liquiditätsverlust für den Kunden, ohne dass er Erfüllungs- oder gleichwertige Ersatzansprüche besitzt.
Insoweit sind die Auswirkungen der Regelung in Nr. 1 der AGB bei der Option „Vorkasse“ wesentlich gewichtiger als in den anderen Fällen. Der Kunde, der bei Wahl der „Vorkasse“ typischerweise ohnehin finanziell schlecht aufgestellt sein wird, muss über einen Zeitraum von rund 2 Wochen die Liquidität entbehren, ohne Gewissheit zu haben, die Ware geliefert zu bekommen.
Unerheblich muss sein, dass – wie der Beklagtenvertreter angemerkt hat – der Kunde die Liquidität auch entbehren muss, wenn ein Vertrag geschlossen wurde, der Unternehmer aber nicht liefert. In diesem Fall stehen dem Kunden nämlich jedenfalls Ansprüche aus Verzug oder auf Schadensersatz statt der Leistung zu, woran es vorliegend wegen der von der Beklagten gewählten Gestaltung gerade fehlt.
d) Insgesamt bewirkt daher das Hinausschieben des Vertragsschlusses jedenfalls im vom Kläger angegriffenen Fall, wenn der Kunde die Zahlungsoption „Vorkasse“ gewählt hat/wählen musste, erhebliche Nachteile für den Kunden. Er wird, falls die Beklagte ihren Ankündigungen nicht nachkommt, im Hinblick auf Erfüllungs- und Ersatzansprüche weitgehend schutzlos gestellt; er muss die Liquidität über einen längeren Zeitraum entbehren, ohne sicher sein zu können, dass er die Ware geliefert bekommt. Die Beklagte könnte sich gegen das Risiko, die Leistung zu erbringen, ohne die Gegenleistung zu erhalten, anderweitig absichern; einen Schutz dagegen, hier zuerst das Procedere der Nachfristsetzung durchlaufen zu müssen, kann sie nicht beanspruchen. Die von der Beklagten in Nr. 6 i.V.m. Nr. 1 getroffene und praktizierte Regelung weicht damit in ungerechtfertigter Weise vom gesetzlichen Leitbild ab. Selbst nach dem Maßstab des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wäre überdies aus den genannten Gründen eine unzumutbare Benachteiligung wider Treu und Glauben gegeben.
Aus diesen Erwägungen folgt zugleich, dass es irrelevant ist, dass der Kunde zunächst nicht verpflichtet ist, die Vorleistung zu erbringen, da eine vertragliche Verpflichtung noch nicht zustande gekommen sei. Daraus, dass ihm die faktische Obliegenheit auferlegt wird, die Zahlung zu leisten, ohne eine ausreichend gesicherte und gleichwertige rechtliche Position zu besitzen, resultiert gerade die Benachteiligung.
e) Der Unterlassungsanspruch mit dem zuletzt genannten Inhalt ist daher gegeben. Der Senat fasst den Tenor geringfügig anders als den Berufungsantrag, um den Inhalt prägnanter zum Ausdruck zu bringen, ohne dass damit eine Einschränkung oder Teilzurückweisung verbunden wäre.
f) Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ist dementsprechend nach § 13 Abs. 3 UWG dem Grunde nach gerechtfertigt, der Anspruch auf Verzinsung folgt aus § 291 BGB. Der geforderte Betrag von 260,00 € entspricht nach der Erfahrung des Senats, der als Spezialsenat u.a. für UWG-Sachen regelmäßig mit solchen Fragestellungen befasst ist, dem, was üblicherweise von Verbänden wie dem Kläger angesetzt wird; insbesondere fallen zur Bearbeitung derartiger Vorgänge typischerweise die in Ansatz gebrachten Stunden für die jeweiligen Kräfte an, was wiederum entsprechende Personalkosten auslöst.
6. Wegen der Nebenentscheidungen ergibt sich:
a) Die Beklagte hat, da sie unterlegen ist, nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge zu tragen.
b) Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund nach § 543 ZPO nicht erkennbar ist. Im Senat ist nicht bekannt, dass auch andere Online-Händler derartige Klauselkombinationen verwenden und das angegriffene Verhalten praktizieren, so dass sich die aufgeworfenen Fragen in einer größeren Vielzahl von Fällen stellen würde; auch auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung wurde derartiges nicht aufgezeigt. Die Entscheidung beruht auf eine Anwendung des Gesetzes und hierzu ergangener, anerkannter Grundsätze auf den Einzelfall, ohne dass „Neuland“ betreten würde. Der Senat weicht nicht von Entscheidungen anderer Gerichte ab. Es ist auch sonst nicht erkennbar, dass eine höchstrichterliche Entscheidung im vorliegenden Verfahren die Klärung grundsätzlicher Fragen oder die Fortentwicklung der Rechtsprechung bewirken könnte.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
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