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LG Hamburg: Filesharing über Internettauschbörsen - Haftung des Anschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen

Das LG Hamburg hat mit Beschluss vom 25.01.2006 - 308 O 58/06 entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses für Urheberrechtsverletzungen (hier: Verbeitung von Audiodateien über eine Tauschbörse) auf Unterlassung haftet, die über diesen Anschluss begangen werden.

Das LG Hamburg führt aus:

Der Antragsgegner hat für die damit begangene Rechtsverletzung einzustehen, auch wenn er selbst die Handlungen nicht begangen haben sollte. Er ist Inhaber des Internetanschlusses und die Handlungen kommen damit aus seiner Sphäre und seinem Verantwortungsbereich, wobei für den Unterlassungsanspruch kein Verschulden erforderlich ist. Er war als Inhaber des Anschlusses rechtlich und tatsächlich in der Lage, dafür zu sorgen, dass dieser nicht für Rechtsverletzungen genutzt wird. Keinesfalls darf er Töchter und deren Freundinnen nach deren Gutdünken bei der Nutzung des Anschlusses schalten und walten lassen und die Augen vor dem verschließen, was dort gemacht wird. Vielmehr hat er die Pflicht, über die Risiken zu unterrichten und das Tun der Nutzer zu überwachen und gegebenenfalls ein widerrechtliches Tun zu unterbinden.



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Landgericht Hamburg,
Beschluss vom 25.01.2006 - 308 O 58/06



In dem Rechtsstreit [...] beschließt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 8 durch


den Vorsitzenden Richter am Landgericht Rachow
die Richterin am Landgericht Dr. Klaassen
die Richterin am Landgericht Dr. Kohls

1. Dem Antragsgegner wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)

verboten,

die Musikaufnahmen … des Künstlers … auf einem Computer zum Abruf durch andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen bereitzustellen und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens nach einem Streitwert von € 25.000,00.

Gründe

Der auf Antrag der Antragstellerin ergangenen Entscheidung liegen prozessual die Regelung der §§ 935 ff., 922 ZPO zugrunde, wobei die Zuständigkeit des Gerichts aus § 32 ZPO folgt. Der Verbots- bzw. Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 97, 85 UrhG, die Androhung der Ordnungsmittel aus § 890 ZPO. Der Verfügungsanspruch ist gegeben.

I.
Die Antragstellerin hat einen aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG folgenden Anspruch gegen den Antragsgegner, die künftige Nutzung der genannten Musikaufnahmen zu unterlassen, dargelegt und glaubhaft gemacht.

Es ist glaubhaft gemacht worden, dass der Antragstellerin die ausschließlichen Nutzungsrechte des Tonträgerherstellers gemäß § 85 UrhG an den genannten Musikaufnahmen zustehen.

Diese Aufnahmen wurden vom Internetanschluss des Antragsgegners über ein Filesharing-System der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und konnten so heruntergeladen und angehört werden. Das ergibt sich aus folgendem:

Am 08.07.2005 um 12.27 Uhr hat der Zeuge Jörg von der Fecht von der proMedia GmbH ausweislich seiner eidesstattlichen Versicherung vom 20.01.2006 (Anlage Ast. 1) festgestellt, dass unter der IP-Adresse 80.138.96.206 insgesamt 722 Dateien, davon 717 Audiodateien im mp3-Format des P2P-Netzwerk Gnutella im Internet für andere Gnutella-Nutzer zum Download verfügbar gemacht worden waren. Ein kompletter Ausdruck der Audiodateien mit der vorgenannten IP-Adresse liegt (als Anlage Ast. 3) vor. Weiter liegt (als Anlage Ast. 2) ein Ausdruck der Datei … vor, welche das Vorgehen des Zeugen dokumentiert. Unter den Audiodateien befanden sich die vier streitgegenständlichen Aufnahmen, wegen der die Antragstellerin hier (exemplarisch) einen Unterlassungsanspruch geltend macht. Am 08.07.2005 um 12.50 Uhr wurde zu Test- und Beweiszwecken die Aufnahmen des Künstlers Patrick Nuo heruntergeladen. Zusammen ist damit glaubhaft gemacht worden, dass die vier Aufnahmen am 08.07.2005 von einem Anschluss ins Internet gestellt wurden, dem die IP-Adresse 80.138.96.206 zugewiesen war. Nach den im Rahmen der eingeleiteten staatsanwaltlichen Ermittlungen eingeholten Auskünfte der Telekom war diese IP-Adresse dem Anschluss 02452/..... zugewiesen und dieser wiederum dem Antragsgegner, letzteres hat der Antragsgegner bei einer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung am 25.11.2005 auch nicht in Abrede gestellt. Ohne Erfolg wendet der Antragsgegner vorprozessual im (als Anlage Ast. 6 vorliegenden) Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.12.2005 ein, die Beweissicherung der … sei möglicherweise unter Verstoß gegen Datenschutzvorschriften zustande gekommen. Nach den nachvollziehbaren Darlegungen der Antragstellerin hat die … nur Schritte vollzogen, die auch jedem anderen Gnutella-Nutzer möglich gewesen wären. Bedenken gegen eine Verwertung in diesem Verfahren sind daher nicht angebracht.

Das Anbieten der Aufnahmen zum Download beinhaltete die Nutzungshandlungen des Vervielfältigens und des öffentlichen Zugänglichmachens, die nach § 85 Abs. 1 UrhG ausschließlich der Antragstellerin als Inhaberin der Tonträgerherstellrechte vorbehalten waren. Eine solche Nutzung hätte daher einer Rechtseinräumung durch die Antragstellerin bedurft, die nicht vorlag.

Daraus folgt eine widerrechtliche Nutzung. Der Antragsgegner hat für die damit begangene Rechtsverletzung einzustehen, auch wenn er selbst die Handlungen nicht begangen haben sollte. Er ist Inhaber des Internetanschlusses und die Handlungen kommen damit aus seiner Sphäre und seinem Verantwortungsbereich, wobei für den Unterlassungsanspruch kein Verschulden erforderlich ist. Er war als Inhaber des Anschlusses rechtlich und tatsächlich in der Lage, dafür zu sorgen, dass dieser nicht für Rechtsverletzungen genutzt wird. Keinesfalls darf er Töchter und deren Freundinnen nach deren Gutdünken bei der Nutzung des Anschlusses schalten und walten lassen und die Augen vor dem verschließen, was dort gemacht wird. Vielmehr hat er die Pflicht, über die Risiken zu unterrichten und das Tun der Nutzer zu überwachen und gegebenenfalls ein widerrechtliches Tun zu unterbinden. Inwieweit der Antragsgegner im (als Anlage Ast. 6 vorliegenden) Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.12.2005 mit einem Hinweis auf § 5 TDG Erhebliches einwenden will, erschließt sich nicht.

Die danach widerrechtliche Nutzung begründet die Vermutung, dass es zu einer wiederholten Verletzung kommen kann. Zur Ausräumung dieser Vermutung wäre neben einer Einstellung der Nutzung die Abgabe einer ernsthaften, unbefristeten, vorbehaltlosen und hinreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung erforderlich gewesen (vgl. Schricker/Wild, Urheberrecht, 2. Aufl., § 97 Rz. 42; Möhring/Nicolini/Lütje, UrhG, 2. Aufl., § 97 Rz. 120, 125), wie sie erfolglos verlangt worden ist.

II. Verfügungsgrund:
Der Verfügungsgrund steht nicht in Frage. Er folgt grundsätzlich bereits aus der fortbestehenden Wiederholungsgefahr, zu deren Beseitigung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung der Antragsgegner sich nicht veranlasst sah. Im Übrigen hat die Antragstellerin die Sache selbst geboten zügig behandelt. Von dem Namen und der Anschrift des Antragsgegners hat die Antragstellerin erst Anfang Dezember 2005 durch Einsichtnahme in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte Kenntnis erlangt. Es folgten Abmahnung, Antwort vom 16.12.2005 und Schreiben vom 27.12.2005.

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert ist geschätzt worden (€ 10.000,00 für eine Aufnahme, je € 5.000,00 für drei weitere Aufnahmen).

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