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OLG Köln: Keine Auskunftsanspruch in Filesharing-Fällen bei Zweifel an der Zuverlässigkeit der Software zur Erfassung der IP-Adressen - observer

OLG Köln
Beschluss vom 20.01.2012
6 W 242/11


Das OLG Köln hat völlig zu Recht entschieden, dass Rechteinhaber in Filesharing-Fällen keinen Anspruch auf Auskunft über den Inhaber einer IP-Adresse nach § 101 Abs. 9 UrhG haben, wenn Zweifel an der Zuverlässigkeit der Software zur Erfassung der IP-Adressen (hier: Observer) bestehen. Es fehlt -so das Gericht - dann an der nach § 101 Abs. 2 UrhG erforderlichen Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung. Es genügt nicht, wenn die Funktionsfähigkeit der Software durch eines eidesstattliche Versicherung durch einen Zeugen glaubhaft gemacht wird. Vielmehr ist ein Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen erforderlich.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Tenor:

Es wird festgestellt, dass der Beschluss der 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 218 O 216/11 – vom 15.9.2011 die Beschwerdeführer in ihren Rechten verletzt hat, soweit darin der Beteiligten zu 3 gestattet worden ist, dem Antragsteller unter Verwendung von Verkehrsdaten Auskunft über den Namen und die Anschrift der Beschwerdeführer zu erteilen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Beschwerdewert: 750 €.

Gründe:
Die zulässige Beschwerde ist begründet, denn es kann nicht festgestellt werden, dass von den in der Anlage ASt. 1 aufgelisteten IP-Adressen aus Rechtsverletzungen begangen worden sind.

Eine Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG setzt voraus, dass eine offensichtliche Rechtsverletzung im Sinne des § 101 Abs. 2 UrhG vorliegt. Dabei bezieht sich das Erfordernis der Offensichtlichkeit in § 101 Abs. 2 UrhG neben der Rechtsverletzung auch auf die Zuordnung dieser Verletzung zu den begehrten Verkehrsdaten (Senat, GRUR-RR 2009, 9, 11).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die vom Antragsteller mit der Ermittlung von Rechtsverletzungen beauftragte H. setzt zur Erfassung der IP-Adressen ausweislich der eidesstattlichen Versicherung ihres Systemadministrators das Computerprogramm „Observer“ ein. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass dieses Programm geeignet war, die behaupteten Rechtsverletzungen zuverlässig zu ermitteln. Die eidesstattliche Versicherung enthält lediglich die Behauptung, mit dem fraglichen Programm könne „beweissicher“ eine Rechtsverletzung dokumentiert werden und die fehlerfreie Funktionsweise der Software werde in regelmäßigen Abständen überprüft. Nachvollziehbar sind diese pauschalen Bewertungen nicht. Dabei bestand umso mehr Anlass, konkret zur Zuverlässigkeit der Software vorzutragen, als der Senat bereits mehrfach entsprechenden Vortrag in Verfahren, die auf Ermittlungen der H. gestützt waren, als unzureichend angesehen hat (wie den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers bekannt ist).

Nachdem der Senat hierauf hingewiesen hat, hat der Antragsteller die Kopie einer beglaubigten Übersetzung eines Gutachtens, das der Übersetzerin als Computerdatei vorgelegen hatte, beigebracht. Auf den Hinweis des Senats, einer solchen Kopie komme allenfalls ein geringer Beweiswert zu, hat der Antragsteller die Vernehmung des Geschäftsführer der H. angeboten und die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeregt. Für beides besteht indes keine Veranlassung:

Die angebotene Vernehmung des Geschäftsführers der H. ist nicht geeignet, die Zuverlässigkeit der Ermittlung der Rechtsverletzungen durch die Software „Observer“ festzustellen. Denn die Zuverlässigkeit lässt sich nicht auf der Grundlage der Wahrnehmungen des Zeugen beurteilen. Vielmehr ist hierfür eine Untersuchung der Software durch einen unabhängigen Sachverständigen erforderlich.

Auch die Beauftragung eines Sachverständigen ist nicht veranlasst. Das Erfordernis der Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung dient dem Schutz der am Verfahren zunächst nicht beteiligten Anschlussinhaber, der durch eine unberechtigte Inanspruchnahme in erheblicher Weise in seinen Rechten verletzt wird (vgl. Senat, GRUR-RR 2009, 9, 11). Dieser Schutz läuft leer, wenn die Ordnungsgemäßheit der Ermittlungen erst im Nachhinein (also nachdem die Auskunft erteilt worden ist) auf die Rüge des Anschlussinhabers hin ermittelt wird. Vielmehr muss dem Erfordernis der Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung bereits im Zeitpunkt der Antragstellung genügt werden. Der Rechteinhaber muss daher, bevor er mit der Ermittlung von Rechtsverletzungen beginnt, sicherstellen, dass diese Ermittlungen ordnungsgemäß durchgeführt werden und dass er dies dokumentieren kann. Setzt er hierfür eine Software ein, muss diese durch einen unabhängigen Sachverständigen überprüft und regelmäßig kontrolliert werden. Eine nachträgliche Untersuchung der eingesetzten Software durch das Gericht mit ungewissem Ausgang (vgl. Beschluss des Senats vom 7.9.2011 – 6 W 82/11) genügt dagegen nicht, um eine Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung begründen zu können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 101 Abs. 9 Satz 4 UrhG iVm. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.

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