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EuGH: Europol und Mitgliedstaat haften bei Zusammenarbeit gesamtschuldnerisch für Schäden aufgrund widerrechtlicher Datenverarbeitung

EuGH
Urteil vom 05.03.2024
C-755/21 P
Kočner ./. Europol


Der EuGH hat entschieden, dass Europol und der jeweilige Mitgliedstaat bei Zusammenarbeit gesamtschuldnerisch für Schäden aufgrund widerrechtlicher Datenverarbeitung auf Schadensersatz haften.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Datenverarbeitung: Europol und der Mitgliedstaat, in dem aufgrund einer widerrechtlichen Datenverarbeitung im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Europol und diesem Mitgliedstaat ein Schaden eingetreten ist, haften für diesen Schaden gesamtschuldnerisch

Die betroffene Person, die von Europol oder dem betreffenden Mitgliedstaat vollständigen Ersatz ihres Schadens begehrt, muss lediglich nachweisen, dass anlässlich der Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Stellen eine widerrechtliche Datenverarbeitung vorgenommen wurde, durch die ihr ein Schaden entstanden ist. Es ist nicht erforderlich, dass sie darüber hinaus nachweist, welcher dieser Stellen die widerrechtliche Verarbeitung zuzurechnen ist.

Nach der Ermordung des slowakischen Journalisten Ján Kuciak und von dessen Verlobter Martina Kušnírová am 21. Februar 2018 in der Slowakei führten die slowakischen Behörden umfangreiche Ermittlungen durch. Auf Ersuchen dieser Behörden extrahierte die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) die Daten, die auf zwei mutmaßlich Herrn Marian Kočner gehörenden Mobiltelefonen gespeichert waren. Europol übermittelte den genannten Behörden sodann ihre wissenschaftlichen Berichte und übergab eine Festplatte mit den extrahierten verschlüsselten Daten. Im Mai 2019 veröffentlichte die slowakische Presse Informationen betreffend Herrn Kočner, die aus dessen Mobiltelefonen stammten, darunter Transkriptionen seiner intimen Kommunikation. Zudem wies Europol in einem ihrer Berichte darauf hin, dass Herr Kočner seit 2018 wegen des Verdachts einer Finanzstraftat in Haft sei und dass sein Name u. a. unmittelbar mit den sogenannten „Mafia-Listen“ und den „Panama Papers“ in Zusammenhang stehe.

Herr Kočner erhob beim Gericht der Europäischen Union gegen Europol Klage auf eine Entschädigung in Höhe von 100 000 Euro als Ersatz des immateriellen Schadens, den er seiner Ansicht nach aufgrund der rechtswidrigen Verarbeitung seiner Daten erlitten hat. Mit Urteil vom 29. September 20211 wies das Gericht die Klage ab. Es kam zu dem Ergebnis, dass Herr Kočner zum einen keinen Beweis für einen Kausalzusammenhang zwischen dem behaupteten Schaden und dem Verhalten von Europol erbracht habe und zum anderen nicht nachgewiesen habe, dass die sogenannten „Mafia-Listen“ von Europol erstellt und geführt worden seien. Herr Kočner hat daraufhin beim Gerichtshof ein Rechtsmittel eingelegt.

Der Gerichtshof stellt in seinem Urteil fest, dass das Unionsrecht eine Regelung der gesamtschuldnerischen Haftung Europols und des Mitgliedstaats, in dem der Schaden infolge einer widerrechtlichen Datenverarbeitung im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen Europol und diesem Mitgliedstaat eingetreten ist, einführt. In einer ersten Stufe kann die gesamtschuldnerische Haftung Europols bzw. des betreffenden Mitgliedstaats vor dem Gerichtshof der Europäischen Union bzw. vor dem zuständigen nationalen Gericht geltend gemacht werden. Gegebenenfalls kann eine zweite Stufe vor dem Verwaltungsrat von Europol zur Klärung der Frage folgen, ob „letztlich“ Europol und/oder der betreffende Mitgliedstaat für den einer natürlichen Person gewährten Schadensersatz „zuständig“ sind bzw. ist.

Zur Geltendmachung dieser gesamtschuldnerischen Haftung muss die betroffene natürliche Person lediglich im Rahmen der ersten Stufe nachweisen, dass anlässlich der Zusammenarbeit zwischen Europol und dem betreffenden Mitgliedstaat eine widerrechtliche Datenverarbeitung vorgenommen wurde, durch die ihr ein Schaden entstanden ist. Anders als das Gericht entschieden hat, ist es nicht erforderlich, dass diese Person darüber hinaus nachweist, welcher dieser beiden Stellen die widerrechtliche Verarbeitung zuzurechnen ist. Folglich hebt der Gerichtshof das Urteil des Gerichts in diesem Punkt auf.

Der Gerichtshof entscheidet den Rechtsstreit selbst und urteilt, dass die widerrechtliche Datenverarbeitung, die in der Weitergabe von Daten betreffend intime Gespräche zwischen Herrn Kočner und seiner Freundin an Unbefugte zum Ausdruck kam, dazu führte, dass diese Daten durch die slowakische Presse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Er stellt fest, dass diese widerrechtliche Verarbeitung das Recht von Herrn Kočner auf Achtung seines Privat- und Familienlebens sowie seiner Kommunikation verletzt hat und seine Ehre und sein Ansehen beeinträchtigt hat, wodurch ihm ein immaterieller Schaden entstanden ist. Der Gerichtshof spricht Herrn Kočner eine Entschädigung in Höhe von 2 000 Euro als Ersatz dieses Schadens zu.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Europäische harmonisierte technische Normen müssen als unionsrechtliche Rechtsakte bei überwiegendem öffentlichen Interesse frei und kostenlos zugänglich sein

EuGH
Urteil vom 05.03.2024
C-588/21 P
Public.Resource.Org und Right to Know ./. EU-Kommission u. a


Der EuGH hat entschieden, dass europäische harmonisierte technische Normen als unionsrechtliche Rechtsakte bei überwiegendem öffentlichen Interesse frei und kostenlos zugänglich sein müssen.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Europäische harmonisierte technische Normen über die Sicherheit von Spielzeug müssen für Unionsbürger zugänglich sein

Der Gerichtshof erklärt den Beschluss der Kommission, mit dem der Zugang zu solchen Normen verweigert wurde, für nichtig und hebt das Urteil des Gerichts auf, mit dem die Weigerung für rechtmäßig erklärt wurde

2018 lehnte die Europäische Kommission den Antrag zweier gemeinnütziger Organisationen ab, ihnen Zugang zu harmonisierten technischen Normen über die Sicherheit von Spielzeugwaren zu gewähren. 2021 erklärte das Gericht diese Ablehnung für rechtmäßig. Im Rechtsmittelverfahren stellt der Gerichtshof jedoch fest, dass an der Verbreitung der harmonisierten Normen über die Sicherheit von Spielzeugwaren ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, da diese Normen wegen ihrer Rechtswirkungen Teil des Unionsrechts sind. Daher hebt der Gerichtshof das Urteil des Gerichts auf und erklärt den Beschluss der Kommission für nichtig.

Public.Resource.Org und Right to Know sind zwei gemeinnützige Organisationen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, allen Bürgern das Recht frei zugänglich zu machen. 2018 beantragten sie bei der Kommission, ihnen Zugang zu auf Unionsebene harmonisierten technischen Normen im Bereich der Sicherheit von Spielzeugwaren zu gewähren. Diese Normen betrafen im Einzelnen chemisches Spielzeug und chemische Experimentierkästen. Die Kommission lehnte ihren Antrag ab. Das von den Organisationen angerufene Gericht bestätigte diese Ablehnung.

Im Rechtsmittelverfahren hebt der Gerichtshof das Urteil des Gerichts auf und erklärt den Beschluss der Kommission für nichtig.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass das Unionsrecht jedem Unionsbürger und jeder natürlichen oder juristischen Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat den Zugang zu Dokumenten gewährleistet, u. a. zu denjenigen, die sich im Besitz der Europäischen Kommission befinden. Der Zugang zu einem Dokument kann allerdings verweigert werden, falls durch dessen Verbreitung der Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigentums, beeinträchtigt würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.

Im vorliegenden Fall sind die Normen über die Sicherheit von Spielzeug harmonisierten Normen Teil des Unionsrechts. Eine Unionsvorschrift kann nämlich solchen Normen Rechtswirkungen verleihen, insbesondere wenn für Erzeugnisse, die diese Normen beachten, die Vermutung besteht, dass sie die Standards einhalten, die in diesen Vorschriften festgelegt werden und von denen die Vermarktung in der Union abhängt. In diesem Sinne kann eine harmonisierte Norm die den Einzelnen eingeräumten Rechte sowie ihnen obliegende Pflichten näher bestimmen. Unter Verweis u. a. auf die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und des freien Zugangs zum Gesetz ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die Bürger darauf angewiesen sein können, von diesen Normen Kenntnis zu nehmen, damit sie prüfen können, ob ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung tatsächlich die Anforderungen einer solchen Vorschrift erfüllt. Daher stellt der Gerichtshof fest, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung der in Rede stehenden harmonisierten Normen besteht.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EU-Kommission: Geldbuße gegen Apple über 1,8 Mrd. Euro wegen Kartellrechtsverstoß durch App-Store-Vorschriften für Musikstreaming-Anbieter

Die EU-Kommission hat eine Geldbuße gegen Apple über 1,8 Mrd. Euro wegen Kartellrechtsverstößen durch die App-Store-Vorschriften für Musikstreaming-Anbieter verhängt.

Die Pressemitteilung der EU-Kommission:
Kommission verhängt Geldbuße in Höhe von 1,8 Mrd. EUR gegen Apple wegen kartellrechtswidriger App-Store-Vorschriften für Musikstreaming-Anbieter

Die Europäische Kommission hat gegen Apple wegen Missbrauchs seiner beherrschenden Stellung auf dem Markt für den über seinen App Store laufenden Vertrieb von Musikstreaming-Apps an iPhone- und iPad-Nutzer („iOS-Nutzer“) eine Geldbuße in Höhe von über 1,8 Mrd. EUR verhängt. Insbesondere stellte die Kommission fest, dass Apple App-Entwickler Beschränkungen auferlegte, die sie daran hinderten, iOS-Nutzer über alternative und billigere Musikabonnements zu informieren, die außerhalb der App zur Verfügung stehen. Das verstößt gegen das EU-Kartellrecht.

Zuwiderhandlung

Apple ist derzeit der einzige Anbieter eines App Store, in dem Entwickler ihre Anwendungen an iOS-Nutzer im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) vertreiben können. Apple kontrolliert alle Aspekte der iOS-Nutzererfahrung und legt die Geschäftsbedingungen fest, die Entwickler einhalten müssen, wenn sie im App Store präsent sein und iOS-Nutzer im EWR erreichen möchten.

Die Untersuchung der Kommission hat ergeben, dass Apple es Entwicklern von Musikstreaming-Apps untersagt, iOS-Nutzer umfassend über alternative, billigere Musikabonnements zu informieren, die außerhalb der App verfügbar sind, und Hinweise dazu zu geben, wie solche Angebote abonniert werden können. Die entsprechenden Bestimmungen verbieten den App-Entwicklern u. a. Folgendes:

- Information der iOS-Nutzer in den Apps der Entwickler über die Preise von Abonnements, die außerhalb der App im Internet verfügbar sind

- Information der iOS-Nutzer in den Apps der Entwickler über die Preisunterschiede zwischen In-App-Abonnements (die über den „In-App“-Kaufmechanismus von Apple abgeschlossen werden) und anderswo abgeschlossenen Abonnements

- Einbau von Links in ihre Apps, die iOS-Nutzer zur Website des jeweiligen App-Entwicklers führen, auf der alternative Abonnements angeboten werden. App-Entwickler konnten sich auch nicht an eigene, neu geworbene Nutzer wenden (z. B. per E-Mail), um sie nach Einrichtung des Nutzerkontos über Preisalternativen zu informieren.

Die Kommission befindet in ihrem heutigen Beschluss, dass die in Rede stehenden Bestimmungen von Apple unlautere Handelsbedingungen darstellen und gegen Artikel 102 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen. Die Bestimmungen sind weder notwendig noch angemessen, um die geschäftlichen Interessen von Apple in Bezug auf den App Store auf intelligenten mobilen Apple-Geräten zu schützen. Sie wirken sich nachteilig für die iOS-Nutzer aus, da sie fundierte und effiziente Entscheidungen darüber verhindern, wo und wie die Nutzer Musikstreaming-Abonnements für ihr Gerät erwerben wollen.

Wegen des Verhaltens von Apple, das fast zehn Jahre andauerte, könnten viele iOS-Nutzer erheblich höhere Preise für Musikstreaming-Abonnements gezahlt haben, denn Apple verlangte von den Entwicklern hohe Provisionen, die über höhere Abopreise für ein und denselben Dienst im App Store von Apple letztlich an die Verbraucher weitergegeben wurden. Die in Rede stehenden Bestimmungen von Apple haben durch Beeinträchtigung der Nutzererfahrung auch nicht-monetären Schaden verursacht: iOS-Nutzer mussten entweder eine aufwendige Suche auf sich nehmen, um zu einschlägigen Angeboten außerhalb der App zu gelangen, oder sie haben nie ein Abo abgeschlossen, da sie ohne Hinweise nicht das richtige finden konnten.



BGH: Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht gelten auch für Rechtsscheintatbestand von § 15 Abs. 1 HGB

BGH
Urteil vom 09.01.2024
II ZR 220/22
HGB § 15 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht auch für den Rechtsscheintatbestand von § 15 Abs. 1 HGB gelten.

Leitsätze des BGH:
a) Die Berufung auf die fehlende Eintragung einer eintragungspflichtigen Tatsache ist dem Dritten gemäß § 15 Abs. 1 HGB nur dann verwehrt, wenn er positive Kenntnis von der einzutragenden Tatsache hat; ein Kennenmüssen oder eine grob fahrlässige Unkenntnis genügen demgegenüber nicht.

b) Die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht gelten auch im Anwendungsbereich des Rechtsscheintatbestands des § 15 Abs. 1 HGB.

BGH, Urteil vom 9. Januar 2024 - II ZR 220/22 - KG - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier.

LG Hamburg: Wettbewerbswidrige Irreführung bei Reduzierung der Füllmenge von 500g auf 400g bei gleicher Verpackung ohne aufklärenden Hinweis während der ersten 3 Monate

LG Hamburg
Urteil vom 13.02.2024
406 HKO 121/22


Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch eine Mogelpackung vorliegt, wenn die Füllmenge bei identischer Produktverpackung von 500g auf 400g reduziert wird, ohne dass während der ersten 3 Monate ein aufklärender Hinweis erfolgt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die allgemeinen Irreführungstatbestände des $ 5 UWG auch bei Irreführungen hinsichtlich einer Packungsgröße anwendbar. Gerade wenn man mit der Beklagten davon ausgehen wollte, dass § 43 Abs. 2 MessEG nur objektiv aus der Gestaltung und Befüllung von Fertigpackungen resultierende Täuschungen erfasst, ist kein Grund ersichtlich, warum § 43 Abs. 2 MessEG aus anderen Umständen resultierende Irreführungen betreffend die Füllmenge von Fertigpackungen in der Art privilegieren sollte, dass die allgemeinen Irreführungstatbestände hierauf nicht anwendbar wären. Erfasst § 43 Abs. 2 MessEG hingegen auch aus anderen Umständen resultierende Täuschungen, ist ebenfalls kein Grund für eine Unanwendbarkeit der allgemeinen Irreführungsverbote ersichtlich.

Vorliegend ist der Vertrieb der hier streitigen 400 g-Packung ohne deutlich sichtbaren aufklärenden Hinweis über die geänderte Füllmenge jedenfalls für einen Zeitraum von 3 Monaten irreführend, wenn „Sanella“ zuvor in einer bis auf die Füllmengenangabe identischen Produktverpackung in 500 g-Packungen vertrieben worden ist. Die auf der Produktseite angegebene Füllmenge wird dem situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittverbraucher vielfach entgehen. Er wird vielmehr regelmäßig auf Grund des übereinstimmenden Erscheinungsbildes der Verpackungen davon ausgehen, ein auch hinsichtlich der Füllmenge unverändertes Produkt zu erwerben und die geringere Füllmenge erst im Nachhinein bemerken.

Insoweit ist auch nicht etwa die Wiederholungsgefahr durch Zeitablauf entfallen. Zwar sind seit der im Sommer 2022 erfolgten Produktumstellung bereits deutlich mehr als 3 Monate vergangen. Es ist jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass die Beklagte die hier streitgegenständliche Produktumstellung zu einem späteren Zeitpunkt erneut vornimmt, also nach zwischenzeitlichem Vertrieb einer 500 g-Packung die Füllmenge wiederum auf 400 g reduziert. Dies auch deshalb, weil die Beklagte ihr Streichfett „Sanella* in der Vergangenheit im Laufe der Zeit in einer ganzen Reihe verschiedener Packungsgrößen und Füllmengen angeboten hat.

Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass der Vertrieb der 400 g-Packung unabhängig von dem Zeitablauf seit Umstellung der Füllmengen von 500 g auf 400 g irreführend wäre. Die zu 80 % mit Streichfett gefüllte 400 g-Packung „Sanella“ täuscht jedenfalls nicht unabhängig von der zuvor vertriebenen 500 g-Packung eine größere Füllmenge vor als in ihr enthalten ist. Dies kann auch unter Berücksichtigung des wettbewerblichen Umfeldes nicht festgestellt werden, so dass offen bleiben kann, ob bei der Feststellung eines Verstoßes gegen § 43 Abs. 2 MessEG auch auf außerhalb der konkret streitgegenständlichen Verpackung liegende Umstände abgestellt werden kann oder nur § 5 UWG bzw. Art 7 LMIV einschlägig sind. Streichfette werden zwar vielfach weiterhin in 500 g-Packungen vertrieben, daneben aber auch in einer ganzen Reihe von Packungsgrößen mit unterschiedlichen Füllmengen. Auch ist weder ersichtlich noch substantiiert dargelegt, dass die farblich sehr unterschiedlich gestalteten 500 g-Packungen dem Verbraucher ein optisch einheitliches Bild vermitteln, wie es als Grundlage einer Irreführung hinsichtlich der Befüllung der hier streitigen Packung erforderlich wäre. Die von der identisch ausgestalteten 500 g-Packung „Sanella“ ausgehende Irreführung besteht hingegen nur innerhalb einer gewissen Übergangszeit, die 3 Monate nach der Umstellung noch nicht abgelaufen ist, jedoch vor Schluss der mündlichen Verhandlung in dieser Sache ihr Ende gefunden hat.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BFH: Juristische Personen haben keine Ansprüche nach der DSGVO und damit auch keinen Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO

BFH
Beschluss vom 08.02.Februar 2024
IX B 113/22

Der BFH hat entschieden, dass juristische Personen keine Ansprüche nach der DSGVO und damit auch keinen Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO haben.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Ein Anspruch auf Überlassung der begehrten elektronischen Kopien über den Anwendungsbereich des § 78 FGO hinaus ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2, Abs. 3 DSGVO.

a) Dabei kann dahinstehen, ob ‑‑wie vom X. Senat des BFH bereits entschieden‑‑ die Finanzgerichtsordnung dem Datenschutzrecht und damit auch dem Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO vorgeht (BFH-Beschluss vom 29.08.2019 - X S 6/19, Rz 23, unter Verweis auf die Stellungnahme der Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Bundesratsstellungnahme vom 23.03.2017 zu Nr. 6, BTDrucks 18/11655, S. 27; ebenso BFH-Beschluss vom 18.03.2021 - V B 29/20, BFHE 272, 296, BStBl II 2021, 710, Rz 23; zu § 299 der Zivilprozessordnung vgl. Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 22.06.2023 - 2 VA 5/23; zustimmend z.B. Brandis in Tipke/Kruse, § 78 FGO Rz 1; kritisch Schaz, Deutsche Steuer-Zeitung 2020, 338, 339 f.).

b) Jedenfalls enthält die Datenschutz-Grundverordnung nach deren Art. 1 Abs. 1 und 2 nur Vorschriften zum Schutze natürlicher Personen. Sie erfasst nicht die Daten, die juristische Personen betreffen (EuGH-Urteil J & S Service vom 10.12.2020 - C-620/19, EU:C:2020:1011, Rz 41). Als betroffene Personen kommen daher nur natürliche Personen in Betracht (vgl. Art. 4 Nr. 1 DSGVO). Im Erwägungsgrund 14 der DSGVO heißt es hierzu, dass die Datenschutz-Grundverordnung nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten juristischer Personen und insbesondere als juristische Person gegründeter Unternehmen, einschließlich Name, Rechtsform oder Kontaktdaten der juristischen Person, gilt. Dementsprechend betont der EuGH, dass der Begriff "Informationen, die sich auf Körperschaften beziehen" streng von dem unionsrechtlich definierten Begriff der personenbezogenen Daten natürlicher Personen zu unterscheiden ist. Das Recht natürlicher Personen auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten ist ein Grundrecht, das durch Art. 8 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert wird. Dagegen werden Informationen, die juristische Personen betreffen, im Unionsrecht nicht in vergleichbarer Weise geschützt (vgl. EuGH-Urteil J & S Service vom 10.12.2020 - C-620/19, EU:C:2020:1011, Rz 46).

Im Streitfall kann die Klägerin, eine GmbH, als juristische Person daher keine Rechte aus Art. 15 DSGVO ableiten.

c) Ob der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin gegebenenfalls Rechte betreffend Daten einer sogenannten "Ein-Mann-GmbH" geltend machen kann, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Den hier streitgegenständlichen Antrag hat der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin nicht als möglicherweise betroffene natürliche Person im eigenen Namen, sondern im Namen der Klägerin, also einer juristischen Person, gestellt.

d) Auch soweit sich die Klägerin auf § 2a Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) beruft, begründet dies keine Anwendung des Art. 15 DSGVO. Die Anwendungserweiterung der Datenschutz-Grundverordnung durch § 2a Abs. 5 AO gilt nur für das Besteuerungsverfahren nach der Abgabenordnung (so auch Drüen in Tipke/Kruse, § 2a AO Rz 24a), nicht jedoch für das Verfahren vor den Finanzgerichten.

3. Der erkennende Senat sieht keinen Anlass für die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

a) Nach Ansicht des Senats bestehen ‑‑auf Grundlage der oben genannten Rechtsprechung des EuGH‑‑ keine Zweifel daran, dass gemäß Art. 1 Abs. 1 und 2 DSGVO juristische Personen keine Rechte aus der Datenschutz-Grundverordnung ableiten können, sondern lediglich die dahinterstehenden, betroffenen (natürlichen) Personen.

b) Mangels Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung ist im vorliegenden Verfahren auch nicht klärbar, ob FA und FG gemeinsam Verantwortliche im Sinne des Art. 26 DSGVO sein können.

c) Die Frage, ob Art. 23 Abs. 1 DSGVO von seinem Anwendungsbereich nationale Gesetzgebungsmaßnahmen, die vor dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung erlassen wurden, ausschließt, hat der EuGH bereits beantwortet (EuGH-Urteil FT (Copies du dossier médical) vom 26.10.2023 - C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 56) und ist im Streitfall auch nicht entscheidungserheblich.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Unzulässige Bewerbung von Mundspülung mit "Corona-Prophylaxe" - Verweis in Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG auf meldepflichtige Krankheiten / Erreger ist dynamisch

BGH
Urteil vom 21.12.2023
I ZR 24/23
UWG § 3a; HWG § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Anlage (zu § 12) Abschn. A Nr. 1


Der BGH hat entschieden, dass der Verweis in Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG auf meldepflichtige Krankheiten / Erreger dynamisch ist. Die Werbung für eine Mundspülung mit dem Hinweis "Corona-Prophylaxe" ist unzulässig und wettbewerbswidrig.

Leitsatz des BGH:
Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG verweist dynamisch auf die nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen Krankheiten oder durch meldepflichtige Krankheitserreger verursachte Infektionen.

BGH, Urteil vom 21. Dezember 2023 - I ZR 24/23 - OLG Hamm - LG Bielefeld

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Kein Nachvergütungsanspruch gemäß § 32a UrhG für Urheber der Abbildung des europäischen Kontinents auf Euro-Banknoten

OLG Frankfurt
Urteil vom 29.2.2024
11 U 83/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass dem Urheber der Abbildung des europäischen Kontinents, der sich auf den Euro-Banknoten befindet, kein Nachvergütungsanspruch gemäß § 32a UrhG zusteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Klage abgewiesen - Kein Nachvergütungsanspruch wegen Darstellung der europäischen Landmasse auf den Euro-Banknoten

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung sog. Nachvergütungsansprüche wegen der Darstellung der europäischen Landmasse auf den Euro-Banknoten zurückgewiesen. Die Darstellung der europäischen Landmasse fußt auf einer von der Firma des Klägers lizenzierten Foto-Kollage aus zahlreichen Satellitenbildern. Die vom Kläger begehrte Beteiligung an den der Beklagten jährlich zugewiesenen so genannten Seigniorage-Einkünften scheidet nach Auffassung des OLG bereits deshalb aus, da diese Einkünfte nicht „aus der Nutzung des Werks“, sondern unabhängig von der optischen Gestaltung der Banknoten entstehen.

Der Kläger begehrt Nachvergütung wegen der Abbildung der europäischen Landmasse auf den Euro-Banknoten der ersten (2002) und der zweiten Serie (2019).

Die beklagte EZB ist allein berechtigt, Euro-Banknoten zu genehmigen und sie gemeinsam mit den nationalen Notenbanken auszugeben. Die Gestaltung der Euro-Banknoten war das Ergebnis eines mehrjährigen Prozesses, der mit einem Gestaltungswettbewerb begonnen hatte. Diesen hatte ein österreichischer Designer gewonnen. Seine Entwürfe sahen als eines der Gestaltungselemente eine Abbildung der europäischen Landmasse vor. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten beauftragte die vom Kläger geführte Firma, ihr dafür eine „satellite projection of Europe“ herzustellen und die Rechte an der Nutzung dieser Abbildung für damals 25.000 österreichische Schillinge zu übertragen.

Der Kläger behauptet, er selbst habe auftragsgemäß die streitgegenständliche Bilddatei aus einer Vielzahl von Satellitenbildern als Foto-Collage zusammengesetzt und bearbeitet. Er errechnet sich einen Nachvergütungsanspruch für die überlassene Bilddatei u.a. auf Basis der sog. Seigniorage-Einkünfte. Diese werden der Beklagten jährlich in Höhe von 8% des Werts aller im Euro-Währungsgebiet umlaufenden Geldscheine zugewiesen. Im Wege der Teilklage begehrt er Zahlung von 25.000,00 €. Widerklagend hat die Beklagte beantragt feststellen, dass dem Kläger kein weiterer Anspruch in Höhe von rund 5,5 Mio. € zustehe.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.

Mit der Berufung verfolgte der Kläger erfolglos seinen Zahlungsanspruch in Höhe von 25.000 € weiter. Der für Urheberrecht zuständige 11. Zivilsenat kommt zu dem Ergebnis, dass dem Kläger auch bei einer zu seinen Gunsten unterstellten Urheberschaft an der Datei und der Annahme eines urheberrechtsschutzfähigen Werks kein Nachvergütungsanspruch zusteht. Der urheberrechtliche Nachvergütungsanspruch solle sicherstellen, dass der Schöpfer eines Werkes angemessen an der wirtschaftlichen Werknutzung beteiligt werde. Der Anspruch beziehe sich auf die Erträge und Vorteile „aus der Nutzung des Werkes“. Die vom Kläger angeführten Seigniorage-Einkünfte seien keine derartige wirtschaftliche Nutzung des vom Kläger reklamierten Werks. Sie entstünden ohne jede wirtschaftliche Verwertungshandlung des Werks allein aufgrund der gesetzlichen Vorgaben für die Geldpolitik. „Der Wert der Banknoten - und damit verbunden die Höhe der Seigniorage-Einkünfte - bestimmt sich allein nach ihrem zahlenmäßigen Aufdruck/der Stückelung. Ihre optische Gestaltung wirkt sich weder auf den aufgedruckten Wert noch den Umfang des Umlaufvermögens aus“, vertieft das OLG. Der Umfang des umlaufenden Barvermögens werde rein ökonomisch ermittelt. Auch ohne Verwendung einer Abbildung der Landmasse Europas auf den Banknoten wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, Banknoten im jeweils erforderlichen Umfang und den erforderlichen Größen zu genehmigen und auszugeben. Sie hätte in diesem Fall Seigniorage-Einkünfte in identischer Höhe erhalten.

Darüber hinaus seien die geldwerten Vorteile der Beklagten auch deshalb nicht „aus der Nutzung des Werkes“ entstanden, da die auf den Banknoten dargestellte europäische Landmasse als so genannte freie Benutzung anzusehen sei. Die eigentümlichen Bestandteile des Werkes des Klägers, das sich u.a. durch eine naturgetreue und in den Farben an der Farbskala eines Atlasses orientierten Darstellung auszeichne, träten hinter die eigenschöpferischen Veränderungen der Beklagten zurück. Prägend für die Banknoten sei insbesondere die einheitliche, an der Stückelungsgröße orientierte farbliche Gestaltung. „Der Betrachter nimmt keine naturgetreue Abbildung Europas war, sondern ein grafisches Element mit den Umrissen Europas“, begründet der Senat weiter.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Kläger kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision beim Bundesgerichtshof begehren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 29.2.2024, Az. 11 U 83/22
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 18.5.2024, Az. 2-06 52/21)

Erläuterungen
§ 32a UrhG Weitere Beteiligung des Urhebers
Hat der Urheber einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt, die dazu führen, dass die vereinbarte Gegenleistung sich unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen als unverhältnismäßig niedrig im Vergleich zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes erweist, so ist der andere auf Verlangen des Urhebers verpflichtet, in eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessene Beteiligung gewährt wird. Ob die Vertragspartner die Höhe der erzielten Erträge oder Vorteile vorhergesehen haben oder hätten vorhersehen können, ist unerheblich.



EuGH: Zur Notwendigkeit der Apothekereigenschaft beim Online-Verkauf rezeptfreier Arzneimittel über Online-Marktplätze

EuGH
Urteil vom 29.02.2024
C-606/21
Doctipharma


Der EuGH hat sich in dieser Entscheidung mit der Notwendigkeit der Apothekereigenschaft beim Online-Verkauf rezeptfreier Arzneimittel über Online-Marktplätze befasst.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Verkauf von rezeptfreien Arzneimitteln im Fernabsatz: Der Gerichtshof erläutert die Voraussetzungen, unter denen ein Mitgliedstaat einen Dienst, der in der Zusammenführung von Apothekern und Kunden für den Online-Verkauf von Arzneimitteln besteht, verbieten kann.

Die Gesellschaft Doctipharma betreibt eine Website, auf der es bis 2016 möglich war, über Websites von Apotheken rezeptfrei erhältliche pharmazeutische Erzeugnisse und Arzneimittel zu kaufen. Konkret stellte die Website von Doctipharma die Waren mittels eines vorgespeicherten Katalogs zur Verfügung, der Kunde wählte die Arzneimittel aus und seine Bestellung wurde anschließend an die Apotheken weitergeleitet, deren Websites Doctipharma hostete. Die Zahlung des Kaufpreises erfolgte über ein für alle Apotheken anwendbares einheitliches Zahlungssystem von einem dafür vorgesehenen Konto.

Die Union des Groupements de pharmaciens d’officine (UDGPO) stellte die Rechtmäßigkeit dieser Website in Frage: Durch den Dienst, den Doctipharma mittels ihrer Website erbringe, nehme sie am elektronischen Arzneimittelhandel teil und verstoße daher gegen die nationalen Rechtsvorschriften, die den Verkauf von Arzneimitteln durch Personen, die nicht die Eigenschaft eines Apothekers hätten, verböten.

Die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) fragt den Gerichtshof zum einen, ob es sich bei der Tätigkeit von Doctipharma um einen Dienst der Informationsgesellschaft handelt, und zum anderen, ob das Unionsrecht es den Mitgliedstaaten erlaubt, die Erbringung eines solchen Dienstes zu verbieten, der darin besteht, mittels einer Website Apotheker und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Websites von Apotheken zusammenzuführen, die diesen Dienst abonniert haben.

Der Gerichtshof stellt insoweit klar, dass der Dienst, der in der Zusammenführung von Apothekern und potenziellen Patienten für den Verkauf von Arzneimitteln besteht, unter den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne des Unionsrechts fällt.

Mit seinem Urteil entscheidet der Gerichtshof wie folgt:

1. Wird der Anbieter, der keine Apothekereigenschaft besitzt, selbst als Verkäufer der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel angesehen, kann der Mitgliedstaat, in dem er niedergelassen ist, die Erbringung dieses Dienstes verbieten.

2. Beschränkt sich der betreffende Anbieter hingegen durch eine eigene und vom Verkauf unabhängige Leistung darauf, Verkäufer und Kunden zusammenzuführen, dürfen die Mitgliedstaaten diesen Dienst nicht mit der Begründung verbieten, dass die betreffende Gesellschaft am elektronischen Handel mit Arzneimitteln beteiligt sei, ohne die Eigenschaft eines Apothekers zu haben.

Zwar sind allein die Mitgliedstaaten dafür zuständig, die Personen zu bestimmen, die zum Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an die Öffentlichkeit im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft ermächtigt oder befugt sind, doch müssen sie auch sicherstellen, dass der Öffentlichkeit Arzneimittel zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft angeboten werden und dürfen folglich einen solchen Dienst für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht verbieten.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH-Generalanwalt: Veräußerung einer Datenbank mit personenbezogenen Daten im Zwangsvollstreckungsverfahren kann ohne Zustimmung der Betroffenen DSGVO-konform und zulässig sein

EuGH
Schlussanträge vom 28.02.2024
C-693/22
Verkauf einer Datenbank


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass die Veräußerung einer Datenbank mit personenbezogenen Daten im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne Zustimmung der Betroffenen DSGVO-konform und zulässig sein kann.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Nach Ansicht von Generalanwalt Priit Pikamäe kann eine Datenbank mit personenbezogenen Daten unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens verkauft werden, auch wenn die von diesen Daten betroffenen Personen dem nicht zugestimmt haben.

Das ist dann der Fall, wenn die mit einem solchen Verkauf verbundene Datenverarbeitung in einer demokratischen Gesellschaft zur Sicherstellung der Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruchs notwendig und verhältnismäßig ist .
Bei einem polnischen Gericht ist ein Rechtsstreit anhängig zwischen einer Gesellschaft und einem Mitglied des Vorstands einer anderen Gesellschaft, die auf den Online-Verkauf spezialisiert ist und gegenüber der die erstgenannte Gesellschaft eine Forderung hat. Die vermögensrechtliche Haftung dieses Mitglieds kann dann geltend gemacht werden, wenn die Schuldnergesellschaft nicht über hinreichende Vermögenswerte verfügt, um die Forderung der Gläubigergesellschaft zu befriedigen. Das Vorstandsmitglied ist jedoch der Ansicht, dass dies nicht der Fall sei, da die Schuldnergesellschaft u. a. zwei Datenbanken mit Daten von Nutzern der von ihr geschaffenen Online-Plattform besitze. Diese Datenbanken enthalten personenbezogene Daten von Hunderttausenden von Personen, die der Verarbeitung ihrer Daten in Form einer Bereitstellung an Dritte außerhalb dieser Plattform nicht zugestimmt haben.

Das polnische Gericht hat Zweifel, ob die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) es einem Gerichtsvollzieher gestattet, diese Datenbanken in einem Zwangsvollstreckungsverfahren ohne die Zustimmung der von diesen Daten betroffenen Personen zu veräußern, und hat daher den Gerichtshof angerufen.

In seinen Schlussanträgen schlägt Generalanwalt Priit Pikamäe dem Gerichtshof vor, dies zu bejahen.

Seiner Ansicht nach fallen die von dem Gerichtsvollzieher zur Schätzung des Werts der betreffenden Datenbanken und zu ihrer Versteigerung vorgenommenen Handlungen in den Anwendungsbereich der DSGVO. Diese Handlungen umfassten nämlich mindestens das Auslesen, das Abfragen und die Verwendung der personenbezogenen Daten und ihre Bereitstellung an den Erwerber und seien daher als eine „Verarbeitung“ dieser Daten im Sinne dieser Verordnung anzusehen. Zudem meint der Generalanwalt, dass der Gerichtsvollzieher als der für diese Verarbeitung Verantwortliche eingestuft werden müsse.

Außerdem vertritt der Generalanwalt den Standpunk , dass die in Rede stehende Verarbeitung rechtmäßig sei, wenn sie für die Wahrnehmung einer dem Gerichtsvollzieher übertragenen Aufgabe, die in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolge, erforderlich sei.

Schließlich stellt der Generalanwalt fest, dass sich der Zweck der von dem Gerichtsvollzieher vorgenommenen Verarbeitung von dem ursprünglichen Zweck unterscheide, der darin bestanden habe, die Nutzung der in Rede stehenden Online-Plattform zu ermöglichen. Damit diese weitere Verarbeitung als mit der DSGVO vereinbar angesehen werden könne, müsse sie eine in einer demokratischen Gesellschaft notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zur Erreichung eines der mit dieser Verordnung verfolgten Ziele im öffentlichen Interesse darstellen. Nach Auffassung des Generalanwalts kann unter diesen Zielen das der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche grundsätzlich die Verarbeitung der vorliegend in Rede stehenden Daten rechtfertigen. Er hebt auch hervor, dass die Prüfung der Verhältnismäßigkeit, die dem polnischen Gericht obliege, eine Abwägung zwischen dem Eigentumsrecht der Gläubigergesellschaft und dem Recht der Nutzer der in Rede stehenden Online-Plattform auf Schutz personenbezogener Daten impliziere.

Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:

BayVGH: Erhebung und Speicherung von Drohnenaufnahmen zu Durchführung der Beitrags- und Gebührenerhebung im Rahmen der Abwasserbeseitigung rechtswidrig

BayVGH
Beschluss vom 15.02.2023
4 CE 23.2267


Der BayVGH hat entschieden, dass die Erhebung und Speicherung von Drohnenaufnahmen zu Durchführung der Beitrags- und Gebührenerhebung im Rahmen der Abwasserbeseitigung rechtswidrig ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
BayVGH: Drohnenbefliegung eines Wohngrundstücks zur Beitragserhebung ist rechtswidrig

Mit Beschluss vom 15. Februar 2024 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) die Beschwerde der Stadt Neumarkt-Sankt Veit im Landkreis Mühldorf am Inn zurückgewiesen und die geplante Drohnenbefliegung eines Wohngrundstücks zur Ermittlung der Geschossfläche als rechtswidrig eingestuft.

Die Stadt Neumarkt-Sankt Veit plante ursprünglich für Oktober 2023 eine Drohnenbefliegung verschiedener Wohngrundstücke, um die Geschossfläche der dort vorhandenen Gebäude zu bestimmen. Die dadurch erlangten Daten sollten zur Berechnung des sog. Herstellungsbeitrags dienen, der für den Anschluss von Grundstücken an die gemeindliche Abwasserentsorgung erhoben wird. Nachdem der Antragsteller, dem ein Wohngrundstück im Stadtgebiet gehört, über die geplante Drohnenbefliegung informiert worden war, wandte er sich an das Verwaltungsgericht München, das seinem Eilantrag stattgab. Gegen diesen Beschluss legte die Stadt Beschwerde zum BayVGH ein.

Der BayVGH wies die Beschwerde der Stadt zurück. Dem Antragsteller stehe ein Unterlassungsanspruch zu, der eine Drohnenbefliegung seines Grundstücks verbiete. Für die geplante Maßnahme fehle es bereits an einer Rechtsgrundlage. Hierfür könne insbesondere nicht die Generalklausel des bayerischen Datenschutzgesetzes herangezogen werden. Diese lässt eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine öffentliche Stelle zu, wenn sie zur Erfüllung einer ihr obliegenden Aufgabe erforderlich ist. Die Vorschrift erlaube eine Erhebung personenbezogener Daten jedoch nur dann, wenn es sich um einen geringfügigen Eingriff in die Rechte der betroffenen Person handele. Der Einsatz der Drohne stelle aber einen erheblichen Eingriff in das vom Grundgesetz geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers dar. Auch wenn das Wohngebäude von außen aufgenommen werde, sei die schützenswerte Privatsphäre betroffen. Denn mit der Drohne könnten Aufnahmen von zur Wohnung zählenden Terrassen, Balkonen oder Gartenflächen hergestellt werden. Zudem könnten die sich dort aufhaltenden Personen fotografiert werden. Weiter sei nicht auszuschließen, dass durch Glasflächen auch Innenräume erfasst würden.

Der Beschluss des BayVGH ist unanfechtbar.

(BayVGH, Beschluss vom 15. Februar 2024, Az.: 4 CE 23.2267)



OLG Köln: Cookie-Banner muss so gestaltet sein dass das Ablehnen genauso bequem wie das Akzeptieren ist - Schließen des Cookie-Banners mit "X" ist keine wirksame Einwilligung

OLG Köln
Urteil vom 19.01.2024
6 U 80/23


Das OLG Köln hat entschieden, dass ein Cookie-Banner so gestaltet sein muss, dass das Ablehnen genauso bequem wie das Akzeptieren ist. Zudem hat das Gericht entschieden, dass das Schließen des Cookie-Banners mit "X" keine wirksame Einwilligung darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Durch eine Gestaltung der Cookie-Banner wie in der vom Kläger in Bezug genommenen konkreten Verletzungsform wird dem Verbraucher weder auf der ersten noch auf der zweiten Ebene eine gleichwertige, mithin auf klaren und umfassenden Informationen beruhende, Ablehnungsoption angeboten, weshalb er – wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt – zur Abgabe der Einwilligung hingelenkt und von der Ablehnung der Cookies abgehalten wird, so dass die erteilte Einwilligung nicht als freiwillig und hinreichend aufgeklärt im Sinne von § 25 Abs. 1 TTDSG, Art. 4 Nr. 11 DSGVO angesehen werden kann. Die erste Ebene enthält überhaupt keine Ablehnungsoption für den Verbraucher. Vielmehr kann dieser durch den Button „Einstellungen“ lediglich auf die zweite Ebene gelangen. Hier hat der Verbraucher dann die Auswahl zwischen dem Button „Alles Akzeptieren“ und dem Button „Speichern“. Wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt, erschließt sich dem Durchschnittsnutzer aber bereits nicht, welche Funktion sich konkret hinter dem jeweiligen Button verbirgt bzw. mit welchem Button er nunmehr tatsächlich die Ablehnung der Cookies erreichen kann. Die Beklagte hat in erster Instanz selbst wiederholt ausgeführt, dass für den Verbraucher eine echte Wahlmöglichkeit gegeben sein müsse. Dies ist indes bei der hier aufgezeigten Gestaltung der Cookie-Banner gerade nicht der Fall.

Die Zurückweisung des Antrages zu b) – den der Kläger in der Berufungsinstanz in unveränderter Form gestellt hat – ist durch das Landgericht zu Unrecht erfolgt. Auch wenn der Kläger sich in der mündlichen Verhandlung zunächst dahingehend positioniert hat, dass es ihm gerade auf den Einschub zu a) ankomme und daher allenfalls dieser von dem beantragten Verbot isoliert erfasst sein solle, hat er letztlich den Antrag wie angekündigt gestellt und demgemäß hieran gerade nicht festgehalten. Durch die Verknüpfung und/oder bestand zwischen den Anträgen zu a) und b) ein echtes Alternativverhältnis, weshalb das Landgericht auch isoliert über den Antrag zu b) hätte entscheiden müssen. Eine andere Auslegung lässt entgegen der Auffassung der Beklagten auch das den Antrag zu b) einleitende Wort „dabei“ nicht zu, da dies ohne weiteres auch Sinn ergibt, wenn dieser Antrag nur isoliert geltend gemacht wird.

Dieser hinreichend bestimmte Antrag hat in der Sache ebenfalls Erfolg. Die Gestaltung der Cookie-Banner mit dem verlinkten Button „Akzeptieren & Schließen X“ in der rechten oberen Ecke verstößt gegen die Grundsätze von Transparenz und Freiwilligkeit der Einwilligung und führt zu deren Unwirksamkeit. Insoweit kann wiederum auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden. Das „X“-Symbol ist Nutzern bekannt als Möglichkeit, um ein Fenster zu schließen, nicht aber, um in die Verwendung von Cookies und anderen Technologien durch den Websitebetreiber einzuwilligen. Dass hiermit eine Einwilligung erklärt wird, wird dem durchschnittlichen Nutzer nicht bewusst sein. Zwar steht unmittelbar neben dem „X“- Symbol „Akzeptieren & Schließen“. Die Verknüpfung dieser beiden Funktionen ist aber irreführend und intransparent für die Nutzer. Auch wird für die Nutzer nicht ohne weiteres erkennbar, dass es sich bei „Akzeptieren & Schließen“ und dem „X“-Symbol um ein und denselben Button handelt. Vor diesem Hintergrund kann die Einwilligung mithilfe des „X“-Symbols weder als unmissverständlich oder eindeutig bestätigend, noch als freiwillig im Sinne von § 25 Abs. 1 TTDSG, Art 4 Nr. 11 DSGVO bewertet werden


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Bank kann sich auf Gesetzlichkeitsfiktion gem. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen wenn abweichende Widerrufsbelehrung den Verbraucher begünstigt

BGH
Urteil vom 27.02.2024
XI ZR 258/22


Der BGH hat entschieden, dass ein Bank sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion gem. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen wenn eine abweichende Widerrufsbelehrung den Verbraucher begünstigt.

Die Pressemitteilung des BGH:
Widerrufsinformationen in mit einem Kfz-Kaufvertrag verbundenem Verbraucherdarlehensvertrag
ordnungsgemäß

Der unter anderem für das Darlehensrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute unter Berücksichtigung der Maßgaben des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Dezember 2023 (C-38/21, C-47/21 und C-232/21 - BMW Bank u.a.) entschieden, dass der Darlehensnehmer den zur Finanzierung eines Kfz-Erwerbs geschlossenen Darlehensvertrag nicht wirksam widerrufen hat, weil die beklagte Bank eine ordnungsgemäße Widerrufsinformation und die erforderlichen Pflichtangaben beanstandungsfrei erteilt hatte. Im Hinblick auf das Urteil des EuGH hat der Senat sein Vorabentscheidungsersuchen vom 31. Januar 2022 (XI ZR 113/21) zurückgenommen.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung der Klägerin.

Die Klägerin erwarb im Februar 2017 ein Kraftfahrzeug der Marke Mercedes-Benz. Zugleich schloss sie zur Finanzierung des über die vereinbarte Anzahlung hinausgehenden Kaufpreisteils sowie einer Kaufpreisschutzprämie am 13. Februar 2017 mit der beklagten Bank einen Darlehensvertrag zu einem gebundenen Sollzinssatz und einer festen Laufzeit. Die Darlehensvertragsunterlagen enthielten eine Widerrufsinformation, in der u.a. der Kaufvertrag und der Vertrag über den Kaufpreisschutz als verbundene Verträge genannt sind. Seite 1 des Darlehensvertrags enthielt unter der Überschrift "Ausbleibende Zahlungen" folgende Angabe über die Verzugsfolgen:

"Für ausbleibende Zahlungen wird Ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz."

Ferner enthielt der Darlehensvertrag auf Seite 1 unter der Überschrift "Vorzeitige Rückzahlung des Darlehens" folgende Angabe:

"Im Falle der vorzeitigen Darlehensrückzahlung kann der Darlehensgeber eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Die Vorfälligkeitsentschädigung beträgt 1 Prozent beziehungsweise, wenn der Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung geringer als ein Jahr ist, 0,5 Prozent des vorzeitig zurückgezahlten Betrags. Ist die so ermittelte Vorfälligkeitsentschädigung höher als die Summe der noch ausstehenden Zinsen, wird diese Summe als Vorfälligkeitsentschädigung berechnet."

Bestandteil des Darlehensvertrags waren ferner die auf Seite 10 des Darlehensvertrags abgedruckten Allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten, die unter anderem folgende Klauseln enthielten:

"IX. Allgemeine Bestimmungen

5. Widerruft der Darlehensnehmer seine Vertragserklärung innerhalb der Widerrufsfrist, so hat er für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens keine Sollzinsen zu entrichten.

X. Erfüllungsort und Gerichtsstand, Verbraucherschlichtung

3. Der Darlehensgeber nimmt am Streitbeilegungsverfahren der Verbraucherschlichtungsstelle "Ombudsmann der privaten Banken" (www.bankenombudsmann.de) teil. Dort hat der Verbraucher die Möglichkeit, zur Beilegung einer Streitigkeit mit dem Darlehensgeber den Ombudsmann der privaten Banken anzurufen. Näheres regelt die Verfahrensordnung für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im deutschen Bankgewerbe, im Internet unter www.bankenverband.de abrufbar ist. Die Beschwerde ist in Textform (z.B. mittels Brief, Telefax oder E-Mail) an die Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband deutscher Banken e.V., Postfach 040307, 10062 Berlin, Fax (030) 1663-3169, E-Mail: ombudsmann@bdb.de, zu richten."

Nach Erbringung von Zins- und Tilgungsleistungen erklärte die Klägerin im August 2018 den Widerruf ihrer auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Sie hält die Angaben in der Widerrufsinformation in Bezug auf den sogenannten Tageszins sowie die Pflichtangaben u.a. über die Art des Darlehens, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung, zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung und über den Zugang des Darlehensnehmers zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die Voraussetzungen für diesen Zugang für fehlerhaft. Aufgrund des wirksamen Widerrufs des Darlehensvertrags sei sie auch an den Kaufvertrag über das Kraftfahrzeug und den Vertrag über den Kaufpreisschutz nicht mehr gebunden. Im Mai 2019 veräußerte die Klägerin das Fahrzeug an einen Dritten und löste das Darlehen vorzeitig ab.

Die unter Anrechnung des Verkaufserlöses auf Zahlung der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage in Höhe von 763,20 € stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Widerrufsinformation kraft Gesetzlichkeitsfiktion ordnungsgemäß ist und auch die erforderlichen Pflichtangaben in einer Weise erteilt worden sind, dass die zweiwöchige Widerrufsfrist mit Vertragsabschluss in Lauf gesetzt worden ist und die Klägerin ihr Widerrufsrecht nicht fristgerecht ausgeübt hat. Die Revision der Beklagten hatte deshalb Erfolg. Der XI. Zivilsenat hat das Berufungsurteil aufgehoben, soweit darin zum Nachteil der Beklagten erkannt worden war, und die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt:

Die beklagte Bank hat der Klägerin nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB eine ordnungsgemäße Widerrufsinformation erteilt. Insoweit kann sie sich auf die in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB angeordnete Gesetzlichkeitsfiktion berufen. Der Anwendung der Gesetzlichkeitsfiktion steht das Urteil des EuGH vom 21. Dezember 2023 nicht entgegen. Eine richtlinienkonforme Auslegung der nationalen Vorschriften scheidet angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts aus. Für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion ist es unschädlich, dass die Beklagte in Nummer IX. 5 der Darlehensbedingungen auf den nach der Widerrufsinformation pro Tag zu zahlenden Zinsbetrag verzichtet hat. Dies lässt nicht nur die Ordnungsgemäßheit der Widerrufsinformation, sondern auch die Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB unberührt, weil sie den Verbraucher lediglich begünstigt und das vom Gesetzgeber mit der Gesetzlichkeitsfiktion verfolgte Ziel der Schaffung von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bei den Anwendern nicht beeinträchtigt. Eine Irreführung des Verbrauchers ist damit nicht verbunden.

Die nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB erforderliche Information über die Art des Darlehens hat die Beklagte ordnungsgemäß erteilt. Bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag im Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG muss gegebenenfalls klar und verständlich angegeben werden, dass es sich um einen verbundenen Darlehensvertrag handelt und dass dieser Vertrag als befristeter Vertrag geschlossen worden ist. Diese Anforderungen hat die Beklagte erfüllt. Aus den Angaben auf Seite 1 des Darlehensvertrags ergibt sich für den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag um einen befristeten Vertrag handelt. Denn dort ist die Laufzeit des Vertrags ausdrücklich angegeben. Dass es sich bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag um einen - mit dem Kaufvertrag und dem vereinbarten Kaufpreisschutz - verbundenen Darlehensvertrag handelt, folgt für den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher hinreichend klar und verständlich aus der Widerrufsinformation.

Die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB ist zwar unvollständig, weil der Klägerin der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende konkrete Prozentsatz des Verzugszinses nicht mitgeteilt worden ist. Dies hindert aber das Anlaufen der Widerrufsfrist nicht. Im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 21. Dezember beginnt die Widerrufsfrist im Falle einer unvollständigen oder fehlerhaften Information nach § 356b Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 492 Abs. 2 BGB nur zu laufen, wenn die Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit dieser Information nicht geeignet ist, sich auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner aus dem Darlehensvertrag herrührenden Rechte und Pflichten einzuschätzen, oder auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen, auszuwirken und ihm gegebenenfalls die Möglichkeit zu nehmen, seine Rechte unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie denen auszuüben, die vorgelegen hätten, sofern die Information vollständig und zutreffend erteilt worden wäre. Dies hat der Senat hier bejaht, weil ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher in der Lage der Klägerin den streitgegenständlichen Darlehensvertrag auch abgeschlossen hätte, wenn ihm bei Vertragsschluss über die im Vertrag enthaltenen Angaben hinaus auch der zu diesem Zeitpunkt geltende konkrete Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner Anpassung mitgeteilt worden wären.

Die nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB erforderlichen Informationen zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung haben das Anlaufen der 14-tägigen Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2, § 356b BGB nicht gehindert. Die von der Beklagten verwendete Klausel verstößt zwar nach der Rechtsprechung des Senats gegen § 502 Abs. 1 BGB und ist damit gemäß § 134 BGB nichtig, weil sie entgegen § 511 BGB zum Nachteil des Verbrauchers von der Vorschrift des § 502 Abs. 1 BGB abweicht (vgl. Senatsurteil vom 28. Juli 2020 - XI ZR 288/19, BGHZ 226, 310 Rn. 24). Die fehlerhafte Angabe zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung führt aber nach dem Regelungskonzept des deutschen Gesetzgebers lediglich zum Ausschluss des Anspruchs auf eine Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB, ohne das Anlaufen der 14-tägigen Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2, § 356b BGB zu berühren. Daran hat der Senat auch im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 21. Dezember 2023 festgehalten. Danach muss zwar in einem Kreditvertrag grundsätzlich für die Berechnung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung die Berechnungsweise dieser Entschädigung in konkreter und für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher leicht verständlicher Weise angegeben werden, damit er den Betrag der bei vorzeitiger Rückzahlung anfallenden Entschädigung auf der Grundlage der in diesem Vertrag enthaltenen Angaben ermitteln kann. Auch wenn konkrete und leicht verständliche Angaben zur Berechnungsweise fehlen, kann ein solcher Vertrag aber der in dieser Bestimmung aufgestellten Verpflichtung genügen, sofern er andere Elemente enthält, die es dem Verbraucher ermöglichen, die Höhe der betreffenden Entschädigung und insbesondere den Betrag, den er im Fall der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits höchstens zu zahlen haben wird, leicht zu ermitteln. Die Angaben der Beklagten genügen diesen Anforderungen, weil ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher die zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung leicht berechnen kann. Dass die Angabe der Beklagten aufgrund der Umsetzung in das nationale Recht einer Klauselkontrolle nicht standhält, ist unbeachtlich. Bei richtlinienkonformer Auslegung hindert dies das Anlaufen der 14-tägigen Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2, § 356b BGB nicht.

Schließlich sind auch die nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB erforderlichen Informationen über den Zugang des Verbrauchers zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls zu den Voraussetzungen für diesen Zugang ordnungsgemäß erteilt worden. Im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 21. Dezember 2023 erfordert dies, dass der Verbraucher über alle ihm seitens des Darlehensgebers zur Verfügung stehenden außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die mit ihnen jeweils verbundenen Kosten informiert wird; ferner muss er im Kreditvertrag darüber belehrt werden, ob die Beschwerde oder der Rechtsbehelf auf Papier oder elektronisch einzureichen ist, des Weiteren über die physische oder elektronische Adresse, an die die Beschwerde oder der Rechtsbehelf zu senden ist, und schließlich über die sonstigen formalen Voraussetzungen, denen die Beschwerde oder der Rechtsbehelf unterliegt. Diese Informationen hat die Beklagte der Klägerin erteilt. Sie hat in Nummer X. 3 der Darlehensbedingungen angegeben, dass die Beschwerde in Textform übermittelt werden kann und hierfür ihre Postadresse, ihre Telefaxnummer und ihre E-Mail-Adresse mitgeteilt. Einer Angabe von sonstigen formalen Voraussetzungen bedurfte es nicht. Darunter sind nur solche zu verstehen, die bei Nichtvorliegen ohne weiteres zur Zurückweisung des Schlichtungsantrags führen. Dies ist nach der Verfahrensordnung des Ombudsmanns der privaten Banken nicht der Fall. Eine Angabe zu den mit dem Schlichtungsverfahren verbundenen Kosten war entbehrlich, weil das Schlichtungsverfahren beim Ombudsmann der privaten Banken für den Verbraucher kostenfrei ist.

Vorinstanzen:

LG Saarbrücken - Urteil vom 2. Juli 2021 - 1 O 241/20

OLG Saarbrücken - Urteil vom 6. Oktober 2022 - 4 U 104/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 355 BGB

(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.

[...]

§ 358 Abs. 2 BGB

(2) Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung auf Grund des § 495 Absatz 1 oder des § 514 Absatz 2 Satz 1 wirksam widerrufen, so ist er auch nicht mehr an diejenige Willenserklärung gebunden, die auf den Abschluss eines mit diesem Darlehensvertrag verbundenen Vertrags über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung gerichtet ist.

§ 492 Abs. 2 BGB

(2) Der Vertrag muss die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche enthalten.

§ 495 Abs. 1 BGB

(1) Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu.

Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 2 und 11 EGBGB

(1) Die Unterrichtung vor Vertragsschluss muss folgende Informationen enthalten:

[…]

2.die Art des Darlehens,

[…]

11.den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung sowie gegebenenfalls anfallende Verzugskosten,

[…]

Art. 247 § 6 Abs. 1 und Abs. 2 EGBGB

(1) Der Verbraucherdarlehensvertrag muss klar und verständlich folgende Angaben enthalten:

1.die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 14 und Abs. 4 genannten Angaben,

[…]

(2) Besteht ein Widerrufsrecht nach § 495 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, müssen im Vertrag Angaben zur Frist und zu anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs sowie ein Hinweis auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers enthalten sein, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten. Der pro Tag zu zahlende Zinsbetrag ist anzugeben. Enthält der Verbraucherdarlehensvertrag eine Vertragsklausel in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form, die bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen dem Muster in Anlage 7 … entspricht, genügt diese Vertragsklausel den Anforderungen der Sätze 1 und 2. […]

Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EGBGB

(1) Der Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag muss folgende klar und verständlich formulierte weitere Angaben enthalten, soweit sie für den Vertrag bedeutsam sind:

[…]

3.die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, soweit der Darlehensgeber beabsichtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, falls der Darlehensnehmer das Darlehen vorzeitig zurückzahlt,

4.den Zugang des Darlehensnehmers zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die Voraussetzungen für diesen Zugang,


VG Berlin: Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO kann ein unverhältnismäßiger Aufwand zur Auskunftserteilung nur ein eng begrenzten Ausnahmefällen entgegengehalten werden

VG Berlin
Urteil vom 06.02.2024
1 K 187/21


Das VG Berlin hat entschieden, dass einem Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO ein unverhältnismäßiger Aufwand zur Auskunftserteilung nur ein eng begrenzten Ausnahmefällen entgegengehalten werden kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
Soweit der Kläger – mit seinem Antrag zu 1.) – die Verpflichtung der Beklagten begehrt, die ihm unter dem 18. November 2020 erteilte Auskunft zu vervollständigen und ihm Auskunft über seine bis zum Datum seines Auskunftsantrages in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten zu erteilen, indem die Beklage ihm eine Kopie dieser Daten zur Verfügung stellt, ist die nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthafte (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 2022 - 6 C 10.21, juris Rn. 14) und auch sonst zulässige Verpflichtungsklage begründet (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Grundlage für den insoweit geltend gemachten Anspruch ist Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung - DSGVO).

Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO ist es, wie sich u.a. aus Erwägungsgrund 63 zur DSGVO ergibt, den Betroffenen in die Lage zu versetzen, von einer Verarbeitung ihn betreffender personenbezogener Daten Kenntnis zu erhalten, um im Folgenden nicht nur die Richtigkeit dieser Daten, sondern auch die Zulässigkeit ihrer Verarbeitung überprüfen und im Folgenden ggf. die ihm nach den Art. 16f. DSGVO zustehenden Rechte – beispielweise auf Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung der Daten – ausüben zu können (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487, juris Rn. 33f.). Gerade für eine Rechtmäßigkeitskontrolle ist aber, worauf der Kläger zu Recht hingewiesen hat, eine bloß abstrakte Übersicht über die verarbeiteten Daten nicht ausreichend, weshalb der Anspruch des Klägers nicht durch die ihm unter dem 18. November 2020 erteilte Auskunft der Beklagten erloschen ist, die sich lediglich auf die in den IT-Systemen der Beklagten gespeicherten (Stamm-)Daten des Klägers erstreckte. Vielmehr bedarf es, um die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung im jeweiligen Einzelfall überprüfen zu können, notwendigerweise der konkreten Mitteilung, in welchem Kontext die Daten verarbeitet wurden (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023, a.a.O. Rn. 41f.; vgl. auch EuGH, Urteil vom 22. Juni 2023 - C-579/21, juris Rn. 64f., 66). Dies lässt sich regelmäßig durch Zurverfügungstellung einer Kopie i.S.d. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO erreichen, d.h. einer vollständigen, originalgetreuen Reproduktion der verarbeiteten Daten (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023, a.a.O. Rn. 32, 39 und Urteil vom 22. Juni 2023, a.a.O.; vgl. auch EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, juris Rn. 79).

Der Klagebegründung zufolge (vgl. Schriftsatz vom 22. Dezember 2023, S. 3, 4) soll der geltend gemachte Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO auf diese Weise erfüllt werden. Durch die (dementsprechend tenorierte) Verpflichtung der Beklagten zur Zurverfügungstellung einer Kopie i.S.d. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO wird zugleich der durch den Kläger weiter geltend gemachten Anspruch auf Auskunft über die sogenannten „Metadaten“ i.S.d. Art. 15 Abs. 1 HS. 2 lit. a) bis h) DSGVO erfüllt (vgl. Urteil der Kammer vom 10. Januar 2024 - VG 1 K 73/22, UA S. 5f.).

Dem damit dem Grunde nach bestehenden Anspruch des Klägers aus Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 DSGVO kann die Beklagte nicht mit Erfolg den Einwand der Unverhältnismäßigkeit oder des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten.

Das Gericht verkennt nicht, dass mit der Zurverfügungstellung von Kopien aller in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten enthaltenen Dokumente, in denen personenbezogene Daten des Klägers verarbeitet werden, nicht nur wegen der in jedem Einzelfall erforderlichen Prüfung entgegenstehender Rechte i.S.d. Art. 15 Abs. 4 DSGVO ein erheblicher Aufwand einhergeht. Aufgrund der Bedeutung des – grundsätzlich unbedingt gewährleisteten – Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO kommt eine Weigerung des Verantwortlichen, einem Auskunftsbegehren wegen des zu seiner Erfüllung zu treibenden unverhältnismäßigen Aufwandes Folge zu leisten, jedoch nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, beispielsweise bei einem offenkundig groben Missverhältnis zwischen den zur Erfüllung des Auskunftsanspruches erforderlichen Anstrengungen und dem Informationsinteresse des Betroffenen (vgl. Urteil der Kammer vom 12. Oktober 2023 - 1 K 561/21, juris Rn. 60). Diese Voraussetzung ist hier jedoch – trotz des großen Umfangs der durch die Beklagte zu sichtenden und vor einer Herausgabe an den Kläger ggf. zu anonymisierenden Akten – nicht erfüllt. Denn der Kläger hat unter Bezugnahme auf die besondere Schutzwürdigkeit seiner personenbezogenen Daten (vgl. hierzu das den Beteiligten bekannte Urteil der Kammer vom 10. Juni 2020 - VG 1 K 143/16, UA S. 9f.) plausibel dargelegt, dass er vorrangig deren Weitergabe durch die Beklagte an Dritte nachvollziehen wolle (die laut der Mitteilung der Beklagten an den Kläger vom 18. November 2020 mehrfach erfolgt ist), um diesen Dritten gegenüber eventuell die Löschung oder die Einschränkung der Verarbeitung der Daten geltend zu machen. Dem lässt sich allein dadurch Rechnung tragen, dass die Beklagte die betreffenden Dokumente in Kopie an den Kläger herausgibt; eine abstrakte Mitteilung der Empfänger der Daten ist nach dem oben Gesagten für die jeweils erforderliche Einzelfallprüfung nicht ausreichend. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs, an den gleichermaßen strenge Anforderungen zu stellen sind, greift vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht durch.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



AG München: Strafbarkeit des Abfangens von Schlüsselsignalen von geparkten Fahrzeugen mit einem Pandora Code-Grabber

AG München
Urteil vom 20.12.2023
812 Ls 251 Js 209095/22


Das AG München hat sich in dieser Sache mit der Strafbarkeit des Abfangens von Schlüsselsignalen von geparkten Fahrzeugen mit einem Pandora Code-Grabber befasst.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Hohe Haftstrafe für Code-Grabbing - Täter fängt Schlüsselsignale ab und räumt Autos aus
Das Schöffengericht des Amtsgerichts München verurteilte am 20.12.2023 einen 42-jährigen Mann wegen Diebstahls in 23 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten.

Der bis zur Verhandlung in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte hatte im Zeitraum von Juni 2019 bis zu seiner Inhaftierung im Dezember 2022 insgesamt 26 Taten im Raum München begangen. Der Angeklagte entriegelte bevorzugt an vielfrequentierten Parkplätzen mithilfe eines Pandora Code-Grabbers parkende Kraftfahrzeuge. Dabei zeichnete er mit dem Gerät die Signale der Originalfahrzeugschlüssel auf und entsperrte die Fahrzeuge anschließend mit dem abgefangenen Schlüsselsignal elektronisch über die Zentralverriegelung. Der Angeklagte entwendete jeweils die im Auto befindlichen Wertgegenstände und Schlüssel. Außerdem durchsuchte er die Fahrzeuge nach Dokumenten wie Briefen oder Ausweisen, aus denen sich die Anschrift der Geschädigten ergab.

In sieben Fällen nutze der Angeklagte die Schlüssel und Adressen, um sich Zutritt zu den Wohnungen der Geschädigten zu verschaffen und dort weitere Wertgegenstände zu stehlen. Der Gesamtwert des Diebesgutes betrug 60.910 Euro.

Das Gericht führte zur Strafzumessung insbesondere wie folgt aus:

„Zugunsten des Angeklagten waren folgende Umstände zu berücksichtigen:

Der Angeklagte war vollumfänglich geständig und hat hierdurch eine langwierige Beweisaufnahme, dabei insbesondere den Geschädigten jeweils eine Aussage erspart, die für diese erheblich retraumatisierend hätte sein können. Er hat sich entschuldigt, beim Geschädigten R., der im Sitzungssaal anwesend war, sogar persönlich. (…)

Zu seinen Lasten war zu sehen, dass er bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, auch wenn berücksichtigt wurde, dass es sich hierbei um keine einschlägige Eintragung gehandelt hat. Zu berücksichtigen war jeweils der hohe Beutewert und die Verwirklichung von jeweils mehreren Regelbeispielen. Zu berücksichtigen war darüber hinaus zu Lasten des Angeklagten, die hohe kriminelle Energie, die in den Taten zum Ausdruck gekommen ist: Es handelte sich jeweils um geplante Taten mit erheblichem Vorbereitungsaufwand. So hat zunächst der Angeklagte den Pandora Code-Grabber im Internet erworben, sich dann Parkplätze gesucht, bei denen damit zu rechnen war, dass die Leute länger nicht zum Auto zurückkehren, beispielsweise, weil sie spazieren gingen oder Veranstaltungen (…) besuchen und dann bei entsprechendem Auffinden von Adresse und Schlüssel auch für Wohnungen in einem zweiten Akt die Diebstähle nicht nur aus den Autos, sondern aus den Wohnungen heraus begangen.

Bei Letzteren war darüber hinaus zu sehen, dass der Angeklagte, auch wenn es sich um keine Wohnungseinbruchdiebstähle gem. § 244 IV StGB gehandelt hat, jedoch vergleichbar nach Entwenden der jeweiligen Schlüssel in die Wohnungen der Geschädigten gegangen ist, um diese nach stehlenswerten Gegenständen zu durchsuchen und hierbei jeweils in die Privatsphäre der Geschädigten eingedrungen ist, was für diese erhebliche, insbesondere psychische Folgen, hatte. Darüber hinaus waren zu Lasten des Angeklagten generalpräventive Gesichtspunkte zu berücksichtigen.“

Urteil des Amtsgerichts München vom 20.12.2023
Aktenzeichen des AG München: 812 Ls 251 Js 209095/22
Das Urteil ist rechtskräftig.