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OLG Köln: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG durch Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern für Unterspritzung von Falten mit Hyaluron

OLG Köln
Urteil vom 27.10.2023
6 U 77/23


Das OLG Köln hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG durch Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern für die Unterspritzung von Falten mit Hyaluron vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG wegen unlauterer Werbung unter dem Aspekt des Rechtsbruchs (§§ 3 Abs. 1, 3a UWG) zusteht, weil die Beklagten mit den angegriffenen Vorher-Nachher-Vergleichen auf ihrer Internetseite gegen das Werbeverbot des § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG verstoßen haben.

a) Der Kläger ist, was die Beklagten nicht in Abrede stellen, aktivlegitimiert, weil er beim Bundesamt der Justiz in die dort geführte Liste der klagebefugten qualifizierten Wirtschaftsverbände gemäß § 8b UWG eingetragen ist (vgl. Anlage K1, Bl. 10 f. GA) und auch die sonstigen in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG genannten Voraussetzungen erfüllt.

b) Durch die angegriffene Werbung haben die Beklagten gemeinschaftlich eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG vorgenommen, weil sie zugunsten ihres eigenen Unternehmens vor einem Geschäftsabschluss zur Förderung des Absatzes ihrer angebotenen Dienstleistungen auf dem Gebiet der Schönheitschirurgie handelten.

c) Diese Handlung ist als unlauter im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG zu bewerten, wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, weil die Beklagten hiermit einer gesetzlichen Vorschrift zuwidergehandelt haben, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Um eine solche Vorschrift handelt es sich bei dem Werbeverbot des § 11 HWG (vgl. zum Schutzzweck der Werbeverbote des HWG nur BGH GRUR 2009, 509, 510 Rn. 24 – Schoenenberger Artischockensaft sowie Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 3a Rn. 1.217).

aa) Ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG liegt vor. Danach darf für die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) HWG genannten operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe nicht mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geworben werden:Der Beurteilung des Landgerichts, wonach das Unterspritzen von Körperteilen mit Hyaluron einen solchen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff darstellt, tritt der Senat bei.

(1) Insofern ist zunächst festzustellen, dass die von der Beklagten gerügten Verstöße gegen das Gebot rechtlichen Gehörs nicht durchgreifen.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt jedem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich zu dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt zu äußern und dem Gericht die eigene Auffassung zu den erheblichen Rechtsfragen darzulegen. Das Gericht ist verpflichtet, dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen einer Partei in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen hat (BGH GRUR 2009, 90, 91 Rn. 7 - Beschichten eines Substrats). Art. 103 Abs. 1 GG soll sichern, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die auf mangelnder Kenntnisnahme oder Erwägung des Vortrags beruhen. Sein Schutzbereich ist auf das von dem Gericht einzuhaltende Verfahren, nicht aber auf die Kontrolle der Entscheidung in der Sache gerichtet (BGH NJW-RR 2020, 1389, 1390 Rn. 13).

Gemessen hieran hat das Landgericht das rechtliche Gehör der Beklagten nicht verletzt, denn es hat ausweislich des Tatbestandes durch Inbezugnahme der Ausführungen in der Klageerwiderung deren wesentliche Einwände gegen den geltend gemachten Anspruch zur Kenntnis genommen und hat sich auch in den Entscheidungsgründen hiermit befasst, insbesondere betreffend die Auslegung des Begriffs des operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs. Dass es hierzu auf die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a.M. zurückgegriffen und diese sowie die Ausführungen im Protokoll der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a.M. wörtlich wiedergegeben hat, stellt keine Verletzung rechtlichen Gehörs dar, sondern ist eine zulässige Bezugnahme auf vergleichbare Entscheidungen. Wie aus den Ausführungen des Landgerichts vor den zitierten Passagen hervorgeht, hat es sich die darin enthaltenen Erwägungen nach eigener Würdigung zu eigen gemacht. Das Landgericht hat auch die Ablehnung der Einholung des von den Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens begründet, und zwar damit, dass nach seiner Auffassung bereits die unstreitigen Umstände zu einer Bejahung des Verstoßes ausreichten (LGU S. 6, Bl. 136 GA). Dass dies nicht der Rechtsauffassung der Beklagten entsprach, begründet keine Verletzung rechtlichen Gehörs.

Hieraus folgt zugleich, dass das angefochtene Urteil nicht an einem Begründungsmangel leidet. Bei der Abfassung seiner Entscheidungsgründe hat das Gericht eine gewisse Freiheit. Es ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen. Wenn aber ein bestimmter Vortrag einer Partei den Kern des Parteivorbringens darstellt und für den Prozessausgang eindeutig von entscheidender Bedeutung ist, besteht für das Gericht eine Pflicht, die vorgebrachten Argumente zu erwägen. Ein Schweigen lässt hier den Schluss zu, dass der Vortrag der Prozesspartei nicht oder zumindest nicht hinreichend beachtet wurde, sofern der Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstanziiert war (BVerfG NJW 2023, 2712, 2713 Rn. 15). Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine Begründung, die erkennen lässt, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen Erwägungen für die getroffene Entscheidung maßgebend waren. Dies erfordert nicht eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit allen denkbaren Gesichtspunkten, wenn sich nur ergibt, dass eine sachentsprechende Beurteilung überhaupt stattgefunden hat (vgl. zu der Bestimmung des § 547 Nr. 6 ZPO Ball, in: Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 547 Rn. 16). So liegt es auch hier, weil das Landgericht alle entscheidungserheblichen Fragen, wie oben ausgeführt, behandelt hat, auch wenn dies nicht in der von der Beklagten gewünschten Ausführlichkeit geschehen ist.

(2) Auch in der Sache hält die Auslegung des Landgerichts den Angriffen der Berufung stand.

Dabei kann dahinstehen, ob sich dies bereits daraus ergibt, dass das Landgericht im Tatbestand des angefochtenen Urteils festgestellt hat (LGU S. 2, Bl. 132 GA), dass die Beklagten auf ihrer Internetseite, wie sie in Anlage K3 auszugsweise wiedergegeben ist „für verschiedene operative plastisch-chirurgische Eingriffe“ werben. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag haben die Beklagten hiergegen nicht angebracht.

Denn jedenfalls liegt ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG vor, weil es sich bei der Unterspritzung von Falten etc. mit Hyaluron um einen Eingriff im vorgenannten Sinne handelt, für den die Beklagten mit Vorher-Nachher-Bildern geworben haben (vgl. jüngst hierzu OLG Düsseldorf GRUR 2022, 1768 – Brazilian Butt Lift).

In einem ersten Schritt ist hierbei festzuhalten, dass der vom HWG verwendete Begriff des operativen plastisch-chirurgischen Eingriff (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG, § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG) nicht legaldefiniert und daher auslegungsbedürftig ist (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 2022, 1768 Rn. 24 f. – Brazilian Butt Lift).

Zwar könnte der Wortlaut bei unbefangener Betrachtung zunächst – entsprechend der Deutung der Beklagten - an einen „klassischen“ operativen Eingriff durch Öffnung des Körpers mittels Skalpell oder Messer denken lassen. Auch nennt die Gesetzesbegründung (Entwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes), mit der dieser Begriff eingeführt wurde, insbesondere Brustvergrößerungen durch Implantate oder Fettabsaugung zur Veränderung der Körperformen (BT-Drs. 15/5316, S. 46) als Beispiele für solche Eingriffe, wie die Beklagten grundsätzlich zu Recht ausführen.

Hierbei kann jedoch unter Berücksichtigung des Schutzzweckes des Werbeverbotes und des HWG insgesamt nicht stehen geblieben werden. Insofern hat das OVG Münster zutreffend (für den Anwendungsbereich des HeilpraktikerG) ausgeführt:

„Das Injizieren des Füllmaterials in die Haut bzw. in die oberen Hautschichten erfordert neben dem notwendigen allgemeinen Wissen bei der Verabreichung von Injektionen aber zusätzliche Kenntnisse über den Aufbau und die Schichten der Haut sowie über den Verlauf von Blutgefäßen, Nervenbahnen und Muskelsträngen in dem für die Injektion vorgesehenen Gesichtsbereich und regelmäßig auch […] eine vorhergehende Diagnose zu möglichen Ursachen der Faltenbildung sowie eine Beurteilung dazu, ob eine Faltenunterspritzung aus ästhetischen Gründen in Betracht kommt oder aus dermatologischer/chirurgischer Sicht, etwa weil eine Hautkrankheit vorliegt, unterbleiben muss“

(vgl. OVG Münster, Beschluss vom 28.04.2006, 13 A 2495/03, BeckRS 2006, 23328).

Diese Umstände, die als allgemeinkundig anzusehen sind, weil sich selbst für einen Laien bei schlichter Betrachtung des Vorgangs der Faltenunterspritzung die Notwendigkeit dermatologischer Kenntnisse aufdrängt (vgl. OLG Karlsruhe WRP 2012, 1579, 1580 Rn. 21 - Faltenunterspritzung) und daher, wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, keiner Beurteilung durch einen Sachverständigen bedürfen, rechtfertigen es auch im Anwendungsbereich des HWG, einen operativen Eingriff bereits dann anzunehmen, wenn ein instrumenteller Eingriff am oder im Körper des Menschen erfolgt, mit dem Form- und Gestaltveränderungen an den Organen oder der Körperoberfläche vorgenommen werden (vgl. Meyer GRUR 2006, 1007). Denn Zweck der Erstreckung des HWG auf operative plastisch-chirurgische Eingriffe ist der Schutz der Verbraucher bzw. der Bevölkerung vor erheblichen Gesundheitsschäden und Risiken, indem eine (insbesondere suggestive oder irreführende) Werbung mit medizinisch nicht notwendigen schönheitschirurgischen Eingriffen verboten wird. Darauf, ob sich die erheblichen Gesundheitsschäden und Risiken im Einzelfall tatsächlich realisieren, kommt es nicht an. Es soll für einen mit gesundheitlichen Risiken versehenen Eingriff ohne medizinische Notwendigkeit kein Anreiz durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geschaffen werden (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 2022, 1768 Rn. 36 m.w.N. – Brazilian Butt Lift). Diesem Schutzzweck entspricht es, keine Beschränkung des Begriffs des operativen Eingriffs auf einen solchen durch Skalpell o.ä. vorzunehmen bzw. danach zu differenzieren, ob bei den Eingriffen die Körperoberfläche eröffnet wird und mit welchem Instrument und in welchem Umfang dies geschieht, weshalb die Aufzählung in der Gesetzesbegründung lediglich als beispielhaft und nicht als abschließend zu verstehen ist (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O. Rn. 37 f.; zustimmend Fritzsche, in: Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, § 11 HWG Rn. 51; a.A. ohne Begründung Köber, in: MüKoUWG, 3. Aufl. 2022, § 11 HWG Rn. 87). Daher steht es auch, anders als die Beklagten meinen, der Annahme eines operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs nicht entgegen, dass die von ihnen beworbene Unterspritzung infolge der vorzitierten OVG-Entscheidung auch von Heilpraktikern, die per se keine Operationen im engeren Sinne durchführen dürfen, vorgenommen werden darf.

Soweit die Beklagten hiergegen einwenden, dass die Risiken bei der Unterspritzung mit Hyaluron gerade im Vergleich zur Tätowierung gering seien, so ist dem entgegenzuhalten, dass es dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers unterfällt, welche Behandlungen er dem Heilmittelwerberecht zuweist. Die von den Beklagten angeführte Gesetzesbegründung zum „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens“ vom 03.11.2004 (Anlage HWC1, Bl. 98 ff. GA), mit der Tätowierungen etc. ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des HWG ausgenommen werden sollten, ist für die vorliegend vorzunehmende Auslegung bereits deshalb nicht relevant, weil dieser – außerdem nicht Gesetz gewordene – Entwurf den Anwendungsbereich des HWG auf „operative“ Verfahren eingrenzen sollte (a.a.O. S. 5, Bl. 100 GA) und nicht auf – wie hier zu beurteilen - „operative plastisch-chirurgische Verfahren“ abstellte. Gerade die Gegenüberstellung der beiden Begriffe belegt, dass der nunmehr im Gesetz befindliche Begriff weiter gefasst sein muss, weil „operativ“ und „chirurgisch“ begriffliche Überschneidungen aufweisen (OLG Düsseldorf GRUR 2022, 1768 Rn. 30 – Brazilian Butt Lift), was dafür spricht, dass der Gesetzgeber eine nicht zu enge Definition verwenden wollte.

Zudem lässt sich auch der vorgenannten Gesetzesbegründung entnehmen, dass für die Frage, ob ein „operativer“ Eingriff vorliegt, nicht die Intensität des körperlichen Eingriffs und/oder die Eröffnung der Haut die zentrale Rolle spielen, sondern die Risiken, die für die Gesundheit der Verbraucher aus dem Eingriff erwachsen können (OLG Düsseldorf a.a.O. Rn. 39). Indem Tätowierungen und Ohrlochstechen darin in unmittelbarem Zusammenhang erwähnt werden, wird auch deutlich, dass die von den Beklagten angenommene gleiche Gefährdungslage von Tätowieren und Faltenunterspritzen vom Gesetzgeber offensichtlich nicht geteilt wird, weil das Stechen von Ohrlöchern, das mit dem Tätowieren gleichgesetzt wird, gerade im Vergleich zum Unterspritzen von Falten mit Hyaluron evident nur deutlich geringere Risiken birgt.

Dass der Gesetzgeber für Tätowierungen und Ohrlochstechen anders als im Falle der streitgegenständlichen Faltenunterspritzung kein entsprechendes Verbot vorgesehen hat, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden und verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), nachdem diese Leistungen schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht der Heilkunde oder der Schönheitschirurgie zugerechnet werden bzw. als operativer Eingriff verstanden werden können, sondern dem Gebiet der Kosmetik im weiteren Sinne unterfallen. Auch die Berufsfreiheit der Beklagten (Art. 12 Abs. 1 GG) ist durch die vorgenannte Auslegung nicht verletzt. Zwar unterfällt die Werbung für die Ausübung von Heilkunde grundsätzlich dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfG GRUR 2007, 720, 721 – Geistheiler). Jedoch stellen die mit dem HWG verfolgten Ziele des Gesundheitsschutzes und des Schutzes gegen wirtschaftliche Übervorteilung besonders schutzbedürftiger Privater hinreichende Gründe des gemeinen Wohls dar, für deren Erreichung die Werbeverbote des HWG erforderlich sind (BVerfG a.a.O. 722). Die Zumutbarkeit für die Beklagten und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ergibt sich daraus, dass den Beklagten mit dem Unterlassungstitel nicht verboten wird, die Behandlung selbst weiter anzubieten und ihnen auch kein vollständiges Werbeverbot, sondern nur ein solches mit Vorher-Nachher-Bildern auferlegt wird. Es bleibt ihnen unbenommen, bis an die Grenze irreführender Werbung ihre Behandlungsansätze und -methoden darzustellen (vgl. BVerfG a.a.O.). Ähnliche Erwägungen greifen Platz, soweit die Werbung vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst sein kann, weil es sich bei dem HWG um ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG handelt und die obigen Ausführungen zur Zumutbarkeit entsprechend gelten.

(3) Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, dass die Werbemaßnahmen von der Ärztekammer Nordrhein genehmigt seien bzw. nicht beanstandet würden. Dem diesbezüglichen Beweisangebot (S. 10 der Berufungsbegründung, Bl. 104 eA) ist schon deshalb nicht nachzugehen, weil nicht ersichtlich ist, dass der Ärztekammer eine wie auch immer geartete Genehmigungsbefugnis für nach dem HWG untersagte Werbeformen zusteht und ein etwaiger Verbotsirrtum – sollte er überhaupt schlüssig dargelegt sein - für den hier in Rede stehenden verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch unbeachtlich ist (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 3a Rn. 1.89)

bb) Der Verstoß ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen, wie es bei Verstößen gegen Werbeverbote des HWG der Regelfall ist (BGH GRUR 2019, 1071, 1076 Rn. 57 – Brötchen-Gutschein zu § 7 Abs. 1 HWG). Anhaltspunkte dafür, dass der Schutzzweck des HWG bei einem Vorher-Nachher-Vergleich wie vorliegend ausnahmsweise nicht tangiert wäre bzw. dessen Gefährdung praktisch ausgeschlossen wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. in einer entsprechenden Fallgestaltung ebenso OLG Düsseldorf GRUR 2022, 1768 Rn. 7- Brazilian Butt Lift).

2. Gegen ihre Verpflichtung, dem Kläger die entstandenen und schlüssig dargelegten Abmahnkosten zu erstatten, wenden sich die Beklagten mit der Berufung nicht ausdrücklich, so dass es bei den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verbleibt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Frankfurt: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 11 Abs. 1 S. 3 HWG durch Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern für ästhetische Behandlung der Nase durch Unterspritzung

LG Frankfurt
Urteil vom 03.08.2021
3-06 O 16/21


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen die Marktverhaltensregel § 11 Abs. 1 S. 3 HWG durch Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern u.a. auf Instagram für ästhetische Behandlungen der Nase durch Unterspritzung vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3a UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG zu.

Der Kläger ist klagebefugt aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Unstreitig handelt es sich bei dem Kläger um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne dieser Norm.

Der Beklagten liegt eine unlautere Handlung nach § 3 Abs. 1 UWG zur Last, da sie durch die streitgegenständliche geschäftliche Handlung gegen eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG verstoßen hat.

Das in § 11 Abs. 1 S. 3 HWG normierte Werbeverbot ist im Sinne von § 3a UWG auch dazu bestimmt, im Interesse der Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Ziel der dem Gesundheitsschutz dienenden Regelung ist es zu vermeiden, dass sich die Verbraucher unnötigen Risiken aussetzen, die ihre Gesundheit gefährden können (OLG Koblenz, GRUR-RR 2017, 32, Rn. 4).

Bei der Vorher-Nachher-Werbung der Beklagten wie aus Anlage K 2 ersichtlich handelt es sich um eine Werbung für einen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG. Ein solcher liegt vor bei einem instrumentellen Eingriff am oder im Körper des Menschen, mit dem Form- und Gestaltveränderungen an den Organen oder der Körperoberfläche vorgenommen werden (Meyer, Das Verbot von Vorher-Nachher-Bildern bei Schönheitsoperationen, GRUR 2006, 1007). Ein solcher Eingriff setzt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht voraus, dass eine Operation vorgenommen wird in dem Sinne, dass mit einem Skalpell die gewünschte Form- oder Gestaltveränderung des Körpers herbeigeführt wird. Vielmehr ist ein instrumenteller Eingriff auch dann gegeben, wenn die Formveränderung durch eine Unterspritzung vorgenommen wird. Auch dabei handelt es sich um einen instrumentellen Eingriff am Körper eines Menschen, da die Unterspritzung unter die Haut vorgenommen wird – anders als bei einer kosmetischen Behandlung an der Hautoberfläche. Eine solche Einordnung trägt dem gesetzgeberischen Ziel Rechnung, mit dem Werbeverbot solche Eingriffe zu erfassen, bei denen das Risiko einer ernsthaften Gesundheitsgefährdung gegeben ist (Meyer, a.a.O). Mit vergleichenden Darstellungen vor und nach dem Eingriff darf nicht geworben werden, weil dies insbesondere bei jüngeren Menschen einen erheblichen Anreiz auslösen kann, sich unter Inkaufnahme gesundheitlicher Risiken ebenfalls solchen Eingriffen zu unterziehen, obwohl der Erfolg möglicherweise nicht der Gleiche sein wird (Fritzsche, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 11 HWG Rn. 51).

Dass auch der von der Werbung angesprochene Verkehr von einem instrumentellen und nicht rein kosmetischen Eingriff ausgeht, zeigen die Kommentare zu den Vorher-Nachher-Fotos der Anlage K 2, bei denen die Nutzer nach dem Preis der „OP“ fragen.

Der Verstoß ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern im Sinne von § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen, da die Regelung des § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG dem Schutz der Gesundheit der Verbraucher dient.

Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten ist aus § 13 Abs. 3 UWG begründet, der Höhe nach ist er unstreitig.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Hamm: Unzulässige Werbung für Hörgeräte mit Aussage "vom HNO-Arzt empfohlen" - Verstoß gegen 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG

OLG Hamm
Urteil vom 13.062019
I-4 U 5/19


Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Werbung mit der Aussage "vom HNO-Arzt empfohlen" ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG darstellt. Ein Anbieter von Hörgeräten hatte seine Produkte mit dieser Werbeaussage beworben. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.


OLG Koblenz: Werbung für Schönheitsoperationen mit Vorher-Nachher-Bildern im Internet ist wettbewerbswidrig

OLG Koblenz
Urteil vom 08.06.2016
9 U 1362/15


Das OLG Koblentz hat entschieden, dass die Werbung für Schönheitsoperationen im Internet mit Vorher-Nachher-Bildern gegen § 11 Absatz 1 Satz 3 HWG verstößt und damit zugleich wettbewerbswidrig ist. Dies gilt auch dann, wenn die Fotos nur nach vorheriger Registrierung für potentielle Kunden zugänglich sind.

OLG Celle: Zahnärzte dürfen mit Vorher-Nachher-Bildern werben, sofern es sich nicht um Werbung für operative plastisch-chirurgische Eingriffe handelt

OLG Celle
Urteil vom 30.05.2013
13 U 160/12


Das OLG Celle hat entschieden, dass Zahnärzte seit der mit Vorher-Nachher-Bildern werden dürfen, sofern es sich nicht um Werbung für operative plastisch-chirurgische Eingriffe handelt und die Bilder nicht missbräuchlich, abstoßend oder irreführend sind. Das OLG Celle verweist in der Entscheidung auf die seit Oktober 2012 geltenden neunen Regelungen im in § 11 HWG.