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OLG Düsseldorf: Zur Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters an einem Bauelement eines Fahrzeugs durch Veröffentlichung eines Fotos des Fahrzeugs

OLG Düsseldorf
Urteil vom 02.02.2023
20 U 124/17


Das OLG Düsseldorf hat sich in dieser Entscheidung mit der möglichen Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters an einem Bauelement eines Fahrzeugs durch Veröffentlichung eines Fotos des Fahrzeugs befasst.

Aus den Entscheidunsggründen:
Die Berufung der Klägerin, die nur noch die Feststellung einer Haftung dem Grunde nach zum Gegenstand hat, weil die dreijährige Schutzfrist der geltend gemachten Klagemuster zwischenzeitlich abgelaufen ist, hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin auf nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster gestützten Anträge auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung sind unbegründet.

A. (Klagegeschmacksmuster 1)

Ohne Erfolg unterlegt die Klägerin den von ihr geltend gemachten Ansprüchen das Klagegeschmacksmuster 1, bestehend aus einem gekrümmten V-förmigen Element der Fronthaube, einem mittig aus diesem Element herausragenden, in Längsrichtung angeordneten, flossenartigen Element („Strake“), einem in die Stoßstange integrierten, zweischichtigen Frontspoiler und dem mittigen vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“).

1. Losgelöst von der Frage, ob das von der Klägerin beanspruchte Klagegeschmacksmuster 1 wirksam entstanden ist (siehe dazu unter 2.), war der Berufungsantrag zu Ziffer I. schon deshalb teilweise zurückzuweisen, weil sich die Klägerin auch gegen ein von der Beklagten zu 1) vertriebenes „Front kit“ wendet, das über ein einheitlich dunkles „V“ auf der Fronthaube verfügt. Selbst wenn - entgegen der nachfolgend unter 2. vertretenen Auffassung - davon auszugehen wäre, dass die Klägerin ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster an dem Klagegeschmacksmuster 1 erlangt hat, so werden ihre Rechte durch das mit einheitlich dunklem „V“ ausgestaltete „Front kit“ (siehe erste Abbildung im Berufungsantrag zu Ziffer I.) nicht verletzt.

Unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Schutzumfangs fällt die von der Klägerin angegriffene Ausführungsform nicht in den Schutzbereich des (unterstellten) Klagegeschmacksmusters 1. Das mit einheitlich dunklem „V“ ausgestaltete „Front kit“ (siehe erste Abbildung im Berufungsantrag zu Ziffer I.) erzeugt aus der Sicht des maßgeblichen informierten Benutzers nicht denselben Gesamteindruck.

1.1. Gemäß Art. 10 Abs. 1 GGV sind für die Frage der Übereinstimmung des Gesamteindrucks die Übereinstimmungen und Unterschiede in den einzelnen Merkmalen zu gewichten und so der Gesamteindruck zu beurteilen. Maßstab für die Prüfung des hervorgerufenen Gesamteindrucks ist der informierte Benutzer (vgl. EuGH GRUR 2012, 506 Rn. 57 - PepsiCo). Hierbei handelt es sich um eine Person, die das Produkt, welches das Geschmacksmuster verkörpert, zu dem für dieses Produkt vorgesehenen Zweck benutzt (vgl. EuG GRUR Int 2011, 746 Rn. 51 - Sphere Time), verschiedene Geschmacksmuster, die es in dem betreffenden Wirtschaftsbereich gibt, kennt, über gewisse Kenntnisse über die Gestaltungselemente, die die Geschmacksmuster regelmäßig aufweisen, verfügt und die Produkte mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit nutzt (vgl. EuGH GRUR 2012, 506 Rn. 59 - PepsiCo; BGH GRUR 2013, 285 Rn. 55 - Kinderwagen II). Bei Sportwagen - wie hier - schenkt der informierte Benutzer dem Produktdesign eine hohe Aufmerksamkeit und nimmt die Details - sowohl was die Gemeinsamkeiten als auch was die Unterschiede angeht - entsprechend wahr.

1.2 In Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes ergibt sich kein übereinstimmender Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Ausführungsformen. Bei dem V-förmigen Element der Fronthaube handelt es sich um das den Gesamteindruck prägende Merkmal der Frontpartie des Fahrzeugs. Da dem informierten Benutzer aus dem Formenschatz V-förmige Elemente als Gestaltungsmerkmale bei Fahrzeugen auf der Motorhaube bekannt sind, erkennt er zwischen dem (unterstellten) Klagegeschmacksmuster 1 und dem Verletzungsmuster auf den ersten Blick einen erheblichen Unterschied. So bewirkt dasbeim Verletzungsmuster bis in die Spitze in schwarzer Lackierung ausgeführte V-förmige Element eine optische Verlängerung des Cockpits und weckt Assoziationen an einen gekrümmten Schnabel. Die Frontpartie des Verletzungsmusters wirkt dynamisch sowie sportlich-aggressiv, womit das Geschäftsmodell der Beklagten zu 1), das auf einen speziellen Kundenkreis zugeschnitten ist, zusätzlich unterstrichen wird. Diese stellt nämlich als Fahrzeugveredler hochpreisige Anbauteile in Form von sogenannten „Tuning-Bausätzen“ für Luxusfahrzeuge her und vertreibt diese. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung erwarten Kunden, die an Fahrzeug-Tuning interessiert sind, eine wenn nicht gar provokante, so zumindest doch auffallende Dynamik und Sportlichkeit des Designs. Im Gegensatz zum Verletzungsmuster wirkt das (unterstellte) Klagegeschmacksmuster 1 mit seiner in der Grundfarbe des Fahrzeugs ausgestalteten Spitze des „V“ deutlich weniger aggressiv. Der Senat verkennt nicht, dass das Cockpit durch silberfarbene Kontraststreifen ebenfalls optisch nach vorne verlängert wird. Gleichwohl muten die silberfarbenen Kontraststreifen deutlich dezenter und erheblich weniger wuchtig als die bis nach unten gezogene, dunkle Spitze des „V“ beim Verletzungsmuster. Die Formensprache des (unterstellten) Klagegeschmacksmusters ist eleganter sowie zurückhaltender und damit eine gänzlich andere als die des Verletzungsmusters. Angesichts dieser Unterschiede kann von einem übereinstimmenden Gesamteindruck keine Rede sein.

2. Die Berufung der Klägerin hat auch insoweit keinen Erfolg, als sie sich gegen ein von der Beklagten zu 1) vertriebenes „Front kit“ wendet, in der das V-förmige Element der Fronthaube mit einer etwas abgestumpften Spitze ausgestaltet ist (siehe zweite Abbildung im Berufungsantrag zu Ziffer I.). Denn das von der Klägerin beanspruchte Klagegeschmacksmuster 1 ist schon nicht wirksam entstanden. Die vom Gerichtshof der Europäischen Union formulierten Kriterien für die Entstehung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters an einzelnen Teilen eines Erzeugnisses durch die Offenbarung einer Gesamtabbildung dieses Erzeugnisses sind vorliegend nicht erfüllt.

2.1. Der von der Klägerin als Klagegeschmacksmuster 1 in Anspruch genommene Teilbereich des Fahrzeugs PKW A. stellt sich als Bauelement eines komplexen Erzeugnisses im Sinne des Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGV) dar (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2022, Az.: I ZR 1/19, zitiert nach juris, Rn. 32 ff.).

Gemäß Art. 4 Abs. 1 GGV wird ein Geschmacksmuster durch ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt, soweit es neu ist und Eigenart hat. Gemäß Art. 4 Abs. 2 GGV gilt ein Geschmacksmuster, das in einem Erzeugnis, das Bauelement eines komplexen Erzeugnisses ist, benutzt oder in dieses Erzeugnis eingefügt wird, nur dann als neu und hat nur dann Eigenart, wenn das Bauelement, das in das komplexe Erzeugnis eingefügt ist, bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbar bleibt (Buchst. a) und soweit diese sichtbaren Merkmale des Bauelements selbst die Voraussetzungen der Neuheit und Eigenart erfüllen (Buchst. b). Art. 5 Abs. 1 Buchst. a GGV definiert ein Geschmacksmuster als neu, wenn der Öffentlichkeit im Fall nicht eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster vor dem Tag, an dem das Geschmacksmuster, das geschützt werden soll, erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, kein identisches Geschmacksmuster zugänglich gemacht worden ist. Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. a GGV hat ein Geschmacksmuster Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Geschmacksmuster bei diesem Benutzer hervorruft, das der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, im Fall nicht eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster vor dem Tag, an dem das Geschmacksmuster, das geschützt werden soll, erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Nach Art. 11 Abs. 1 GGV wird ein Geschmacksmuster, das die im ersten Abschnitt der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung genannten Voraussetzungen erfüllt, als nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster für eine Frist von drei Jahren geschützt, beginnend mit dem Tag, an dem es der Öffentlichkeit innerhalb der Gemeinschaft erstmals zugänglich gemacht wurde. Nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 GGV gilt ein Geschmacksmuster als der Öffentlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zugänglich gemacht, wenn es in solcher Weise bekannt gemacht, ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise offenbart wurde, dass dies den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf bekannt sein konnte. Nach Art. 3 Buchst. a GGV bedeutet Geschmacksmuster im Sinne dieser Verordnung die Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur und/oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst und/oder seiner Verzierung ergibt.

Wie der EuGH mit Urteil vom 28. Oktober 2021 - Az.: C-123/20 - auf Vorlage des Bundesgerichtshofes vom 30. Januar 2020 entschieden hat, ist Art. 11 Abs. 2 GGV dahin auszulegen, dass, wenn Abbildungen eines Erzeugnisses der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, wie bei der Veröffentlichung von Fotografien eines Fahrzeugs, dies dazu führt, dass ein Geschmacksmuster an einem Teil dieses Erzeugnisses im Sinne von Art. 3 Buchst. a GGV oder an einem Bauelement dieses Erzeugnisses als komplexem Erzeugnis im Sinne von Art. 3 Buchst. c und Art. 4 Abs. 2 GGV der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, sofern die Erscheinungsform dieses Teils oder Bauelements bei dieser Offenbarung eindeutig erkennbar ist. Damit geprüft werden kann, ob diese Erscheinungsform die Voraussetzung der Eigenart im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GGV erfüllt, ist es erforderlich, dass der in Rede stehende Teil oder das in Rede stehende Bauelement einen sichtbaren Teilbereich des Erzeugnisses oder des komplexen Erzeugnisses darstellt, der durch Linien, Konturen, Farben, die Gestalt oder eine besondere Oberflächenstruktur klar abgegrenzt ist (EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2021, Az.: C-123/20 - A., zitiert nach juris, Rn. 52). Dies setzt voraus, dass die Erscheinungsform dieses Teils eines Erzeugnisses oder dieses Bauelements eines komplexen Erzeugnisses geeignet sein muss, selbst einen "Gesamteindruck" hervorzurufen, und nicht vollständig in dem Gesamterzeugnis untergeht (EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2021, Az.: C-123/20 - A., zitiert nach juris, Rn. 50). Ein Schutz unbedeutender oder willkürlich ausgewählter Teile des Gesamterzeugnisses scheidet aus (siehe die Schlussanträge des Generalanwaltes vom 15. Juli 2021, Az.: C-123/20, zitiert nach juris, Rn. 117).

2.2. Mit dieser Maßgabe scheidet eine Geschmacksmusterfähigkeit des Klagegeschmacksmusters 1 aus. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, schutzbegründend für das Klagegeschmacksmuster 1 sei das untere Foto auf Seite 1 der Anlage rop 20. Die streitgegenständliche Offenbarungshandlung hat nicht dazu geführt, dass die Erscheinungsform des in Rede stehenden Teils klar erkennbar ist. Er stellt einen sichtbaren Teilbereich des Erzeugnisses oder des komplexen Erzeugnisses dar, der durch Linien, Konturen, Farben, die Gestalt oder eine besondere Oberflächenstruktur klar abgegrenzt ist (dazu unter a.). Die Erscheinungsform des in Rede stehenden Teils ist zudem nicht geeignet, selbst einen "Gesamteindruck" hervorzurufen, sondern geht vollständig im Gesamterzeugnis unter (dazu unter b.)

a. Im Streitfall fehlt es an einer klaren und sichtbaren Erscheinungsform der von der Klägerin als Geschmacksmuster in Anspruch genommenen Teilbereiche des Fahrzeugs PKW A. (Klagegeschmacksmuster 1). Diese sind in Ermangelung präzise und sicher zu erkennender Linien, Konturen, Farben oder Strukturen nicht hinreichend durch Merkmale abgegrenzt, die eine besondere Erscheinungsform begründen.

aa. Der Klägerin ist darin zuzustimmen, dass das V-förmige Element am oberen Rand durch die Windschutzscheibe bzw. die ihr zugewandte Kante der Fronthaube begrenzt ist. Der Senat vermag der Klägerin auch darin zu folgen, dass das V-förmige Element an den Seiten farblich durch die Innenkanten der silbernen Kontraststreifen absetzt ist. Gleichwohl sind diese Merkmale nicht ausreichend, um den von der Klägerin als Klagegeschmacksmuster 1 in Anspruch genommenen Teilbereich des Fahrzeugs präzise und sicher von dem Gesamterzeugnis abzugrenzen. Aus der maßgeblichen Sicht des informierten Benutzers scheitert eine hinreichend präzise Abgrenzung des V-förmigen Elements schon daran, dass das V-förmige Element mit einer abgestumpften Spitze ausgestaltet ist. Die im oberen Bereich des „V“ vorhandene schwarze Farbgebung wird durch die in der Grundfarbe des Fahrzeugs gehaltene Farbgebung unterbrochen. Das „V“ wirkt daher wie „abgeschnitten“. Dieser Farbkontrast führt zu einer auf den ersten Blick wahrnehmbaren optischen Teilung des V-förmig ausgestalteten Bereichs auf der Fronthaube in einen unteren und einen oberen Bereich. Dass die Klägerin diese beiden Teilbereiche ausweislich ihrer Antragsfassung als Einheit begreift, erscheint in Anbetracht der vorbeschriebenen Linienführung und Farbgestaltung keineswegs zwingend. Eine klar erkennbare und hinreichend präzise Abgrenzung liegt nicht vor. Die an den Seiten des „V“ aufgebrachten silbernen Kontraststreifen sind nicht geeignet, dem mit dem Farbkontrast beim informierten Benutzer entstandenen Eindruck, das „V“ sei „abgeschnitten“, also in sich bereits in einen unteren sowie in einen oberen Teilbereich geteilt, in relevanter Weise entgegenzuwirken. Die silbernen Kontraststreifen betonen zwar grundsätzlich die V-Form. Sie folgen aber schon nicht exakt der Linie, die im oberen Bereich mittels des Farbkontrastes erzeugt wird. Auf dem Lichtbild (Anlage rop 20), das die Klägerin ihre Merkmalsgliederung zugrunde legt (siehe Seite 14 des Schriftsatzes vom 24. Oktober 2022 sowie Seite 2 des Schriftsatzes vom 10. Januar 2023), ist zu sehen, dass zwischen dem Verlauf der silbernen Kontraststreifen und dem schwarzen V-förmigen Bereich ein schmaler Streifen vorhanden ist, der in der Grundfarbe des Fahrzeugs lackiert ist. Das Lichtbild (Anlage rop 20) zeigt, dass sich dieser Streifen nach unten hin zusätzlich vergrößert, weil der schwarz lackierte, obere Teil des V-förmigen Bereichs über abgerundete Ecken verfügt. Es ist deutlich erkennbar, dass die silbernen Kontraststreifen in diesem Bereich nicht unmittelbar an die Lackierung in der Grundfarbe anschließen. Auf Grundlage dieser Erwägungen ist zusammenfassend festzustellen, dass sich die Linien, Konturen und Farbgestaltung des V-förmigen Elements auf der Fronthaube aus Sicht des informierten Benutzers als diffus und uneinheitlich darstellen und weder eine klare noch präzise Abgrenzung dieses Teilbereichs ermöglichen, so dass der Klägerin bereits aus diesem Grund der begehrte Musterschutz zu versagen ist.

bb. Aber selbst wenn dies anders zu beurteilen wäre, so ist nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen allenfalls für den oberen und seitlichen Bereich des V-förmigen Elements eine Abgrenzung im Sinne der vom EuGH aufgestellten Kriterien zu bejahen. Dies reicht nicht aus, um die Entstehung des Klagegeschmacksmusters 1 zu bejahen. Hervorzuheben ist, dass der Teilbereich, für den die Klägerin Musterschutz beansprucht, nicht nur aus dem V-förmigen Element der Fronthaube und einem mittig aus diesem Element herausragenden, in Längsrichtung angeordneten, flossenartigen Element („Strake“) besteht, sondern die Klägerin auch den in die Stoßstange integrierten, zweischichtigen Frontspoiler sowie den mittigen vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“) in das Klagegeschmacksmuster 1 einbezogen wissen will. Damit dringt sie nicht durch. Der Senat verkennt nicht, dass der EuGH die Kriterien der Einheitlichkeit und Geschlossenheit der Form für nicht maßgeblich erachtet. Vor dem Hintergrund, dass es ausweislich der Erwägungsgründe 6 und 7 GGV Ziel des Verordnungsgebers ist, einen verbesserten Schutz für gewerbliche Geschmacksmuster zu erreichen, der zur Innovation und zur Entwicklung ermutigt, ist es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch uneinheitliche, nicht zusammenhängende und/oder zu einem gewissen Grad nicht geschlossene Teilbereiche einer komplexen Erscheinungsform dem Schutz als nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster zugänglich sind. Im Sinne der EuGH-Rechtsprechung ist jedoch - ohne damit allzu hohe Hürden für die Erfüllung der formellen Entstehungsvoraussetzungen von nichteingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern aufzustellen - zu fordern, dass die einzelnen Teilbereiche eines komplexen Erzeugnisses, für die Musterschutz beansprucht wird, in ihrer Gesamtheit und ihrem Zusammenspiel in der Wahrnehmung des informierten Benutzers klar und präzise von der Gestaltung im Übrigen abgrenzbar sind. Mithin müssen wenigstens die äußeren Grenzen des Teilbereichs eindeutig erkennbar entlang von Gestaltungselementen - wie Linien, Konturen, Farben oder Oberflächenstruktur - verlaufen. Dies ist hier nicht der Fall.

(1) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht fehlt es bereits an hinreichend klar erkennbaren Merkmalen, die eine in der äußeren Linienführung sicher abgrenzbare Verbindung zwischen dem V-förmigen Bereich der Fronthaube einerseits und dem Frontspoiler andererseits schaffen. Soweit die Klägerin in dem vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“) ein geeignetes Verbindungselement zwischen Fronthaube und Frontspoiler erblickt, ist dem nicht zu folgen. Die Klägerin trägt selbst vor, dass der Verbindungssteg („Philtrum“) durch seine Form von der übrigen Gestaltung klar abgegrenzt sei. Hierzu verweist sie auch auf das erste Foto der Pressemitteilung, welches das Fahrzeug von der Seite zeigt und führt aus, dass der Verbindungssteg unter der Fronthaube abgesetzt sei und sich in seiner Gestalt als längliches, lotgerecht nach unten weisendes Element deutlich von der Fronthaube abgrenze. Dies berücksichtigend, erschließt sich nicht, weshalb der informierte Benutzer den vertikalen Verbindungssteg als Teil des Bereichs wahrnehmen soll, für den die Klägerin insgesamt Schutz beansprucht. Die Klägerin irrt, wenn sie meint, die von ihr vorgenommenen Grenzziehungen würden in diesem Bereich entlang von Strukturen, Konturen und Farbgrenzen verlaufen. Auf dem Lichtbild (Anlage rop 20) ist zu sehen, dass die vordere Kante der Fronthaube in seiner Struktur auskragend mit einer Unterkante ausgearbeitet ist, die etwas hervorsteht („Oberlippe“) und den durch das V-förmige Element erzeugten Eindruck einer optischen Verlängerung des Fahrzeugs nach vorne verstärkt. Eine Einbeziehung des vertikalen Verbindungsstegs („Philtrum“) in den V-förmigen Bereich der Fronthaube findet nicht statt. Im Gegenteil: Die „Oberlippe“ stellt sich als Gestaltungselement dar, das den vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“) aus der Sicht des informierten Benutzers deutlich wahrnehmbar von der Fronthaube trennt. Diese Unterbrechung in der Linienführung und Struktur wird zusätzlich noch dadurch verstärkt, dass sich die „Oberlippe“ über die von der Klägerin vorgenommene Bereichsbestimmung hinaus als Bauteil weiter seitlich fortsetzt. Angesichts dieser Umstände und vor dem Hintergrund, dass der V-förmige Bereich zweifarbig ausgestaltet ist, reicht es für eine Einbeziehung des vertikalen Verbindungsstegs („Philtrum“) in den Bereich des V-förmigen Elements der Fronthaube nicht aus, dass dieser in der Grundfarbe des Fahrzeugs lackiert ist. Eine präzise und sicher erkennbare Abgrenzung von der übrigen Gestaltung folgt daraus nicht. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der Übergangsbereich von der Fronthaube zum vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“) in seinem ästhetischen Gehalt durch die sich auf der Fronthaube befindlichen silbernen Kontraststreifen als besonderes Gestaltungselement eine besondere Betonung erfährt. Die Kontraststreifen erfassen aber gerade nicht den Bereich der „Oberlippe“. Der V-förmige Bereich mag zwar, auch wenn er „abgeschnitten“ ist, den Blick des Betrachters pfeilmäßig auf den darunter liegenden Frontspoiler lenken. Allein dies bewirkt aber keine ausreichende Abgegrenztheit zur übrigen Gestaltung.

(2) Hinzu kommt, dass der vertikale Verbindungssteg („Philtrum“) unstreitig über eine Bauteilnaht verfügt, die nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin gut erkennbar ist. Diese Bauteilnaht steht der der Bereichsbestimmung der Klägerin zugrundeliegenden Annahme, das V-förmige Element der Fronthaube sei mit dem zweischichtigen Frontspoiler verbunden, entgegen. Es gelingt insbesondere auch nicht, den V-förmigen Bereich der Fronthaube mit dem oberen Bereich des Frontspoilers mittels der silbernen, auf den vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“) zulaufenden Kontraststreifen zu verbinden und auf diese Weise von der übrigen Gestaltung klar erkennbar abzugrenzen. Denn die Kontraststreifen enden - wie dargetan - an der vorderen Kante der Fronthaube und setzen sich gerade nicht in den Bereich des Frontspoilers fort.

(3) Schließlich lässt sich auch die von der Klägerin mit dem Klagegeschmacksmuster 1 im Bereich des Frontspoilers vorgenommene äußere Grenzziehung nicht präzise und klar erkennbar anhand von Gestaltungsmerkmalen nachzuvollziehen. Sie verläuft nicht entlang der vom Europäischen Gerichtshof für maßgeblich erachteten Linien, Konturen, Farben, Gestaltungselementen oder Strukturen; ein aus der Sicht des informierten Benutzers eindeutig umrissenes Muster liegt daher nicht vor.

(a) Von maßgebender Bedeutung ist zunächst, dass die Klägerin seitlich sowie weiter hinten liegende Bereiche des Frontspoilers ausweislich der Abbildung auf Seite 14 des Schriftsatzes vom 24. Oktober 2020 willkürlich aus der Bereichsbestimmung ausklammert. So knüpft die seitliche Beschneidung der „Unterlippe“ nicht an Merkmale an, die eine klar erkennbare und damit aus Sicht des informierten Benutzers sichere Abgrenzung dieses Bereichs in Optik und Struktur erlauben. Zutreffend weist die Klägerin zwar darauf hin, dass sich die von ihr vorgenommene Grenzziehung, was die außen liegende Grenzen betrifft, an der Farbgebung orientiert. Der Farbwechsel (von silber zu schwarz) ist aber in der Gesamtbetrachtung als Abgrenzungsmerkmal ungeeignet, weil er nicht den Strukturen und Linien dieses Bauteils folgt. Die „Unterlippe“ setzt sich an den äußeren Enden mit nach oben weisenden Flügeln fort, die die Klägerin durch das Klagegeschmacksmuster 1 ausdrücklich nicht geschützt wissen will.

(b) Soweit die Klägerin ausweislich ihres Berufungsantrages zu Ziffer I. davon ausgeht, dass die obere Schicht des zweischichtigen Frontspoilers in die untere Schicht eingebettet sei, indem beide Schichten eine durchgehende Oberfläche bilden, ist dies nicht nachvollziehbar. Das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin ist in sich widersprüchlich. So verweist sie nämlich zur Begründung ihres zweiten Hilfsantrages auf Seite 19 des Schriftsatzes vom 20. Oktober 2022 auf eine Bauteilnaht, von der sie unter Hinweis auf eine Abbildung auf Seite 20 desselben Schriftsatzes selbst behauptet, dass diese gut erkennbar sei. Von einer einheitlichen, durchgehenden Oberflächenstruktur der Bereiche, die die Klägerin als Einheit begreift, kann bei dieser Sachlage nicht die Rede sein.

b. Im Übrigen kann bei wertender Betrachtung aller besonderen Umstände des Streitfalles nicht davon ausgegangen werden, dass die Erscheinungsform des Teilbereichs des Gesamterzeugnisses, für den die Klägerin Schutz beansprucht, selbst einen sichtbaren Gesamteindruck hervorruft. Das Klagegeschmacksmuster 1 geht in seiner Wirkung bei umfassender Würdigung des Zusammenspiels von Linien, Konturen, Farben und Gestalt aus der Sicht des informierten Benutzers im Gesamterzeugnis vollständig unter.

aa. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, dass die Front des PKW A. vom Betrachter als „Gesicht“ gelesen werde. Hierzu hat der Senat hat bereits mit Urteil vom 06. Dezember 2018 (dort auf Seite 36) ausgeführt, dass jeder Betrachter in die Einheit „Gesicht“, der die Klägerin selber ausdrücklich die „Augenbrauen“ zurechnet, auch die von der Klägerin textlich nicht gekennzeichneten und bei der Bestimmung ihrer Einheit außer Betracht gelassenen Bestandteile „Augen“ (Scheinwerfer) und „Kiefer“ (seitliche Enden des Frontspoilers) einbeziehe. Beide geben einem „Gesicht“ schon grundsätzlich ein maßgebliches Gepräge und das hier umso mehr, als beide ausgesprochen markant sind. Dies gilt insbesondere für die Scheinwerfer („Augen“) in ihrer schlitzartigen, für den Straßenverkehr nicht tauglichen Form. So finden die „kleinen Scheinwerfer-Schlitzer“ in der von der Klägerin in Bezug genommenen Berichterstattung auf der Internetseite autobild.de in einem Artikel vom 03. Dezember 2014 ausdrückliche Erwähnung. An diesen Erwägungen, die die Klägerin in der Sache auch nicht zu entkräften vermocht hat, hält der Senat fest. Die Nichteinbeziehung sowohl der schlitzartigen Scheinwerfer („Augen“) als auch der seitlichen Enden des Frontspoilers („Kiefer“) hat zur Folge, dass die Erscheinungsform des Teilerzeugnisses beim Betrachter keinen Gesamteindruck im Sinne eines „Gesichts“ hervorruft.

bb. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht erzeugt die Erscheinungsform des Teilerzeugnisses beim Betrachter auch keinen Gesamteindruck im Sinne eines „Greifvogelkopfes“. Assoziationen an einen „Greifvogelkopf“ können - wenn überhaupt -nur durch die Variante des PKW A. geweckt werden, bei der der v-förmige Bereich der Fronthaube in schwarzer Lackierung bis an die Vorderkante der Fronthaube heruntergezogen ist. Diese Variante ist jedoch nicht Gegenstand der Offenbarung. Auch nach Auffassung der Klägerin ist schutzbegründend für das Klagegeschmacksmuster 1 das untere Foto auf Seite 1 der Anlage rop 20, auf dem das V-förmige Element der Fronthaube mit einer etwas abgestumpften Spitze ausgestaltet ist. Bei einem „abgeschnittenen“ V fehlt es an dem für einen „Greifvogelkopf“ charakteristischen und prägenden Merkmal des spitzen Schnabelendes. Darauf hat der Senat bereits mit Urteil vom 06. Dezember 2022 hingewiesen, ohne dass die Klägerin dem im weiteren Gang des Verfahrens inhaltlich entgegengetreten ist.

cc. Ohne Erfolg trägt die Klägerin betreffend den Gesamteindruck vor, die Gestaltung des beanspruchten mittleren Bereichs lehne sich an ein Flugzeug an. Der informierte Benutzer erkennt in den von der Klägerin in Bezug genommenen Lichtbildern (vgl. Seite 8 ihres Schriftsatzes vom 16. November 2016), auf denen Flugzeuge abgebildet sind, eine ganz andere Formensprache, die sich deutlich von der Gestaltung des beanspruchten mittleren Bereichs unterscheidet. In dem doppelschichtigen Frontspoiler in Kombination mit dem vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“) sowie dem mittig aus dem V-förmigen Element der Fronthaube herausragenden, in Längsrichtung angeordneten flossenartigen Element („Strake“) findet sich keine Entsprechung zu einem Cockpit ebenso wenig wie ein Pendant zu den Flügeln.

dd. Schlussendlich folgt der Senat der Klägerin auch nicht darin, wenn diese ausführt, der Teil des PKW A., für den sie Schutz beanspruche, erinnere in charakteristischer Weise an die Front eine Formel-1-Rennwagens. Um Assoziationen an einen Formel-1-Rennwagen hervorzurufen, genügt es nicht, dass der Spoiler bloß am Mittelsteg „aufgehängt“ ist. Die Anmutung an einen Formel-1-Rennwagen knüpft nach der Wahrnehmung des informieren Benutzers entscheidend an die freien Enden des Frontspoilers mit den nach oben weisenden Flügeln an, denn diese Gestaltungsmerkmale verleihen dem Fahrzeug den sportlich-schnittigen, dynamischen Charakter und pflegen das Image eines rasanten Formel-1-Rennwagens. Genau diesen Bereich hat die Klägerin jedoch aus dem Klagegeschmacksmuster 1 ausgeklammert.

B. (Klagegeschmacksmuster 2)

Die Berufung der Klägerin bleibt auch in Bezug auf den von ihr formulierten Hilfsantrag erfolglos. Das Klagegeschmacksmuster 2 ist nicht entstanden, denn es nicht in einer den Kriterien der EuGH-Rechtsprechung entsprechenden Art und Weise durch Linien, Konturen, Farben, die Gestalt oder eine besondere Oberflächenstruktur klar erkennbar abgegrenzt (siehe unter 1.) und zudem aus der Sicht eines informierten Benutzers nicht geeignet, selbst einen "Gesamteindruck" hervorzurufen (siehe unter 2.).

1. Die Musterfähigkeit des Klagegeschmacksmusters 2 - bestehend aus dem vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“) sowie einem im Berufungsantrag zu Ziffer II. näher beschriebenen Teilbereich des zweischichtigen Frontspoilers - scheidet aus. Die von der Klägerin sowohl im Bereich des vertikalen Verbindungstegs („Philtrum“) als auch im Bereich des Frontspoilers vorgenommene äußere Grenzziehung verläuft weder präzise noch klar erkennbar anhand der vom EuGH für maßgeblich erachteten Gestaltungsmerkmale. Die Klägerin trägt selbst vor, dass der Verbindungssteg problemlos als durch seine Gestalt abgegrenztes Element wahrgenommen werden könne. Dies zu Gunsten der Klägerin als zutreffend unterstellt, ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht, wieso der informierte Benutzer den vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“) zusammen mit dem in Rede stehenden Teilbereich des zweischichtigen Frontspoilers als klar erkennbar abgegrenzten, präzise umrissenen Bereich erkennen soll. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die vorstehenden Ausführungen des Senat verwiesen, mit denen dargelegt worden ist, dass die von der Klägerin vorgenommenen äußeren Grenzziehungen keine Entsprechung in Linien, Konturen, Farben oder Strukturen finden, die aus der Sicht des informierten Benutzers ein eindeutig umrissenes Muster definieren. Die Klägerin beansprucht mit dem Klagegeschmacksmuster 2 Schutz für einen letztlich willkürlich festgelegten Teilbereich des Gesamterzeugnisses. Eine solche Vorgehensweise findet in Art. 11 Abs. 2 GGV keine Stütze.

2. Darüber hinaus ist der zweischichtige Frontspoiler, so wie er von der Klägerin in seinen Merkmalen im Berufungsantrag zu Ziffer II. beschrieben worden ist, nicht geeignet, selbst einen Gesamteindruck hervorzurufen. Es handelt sich - wie dargetan - um einen in seinen äußeren Grenzen willkürlich festgelegten Teilbereich, der vollständig in dem Gesamterzeugnis untergeht. Insbesondere erinnert das Klagegeschmacksmusters 2 - bestehend aus dem vertikalen Verbindungssteg („Philtrum“) sowie einem im Berufungsantrag zu Ziffer II. näher beschriebenen Teilbereich des zweischichtigen Frontspoilers - aus den bereits dargelegten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, nicht an einen Formel-1-Rennwagen.

C. (Klagegeschmacksmuster III)

Ohne Erfolg stützt die Klägerin ihre Ansprüche höchst hilfsweise auf ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das ausweislich des Berufungsantrages zu Ziffer III. den gesamten Frontspoiler umfasst.

Dahinstehen kann, ob die Klägerin in Anwendung der vom EuGH formulierten Kriterien ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster an dem Klagegeschmacksmuster 3 erlangt hat. Selbst wenn dies zu Gunsten der Klägerin unterstellt wird, so sind ihre Rechte durch das Angebot und den Vertrieb des „Front kits“ der Beklagten, das die Teile eines Spoilers enthält, nicht verletzt.

1. Dem (unterstellten) Klagegeschmacksmuster 3 kommt ein durchschnittlicher Schutzbereich zu, denn die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers des PKW A. war in Bezug auf den Frontspoiler aufgrund der Musterdichte beschränkt.

2. Der Abstand des Klagegeschmacksmusters 3 zum vorbekannten Formenschatz ist beträchtlich. Es gab zwar - wie aus der Anlage HPR 13 ersichtlich - bereits doppelschichtige Frontspoiler. Die mit dem (unterstellten) Klagegeschmacksmuster 3 verwirklichte Kombination des doppelschichtigen Frontspoilers mit einem mittleren Verbindungssteg und den nach oben gezogenen äußeren Enden war aber unbekannt.

3. Die von der Klägerin angegriffene Ausführungsform fällt nicht in den Schutzbereich des (unterstellten) Klagegeschmacksmusters 3, denn der Frontspoiler der Beklagten erzeugt nicht denselben Gesamteindruck.

3.1. Gemäß Art. 10 Abs. 1 GGV sind für die Frage der Übereinstimmung des Gesamteindrucks die Übereinstimmungen und Unterschiede in den einzelnen Merkmalen zu gewichten und so der Gesamteindruck zu beurteilen. Maßstab für die Prüfung des hervorgerufenen Gesamteindrucks ist der informierte Benutzer (vgl. EuGH GRUR 2012, 506 Rn. 57 - PepsiCo). Hierbei handelt es sich um eine Person, die das Produkt, welches das Geschmacksmuster verkörpert, zu dem für dieses Produkt vorgesehenen Zweck benutzt (vgl. EuG GRUR Int 2011, 746 Rn. 51 - Sphere Time), verschiedene Geschmacksmuster, die es in dem betreffenden Wirtschaftsbereich gibt, kennt, über gewisse Kenntnisse über die Gestaltungselemente, die die Geschmacksmuster regelmäßig aufweisen, verfügt und die Produkte mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit nutzt (vgl. EuGH GRUR 2012, 506 Rn. 59 - PepsiCo; BGH GRUR 2013, 285 Rn. 55 - Kinderwagen II). Bei Sportwagen - wie hier - schenkt der informierte Benutzer dem Produktdesign eine hohe Aufmerksamkeit und nimmt die Details - sowohl was die Gemeinsamkeiten als auch was die Unterschiede angeht - entsprechend wahr.

3.2. Mit dieser Maßgabe fehlt es an einem übereinstimmenden Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Ausführungsformen. Der Senat verkennt nicht, dass eine Vielzahl der von der Klägerin die in ihrem Antrag beschriebenen Merkmale übereinstimmend verwirklicht sind (siehe auch Seite 8 des Schriftsatzes vom 10. Januar 2023). Es bestehen jedoch auch ganz erhebliche und aus der Sicht eines informierten Benutzers deutlich wahrnehmbare Unterschiede, insbesondere in der Farbgebung und Linienführung, die als Ausdruck eines bestimmten - ganz unterschiedlichen - Designkonzepts zu verstehen ist. Die Darstellung der Klägerin, der einzige Unterschied bestehe darin, dass bei der Verletzungsform die seitlichen Flaps der zweiten/oberen Schicht hochgezogen seien, greift zu kurz.

a. Auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass beim (unterstellten) Klagegeschmacksmuster 3 die zweite Schicht des Frontspoilers teilweise in einer Kontrastfarbe lackiert ist. Es wird der silberne Farbton aufgegriffen, in dem auch die Kontraststreifen auf der Fronthaube gehalten sind. Diese Farbe kontrastiert markant und einprägsam mit der schwarzen Lackierung des sich in einer dritten Schicht darunter befindlichen Splitters. Aus der Sicht des informierten Betrachters ergibt sich somit ein farblicher Dreiklang aus rot, schwarz und silber, der für den Gesamteindruck des (unterstellten) Klagegeschmacksmusters mitprägend ist. Die beschriebene Farbgebung lenkt das Augenmerk des Betrachters ganz gezielt auf den silberfarbenen Bereich des Frontspoilers, der durch die aufgebrachte Beschriftung - links: Kennung „A.“ und rechts: Kundenwunschnummer - in der Wahrnehmung des Betrachters eine zusätzliche Hervorhebung erfährt, so dass dieser Bereich des Fahrzeugs als echter „Hingucker“ zu bewerten ist. Dies gilt nicht in vergleichbarer Weise für das vermeintliche Verletzungsmuster. Der angegriffenen Frontspoiler verfügt über keine Kontrastfarbe; er ist schwarz und knüpft damit an die ebenfalls schwarze Lackierung des darunter liegenden Splitters an. Prägend für die angegriffene Gestaltung ist der farbliche Zweiklang aus schwarz und gelb kennzeichnend, der den Frontspoiler deutlich zurückhaltender, harmonischer und eher sanft wirken lässt. Im Gegensatz dazu macht das (unterstellte) Klagegeschmacksmuster 3 einen kantigeren Eindruck und erzielt beim Betrachter eine aggressiv-sportliche Wirkung. Aus der Sicht des informierten Benutzers weicht die Formensprache der sich gegenüberstehenden Muster in ihrem ästhetischen Gehalt daher deutlich voneinander ab.

b. Im Rahmen der Vergleichsbetrachtung ist weiterhin zu berücksichtigen, dass das (unterstellte) Klagegeschmacksmuster 3 in erheblichem Maße durch die im vorbekannten Formenschatz so nicht ersichtliche Gestaltung des äußeren Bereich des Frontspoilers charakterisiert wird. An den äußeren Enden knickt der in diesem Bereich silberfarbene Frontspoiler jeweils im stumpfen Winkel nach oben ab und bildet mit dem darunter angeordneten schwarz lackierten Splitter eine von den Beklagten als „Double flaps“ bezeichnete, parallele Anordnung, die durchaus einprägsam ist. Auch weil der Frontspoiler vor den Kotflügeln angeordnet ist, prägt diese Gestaltung den Gesamteindruck des Klagegeschmacksmusters 3 erheblich mit. Die angegriffene Gestaltung weicht gerade in diesem Bereich der äußeren, seitlichen Enden deutlich vom (unterstellten) Klagegeschmacksmuster 3 ab. Die äußeren Enden sind ausweislich Anlage rop 4, Bild 1 nicht- wie beim (unterstellten) Klagegeschmacksmuster 3 - im stumpfen Winkel nach oben abgeknickt; sie münden auch nicht in einer parallelen Linienführung zu dem darunter angebrachten Splitter, sondern sind relativ weit um die Fahrzeugfront herum- sowie hochgezogen. Sie steigen sodann in einem spitzen Winkel bis zur Frontschürze auf, in die sie nach einer weiteren Abkantung münden. Zusammen mit dem Kotflügel, der seinerseits nach unten geknickt ist und bis an den Frontspoiler reicht, bilden die Enden des Frontspoilers bei der angegriffenen Gestaltung einen verhältnismäßig großen Luftdurchlass, der auf dem Kotflügel vor dem Vorderrad endet. Der Eindruck, der durch das vermeintliche Verletzungsmuster erzeugt wird, speist sich maßgeblich daraus, dass die hochgezogenen Spoiler-Enden die Wirkung eines geschlossenen Rahmens um den Kühlergrill haben. Der Spoiler sitzt auch nicht - wie beim (unterstellten) Klagegeschmacksmuster 3 - vor dem Fahrzeug, insbesondere nicht vor dem Kotflügel, sondern ist harmonisch und dezent in die Fahrzeugfront integriert. Diese Wirkung wird zusätzlich noch durch die auf den Vorderkanten der Spoiler-Enden platzierten LEDs und den etwas zurückgesetzten Verbindungssteg verstärkt. In der Gesamtwirkung erscheint die angegriffene Gestaltung auch aufgrund dieser Merkmale sanfter und weniger sportlich aggressiv als die des Klagegeschmacksmusters 3. Während das (unterstellte) Klagegeschmacksmuster 3 mit Assoziationen an kompromisslose Hochgeschwindigkeit spielt, orientiert sich die angegriffene Gestaltung eher an der für Sportwagen traditionellen Formensprache und verwirklicht damit ein gänzlich anderes Designkonzept als das (unterstellte) Klagegeschmacksmuster 3.

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BGH: Arzt muss Bezugnahme auf von ihm erfolgte öffentliche Fachaussage in einer Werbeanzeige hinnehmen sofern keine geschäftliche Verbindung suggeriert wird

BGH
Urteil vom 28.07.2022
I ZR 171/21
Reizdarmsyndrom
BGB § 12, § 823 Abs. 1, Abs. 2, § 1004 Abs. 1 Satz 2


Der BGH hat entschieden, dass ein Arzt die Bezugnahme auf eine von ihm erfolgte öffentliche Fachaussage in einer Werbeanzeige hinnehmen muss, sofern diese für einen Durchschnittsleser keine geschäftliche Verbindung zwischen Arzt und Werbenden suggeriert.

Leitsatz des BGH:
Ein Arzt, der sich mit Fachaussagen selbst in die Öffentlichkeit begeben hat, muss eine Bezugnahme auf diese Fachaussagen in einer Werbeanzeige im Regelfall hinnehmen, soweit er mit den ihm zugeschriebenen Fachaussagen zutreffend zitiert wird und ihn der Durchschnittsleser nicht in einen Zusammenhang mit dem beworbene Produkt bringt, indem dieser etwa von "bezahlten" Äußerungen oder sonstigen geschäftlichen Verbindungen ausginge.

BGH, Urteil vom 28. Juli 2022 - I ZR 171/21 - OLG Köln - LG Köln

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BGH: Zur Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters an einem Bauelement eines Fahrzeugs durch Veröffentlichung eines Fotos des Fahrzeugs

BGH
Urteil vom 10.03.2022
I ZR 1/19
Front kit II
Verordnung (EG) Nr. 6/2002 Art. 3 Buchst. c, Art. 4 Abs. 2 Buchst. b, Art. 6 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1 und 2 Satz 1


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung zur Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters an einem Bauelement eines Fahrzeugs durch Veröffentlichung eines Fotos des Fahrzeugs geäußert.

Leitsätze des BGH:
a) Durch die Veröffentlichung der Fotografie eines Fahrzeugs wird ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster an einem Bauelement des Fahrzeugs als komplexem Erzeugnis im Sinne von Art. 3 Buchst. c und Art. 4 Abs. 2 GGV der Öffentlichkeit gemäß Art. 11 GGV zugänglich gemacht, sofern die Erscheinungsform dieses Bauelements eindeutig erkennbar ist (Anschluss an EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2021 - C-123/20, GRUR 2021, 1523 [juris Rn. 52] = WRP 2022, 42 - Ferrari).

b) Die Erscheinungsform des Bauelements hat Eigenart im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GGV, wenn es einen sichtbaren Teilbereich des Fahrzeugs darstellt, der durch Linien, Konturen, Farben, die Gestalt oder eine besondere Oberflächenstruktur klar abgegrenzt ist. Dies setzt voraus, dass die Erscheinungsform des Bauelements geeignet sein muss, selbst einen "Gesamteindruck" hervorzurufen, und nicht vollständig in dem Gesamterzeugnis untergeht (Anschluss an EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2021 - C-123/20, GRUR 2021, 1523 [juris Rn. 50] = WRP 2022, 42 - Ferrari). Auf die Merkmale einer gewissen Eigenständigkeit und Geschlossenheit der Form kommt es nicht an.

BGH, Urteil vom 10. März 2022 - I ZR 1/19 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

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LG Frankfurt: Wer sich bei einer öffentlichen Veranstaltung fotografieren lässt und das Foto selbst öffentlich auf Facebook verbreitet mindert seinen Privatsphärenschutz

LG Frankfurt a.M.
Urteil vom 05.10.2017
2-03 O 352/16


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass derjenige, der sich bei einer öffentlichen Veranstaltung fotografieren lässt und das Foto selbst öffentlich auf Facebook verbreitet seinen Privatsphärenschutz mindert.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Der Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Unterlassung der weiteren Verwendung des streitgegenständlichen Bildnisses (Widerklageantrag zu 1.), ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus den §§ 823, 1004 BGB, 22 f. KUG.

Der Beklagte ist auf dem Bildnis erkennbar. Die Klägerin hat das Bildnis auch gemäß § 22 f. KUG verbreitet.

Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (BGH GRUR 2007, 527 - Winterurlaub m.w.N.). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit ihrer Einwilligung verbreitet werden (§ 22 S. 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber wiederum nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten gemäß § 23 Abs. 2 KUG verletzt werden (BGH GRUR 2013, 1065 [BGH 28.05.2013 - VI ZR 125/12] Rn. 10 - Eisprinzessin Alexandra).

a. Der Beklagte hat in die Verwendung seines Bildnisses im hier streitgegenständlichen Zusammenhang nicht entsprechend § 22 S. 1 KUG eingewilligt.

Dabei kann im Ergebnis dahinstehen, ob die von der Klägerin in Bezug genommenen AGB, dort Ziffer 11.1, der UEFA wirksam in den Vertrag zwischen der UEFA und dem Beklagten einbezogen wurden (vgl. insoweit Ernst, AfP 2015, 401, 404) und ob diese Regelung zwischen der UEFA dem Beklagten auch für die Verwendung durch den - unstreitig - akkreditierten Fotografen greift. Denn die Einwilligung im Rahmen der AGB würde jedenfalls die hiesige Berichterstattung nicht umfassen. Der Umfang einer Einwilligung ist grundsätzlich durch Auslegung zu ermitteln und hängt wesentlich von der Art der Veröffentlichung ab, die unmittelbarer Anlass für die Erteilung der Einwilligung war (OLG München ZUM 2006, 936; Dreier/Schulze-Specht, UrhG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 21). Insoweit ist auch für Bildnisveröffentlichungen auf die Zweckübertragungslehre gemäß § 31 Abs. 5 UrhG zurückzugreifen, so dass im Zweifel nur diejenigen Verwendungen des Bildnisses von der Einwilligung umfasst sind, die der Einwilligungsempfänger zur Erfüllung des mit dem zugrundeliegenden Vertrag verfolgten Zwecks unbedingt benötigt (Dreier/Schulze-Specht, a.a.O.).

Hier würde die Einwilligung des Beklagten gemäß Ziffer 11.1 der AGB der UEFA möglicherweise die Abbildung im Rahmen der Berichterstattung unmittelbar über das sportliche Ereignis im Rahmen decken, z.B. das Zeigen von Live-Bildern oder Bildern aus dem Stadion in Zusammenfassungen, wobei auch schon zweifelhaft ist, ob der Beklagte hierbei - wie geschehen - allein auf der Grundlage dieser Einwilligung aus der Menge herausgegriffen werden dürfte (vgl. OLG Frankfurt a.M. K&R 2016, 524; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 21.04.2016 - 2-03 O 65/15, BeckRS 2016, 11760; Ernst, AfP 2015, 401, 404 m.w.N.). Der hier streitgegenständliche Beitrag, der sich mit Hooligans allgemein befasst, wäre hiervon nach den oben dargestellten Grundsätzen jedenfalls nicht mehr gedeckt.

Ob im Übrigen durch die Pose des Beklagten eine konkludente Einwilligung erteilt worden sein könnte, konnte offen bleiben, da auch insoweit eine Einwilligung sich nicht auf die angegriffene Berichterstattung erstrecken dürfte.

b. Die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Bildnisses war aber gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zulässig.

Schon die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits. Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Dazu können neben politischen und gesellschaftlichen Ereignissen auch Sportveranstaltungen gehören, und zwar auch dann, wenn sie nur regionale Bedeutung haben. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos, vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (BGH GRUR 2013, 1065 [BGH 28.05.2013 - VI ZR 125/12] Rn. 12 - Eisprinzessin Alexandra; BGH GRUR 2008, 1024 - Shopping mit Putzfrau auf Mallorca). Insoweit ist auch die Aktualität des Ereignisses zu berücksichtigen. Je länger das Ereignis zurückliegt, desto mehr tritt das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurück, der dann wieder "in der Menge verschwindet" (Wandtke/Bullinger-Fricke, UrhR, 4. Aufl. 2014, § 23 KUG Rn. 21; Löffler/Steffen, PresseR, 6. Aufl. 2015, § 6 Rn. 132). Dies kann z.B. bei einem Ereignis, das sechs Monate zurückliegt, fraglich sein (KG Berlin, Urt. v. 28.04.2008 - 10 U 183/07, BeckRS 2010, 13006).

Weiter kann einzustellen sein, ob die Teilnahme an einer Veranstaltung im Sinne einer Selbstöffnung den Privatsphärenschutz des Betroffenen mindert (BeckOGK/Specht, 2017, § 823 BGB Rn. 264).

Nach diesen Grundsätzen stellt sich die streitgegenständliche Verbreitung des Bildnisses des Beklagten in Abwägung der widerstreitenden Interessen als zulässig dar.

Die streitgegenständliche Berichterstattung greift - wenige Tage nach den Gewaltexzessen im Zusammenhang auch mit dem Spiel, dem der Beklagte in Frankreich beiwohnte, und damit mit hinreichender Aktualität - das Phänomen der Hooligan-Szene auf. Dies ergibt sich bereits aus der Unterüberschrift, die ausdrücklichen Bezug auf die Hooligan-Problematik während der Europameisterschaft nimmt. Die Gewaltexzesse während der Europameisterschaft waren - wie der Kammer bekannt ist - auch Gegenstand umfangreicher Berichterstattung und von erheblichem öffentlichen Interesse (vgl. insoweit auch OLG Celle CR 2017, 551 [OLG Celle 01.06.2017 - 13 U 178/16] Rn. 21 - juris). Der Beitrag steht mit dieser Berichterstattung und den Vorfällen in einem dem Durchschnittsleser bekannten Gesamtkontext und weist daher zu diesen einen hinreichenden Bezug auf. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass der als Gastbeitrag bezeichnete Artikel selbst keine Berichterstattung über das konkrete Ereignis darstellt, sondern auf schriftstellerische Weise Phänomene der Hooliganszene aufgreift und erläutert.

Auch das konkrete Bildnis des Beklagten ist im Zusammenhang mit diesem Ereignis der Zeitgeschichte zu sehen. Dies gilt insbesondere, weil es - unstreitig - den Block im Stadion zeigt, in dem während des Spiels Gewalt auftrat und es daher die betroffenen Fans zeigt. Der Beklagte ist insoweit nur eines der Mitglieder des Fanblocks. Er tritt - wie es das Bild zeigt - aus dieser Masse jedoch deutlich heraus, indem er - möglicherweise auf etwas stehend - deutlich über der Masse positioniert ist und eine Aufmerksamkeit erzeugende Pose mit hochgereckten Armen, nacktem Oberkörper und zum Rufen geöffneten Mund eingenommen hat. Dabei präsentiert der Beklagte deutlich das auf seinem Bauch prominent angebrachte, in alten Lettern ausgestaltete Tattoo "hooligan".

Die Kammer hat bei der Abwägung insbesondere berücksichtigt, dass der Beklagte im öffentlichem Raum bewusst die beschriebene Pose eingenommen und nach dem Ereignis diese und ähnliche Bilder selbst auf seiner Facebook-Seite gepostet hat, auch im Zusammenhang mit einer Berichterstattung. Der Privatsphärenschutz ist bei ihm daher - teils selbstgewählt - gemindert.

Auf der anderen Seite besteht ein erhebliches Informationsinteresse an den Gewaltexzessen, an denen Personen aus der Hooligan-Szene beteiligt waren, und an den Hintergründen der Hooligan-Szene, die der angegriffene Beitrag aufdeckt. Der Beklagte stellt im angegriffenen Beitrag eine Symbolfigur für dieses Informationsinteresse dar. Dies gilt im Besonderen, da der Beklagte - auch wenn er bestreitet, ein Hooligan zu sein oder zur Hooligan-Szene zu gehören - sich selbst in der Öffentlichkeit mit der eintätowierten Bezeichnung "hooligan" inmitten eines Fanblocks in martialischer Pose zeigt.

Insoweit kam es im Ergebnis nicht darauf an, ob der Beklagte der Hooligan-Szene angehört, nahe steht oder mit ihr sympathisiert, wofür aber die von der Klägerin vorgetragenen Facebook-Posts Indizien darstellen könnten. Denn die oben dargestellten Gründe und die konkrete Situation - im Fanblock, in dem später Gewalt auftrat und in deutlicher Pose - verbunden mit dem erheblichen öffentlichen Informationsinteresse rechtfertigen die streitgegenständliche Berichterstattung unter Verwendung des Bildnisses des Beklagten.

Die Kammer hat bei der Abwägung auch die Bildunterschrift "Nicht beim Matchen, sondern als Zuschauer beim Spiel: ein ungarischer Hooligan während der EM in Frankreich" berücksichtigt. Insoweit war die Bezeichnung des Beklagten als "Hooligan" nicht als unwahre und damit unzulässige Tatsachenbehauptung anzusehen, was auf die Abwägung nach den §§ 22, 23 KUG hätte durchschlagen können. Vielmehr ist die Bezeichnung "Hooligan" jedenfalls zu einem erheblichen Teil als eine Meinungsäußerung über die innere Einstellung des Beklagten anzusehen, die in der Pose des Beklagten, seiner Teilnahme am Spiel im Fanblock, dem Tattoo "hooligan" und den von der Klägerin vorgetragenen Facebook-Posts eine Anknüpfungsgrundlage hat und daher als zulässig und nicht schmähend anzusehen ist (zur Bezeichnung als "Hooligan" OLG Celle CR 2017, 551 [OLG Celle 01.06.2017 - 13 U 178/16] Rn. 35 - juris; vgl. insoweit zur Bezeichnung als "Rechtsextremist" LG Frankfurt a.M., Beschl. v. 25.04.2016 - 2-03 O 132/16 m.w.N.; zur Bezeichnung als "(bekannter) Neonazi" OLG Stuttgart NJW-RR 2016, 932 [OLG Stuttgart 23.09.2015 - 4 U 101/15]).

Auch der weitere Inhalt der Bildunterschrift führt nicht zur Unzulässigkeit der angegriffenen Bildberichterstattung. Der Durchschnittsleser entnimmt - entgegen der Auffassung des Beklagten - dieser bereits nicht, dass der Beklagte an den im streitgegenständlichen Beitrag erläuterten gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen mehreren Hooligangruppierungen, dem "Matchen", teilnimmt oder teilgenommen hat. Dies ergibt sich bereits daraus, dass formuliert wird, dass der Beklagte "nicht" beim "Matchen" ist. Es wird insoweit allenfalls offen gelassen, ob der Beklagte auch an solchen Auseinandersetzungen teilnehmen würde, zwingend drängt sich eine andere Schlussfolgerung dem Leser jedoch nicht auf.

c. Angesichts der Zulässigkeit der angegriffenen Berichterstattung kann der Beklagte auch nicht die Feststellung eventueller Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin verlangen (Widerklageantrag zu 2.), insbesondere nicht aus § 823 Abs. 1 BGB.

d. Ebenso wenig kann der Beklagte den begehrten immateriellen Schadensersatz verlangen (Widerklageantrag zu 3.)."


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OLG Hamm: Strafbare Volksverhetzung durch ausländerfeindliche Facebook-Kommentare eines Berufssoldaten - Tathandlung öffentliche Friedensstörung

OLG Hamm
Beschluss vom 07.09.2017
4 RVs 103/17


Das OLG Hamm hat entschieden, dass eine strafbare Volksverhetzung durch ausländerfeindliche Facebook-Kommentare eines Berufssoldaten vorliegen kann. Tathandlung ist dabei die öffentliche Friedensstörung. Ob es sich um öffentliche Äußerung handelt, kommt es - so das Gericht - nicht an.

Die Pressemitteilung des OLG Hamm:

Volksverhetzung durch Facebook-Kommentare

Wer durch im Internet öffentlich abrufbare Kommentare auf der Facebook-Seite "www.facebook.com/112-magazin.de" kriminelle Ausländer und Flüchtlinge als "Gesochse", "Affen", "Ungeziefer" und kriminelles "Pack" beschimpft, kann wegen Volksverhetzung - § 130 Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB) - zu bestrafen sein. Ausgehend hiervon hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschluss vom 07.09.2017 (Az. 4 RVs 103/17 OLG Hamm) das Berufungsurteil des
Landgerichts Detmold vom 27.04.2017 (Az. 25 Ns 110/16 LG Detmold) bestätigt.

Im Januar 2016 schrieb der seinerzeit 33 Jahre alte, noch als Berufssol- dat bei der Bundeswehr beschäftigte Angeklagte aus dem Kreis Höxter auf der Facebook-Seite "www.facebook.com/112-magazin.de" mehrere öffentlich abrufbare Kommentare.
Zu einem Artikel über einen in einem Zugabteil straffällig gewordenen Flüchtling hinterließ der Angeklagte u.a. folgende Kommentare: "Grenzen sofort schließen alle illegalen Einwanderer oder die so genannten Flüchtlinge sofort abschieben. Das Geld was aufeinander für die Affen da ist sollte lieber unseren eigenen obdachlosen oder Rentnern zu gute kommen das War nie Geld für da aber auf einmal können wir die alle durchfüttern? Der große knall Wird kommen und das sehr
bald."

Wenige Minuten später fügte er ein Bild eines Transall-Flugzeuges ein und schrieb:

"Deutschland will Transall-Maschinen der Bundeswehr einsetzen, um abgelehnte Asylbewerber schneller abzuschieben. In der CSU streitet man noch, aus welcher Höhe der Abwurf erfolgen soll."

Den wenige Tage später veröffentlichten Artikel über einen arabischen Ladendieb, der von Zeugen gestellt wurde und die Beute zurückließ, kommentierte der Angeklagte wie folgt:

"Irgendwann wird auch das kriminelle Regierungspack merken dass die Integration für dieses gesochse voll in die Hose gegangen ist und dieses Ungeziefer nur unsere Geld haben will. Denn wenn die wirklich Hilfe brauchen würden sieht Dankbarkeit meiner Meinung aber ganz anders aus."

Wenige Minuten später schrieb der Angeklagte:
"Wieder ein so genannter bedauerlicher Einzelfall hahahahahahahaha Abschieben dieses Pack."

Als der Angeklagte die Kommentare veröffentlichte, verfügte er über ein öffentlich zugängliches Facebook-Profil, in dem er zu seiner Person mitteilte, bei der Bundeswehr zu arbeiten.

Am 26.10.2016 verurteilte das Amtsgericht Detmold (Az. 2 Cs 670/16 AG Detmold) den - zu dieser Zeit bereits aus der Bundeswehr ausgeschiedenen - Angeklagten wegen der vorgenannten Kommentare zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 25 Euro (3.750 Euro).

Auf die Berufung des Angeklagten bestätigte die zuständige 2. kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold die erstinstanzliche Verurteilung.

Dabei wies das Berufungsgericht darauf hin, dass die vom Angeklagten abgegebenen Kommentare den Tatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllten. Der Angeklagte habe die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen, dass er kriminelle Ausländer und Flüchtlinge beschimpft und böswillig verächtlich gemacht habe. Mit
deren Bezeichnung als "Gesochse", "Affen", "Ungeziefer" und kriminelles "Pack" habe er seine Missachtung öffentlich kundgegeben. Durchseine Kommentare habe der Angeklagte sowohl die in den Artikeln angesprochenen Ausländer und außerdem die Gesamtheit der kriminellen Ausländer und Flüchtlinge als verachtenswert, minderwertig und unwürdig dargestellt und somit verächtlich gemacht. Dieses Vorgehen sei geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, da der Angeklagte in seinem
Facebook-Profil selbst angegeben habe, bei der Bundeswehr beschäftigt zu sein. Es handele sich daher nicht um die Äußerung einer Privatperson, sondern um die eines Berufssoldaten, bei dem die Allgemeinheit davon ausgehe, dass er die verfassungsmäßigen Rechte auch von Ausländern schützte.

Die Revision des Angeklagten gegen das Berufungsurteil hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschluss vom 07.09.2017 als unbegründet verworfen. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten habe, so der Senat, keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Entgegen der Rechtsauffassung der Verteidigung setze der Tatbestand der Volksverhetzung keine öffentliche Äußerung voraus. Es genüge eine
Tathandlung, die zur öffentlichen Friedensstörung geeignet sei. Die Tat des Angeklagten richte sich auch gegen Teile der Bevölkerung. Dieser Begriff umfasse alle Personenmehrheiten, die aufgrund gemeinsamer äußerer oder innerer Merkmale als unterscheidbarer Teil von der Gesamtheit der Bevölkerung abgrenzbar seien. Hierzu zählten auch die im Bundesgebiet lebenden Flüchtlinge.

Rechtskräftiger Beschluss des 4. Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 07.09.2017 (Az. 4 RVs 103/17 OLG Hamm)

§ 130 Abs. 1 Strafgesetzbuch - Volksverhetzung - lautet wie folgt:

Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder

2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.







BVerfG: Bei Veröffentlichung von Fotos mit Prominenten im privaten Raum durch die Presse ist das Gewicht der Belange des Persönlichkeitsschutzes erhöht

BVerfG
Beschlüsse vom09.02.2017
1 BvR 2897/14, 1 BvR 790/15; 1 BvR 967/15


Das Bundesverfassungsgericht hat sich in drei Beschlüssen mit der Frage befasst unter welchen Voraussetzungen Fotos von Prominenten von der Presse veröffentlicht werden dürfen. Das BVerfG stellt klar, dass bei der Veröffentlichung von Fotos mit Prominenten im privaten Raum durch die Presse das Gewicht der Belange des Persönlichkeitsschutzes erhöht ist.

Die Pressemitteilung des BVerfG:

Zur Abbildung von Prominenten im öffentlichen und im privaten Raum durch die Presse

Die Zivilgerichte müssen im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung das Gewicht der Pressefreiheit bei der Berichterstattung über Ereignisse, die von großem öffentlichen Interesse sind, ausreichend berücksichtigen. Von Bedeutung ist dabei unter anderem, ob sich die abgebildete Person im öffentlichen Raum bewegt. Betrifft die visuelle Darstellung die Privatsphäre oder eine durch räumliche Privatheit geprägte Situation, ist das Gewicht der Belange des Persönlichkeitsschutzes erhöht. Über die sich hieraus näher ergebenden Anforderungen hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts in zwei heute veröffentlichten Beschlüssen entschieden.

Sachverhalt:

Gegen den Kläger der Ausgangsverfahren wurde ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Vergewaltigung geführt, in dessen Vorfeld er auch in Untersuchungshaft saß. Das Verfahren endete mit einem Freispruch.

1. Die Beschwerdeführerin und Beklagte des Ausgangsverfahrens im Verfahren 1 BvR 967/15 begleitete den Strafprozess mit einer umfangreichen Berichterstattung. Sie illustrierte die Wortberichterstattung unter anderem mit einem Lichtbild des Klägers, das ihn wenige Meter vom Eingang der Kanzlei seiner Verteidigerin entfernt auf dem Gehweg zeigt. Der Kläger machte letztinstanzlich erfolgreich die Unterlassung der Bildberichterstattung geltend. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Verfassungsbeschwerde. Sie rügt im Wesentlichen die Verletzung ihrer Pressefreiheit.

2. Die Beschwerdeführerinnen in den Verfahren 1 BvR 2897/14 und 1 BvR 790/15 wenden sich gegen zivilgerichtliche Unterlassungsverfügungen, mit denen ihnen untersagt wurde, den Kläger im Innenhof der Kanzlei seiner Verteidigerin im Vorfeld des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens abzubilden. Auch sie rügen die Verletzung ihrer Pressefreiheit.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

1. Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 967/15 ist begründet.

a) Im Zentrum der grundrechtlichen Gewährleistung der Pressefreiheit steht das Recht, Art und Ausrichtung sowie Inhalt und Form des Publikationsorgans frei zu bestimmen. Die Vorschriften über die Veröffentlichung fotografischer Abbildungen von Personen enthalten ein abgestuftes Schutzkonzept, das sowohl dem Schutzbedürfnis der abgebildeten Person wie den von den Medien wahrgenommenen Informationsinteressen der Allgemeinheit Rechnung trägt. Für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes wird neben den Umständen der Gewinnung der Abbildung auch bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird.

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht; sie verletzen die Beschwerdeführerin in ihrer Pressefreiheit. Die Gerichte berücksichtigen nicht ausreichend das Gewicht der Pressefreiheit aufgrund des großen öffentlichen Informationsinteresses. Der Kläger durfte nicht die berechtigte Erwartung haben, nicht in den Medien abgebildet zu werden, etwa weil er in Begleitung seiner Verteidigerin abgebildet wurde. Auch hat er sich nicht in einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation befunden, sondern in einem öffentlichen Bereich, in dem er aufgrund der Gesamtumstände damit rechnen musste, dass er dort wahrgenommen wird.

2. Die Verfassungsbeschwerden in den Verfahren 1 BvR 2897/14 und 1 BvR 790/15 sind unbegründet. Die den Entscheidungen zugrundeliegende Abwägung ist mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar. Das Gewicht der mit der Abbildung verbundenen Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts ist erhöht, weil sich der Abgebildete in einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation in einem vom öffentlichen Raum nur eingeschränkt einsehbaren Innenhof befand. In dieser Situation, in der sich der Abgebildete im Vorfeld des Prozesses auf privates Gelände zurückgezogen hatte, durfte er die berechtigte Erwartung haben, nicht in den Medien abgebildet zu werden.




BGH: Nachbildungen urheberrechtlich geschützter Möbel dürfen öffentlich aufgestellt werden - Le-Corbusier-Möbel II

BGH
Urteil vom 22.09.2009
I ZR 247/03
Le-Corbusier-Möbel II
UrhG § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 17 Abs. 1, § 96 Abs. 1, § 97 Abs. 1 und 2; InformationsgesellschaftRL Art. 4 Abs. 1


Leitsätze des BGH:

a) Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 der Informationsgesellschafts-Richtlinie über das Verbreitungsrecht begründet nicht nur ein Mindestrecht, hinter dem die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung ihres Schutzniveaus nicht zurückbleiben dürfen, sondern stellt eine verbindliche Regelung des Verbreitungsrechts auch im Sinne eines Maximalschutzes dar.

b) Ein Dritter greift nicht in das ausschließlich dem Urheber zustehende Verbreitungsrecht nach § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 17 UrhG ein, wenn er Nachbildungen urheberrechtlich geschützter Modelle von Möbeln öffentlich aufstellt oder der Öffentlichkeit zum Gebrauch zugänglich macht.

BGH, Urteil vom 22. Januar 2009 - I ZR 247/03 - OLG Frankfurt a.M. - LG Frankfurt a.M.

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