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OLG Köln: Verpackte Produkte wie Butter können wettbewerbliche Eigenart aufweisen und lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes genießen - KERRYGOLD gegen DAIRYGOLD

OLG Köln
Urteil vom 20.10.2023
6 U 20/21

Das OLG Köln hat im Rechtsstreit KERRYGOLD gegen DAIRYGOLD entschieden, dass auch verpackte Produkte wie Butter wettbewerbliche Eigenart aufweisen und lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes genießen können.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Aktivlegitimation der Klägerin ist gegeben. Wie der BGH bereits in früheren Entscheidungen und auch im hiesigen Revisionsurteil ausgeführt hat, dienen Ansprüche aus wettbewerblichem Leistungsschutz vorrangig dem Schutz individueller Leistungen und daneben dem Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. Sie sollen grundsätzlich nur von demjenigen geltend gemacht werden können, der die zu schützende Leistungen erbracht hat. Das ist in der Regel der Hersteller der nachgeahmten Ware. Es kann aber auch der in seinem Vertrieb behinderte Alleinvertriebsberechtigte eines nachgeahmten Erzeugnisses als unmittelbarer Verletzter im Sinne von § 4 Nr. 3 a) UWG anzusehen sein, wenn durch den Vertrieb eines nachgeahmten Erzeugnisses über die Herkunft aus dem Betrieb eines bestimmten Herstellers und damit auch die Herkunft aus dem Betrieb des ausschließlich Vertriebsberechtigten getäuscht wird (vgl. RU Rn. 12 sowie BGH, Urteil vom 14.04.1988 – I ZR 35/86, GRUR 1988, 620 [juris Rn. 17] – Vespa-Roller; Urteil vom 18.10.2990 – I ZR 283/88, GRUR 1991, 223 [juris Rn. 15] – Finnischer Schmuck; Urteil vom 24.03.1994 – I ZR 42/93, GRUR 1994, 630 [juris Rn. 42] – Cartier-Armreif; Urteil vom 15.07.2004 – I ZR 142/01, GRUR 2004, 941 [juris Rn. 39] – Metallbett).

Vorliegend ist aufgrund der von der Klägerin als Anlagen K 23 a und b vorgelegten Unterlagen sowie der Aussage des Zeugen L. von einer Alleinvertriebsberechtigung der Klägerin für die irische Produktherstellerin auszugehen. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 16.06.2023 – dort auf S. 1 ff. – weiter zu ihrer ausschließlichen Vertriebsberechtigung ausgeführt und das Sole Distribution Agreement vom 28.12.2005 (Anlagen K 23 a) nebst deutscher Übersetzung (Anlage K 23 b) sowie als Anlage K 24 ein Amendment to the Sole Distribution Agreement vom 21.12.2017 vorgelegt. Bei dem „Sole Distribution Agreement“ handelt es sich um eine Alleinvertriebsvereinbarung der Klägerin (damals noch J. Deutschland GmbH) mit der Muttergesellschaft (damals noch J. Limited). In der Präambel des Vertrags wird festgehalten, dass die Klägerin eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Klägerin ist. Unter Ziffer 1. der Vereinbarung ist sodann die Ernennung der Klägerin zum exklusiven Alleinvertriebshändler für Verpackung, Vertrieb, Bewerbung und Verkauf der unter Ziffer 2. genannten Vertragsprodukte, worunter alle Milcherzeugnisse irischen Ursprungs und insbesondere Butter und Käse fallen, im unter Ziffer 3. bezeichneten Vertragsgebiet, welches das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland umfasst, geregelt. Unter Ziffer 4. findet sich die Verpflichtung der Muttergesellschaft im Vertragsgebiet die Vertragsprodukte nicht selbst zu vertreiben und keinem anderen die diesbezüglichen Rechte einzuräumen. Unter Ziffer 11. der Vereinbarung ist schließlich geregelt, dass der Vertrag am 01.01.2006 beginnt und auf unbestimmte Zeit geschlossen ist, wobei er von beiden Seiten mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende des Jahres gekündigt werden kann. Dass dieser Vertrag mit diesen Bestimmungen seinerzeit zwischen den dort genannten Parteien so geschlossen wurde, hat zudem der Zeuge L. glaubhaft im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt. Insbesondere hat dieser auch ausgesagt, wofür zudem bereits die Überschriften der einzelnen „geschwärzten“ Passagen sprechen, dass diese Textabschnitte nicht die Frage der Vertriebsberechtigung betrafen, und zudem bekundet, dass die Vereinbarung bis zu seinem Ausscheiden aus dem Betrieb der Klägerin am 31.12.2019 und damit nach der Klageerhebung im hiesigen Verfahren ungekündigt fortbestand und seines Kenntnisstandes nach immer noch unverändert fortbestehe. Anhaltspunkte dafür, dass dem entgegen zwischenzeitlich eine Kündigung dieser Vereinbarung erfolgt wäre, sind nicht ansatzweise ersichtlich und auch von der insoweit darlegungsbelasteten Beklagten nicht dargetan. Die Richtigkeit des Vertragstextes als solches oder der Umstand, dass es sich bei der Klägerin um das Nachfolgeunternehmen der J. Deutschland GmbH handelt, wird seitens der Beklagten bereits nicht in Abrede gestellt.

Sofern die Beklagte darüber hinaus die Auffassung vertritt, dass auch bei bestehender Alleinvertriebsberechtigung der Klägerin die Aktivlegitimation mangels Vorliegens weiterer hierfür erforderlicher Voraussetzungen nicht gegeben sei, kann sie damit nicht durchdringen. Wie der BGH in seinem Revisionsurteil - dort auf S. 8 - unter Verweis auf seine frühere Rechtsprechung ausgeführt hat, kann der in seinem Vertrieb behinderte Alleinvertriebsberechtigte als unmittelbar Verletzter im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG anzusehen sein, wenn durch den Vertrieb eines nachgeahmten Erzeugnisses über die Herkunft aus dem Betrieb eines bestimmten Herstellers und damit auch die Herkunft aus dem Betrieb des ausschließlich Vertriebsberechtigten getäuscht wird. Nach diesen Grundsätzen ist ein besonderes schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Unterbindung unlauterer Nachahmungen hier gegeben. Hierbei kann es zunächst entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf ankommen, ob es sich um eine nahezu identische Nachahmung handelt, da der Grad der Nachahmung nicht für die Anspruchsberechtigung, sondern nur für die Frage, ob in der Sache überhaupt ein Anspruch besteht, relevant ist. Ferner ist davon auszugehen, dass der Verkehr durch den Vertrieb der nachgeahmten Produkte auch über die Herkunft aus dem Betrieb der Klägerin getäuscht wird, mithin der Verbraucher die unternehmerische Leistung der Herstellerin auch dem Betrieb der Klägerin zuordnet. Bei einem ausschließlich Vertriebsberechtigten ist hiervon in der Regel auszugehen (vgl. Senatsurteil vom 24.07.2020 – 6 U 298/19 -, juris Rn. 50 ff. – Jeanshose mit V-Naht; Spoenle in: Seichter, jurisPK-UWG, 5. Aufl., § 4 Nr. 3 UWG, Stand: 10.01.2023, Rn. 42). Da die Klägerin zudem unstreitig auf jeder einzelnen Produktverpackung namentlich mit ihrer deutschen Adresse angeben ist, wird sie von den Verbrauchern in Deutschland auch als das Unternehmen wahrgenommen werden, von dem die Produkte stammen. Auch kann die Beklagte nicht mit Erfolg geltend machen, dass der Klägerin ein für die Aktivlegitimation erforderliches eigenes Leistungsschutzrecht mangels schutzwürdiger Eigenleistung sowie eigenem wirtschaftlichen Interesse nicht zustehe. Dem exklusiven Vertriebsberechtigen steht - anders als einem bloßen Händler - bereits im Hinblick auf seine besondere Eigenleistung für den Vertrieb ein selbständiges wettbewerbsrechtliches Leistungsschutzrecht zu, da er in seinem Individualinteresse an der Vermarktung des Originalprodukts beeinträchtigt ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 41. Auflage, § 4 UWG Rn. 3.85). Sofern die Beklagte meint, dies verhalte sich vorliegend bei der Klägerin ausnahmsweise anders, da diese aufgrund der Konzernstrukturen kein eigenes betriebswirtschaftliches Risiko übernehme und ihr diese Strukturen zudem auch keine eigenen betrieblichen Entscheidungen hinsichtlich des Vertriebs der Produkte erlaubten, ist sie bereits der ihr für diese - klägerseits ausdrücklich bestrittene - Behauptung obliegenden Darlegungslast nicht nachgekommen. Aus den von ihr in Bezug genommenen Unterlagen (Anlagen K 23, K 24, BB 4 und BB5 – Jahresabschlussbericht der Klägerin 2019, 2020), kann dies nicht hergeleitet werden. Alleine der Umstand, dass nach den Jahresabschlussberichten Preis- und Marktschwankungen für den Rohstoff Butter keine Risikoposition für die Klägerin darstellen, vermag keinen Hinweis darauf zu geben, dass die Klägerin generell kein wirtschaftliches Risiko trägt. Weiterer substantiierter Vortrag der Beklagten hierzu fehlt gänzlich, vielmehr mutmaßt sie lediglich, dass der Klägerin durch die als Anlage K 23 vorgelegte Vereinbarung keine eigene Leistungsposition oder Einkommensmöglichkeit eingeräumt werden sollte, sondern diese alleine steuerliche Gründe habe.

2. Im Weiteren ist vorliegend auch eine vermeidbare Herkunftstäuschung anzunehmen.

Auszugehen ist - gemäß den vom BGH nicht beanstandeten Feststellungen des Senats im Hinweisbeschluss vom 25.10.2021 - von einer im durchschnittlichen Bereich liegenden wettbewerbsrechtlichen Eigenart der klägerischen Produktverpackungen und einer jedenfalls nachschaffenden Nachahmung dieser Produktverpackungen durch die Produktverpackungen der Beklagten.

Der Senat hatte ursprünglich offengelassen, ob von einer unmittelbaren Herkunftstäuschung ausgegangen werden kann, und eine mittelbare Herkunftstäuschung angenommen. Hierzu hat der BGH weitere Feststellungen des Senats vermisst, aus denen sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Verbraucher die „Dairygold“-Produkte der Beklagten als neue Produkte der Klägerin ansehen oder die Bezeichnung „DAIRYGOLD“ für eine Zweitmarke der Klägerin halten.

Hierauf kommt es indes im Weiteren nicht an, da der Senat nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage vorliegend eine unmittelbare Herkunftstäuschung für gegeben erachtet. Aufgrund der hier von der Beklagten vorgenommenen Gestaltung der Produktverpackung ist die Gefahr begründet, dass der angesprochene Verkehrskreis der Endverbraucher, zu dem auch die Mitglieder des Senats gehören, annimmt, bei der Nachahmung handle es sich um das Originalprodukt.

Bei der Beurteilung der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit von Produkten ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck abzustellen, den Original und Nachahmung bei ihrer bestimmungsgemäßen Benutzung dem Betrachter vermitteln (BGH GRUR 2005, 166 (168) – Puppenausstattungen; BGH GRUR 2005, 600 (602) – Handtuchklemmen; BGH GRUR 2007, 795 Rn. 32 – Handtaschen; BGH GRUR 2009, 1069 Rn. 20 – Knoblauchwürste). Hierbei ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die fraglichen Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung auf Grund eines Erinnerungseindrucks gewinnt. Dabei treten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervor, so dass es mehr auf die Übereinstimmungen als die Unterschiede ankommt (BGH GRUR 2007, 795 Rn. 34 – Handtaschen; BGH GRUR 2010, 80 Rn. 41 – LIKEaBIKE; BGH GRUR 2016, 730 Rn. 47 – Herrnhuter Stern; BGH WRP 2018, 950 Rn. 65 – Ballerinaschuh). Die Herkunftstäuschung setzt nicht voraus, dass alle Gestaltungsmerkmale des Produkts eines Mitbewerbers übernommen werden. Vielmehr kommt es darauf an, dass gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sind, im Verkehr auf die betriebliche Herkunft hinzuweisen (vgl. hierzu Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 4 Rn. 3.43-3.43c). Bei - wie vorliegend - Produkten des täglichen Bedarfs, die sich in der äußeren Erscheinungsform und insbesondere in der Gestaltung ihrer Verpackung von ähnlichen Produkten wenig unterscheiden, orientiert sich der Verkehr in erster Linie an der Produktbezeichnung und der Herstellerangabe (BGH GRUR 2001, 443 (445) – Viennetta). Allerdings ist – dies hat der BGH in seinem Revisionsurteil in diesem Verfahren ausdrücklich klargestellt - eine Herkunftstäuschung durch eine nachgeahmte Produktverpackung bei unterschiedlicher Produkt- oder Herstellerbezeichnung nicht stets ausgeschlossen, dies auch dann nicht, wenn keine identische Übernahme aller wesentlicher Gestaltungsmerkmale vorliegt. Sofern der Leitsatz seiner Senatsentscheidung „Vienetta“ in diese Richtung zu verstehen sein sollte, halte er hieran nicht fest. Insoweit müssten vielmehr alle Umstände des Einzelfalls in den Blick genommen werden. Insbesondere sei zu berücksichtigen, welche Produkt und Herkunftsbezeichnung auf der Nachahmung verwendet werden und in welcher Weise dies geschehe (BGH RU Rn. 50).

Unter Beachtung dieser Grundsätze besteht vorliegend die Gefahr einer unmittelbaren Herkunftstäuschung. Die Beklagte hat für ihre Produktverpackungen gerade jene Gestaltungselemente übernommen, die die wettbewerbsrechtliche Eigenart der Verpackung der Klägerin begründen. Der BGH hat vor diesem Hintergrund die Beurteilung des Senats, nach der von einer nachschaffenden Übernahme der Butterverpackung der Klägerin durch die Beklagte und darüber hinaus von einer fast identischen Übernahme der Gestaltung der Verpackung der Mischstreichfette auszugehen sei, gebilligt. Überdies hat der BGH auch die Feststellung des Senats bestätigt, dass Butter und Mischstreichfette, die aus Butter und Rapsöl bestehen, Konkurrenzprodukte sind und derselben Warenkategorie angehören. Von der Beklagten ist zwar eine abweichende Produkt- und Herkunftsbezeichnung auf den Verpackungen angebracht worden, was – wie ausgeführt – grundsätzlich einer Herkunftstäuschung entgegenwirken kann, allerdings besteht insoweit – wie auch vom BGH in seinem Revisionsurteil im hiesigen Verfahren (dort Rn. 52) ausgeführt – die Besonderheit, dass die Produkt- und Herstellerbezeichnungen sich nicht deutlich unterscheiden. Die Bezeichnung „DAIRYGOLD“ ist sprachlich vielmehr stark an die Bezeichnung „Kerrygold“ angelehnt, lediglich der Anlaut unterscheidet sie sich, was indes im Gesamteindruck nicht ins Gewicht fällt. Die Ähnlichkeit wird zudem noch dadurch verstärkt, dass die Beklagte unter die Angabe „DAIRYGOLD“ – welche prominent an gleicher Stelle wie die Bezeichnung „Kerrygold“ auf der Verpackung der Klägerin platziert ist - die Herkunftsbezeichnung „From County Kerry“ angebracht und damit beide Wortbestandteile der Produkt- bzw. Herstellerbezeichnung der Klägerin „Kerry“ und „Gold“ aufgegriffen hat. Bezieht man all dies ein, wird sich einem nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs der Eindruck aufdrängen, die Produkte stammten von demselben Hersteller.


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BGH: Auch verpackte Produkte wie Butter können wettbewerbliche Eigenart aufweisen und lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes genießen - KERRYGOLD

BGH
Urteil vom 26.01.2023
I ZR 15/22
KERRYGOLD
UWG § 4 Nr. 3


Der BGH hat entschieden, dass auch verpackte Produkte wie Butter wettbewerbliche Eigenart aufweisen und lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes genießen können.

Leitsätze des BGH:
a) Verpackte Produkte - wie Butter und Mischstreichfette - können Gegenstand des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes sein. Einem verpackten Produkt kann wettbewerbliche Eigenart zukommen, wenn die äußere Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale der Verpackung des Produkts geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten der darin verpackten Ware hinzuweisen.

b) Eine Herkunftstäuschung durch eine nachgeahmte Produktverpackung ist bei unterschiedlichen Produkt- oder Herstellerbezeichnungen nicht stets ausgeschlossen, wenn nicht alle wesentlichen Gestaltungsmerkmale des Originals identisch übernommen werden. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Herkunftstäuschung vorliegt, müssen vielmehr alle Umstände des Einzelfalls in den Blick genommen werden, insbesondere ist zu berücksichtigen, welche Produkt- und Herkunftsbezeichnungen auf der Nachahmung verwendet werden und in welcher Weise dies geschieht (Fortführung von BGH, Urteil vom 19. Oktober 2000 - I ZR 225/98, GRUR 2001, 443 = WRP 2001, 534 - Viennetta).

BGH, Urteil vom 26. Januar 2023 - I ZR 15/22 - OLG Köln - LG Köln

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LG Düsseldorf: Keine Herkunftstäuschung gem. § 4 Nr. 3 lit. a) UWG hinsichtlich einer für Massenmarkt produzierten Lichterkette mangels wettbewerblicher Eigenart

LG Düsseldorf
Urteil vom 03.11.2022
14c O 21/21


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass keine Herkunftstäuschung gem. § 4 Nr. 3 lit. a) UWG hinsichtlich einer für den Massenmarkt produzierten Lichterkette mangels wettbewerblicher Eigenart vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Klägerin stehen keine Ansprüche aus wettbewerblichem Nachahmungsschutz gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 9 Satz 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 3 lit. a) UWG zu. Es liegt keine unlautere Nachahmung durch Herbeiführung einer vermeidbaren Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft der Lichterketten im Sinne des § 4 Nr. 3 lit. a) UWG vor.

Im Einzelnen:

1. Die Kammer unterstellt zugunsten der Klägerin, dass diese Herstellerin der von ihr vertriebenen Lichterkette ist. Dann ist sie als Mitbewerberin der Beklagten gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert.

2. Bei dem gewerblichen Anbieten und Inverkehrbringen der angegriffenen Lichterketten durch die Beklagte handelte es sich auch um geschäftliche Handlungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG.

3. Indes lag keine vermeidbare Herkunftstäuschung im Sinne des § 4 Nr. 3 lit. a) UWG vor.

Gemäß § 4 Nr. 3 lit. a) UWG handelt unlauter, wer Waren anbietet, die eine Nachahmung der Waren eines Mitbewerbers sind, wenn er dadurch eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt.

Der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses kann wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 01.07.2021, I ZR 137/20, Rn. 15 – Kaffeebereiter; BGH, Urt. v. 20.09.2018, Az. I ZR 71/17, Rn. 11 – Industrienähmaschinen; BGH, Urt. v. 16.11.2017, Az. I ZR 91/16, Rn. 13 – Handfugenpistole).

a. Die Lichterkette der Klägerin weist schon nicht die erforderliche wettbewerbliche Eigenart auf, weil es sich um eine „Massenware“ handelt, bei der der Verkehr keinen Wert auf die Herkunft aus einem bestimmten Betrieb legt.

aa. Einem Erzeugnis kommt wettbewerbliche Eigenart zu, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Maßgeblich für die Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart ist der Gesamteindruck des nachgeahmten Erzeugnisses. Dieser kann auch durch Gestaltungsmerkmale bestimmt oder mitbestimmt werden, die zwar nicht für sich genommen, aber in ihrem Zusammenwirken geeignet sind, im Verkehr auf die Herkunft des nachgeahmten Produkts aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 01.07.2021, I ZR 137/20, Rn. 20 – Kaffeebereiter; BGH, Urt. v. 16.11.2017, Az. I ZR 91/16, Rn. 14 – Handfugenpistole; BGH, Urt. v. 15.12.2016, Az. I ZR 197/15, Rn. 19 – Bodendübel).

Für die wettbewerbliche Eigenart kommt es nicht darauf an, dass die angesprochenen Verkehrskreise den Hersteller der Ware namentlich kennen; erforderlich ist aber, dass sie annehmen, die Ware stamme von einem bestimmten Hersteller, wie auch immer dieser heißen möge, oder sei von einem mit diesem verbundenen Unternehmen in Verkehr gebracht worden (BGH, Urt. v. 16.11.2017, Az. I ZR 91/16, Rn. 14 – Handfugenpistole).

Auf die Neuheit der Gestaltung kommt es ebenso wenig an, wie darauf, ob die zur Gestaltung eines Produktes verwendeten Einzelmerkmale originell sind. Entscheidend ist vielmehr, ob sie in ihrer Kombination den Produkten ein Gepräge geben, das dem angesprochenen Verkehr einen Rückschluss auf die betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten ermöglicht (OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2018, Az. I-15 U 74/17, Rn. 60, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.1.2012, Az. I-20 U 175/11, Rn. 111 – Tablet-PC, zitiert nach juris). Eine hohe Bekanntheit im Verkehr ist dabei nicht Voraussetzung; eine hohe Bekanntheit des Erzeugnisses kann aber das Vorliegen wettbewerblicher Eigenart indizieren oder deren Grad steigern (BGH, Urt. v. 28.05.2009, Az. I ZR 124/06, Rn. 37 – LIKEaBIKE; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2018, Az. I-15 U 74/17, Rn. 61, zitiert nach juris).

Wettbewerbliche Eigenart liegt insbesondere dann vor, wenn sich das Erzeugnis aufgrund besonderer Gestaltungsmerkmale von anderen Produkten im Marktumfeld so abhebt, dass der Verkehr es einem bestimmten Hersteller zuordnet (BGH, Urt. v. 24.01.2013, Az. I ZR 136/11, Rn. 24 – Regalsystem). Ein Erzeugnis hat hingegen keine wettbewerbliche Eigenart, wenn der angesprochene Verkehr die prägenden Gestaltungsmerkmale des Erzeugnisses nicht (mehr) einem bestimmten Hersteller oder einer bestimmten Ware zuordnet (BGH, Urt. v. 16.11.2017, Az. I ZR 91/16, Rn. 14 – Handfugenpistole). Insoweit ist es erforderlich, dass der Verkehr – anders als dies bei „Allerweltserzeugnissen” oder „Dutzendware” der Fall ist – auf die betriebliche Herkunft des Erzeugnisses Wert legt und gewohnt ist, aus bestimmten Merkmalen auf die betriebliche Herkunft zu schließen (BGH, Urt. v. 15.12.2016, Az. I ZR 197/15, Rn. 38 – Bodendübel; BGH, Urt. v. 22.03.2012, Az. I ZR 21/11, Rn. 34 – Sandmalkasten; BGH, Urt. v. 02.04.2009, Az. I ZR 199/06, Rn. 10 – Ausbeinmesser; BGH, Urt. v. 21.09.2006, Az. I ZR 270/03,Rn. 26 – Stufenleitern; BGH, Urt. v. 03.05.1968, Az. I ZR 66/66, Rn. 41 – Pulverbehälter, zitiert nach juris). Denn die Funktion des (ungeschriebenen) Tatbestandsmerkmals der wettbewerblichen Eigenart besteht darin, den Schutz vor Nachahmung auf solche Leistungsergebnisse zu beschränken, die unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, der Verbraucher, der sonstigen Marktteilnehmer und der Allgemeinheit schutzwürdig sind (vgl. Köhler in: Köhler/ Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 4 Rn. 3.30).

Angesprochene Verkehrskreise sind hier die Endverbraucher, die die Lichterkette erwerben. Die Kammermitglieder sind in der Lage, die sich insbesondere aus der Gestaltung ergebenden Herkunftsvorstellungen dieses Verkehrskreises aus eigener Sachkunde und Erfahrung zu beurteilen, da sie selbst Teil des angesprochenen Verkehrskreises sind und überdies als Mitglieder einer Spezialkammer für Wettbewerbssachen über besondere Expertise verfügen, die es ihnen ermöglicht, die Herkunftsvorstellungen des gesamten angesprochenen Verkehrskreises im Hinblick auf die streitgegenständlichen Produkte zu beurteilen.

bb. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt der Lichterkette der Klägerin keine wettbewerbliche Eigenart zu.

Zwar ist die Klägerin ihrer Darlegungslast nachgekommen und hat zu dem Produkt und dessen Merkmalen, die seine wettbewerbliche Eigenart begründen sollen, konkret vortragen und dies mit Abbildungen veranschaulicht. Insoweit wird auf die im Tatbestand wiedergegebenen Abbildungen und die Merkmalsgliederung Bezug genommen. Beim Markteintritt gab es auch keine Entgegenhaltungen, die dem Entstehen einer wettbewerblichen Eigenart der Lichterketten mit ihren zehn Sternen, die eine Kombination von 14 vierkantigen, spiegelsymmetrisch angeordneten Zacken und einer siebenkantigen Zacke sowie einem siebenkantigen Zackenstumpf aufweisen, entgegenstanden.

Gleichwohl vermochten die Lichterketten keine wettbewerbliche Eigenart zu erlangen, weil es sich um ein „Allerweltserzeugnis“ handelt, bei dem der Verkehr keinen Wert auf die betriebliche Herkunft legt. Die Lichterkette ist ein eher niedrigpreisiger, saisonaler Dekorationsartikel, der beim Discounter ALDI vertrieben wurde. Bei einem solchen Produkt steht für den Verkehr im Vordergrund, zu einem niedrigen Preis ein Erzeugnis zu erwerben, das nur vorübergehend (saisonal) genutzt wird, der Mode unterliegt und vielleicht schon im Folgejahr durch einen anderen Dekorationsartikel ersetzt wird. Es bedarf deshalb auch keiner hervorgehobenen Qualität, sondern vornehmlich eines gefälligen Designs und eines nicht zu hohen Preises. Die Lichterkette wird daher – wie auch die Klägerin annimmt – ohne größere Prüfung und Beschäftigung erworben. Für den Verkehr, der davon ausgeht, dass die notwendige Produktsicherheit und ein Mindestmaß an Qualität durch die Einkaufsabteilung des Discounters sichergestellt werden, ist unerheblich, woher das Produkt kommt. So wird er zwar annehmen, dass das Produkt – wie solche Erzeugnisse häufig – wahrscheinlich in Fernost produziert wurde, sich über die Herkunft aus einem bestimmten Betrieb aber gerade keine Vorstellung machen. Damit geht auch einher, dass die Verpackung zwar einen Hinweis auf den Importeur aufweist, dies aber gänzlich untergeordnet, da die Herkunft den Verkehr regelmäßig nicht interessiert. Auffällig sind vielmehr die Handelsmarke des Discounters und die sich in die Produktlinie der unter dieser Handelsmarke vertriebenen Produkte einfügende Aufmachung, die der Verkehr ebenfalls dem Discounter und nicht etwa dem Hersteller des jeweiligen Erzeugnisses zuordnet.

Insoweit weiß der Verbraucher auch, dass Discounter nicht nur einige wenige Lieferanten haben, sondern mit wechselnden Vertragspartnern erst niedrige Preise im Einkauf erzielen und an die Endkunden weitergeben können. Die üblichen Lieferantenwechsel zeigen sich auch darin, dass auch die Klägerin nunmehr ihr Produkt bei dem Discounter LIDL platziert hat und dort den Lieferanten ersetzt, während 2020 die Lichterkette der Beklagten das Produkt der Klägerin bei dem Discounter ALDI ersetzte, hiernach aber wieder die Klägerin lieferte.

Zurecht weist die Beklagte darauf hin, dass mit den „solange der Vorrat reicht“-Angeboten saisonaler Artikel beim Discounter, grundsätzlich die Erwartung ausgeschlossen wird, dasselbe Erzeugnis in der Folgesaison zu erwerben. Kommt es ihm ausnahmsweise darauf an, wird er mit erhöhter Aufmerksamkeit die Produktübereinstimmung prüfen und die Unterschiede feststellen, wobei es ihm auch dann nicht auf den Hersteller, sondern eben die Produktübereinstimmung ankommt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Unlautere Nachahmung von Swatch-Plastikuhren auch bei anderweitiger Kennzeichnung der Produkte möglich

OLG Frankfurt
Urteil vom 17.02.2022
6 U 202/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine unlautere Nachahmung von Swatch-Plastikuhren auch bei anderweitiger Kennzeichnung der Produkte vorliegen kann,

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Kein Vertrieb nachgeahmter „Plastikuhren“ trotz abweichender Kennzeichnung

Der Vertrieb einer nachgeahmten „Plastikuhr“ kann trotz markenähnlicher Kennzeichnung wettbewerbswidrig sein. Es kann zu einer mittelbaren Herkunftstäuschung kommen, wenn dem Verkehr bekannt ist, dass etwa für Mode- und Sportartikelhersteller Uhren in Lizenz hergestellt werden und Kooperationen mit Künstlern im Uhrenmarkt nicht unüblich sind. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichter Entscheidung die Beklagte verurteilt, den Vertrieb nachgeahmter Plastikuhren zu unterlassen.

Die Klägerin vertreibt seit 1983 aus Kunststoff hergestellte Uhren. Die streitgegenständliche Modellserie wird in verschiedenen Designvarianten vertrieben, wobei die Klägerin hinsichtlich der farblichen Gestaltung der Uhren auch mit zeitgenössischen Künstlern zusammenarbeitet. Ihre Uhren sind ab einem Preis von 63,00 € erhältlich. Die Beklagte bot über die Plattform www.amazon.de Plastikarmbanduhren in unterschiedlichen Farben mit im Ziffernblatt aufgedruckten - von den klägerischen Bezeichnungen abweichenden - Kennzeichnungen zu Preisen zwischen 12,48 € und 13,67 € an.

Das Landgericht hatte die Klage auf Unterlassen des Anbietens der in der Berufung gegenständlichen Uhrenmodelle abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG Erfolg. Der Vertrieb der Uhren stelle eine unlautere Nachahmung der klägerischen Uhrenmodelle dar, begründete das OLG seine Entscheidung. Dem Uhrenmodell der Klägerin komme eine gesteigerte wettbewerbliche Eigenart zu. Es handele sich um „eine sehr reduzierte Uhrenserie zu einem vergleichsweise günstigen Preis aus einem damals für Uhren ungewöhnlichen Material ... nämlich Plastik“. Aufgrund der hohen Bekanntheit des Produktes sei hier von einem gesteigerter Grad an Eigenheit auszugehen. Diese wettbewerbliche Eigenart werde nicht durch „wahllos“ von der Beklagten herangezogene andere „Plastikuhren“ in Frage gestellt, die mit dem klägerischen Modell außer dem Material nicht viel Gemeinsames hätten.

Die Beklagte habe das klägerische Modell auch nachgeahmt. Nahezu sämtliche die Eigenart begründenden Merkmale seien von ihr übernommen worden.

Die im Ziffernblatt vorhandene abweichende Kennzeichnung schließe zwar eine unmittelbare Herkunftstäuschung aus. Es liege aber eine sog. mittelbare Herkunftstäuschung vor. Auf dem Uhrenmarkt sei es üblich, dass mit Zweitmarken operiert werde. Verbreitet würden auch Uhren über Lizenzverträge für bekannte Mode- und Sportartikellabel hergestellt. Der Verkehr nehme deshalb hier hinsichtlich der abweichenden Kennzeichnung der Uhren der Beklagten an, dass eine lizenzrechtliche Beziehung zur Klägerin bestehe oder eine Zweitmarke vorliege.

Die Beklagte beute zudem den guten Ruf der Klägerin aus. Dabei komme es nicht darauf an, dass es sich hier nicht um eine Luxus-Uhr handele. Auch niedrigpreisige Produkte könnten einer Rufausbeutung unterliegen, wenn der Verkehr ihnen eine besondere Wertschätzung entgegenbringe. Hier würden die „Plastikuhren“ des streitgegenständlichen Modells einen außerordentlichen Ruf genießen. „Sie sind“, so das OLG, „das Synonym für die Produktgruppe der „Plastikuhren“, die die Klägerin erstmals großflächig auf den Markt gebracht hat“. An dieses positive Image habe sich die Beklagte ohne Grund in so starkem Maße angelehnt, dass sie „unlauter an der von der Klägerin durch eigene langjährige Anstrengungen am Markt erworbenen Wertschätzung profitiert“, stellt das OLG fest.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Beklagte kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision beim Bundesgerichtshof begehren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 17.2.2022, Az. 6 U 202/20
(vorausgehend LG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.11.2020, Az. 2/6 O 78/20)



BGH: Keine unlautere Nachahmung einer E-Gitarre nach § 4 Nr. 3 UWG oder Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG wenn Produkte qualitativ und preislich gleichwertig

BGH
Urteil vom 22.11.2021 - I ZR 192/20
Flying V
UWG § 4 Nr. 3 Buchst. a und b, § 4 Nr. 4
1

Der BGH hat entschieden, dass keine unlautere Nachahmung einer E-Gitarre nach § 4 Nr. 3 UWG oder Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG vorliegt, wenn beide Produkte qualitativ und preislich gleichwertig im gehobenen Marktsegment angeboten werden.

Leitsätze des BGH:

a) Die Rechtsprechung, nach der eine unlautere Nachahmung unter dem Gesichtspunkt der Rufausbeutung vorliegen kann, wenn durch ein in den äußeren kennzeichnenden Merkmalen nahezu identisch nachgeahmtes Luxusprodukt zwar nicht der Käufer, wohl aber Dritte, die beim Käufer die Nachahmung sähen, zur irrigen Vorstellung über die Echtheit verleitet würden
(BGH, Urteil vom 8. November 1984 - I ZR 128/82, GRUR 1985, 876, 878 [juris Rn. 17 f.] - Tchibo/Rolex), ist nicht anwendbar, wenn das "Original" und die Nachahmung qualitativ ebenbürtig sind und sich im gleichen hochpreisigen Marktsegment bewegen.

b) Sind das "Original" und die - nicht nahezu identische - Nachahmung einer E-Gitarre qualitativ gleichwertig und werden sie im gleichen hochpreisigen Marktsegment angeboten, kommt eine unlautere Nachahmung gemäß § 4 Nr. 3 UWG oder eine Mitbewerberbehinderung gemäß § 4 Nr. 4 UWG auch dann nicht in Betracht, wenn das Originalprodukt berühmt und auch Jahrzehnte nach der Markteinführung noch gleichsam ein objektiver Maßstab für das Angebot anderer Hersteller ist (Abgrenzung zu BGHZ 138, 143 [juris Rn. 36] - Les-Paul-Gitarren).

BGH, Urteil vom 22. September 2021 - I ZR 192/20 - OLG Hamburg - LG Hamburg

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BGH: Zur Darlegungs- und Beweislast zum Nachweis wettbewerblicher Eigenart im Rechtsstreit um wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz - Kaffeebereiter

BGH
Urteil vom 01.Juli 2021 - I ZR 137/20
Kaffeebereiter
UWG § 4 Nr. 3


Der BGH hat sich in dieser Entscheiung zur Darlegungs- und Beweislast zum Nachweis wettbewerblicher Eigenart im Rechtsstreit um wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz geäußert.

Leitsätze des BGH:

a) Der Kläger, der wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz beansprucht, hat zu seinem Produkt und dessen Merkmalen, die seine wettbewerbliche Eigenart begründen, konkret vorzutragen. Hat er diesen Anforderungen genügt, trifft den Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die das Entstehen der an sich gegebenen wettbewerblichen Eigenart hindern oder eine an sich bestehende wettbewerbliche Eigenart schwächen oder entfallen lassen. Danach ist es Sache des Beklagten, zum wettbewerblichen Umfeld des in Rede stehenden Produkts vorzutragen und die Marktbedeutung von Produkten darzulegen, mit denen er die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts in Frage stellen will.

b) Bei der Prüfung, ob durch eine Nachahmung eine vermeidbare Herkunftstäuschung hervorgerufen wird, ist auf den Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung abzustellen. Daraus ergibt sich, dass dieser Zeitpunkt auch für die Prüfung der Frage maßgeblich ist, ob die an sich gegebene wettbewerbliche Eigenart des klägerischen Produkts durch einen Vertrieb unter einem Zweitkennzeichen entfallen ist. Die wettbewerbliche Eigenart muss grundsätzlich im Zeitpunkt des Angebots der Nachahmung auf dem Markt noch bestehen.

BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 - I ZR 137/20 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

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OLG Frankfurt: Kein wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz nach § 4 Nr. 3 UWG wenn Nachahmung eines nur im Ausland erhältlichen Produkts zuerst in Deutschland erhältlich ist

OLG Frankfurt
Urteil vom 12.12.2019
6 U 83/18

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass kein wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz nach § 4 Nr. 3 UWG greift, wenn die Nachahmung eines nur im Ausland erhältlichen Produkts zuerst in Deutschland erhältlich ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1.) Es fehlt schon an der für ein unlauteres Verhalten nach § 4 Nr. 3 UWG notwendigen Nachahmung.

a) Eine Nachahmung setzt voraus, dass dem Hersteller im Zeitpunkt der Schaffung des beanstandeten Produkts das Vorbild bekannt war (vgl. BGH GRUR 2008, 1115, Rnr. 24 - Büromöbel; BGH, GRUR 2002, 629, 633 - Blendsegel). Liegt diese Kenntnis nicht vor, sondern handelt es sich bei der angegriffenen Ausführung um eine selbstständige Zweitentwicklung, ist schon begrifflich eine Nachahmung ausgeschlossen. Daran hat sich auch nichts dadurch geändert, dass für die Zuerkennung von Ansprüchen aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz nach §§ 3, 4 Nr. 3 UWG das Vorliegen eines subjektiven Unlauterkeitstatbestands nicht erforderlich ist.

b) An einer solchen Nachahmung fehlt es hier, da die Herstellerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme das Produkt „Shoeps“ nicht nach dem klägerischen Produkt auf den Markt gebracht hat, was eine Vermutungswirkung für eine Nachahmung auslösen würde (BGH GRUR 1998, 477, 480 - Trachtenjanker), sondern zeitgleich oder sogar früher.

Aus den von der Beklagten vorgelegten Rechnungen (Anlage B 11 ff.) ergibt sich, dass die Markteinführung der Shoeps-Produkte im April 2014 erfolgte und bis Jahresende ca. 4000 Exemplar verkauft wurden.

Die Authentizität der vorgelegten Rechnungen hat der Zeuge A bestätigt. Er hat in seiner Vernehmung vor dem Senat erläutert, erstmals 2013 von der Fa. Miyali auf die „Shoeps“ aufmerksam gemacht worden zu sein und daraufhin Kontakt mit möglichen Abnehmern in Deutschland aufgenommen zu haben. Dann seien die Schnürsenkel auf der Fachmesse GDS im März 2014 ausgestellt worden (Anlage B 29, Bl. 432). In unmittelbarer Folge dieser Messe habe er dann begonnen, von der Fa. Miyali „Shoeps“ zu beziehen und an Abnehmer in Deutschland zu verkaufen. Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass nur ein Teil der Rechnungen tatsächlich vom Zeugen A erstellt worden sind und ein Teil gefälscht sind. Der Zeuge A hat in der mündlichen Verhandlung die Rechnungen stichprobenartig geprüft und inhaltlich näher erläutern können. Der Senat hat keine Zweifel, dass mit jeder Rechnung auch eine entsprechende Lieferung korrespondiert, hat doch der Zeuge ausgesagt, die Rechnung zwei Tage vor der Lieferung zu versenden.

Die Aussage des Zeugen war glaubhaft, in sich konsistent und frei von Widersprüchen. Der Senat hat auch keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Aufgrund des persönlichen Eindrucks des Senats in Beweisaufnahme ergibt sich insbesondere, dass der Zeuge keinen Be- oder Entlastungseifer für eine Partei an den Tag gelegt hat

Damit ist der Senat mit hinreichender Sicherheit davon überzeugt, dass die „Shoeps“-Produkte in signifikanten Umfang bereits ab April 2014 auf dem deutschen Markt verfügbar waren und somit keine Nachahmung der klägerischen Produkte vorgelegen hat.

c) Der Ablehnung einer Nachahmung steht auch nicht entgegen, dass der Herstellerin Miyali im Jahr 2014 das seit 2012 in den USA und anderen Ländern bereits vertriebene Produkt der Klägerin bekannt gewesen sein mag. Der ergänzende Leistungsschutz ist auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Dementsprechend kann die Übernahme einer Gestaltung eines außerhalb der Bundesrepublik bereits vertriebenen Produktes grundsätzlich eine Nachahmung im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG nicht begründen. Der Inländergleichbehandlungsgrundsatz gem. Art. 1 II, 2 I PVÜ ändert nichts daran, dass die nach inländischem Recht erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müssen (vgl. BGH, GRUR 1992, 523, 524 - Betonsteinelemente; BGH, GRUR 2009, 79 Rn. 35 - Gebäckpresse).

2.) Aus den eben dargestellten Gründen lässt sich auch eine wettbewerbliche Eigenart der klägerischen „Hickies“ nicht begründen.

Wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH GRUR 2013, 1052 Rn. 18 - Einkaufswagen III; BGH WRP 2015, 1090 Rn. 10 - Exzenterzähne; BGH WRP 2016, 854 Rn. 16 - Hot Sox; BGH GRUR 2016, 730 Rn. 33 - Herrnhuter Stern). Zwar setzt dies keine Neuheit voraus; diese kann jedoch ein Indiz für die Eigenart darstellen. Treten jedoch zwei Produkte ähnlicher Ausgestaltung zeitgleich auf den Markt, kann der Verkehr von Anbeginn der Ausgestaltung keinen Hinweis auf eine bestimmte betriebliche Herkunft entnehmen.

3.) Jedenfalls aber konnte der Senat die zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens der „Shoeps“ notwendige „gewisse Bekanntheit“ der „Hickies“-Produkte nicht hinreichend sicher feststellen, so dass es an einer Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 3a UWG fehlt.

a) Voraussetzung für eine Herkunftstäuschung ist, dass das nachgeahmte Erzeugnis eine „gewisse Bekanntheit“ bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise erlangt hat (BGH GRUR 2005, 166, 169 - Puppenausstattungen; BGH GRUR 2005, 600, 602 - Handtuchklemmen; BGH GRUR 2006, 79 Rn. 35 - Jeans I; BGH GRUR 2007, 984 Rn. 34 - Gartenliege; Harte/Henning/Sambuc § 4 Nr. 3 Rn. 86). Denn andernfalls kann die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht bestehen. Ist nämlich dem Verkehr nicht bekannt, dass es ein Original gibt, scheidet eine Herkunftstäuschung in aller Regel schon begrifflich aus. Für das erforderliche Maß an Bekanntheit gilt: Das Erzeugnis muss bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise eine solche Bekanntheit erreicht haben, dass sich in relevantem Umfang die Gefahr der Herkunftstäuschung ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (BGH GRUR 2005, 166, 167 - Puppenausstattungen; BGH GRUR 2006, 79 Rn. 35 - Jeans I; BGH GRUR 2007, 339 Rn. 39 - Stufenleitern; BGH GRUR 2007, 984 Rn. 34 - Gartenliege). Eine Verkehrsgeltung iSd § 4 Nr. 2 MarkenG ist nicht erforderlich (BGH GRUR 2002, 275 (277) - Noppenbahnen; BGH GRUR 2006, 79 Rn. 35 - Jeans I). Dagegen muss eine gewisse Bekanntheit auf dem inländischen Markt bestehen (BGH GRUR 2009, 79 Rn. 35 – Gebäckpresse). Daher kommt es auf eine etwaige Bekanntheit auf einem ausländischen Markt nicht an, selbst wenn der ausländische Wettbewerber nach Art. 1 II, 2 I PVÜ Gleichbehandlung genießt (BGH GRUR 2009, 79 Rn. 35 - Gebäckpresse). Maßgebender Zeitpunkt für die Bekanntheit ist die Markteinführung der Nachahmung (BGH GRUR 2007, 339 Rn. 39 - Stufenleitern; BGH GRUR 2009, 79 Rn. 35 - Gebäckpresse) sowie beim Unterlassungsanspruch der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Für die Feststellung der Bekanntheit gilt: Die Bekanntheit kann sich nicht nur aus entsprechenden Werbeanstrengungen (zB Prospekte, Kataloge, Messeauftritte; OLG Köln WRP 2014, 875 Rn. 7), sondern auch aus der Dauer der Marktpräsenz, den hohen Absatzzahlen des Originals oder dem hohen Marktanteil ergeben (BGH GRUR 2007, 339 Rn. 32 - Stufenleitern; BGH GRUR 2007, 984 Rn. 32 - Gartenliege; BGH WRP 2013, 1189 Rn. 27 - Regalsystem; OLG Frankfurt GRUR-RR 2019, 77 Rn. 26)

b) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Die Klägerin ist unstreitig im April 2014 in den deutschen Markt eingetreten. Vorherige Verkäufe über den internationalen Shop der Klägerin nach Deutschland sind schon deshalb nicht zur Begründung einer „gewissen Bekanntheit“ geeignet, weil nicht vorgetragen ist, welchen Umfang diese Verkäufe erreicht haben. Die Klägerin hat im Jahr 2014 ca. 10.000 Verkaufseinheiten abgesetzt, im Jahr 2015 60.000 Verkaufseinheiten. Hinzu kommt die flankierend zum Markteintritt einsetzende Presseberichterstattung.

Die Herstellerin der Shoeps hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ihrerseits von April - Dezember 2014 4.004 Verpackungen an die Handelsagentur A geliefert, die diese an Einzelhändler in Deutschland weitergeliefert hat. Der Zeuge A hat ausgesagt, die von der Fa. Miyali an ihn gelieferten Shoeps-Produkte unmittelbar an Abnehmer in Deutschland weitergeliefert zu haben.

Hieraus ergibt sich, dass die Herstellerin Miyali erstmals im April 2014 mit ihren Produkten auf den Markt getreten ist; dieser Zeitpunkt ist daher für die Betrachtung der Unlauterkeit zugrunde zu legen. Zu diesem Zeitpunkt fehlte es den klägerischen Produkten jedoch noch an der für eine Herkunftstäuschung notwendigen gewissen Bekanntheit. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt erst vereinzelt Exemplare ihrer Schnürsenkel verkauft. Zwar ist auch zu berücksichtigen, dass bereits zu einem Zeitpunkt Presseberichterstattung über die Produkte der Klägerin in Deutschland stattgefunden hatte, als diese noch gar nicht erhältlich waren. Dies kann jedoch nicht dazu führen, dem Produkt schon vor dem Markteintritt die notwendige gewisse Bekanntheit zuzusprechen. Der wettbewerbliche Leistungsschutz dient dem Schutz des Leistungsergebnisses eines Mitbewerbers vor einer Übernahme mit unlauteren Mitteln oder Methoden (BGH WRP 2010, 94 Rn. 17 – LIKEaBIKE; BGH GRUR 2016, 730 Rn. 19, 21 – Herrnhuter Stern). Der Schutz kann sich aber nur auf das auf dem deutschen Markt erworbene Leistungsergebnis beziehen, nicht hingegen auf im Ausland erworbene Leistungsergebnisse. Die (vorbereitende) Presseberichterstattung vor Markteinführung kann daher höchstens dazu führen, dass die notwendige gewisse Bekanntheit auf dem deutschen Markt schneller eintritt.

Im vorliegenden Fall ist die vorgelegte Presseberichterstattung indes nicht geeignet, einen derartigen Einfluss zu begründen. Die in der Anlage K 3 vorgelegten Berichte datieren überwiegend aus der Zeit nach Markteinführung der „Shoeps“ (11.04.14, 04/2014, 23.09.14). Die in Anlage K 17 - K 24 vorgelegten Presseberichte wiederum richten sich an Fachpublikum („Daily Business Inspiration“, www.fuer-gruender.de,) oder Special-Interest-Medien wie kleine Blogs o.ä. Beides ist nicht geeignet, eine hinreichende Bekanntheit der Produkte zu begründen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist hier auch auf die Markteinführung der Produkte an sich im Jahr 2014 abzustellen und nicht auf das Jahr 2016, in dem die Beklagte erstmals die Shoeps-Produkte selbst vertrieben hat (BGH GRUR 2002, 275, 277; BGH GRUR 2007, 339, Rnr. 39 - Stufenleitern). Soweit die Klägerin darauf verweist, jedenfalls im Fall des Inverkehrbringens eines bereits im Ausland vertriebenen Produkts nunmehr auch im Inland sei der Zeitpunkt nicht auf das erstmalige Inverkehrbringen „vorzuverlagern“, da sonst besonders schnelle Nachahmer den Vertrieb des „Originals“ im Inland verhindern könnten, kann dahinstehen, ob jenseits einer möglichen Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG dem Originalhersteller eine gewisse Karenzzeit zuzubilligen ist. Wenn nämlich nach einem Zeitraum von zwei Jahren, in dem beide Produkte parallel auf dem Markt verfügbar waren, sich nunmehr die Beklagte im Jahr 2016 entschlossen hat, dieses Produkt (auch) zu vertreiben, kann es jedenfalls keinen Anlass geben, den Zeitpunkt derart zurückzuverlagern.

Schließlich kann auch dahinstehen, ob tatsächlich alle an die Abnehmer des Zeugen A gelieferten Produkte unmittelbar an Endabnehmer weiterkauft wurden oder vom Zeugen A an Zwischenhändler geliefert wurden. Es ist davon auszugehen, dass auch über die Zwischenhändler die Produkte in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang an Endabnehmer angeboten wurden. Der von der Klägerin angedeutete Weiterverkauf in das Ausland ist vollkommen spekulativ.

4.) Aus den dargestellten Gründen fehlt es auch einer unangemessenen Ausnutzung der Wertschätzung des klägerischen Produkts im Sinne von § 4 Nr. 3 b) UWG. Auch hierfür ist nämlich erforderlich, dass eine Wertschätzung bereits entstanden ist, also bereits eine gewisse Bekanntheit vorliegt.

5.) Schließlich stellt sich das Verhalten der Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt der Behinderung nicht als unlauter im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG dar.

a) Nach Schaffung eines eigenen gesetzlichen Unlauterkeitstatbestands der gezielten Behinderung besteht kein Bedürfnis mehr, eine allgemeine Behinderung des Originalherstellers unabhängig von den in § 4 Nr. 3 UWG angeführten Unlauterkeitsmerkmalen zur Begründung eines Anspruchs nach dieser Bestimmung ausreichen zu lassen. Den Aspekt einer allgemeinen Behinderung beim wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz als eigenständiges Unlauterkeitskriterium im Rahmen einer entsprechenden Anwendung des § 4 Nr. 3 UWG oder der Generalklausel des § 3 I UWG hat der BGH in der Entscheidung „Segmentstruktur“ im Interesse einer systematisch klaren Abgrenzung aufgegeben (BGH, GRUR 2017, 79 Rn. 79 – Segmentstruktur). Spielt allein bei der Nachahmung eines wettbewerblich eigenartigen Produkts der Gesichtspunkt der Behinderung als Unlauterkeitskriterium eine Rolle, müssen für ein Verbot die Voraussetzungen der gezielten Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG erfüllt sein.

b) Eine Behinderung kann danach in Betracht kommen, wenn der Hersteller des Originalerzeugnisses zwar noch nicht unmittelbar auf dem deutschen Markt aufgetreten ist, nach der Lebenserfahrung aber damit zu rechnen ist, dass die Originalerzeugnisse in Kürze auch in Deutschland vertrieben werden sollen. Die Sachlage liegt insofern nicht anders, als wenn ein deutsches Unternehmen durch das Dazwischentreten eines Mitbewerbers an der bevorstehenden Einführung eines bestimmten neuen Produkts gehindert wird. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in einer Entscheidung aus dem Jahr 1976 stellt das Anbieten einer identischen Nachahmung eine wettbewerbswidrige Behinderung des Originalherstellers dar, wenn dieser beabsichtigt, das Original in Kürze auch auf dem deutschen Markt zu vertreiben und dies dem Anbieter der Nachahmung bei der ihm zumutbaren Marktbeobachtung bekannt sein musste. Von einer Absicht des Originalherstellers, das Originalerzeugnis in Kürze auch im Inland zu vertreiben, müsse insbesondere ausgegangen werden, wenn der Originalhersteller im Inland eine Niederlassung unterhält und das Produkt bereits in anderen Mitgliedsstaaten der EU vertrieben hat. Auf eine Behinderungs- oder Schädigungsabsicht des Nachahmers komme es dagegen nicht an (BGH WRP 1976, 370, 371 - Ovalpuderdose; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Sambuc, 4. Aufl. 2016, UWG § 4 Abs. 3 Rn. 189-190; Werner in: FS Köhler, Vor- und nachwirkender wettbewerblicher Leistungsschutz, S. 790 f.).

c) Ob an dieser fast vierzig Jahre alten Rechtsprechung auch vor dem Hintergrund des gewandelten Verständnisses des Unlauterkeitsrechts festzuhalten ist, kann hier dahinstehen, da die Voraussetzungen für eine Unlauterkeit unter diesem Aspekt nicht vorliegen. Zwar hatte die Klägerin ihre Produkte seit 2012 zunächst in den USA und sodann auch in Asien sowie ab 2014 über ihren internationalen Online-Shop vertrieben, bevor sie 2014 auch den deutschen Markt betreten wollte. Auch hatte sie 2013 bereits Vorbereitungen hierfür getroffen (Gründung Hickies Europe SA, Deutsche USt-ID, Schaffung eines Lagers in Deutschland). Der Vorwurf der Unlauterkeit wegen eines Zuvorkommens beim Inlandsvertrieb könnte die Beklagte vor diesem Hintergrund jedoch nur treffen, wenn sie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem geplanten Markteintritt der Klägerin ihrerseits den Markt betreten hätte, der Klägerin somit zuvorgekommen wäre und diese damit behindert hätte. Im Jahr 2014 war es allerdings nicht die Beklagte, sondern die Herstellerin Miyali selbst, die den deutschen Markt betrat. Die Beklagte hat erst im Jahr 2016 – also zwei Jahre später - mit dem Vertrieb der „Shoeps“-Produkte begonnen, nachdem sie zuvor zwei Jahre die Produkte der Klägerin vertrieben hatte. Die Beklagte hat sich also zu dieser Zeit nach einem anderen Anbieter auf dem Markt der elastischen Schnürsenkel umgesehen und die „Shoeps“-Produkte als eingeführte, am Markt erhältliche Wettbewerbsprodukte ausgewählt. Zu diesem Zeitpunkt ist eine Behinderung der Klägerin nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass eine derartige Behinderung nach der Rechtsprechung des BGH nur bei einer identischen Leistungsübernahme in Betracht kommt, an der es hier jedoch fehlt. Nähme man eine Nachahmung überhaupt an (vgl. oben), läge schon aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der elastischen Schnürsenkel in der nicht benutzten Form nur eine nachschaffende oder nahezu identische Nachahmung vor.

d) Schließlich lässt sich eine Unlauterkeit durch gezielte Behinderung auch nicht mit dem Argument begründen, dass die Beklagte zuvor die Produkte der Klägerin vertrieben hat. Eine Unlauterkeit kann sich zwar aus einem Vertrauensbruch im Rahmen einer vertraglichen Verbindung ergeben. Eine vergleichbare Situation liegt hier aber nicht vor. Die Beklagte war lediglich Zwischenhändlerin für die Produkte der Klägerin ohne besonderes Vertrauensverhältnis zu dieser. Der Wechsel eines Lieferanten für eine bestimmte Produktgattung durch einen Zwischenhändler ohne weitere besondere Umstände kann jedoch grundsätzlich eine Unlauterkeit nicht begründen; er ist vielmehr selbstverständlicher Teil eines wettbewerblichen Marktgeschehens.

6.) Der Verweis der Klägerin auf eine ungerechtfertigte Schutzlücke kann schon deshalb nicht zu einer anderen Beurteilung führen, da diese Schutzlücke im Falle eines Zuvorkommens beim Inlandsvertrieb zuvorderst durch den Gesetzgeber zu schließen wäre und im Übrigen § 4 Nr. 4 UWG in bestimmten Konstellationen Schutz bietet. Im Übrigen bieten die Sonderschutzrechte Möglichkeiten, die (spätere) Produkteinführung eines bereits im Ausland vertriebenen Produkts auch im Inland hinreichend abzusichern."

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LG München: Bekannter Hollywood-Schriftzug ist nach § 4 Nr. 3 UWG geschützt und Verwendung durch Unternehmen unzulässige Ausnutzung der Wertschätzung

LG München
Urteil vom 19.05.2016
17 HK O 1061/15


Das LG München hat entschieden, dass der bekannte Hollywood-Schriftzug nach § 4 Nr. 3 UWG geschützt ist und die unbefugte Verwendung durch ein Unternehmen eine unzulässige Ausnutzung der Wertschätzung darstellt.


Aus den Entscheidungsgründen:

"Der mit der Abmahnung vom 12.08.2014 von der HCC geltend gemachte Unterlassungsanspruch war begründet nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 4 Nr. 3 a, 3 b UWG n. F., weil die Beklagten ein Zeichen verwendet haben, welches eine Nachahmung eines Zeichens der HCC darstellt, und sie somit eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeigeführt und die Wertschätzung dieses Zeichens unangemessen ausgenutzt haben:

aa. § 4 Nr. 3 UWG spricht von Waren oder Dienstleistungen, wobei diese Begriffe allerdings weit auszulegen sind und darunter auch Leistungs- und Arbeitsergebnisse aller Art zu verstehen sind, insbesondere fallen auch bestimmte Kennzeichnungen als Leistungsergebnis unter diesen Begriff (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl. 2016, Rdn. 3.21 und 3.22 zu § 4). Damit ist der „Hollywood“-Schriftzug als Leistungsergebnis schutzfähig nach § 4 Nr. 3 UWG n. F.

bb. Ansprüche nach § 4 Nr. 3 UWG n. F. stehen dem Schöpfer des Originales zu, wobei im vorliegenden Falle aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer (§ 286 ZPO) zweifelsfrei feststeht, dass der „Hollywood“-Schriftzug wie er sich heute den Verkehrskreisen darstellt, eine Schöpfung der HCC ist"


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