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OLG Karlsruhe: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Bewerbung von Globuli mit "radionisch informiert"

OLG Karlsruhe
Urteil vom 19.03.2024
14 U 63/23


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Bewerbung von Globuli mit "radionisch informiert" vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
bb) Die klägerseits gerügte Produktpräsentation der Globuli „Babytraum Globuli für Ihn“/„Babytraum für den Mann“ und „Babytraum Globuli für Sie“/„Für die Frau“ mit dem Zusatz „radionisch informiert“ ist irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG a. F., was der Senat aus eigener Sachkunde beurteilen kann.

(1) Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG a. F. handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware enthält.

Irreführend ist eine Angabe, wenn sie bei den Adressaten eine Vorstellung erzeugt, die mit den wirklichen Verhältnissen nicht im Einklang steht. Maßgeblich ist auch hier das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 5 Rn. 1.56).

Eine Irreführung des Käufers kann vorliegen, wenn die Etikettierung, die alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller und Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen umfasst, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und auf dessen Verpackung angebracht sind, unwahre, falsche, mehrdeutige, widersprüchliche oder unverständliche Elemente enthält. In bestimmten Fällen kann das Verzeichnis der Zutaten, auch wenn es richtig und vollständig ist, gleichwohl nicht geeignet sein, einen falschen oder missverständlichen Eindruck des Verbrauchers bezüglich der Eigenschaften eines Lebensmittels zu berichtigen, der sich aus den anderen Elementen der Etikettierung dieses Lebensmittels ergibt (OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.08.2020 - 4 U 214/18, Rn. 26, juris).

(2) Gemessen hieran stellt sich die gerügte Produktpräsentation in Zusammenschau mit dem Zusatz „radionisch informiert“ als irreführend in diesem Sinne dar. Die Präsentation der Globuli erfolgt in einer Weise, die der durchschnittliche Verbraucher mit homöopathischen Mitteln assoziiert, worauf auch der Zusatz „radionisch informiert“ verweist. Dies erweckt bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck, dass es sich hierbei nicht nur um reine Zuckerkügelchen handelt. Vielmehr wird durch die Aufmachung und den Textzusatz der Eindruck erweckt, es handle sich um ein (zugelassenes) homöopathisches Mittel zur Steigerung der Zeugungs- bzw. Empfängnisfähigkeit, was nicht der Fall ist. Zwar wird vorliegend offengelassen, womit genau die Globuli „radionisch informiert“ sein sollen bzw. was der Inhalt dieser „Information“ sein soll. Die Präsentation der Globuli enthält auch kein klares Wirkversprechen. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass der durchschnittliche Verbraucher aufgrund der Aufmachung und Präsentation mehr als reinen Zucker erwartet, worum es sich hier aber handelt. Denn wie auf die Globuli „radionische Informationen“ (welchen Inhalts auch immer) - also etwas, was die Globuli von schlichtem Zucker unterscheiden könnte - aufgebracht worden sein sollen, wird beklagtenseits schon nicht hinreichend dargelegt (vgl. hierzu auch OLG Celle, Beschluss vom 22.08.2022 - 13 U 18/22, Rn. 55, juris).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Koblenz: Online-Anbieter darf Wirksamkeit der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses durch den Kunden nicht von einem Bestätigungstelefonat abhängig machen

LG Koblenz
Urteil vom 27.02.2024
11 O 12/23

Da LG Koblenz hat entschieden, dass ein Online-Anbieter die Wirksamkeit der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses durch den Kunden nicht von einem Bestätigungstelefonat abhängig machen darf.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Erfolgreiche Abmahnung durch eine Verbraucherzentrale wegen unzulässiger Verpflichtung zur Kündigungsbestätigung per Telefon

Ist ein durch eine Verbraucherzentrale geltend gemachter Unterlassungsanspruch begründet, wenn eine Firma die online erklärte Kündigung eines Kunden von einem Bestätigungstelefonat abhängig macht? Diese Frage hatte die 11. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten.

Zum Sachverhalt:

Die Beklagte bietet, auch gegenüber Verbrauchern, den Abschluss von Dienstleistungsverträgen über Dauerschuldverhältnisse unter anderem zur Bereitstellung von Webspeicherplatz, E-Mail-Postfächern und Servern an.

Der Kläger, ein eingetragener Verein (Verbraucherzentrale), begehrt von der Beklagten es zu unterlassen, dass die Beklagte auf eine online erklärte Kündigung gegenüber Verbrauchern behauptet, dass zur Wirksamkeit der Kündigung noch ein Telefonat mit der Beklagten erforderlich sei. Konkret hat ein Kunde seinen Vertrag bei der Beklagten per Internet gekündigt. Der Kunde hat daraufhin von der Beklagten die Mitteilung erhalten, er möge seine Kündigung binnen 14 Tagen telefonisch bestätigen, ansonsten bleibe das Vertragsverhältnis unverändert bestehen.

Der Kläger hat daraufhin die Beklagte abgemahnt und erfolglos zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert.

Er behauptet, im Fall eines Anrufs nach der Kündigung werde seitens der Beklagten - mittels rhetorischer Kunstfertigkeit oder durch Anbieten anderer Vertragskonditionen - versucht, den Verbraucher zu überzeugen, von seinem Kündigungswillen Abstand zu nehmen.

Der Kläger ist zudem der Ansicht, die Mitteilung der Beklagten gegenüber Verbrauchern, dass nach einer Kündigung eine Rückbestätigung erfolgen müsse, stelle eine unlautere geschäftliche Handlung dar. Sie enthalte unwahre Angaben über Rechte des Verbrauchers.

Der Kläger beantragt der Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Ordnungshaft zu vollstrecken an den Mitgliedern der Geschäftsführung, zu untersagen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern diesen nach einer der Beklagten zugegangenen Kündigungserklärung eines Dienstleistungsvertrages in Form eines Dauerschuldverhältnisses mitzuteilen, die telefonische Bestätigung der erklärten Kündigung sei erforderlich.

Die Beklagte ist der Ansicht, ohne die telefonische Rückbestätigung der Kündigung bestünde das Risiko, dass unberechtigte Dritte den Vertrag eines Kunden kündigen könnten. Auch für den Fall einer Kündigung nach § 312k BGB sei es für die Beklagte erforderlich, sich davon zu überzeugen, dass die Kündigung auch vom Erklärenden stammt. Dabei biete ein fernmündliches Gespräch ein Mehr an Sicherheit verglichen etwa mit einem Bestätigungslink innerhalb einer E-Mail. Es finde keine Irreführung des Verbrauchers statt. Außerdem werde eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers nicht beeinflusst.

Die Entscheidung:

Die 11. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat der Klage antragsgemäß stattgegeben.

Ein entsprechender Unterlassungsanspruch des Klägers ergebe sich aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3, 5 Abs. 2 Nr. 7 UWG.

Der Kläger als Verein, der sich satzungsgemäß unter anderem der Durchsetzung von Verbraucherinteressen und -rechten widmet, sei aktivlegitimiert gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, § 4 UKlaG.

Das Vorgehen der Beklagten, den Verbraucher aufzufordern, seine Kündigung innerhalb von 14 Tagen telefonisch zu bestätigen, stelle eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar. Dazu gehörten auch Verhaltensweisen, die auf eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung oder das Ver-hindern einer Geschäftsbeendigung gerichtet sind.

Diese geschäftliche Handlung der Beklagten sei gem. § 3 Abs. 1 UWG unzulässig, da sie gemäß § 5 Abs. 1 UWG unlauter sei. Danach handele unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornehme, die geeignet sei, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Die Kammer hat die Vorgehensweise der Beklagten als irreführend im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 7 UWG eingestuft. Demnach sei eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über Rechte des Verbrauchers enthalte. Erfasst seien auch irreführende Angaben über deren Inhalt, Umfang und Dauer sowie etwaige Voraussetzungen für die Geltendmachung bestimmter Rechte, zu denen auch das Kündigungsrecht zähle.

Auch wenn die Beklagte nach Auffassung der Kammer ein grundsätzliches Interesse an einer Authentifizierung haben könne, wäre eine solche vorrangig durch eine Bestätigung über den von dem Verbraucher gewählten Kommunikationskanal zu erreichen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb ein an den Verbraucher unter der von ihm hinterlegten E-Mail-Adresse gesendeter Bestätigungslink zur Identifizierung weniger geeignet wäre, als ein Telefonat. Auch während eines Telefonats sei es der Beklagten nicht möglich, sich umfassende Gewissheit über die wahre Person ihres Gesprächspartners zu verschaffen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass es einem unbefugten Dritten, der sich Zugang zu der Kundennummer, der Vertragsnummer und dem E-Mail-Konto des wahren Vertragspartners verschafft hat, auch gelänge, in einem Telefonat über seine Identität zu täuschen.

Die Vorgehensweise der Beklagten sei auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die Beklagte stelle den Verbraucher nach Zugang seiner Kündigung vor die Wahl, seine Kündigung nicht telefonisch zu bestätigen, und in der Folge das Vertragsverhältnis fortzusetzen, oder innerhalb von 14 Tagen telefonisch Kontakt zu der Beklagten aufzunehmen. Es werde dadurch eine zusätzliche Entscheidung des Verbrauchers verlangt, ob er an der Ausübung seines Kündigungsrechts festhalten will. Ohne die irreführende Aufforderung der Beklagten würde der Verbraucher weder die eine noch die andere Entscheidung treffen.

Die erforderliche Wiederholungsgefahr ergebe sich daraus, dass die Beklagte eingeräumt habe, dass die beanstandete Vorgehensweise der Beklagten deren übliche Vorgehensweise sei.

Auszug aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

§ 5 Irreführende Handlungen
(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält ...

§ 8 Beseitigung und Unterlassung
(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden ...



LG München: Werbeaussagen im Bereich der Gesundheitswerbung sind nach dem "Strengeprinzip" nur bei gesicherten wissenschaftlichen und dokumentierten Erkenntnissen zulässig

LG München
Urteil vom 19.12.2023
33 O 12090/22

Das LG München hat entschieden, dass Werbeaussagen im Bereich der Gesundheitswerbung nach dem "Strengeprinzip" nur bei gesicherten wissenschaftlichen und dokumentierten Erkenntnissen zulässig sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach §§ 3a, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V. m. § 3 Nr. 1 HWG a.F./n.F. zu.

1. Die Aktivlegitimation des Klägers als in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG aufgenommener Verbraucherschutzverein folgt aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG.

2. § 3 HWG stellt in alter und neuer Fassung eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG dar (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 41. Auflage, § 3a Rdnr. 1.25).

3. Bei den streitgegenständlichen Äußerungen auf dem Plakat der Beklagten handelt es sich um geschäftliche Handlungen i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, da die Werbung mit einer bestimmten Wirkungsweise mit der Förderung des Absatzes eines Produkts objektiv zusammenhängt.

4. Das HWG ist nach § 1 des Gesetzes vorliegend anwendbar, da es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt um ein Medizinprodukt i. S. d. Art. 2 Nr. 1 der VO (EU) 2017/745 beziehungsweise um ein Arzneimittel nach § 2 AMG handelt. Bei dem Produkt der Beklagten handelt es sich um Lutschpastillen, die der Vorbeugung von grippalen Infekten der oberen Atemwege und von infektiösen und entzündlichen Atemwegserkrankungen, die durch Viren und Bakterien verursacht werden, dienen (vgl. S. 1 der wissenschaftlichen Stellungnahme in Anlage B1_1). Das streitgegenständliche Produkt ist damit für Menschen bestimmt und soll der Verhütung von Krankheiten dienen. Nachdem das HWG nach § 1 Nr. 1 und 1a sowohl auf Arzneimittel als auch auf Medizinprodukte anzuwenden ist, ist eine genauere Abgrenzung beider Alternativen vorliegend entbehrlich.

5. Die beanstandete Werbung der Beklagten verstößt gegen § 3 Nr. 1 HWG a.F./n.F.

a) Gemäß § 3 S. 1 HWG a.F./n.F. ist eine irreführende Werbung unzulässig und liegt nach § 3 S. 2 Nr. 1 HWG a.F. bzw. n.F. eine Irreführung insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln bzw. Arzneimitteln, Medizinprodukten i.S.d. § 3 Nr. 4 des MPG in der bis einschließlich 25.05.2021 geltenden Fassung, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben.

b) Für die Beurteilung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Angabe kommt es allein darauf an, in welchem Sinne die Kreise, an die die Ankündigung sich wendet, die Angabe verstehen (st. Rspr., vgl. nur BGH GRUR 1955, 37 – Cupresa-Kunstseide). Angesprochener Verkehrskreis der streitgegenständlichen Äußerungen der Beklagten sind vorliegend Verbraucher, die sich vor dem Coronavirus schützen wollen und damit prinzipiell jedermann. Maßgeblich ist dabei das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers, der der in Streit stehenden Darstellung eine der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt, wobei es auf den Gesamteindruck der beanstandeten Angabe ankommt (BGH GRUR 2013, 1254 Rn. 15 – Matratzen Factory Outlet; BGH GRUR 2022, 925 Rn. 18 – Webshop Awards). Dieses Verständnis kann die Kammer vorliegend selbst feststellen, da deren Mitglieder als Durchschnittsverbraucher zum angesprochenen Verkehr gehören, und da sie aufgrund ihrer ständigen Befassung mit Kennzeichen- und Wettbewerbsstreitsachen in der Lage ist, das Verkehrsverständnis anhand ihrer Erfahrungen selbst zu beurteilen (st. Rspr., vgl. hierzu etwa OLG München GRUR-RR 2016, 270 Rn. 31 – Klosterseer).

c) Von einer Irreführung ist dann auszugehen, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (st. Rspr., vgl. nur BGH GRUR 2020, 1226 Rdnr. 14 – LTEGeschwindigkeit; BGH GRUR 2022, 925 Rdnr. 18 – Webshop Awards). Für die Feststellung, welches Verständnis die streitgegenständliche Werbeaussage bei dem Verbraucher erweckt, ist auf den Gesamteindruck der Werbung und nicht lediglich auf einzelne Elemente abzustellen (vgl. BGH GRUR 2022, 1347 Rdnr. 23 – 7 x mehr). Bei Werbung im Gesundheitsbereich sind besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen zu stellen (vgl. BGH GRUR 2002, 182 (185) – Das Beste jeden Morgen).

d) Vorliegend ist eine Irreführung nach § 3 Nr. 1 HWG zu bejahen, da die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen die dem angesprochenen Verkehr suggerierten Wirkungen des streitgegenständlichen Produkts nicht tragen.

aa) Der angesprochene Verkehr, der das beanstandete Werbeplakat der Beklagten bei eher geringem Aufmerksamkeitsgrad im Vorbeigehen nur flüchtig wahrnimmt, versteht die Werbeaussagen „Jetzt zusätzlich vor Viren schützen!“ und „Immer dann, wenn Sie keine Maske tragen, z. B. beim Stadtbummel, Essen gehen, Freunde treffen, Feste feiern, Fitness.“ dahingehend, dass er bei den genannten Aktivitäten, bei denen keine Maske getragen wird, durch die Einnahme des streitgegenständlichen Produkts genauso effektiv vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus geschützt werde wie durch das Tragen einer Schutzmaske, und dass durch die Einnahme des streitgegenständlichen Produkts ein absoluter Schutz erreicht werden könne. Den relativierenden Hinweis „Viren- und Bakterienabwehr mit der Natur auf physikalische Weise, ... zeigt in ... eine hemmende Wirkung auf das Eindringen von Coronaviren.“, der schon nicht am Blickfang teilnimmt, nimmt der Verkehr schon nicht wahr, denn dieser ist nur auf dem untersten Abschnitt des Plakats in sehr kleiner Schrift gestaltet, und der durchschnittliche Verbraucher kann diesen mit dem bloßen Auge nur schwer und nur mit einem geringen Abstand zum Plakat vollumfänglich lesen. Eine solche genaue Analyse des Werbeaufstellers wird der angesprochene Verkehr aber nicht vornehmen. Hinzu kommt, dass der angesprochene Durchschnittsverbraucher keine genaue Kenntnis von der Bedeutung des Begriffs „...“ hat. Der angesprochene Verkehr ist damit – selbst bei Wahrnehmung der weiteren Hinweise – nicht in der Lage, die Begrenzung der prominent herausgestellten Wirkaussage „Jetzt zusätzlich vor Viren schützen!“ zu erfassen und versteht diese daher in einem umfassenden Sinne.

bb) Eine solche Wirkung des streitgegenständlichen Produkts lässt sich den vorgelegten Unterlagen aber nicht entnehmen:

i. Ob die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit beziehungsweise für die Unrichtigkeit der Werbeäußerungen der Beklagten auf Seiten des Klägers oder der Beklagten liegt, kann vorliegend dahinstehen, da die Beklagte die Unterlagen, die ihrer Ansicht nach die streitgegenständlichen Behauptungen stützen, vorgelegt hat und der Kläger sich diese zu eigen gemacht hat, sodass diese zur Überprüfung der streitgegenständlichen Werbeaussagen heranzuziehen sind.

ii. Studienergebnisse entsprechen grundsätzlich nur dann den Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch die Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (vgl. BGH GRUR 2013, 649 Rdnr. 19 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).

iii. Eine solche „Goldstandard“- Studie liegt nicht vor. Zu beachten ist zunächst, dass es sich bei den in den Anlagen B1_1 und B1_2 vorgelegten Unterlagen um keine Studien handelt und diesen Dokumenten daher nur eine geringe Aussagekraft zuzubilligen ist. Die wissenschaftliche Stellungnahme von Frau Dr. ... in Anlage B1_1 betrifft zwar das streitgegenständliche Produkt und kommt zu dem Ergebnis, dass die Wirksamkeit und Verkehrsfähigkeit des streitgegenständlichen Produkts als Medizinprodukt belegt sei. Die Stellungnahme bezieht sich dabei auf eine mit dem Produkt der Beklagten durchgeführte „...“ -Studie, bei der eigene „...“ Zellkulturversuche mit dem streitgegenständlichen Produkt einen signifikanten Hemmeffekt auf das Eindringen von SARS-CoV-2 gezeigt hätten. Unabhängig davon, dass die Aussagekraft der wissenschaftlichen Stellungnahme aufgrund der Tatsache, dass Frau Dr. ... auf Seite 11 der Anlage B2 als Kontaktperson der Beklagten aufgeführt ist und damit wohl ein berufliches Verhältnis zur Beklagten besteht, nochmals eingeschränkt ist, vermag der Verweis auf die durchgeführte „...“ – Studie die Werbeaussage, das Produkt sei gleichsam effektiv wie eine Schutzmaske beziehungsweise schütze absolut vor dem Coronavirus, nicht zu rechtfertigen. Die übrigen in der Anlage B1_1 vorgelegten Artikel beziehen sich schon nicht konkret auf das streitgegenständliche Produkt. Auf Seite 6 des Artikels von ... (vgl. Artikel in Anlage B1_1) wird sogar ausgeführt, dass es notwendig sei, Labortests „...“, aber auch „...“ bei Tieren und Patienten durchzuführen, um ihre Wirksamkeit gegen das Coronavirus zu bestätigen. Auch in der Anlage B1_2 wurden lediglich Artikel vorgelegt, die sich nicht auf das streitgegenständliche Produkt selbst beziehen und damit die behauptete Wirksamkeit nicht belegen können. Zudem wird in dem Artikel von ... (vgl. Artikel in Anlage B1_2) auf Seite 12 ausgeführt, dass die Wechselbeziehung zwischen der ACE2-Hemmung, der Entzündungshemmung und den antioxidativen Wirkungen von Flavonoiden noch durch eine umfassende „...“ und „...“ Auswertung geklärt werden müsse. Darüber hinaus müsse eine Entscheidung, die Rezeptoren ACE1 und ACE2 zu verändern, beispielsweise um eine Wirkung gegen COVID-19 zu erzielen, mit Vorsicht vorgenommen werden. Auch in dem Artikel von ... (vgl. Artikel in Anlage B1_2) wird auf Seite 10 dargelegt, dass sowohl natürliche als auch synthetische Verbindungen funktionelle Validierungen benötigen, die nicht auf „...“ – Tests auf Grundlage rekombinanter Proteine beschränkt werden können. Zudem wird in dem Aufsatz von ... (vgl. Aufsatz in Anlage B1_2) auf Seite 11338 auf die Notwendigkeit weiterer Studien hingewiesen. Auch der Artikel von ... (vgl. Aufsatz in Anlage B1_2) bezieht sich lediglich auf eine durchgeführte „...“ – Untersuchung bezüglich des „...“ und nicht auf das streitgegenständliche Produkt.

In Anlage B2 befindet sich zwar eine Studie, die zu dem Ergebnis kommt, dass das streitgegenständliche Produkt „...“ ein starker Hemmstoff gegen eine pseudotypisierte Infektion mit dem Coronavirus gewesen sei (vgl. Seite 4 der Studie in Anlage B2). Die Aussagekraft dieser Studie ist jedoch eingeschränkt, da auf Seite 1 und 11 der Anlage B2 die Beklagte als Sponsor der Studie ausgewiesen ist und damit die Neutralität des Ergebnisses diskussionswürdig ist. Letztendlich kann die Aussagekraft der Studie jedoch dahinstehen, da auch damit jedenfalls nicht belegt ist, dass das Produkt der Beklagten vor einer Infektion mit dem Coronavirus genauso effektiv wie eine Maske beziehungsweise absolut schützen kann. Bei dem in Anlage K5 vorgelegten Dokument handelt es sich lediglich um eine Zusammenfassung der „...“ Studienergebnisse, die die streitgegenständlichen Werbeäußerungen ebenfalls nicht zu belegen vermag.

Im Ergebnis belegen die vorgelegten Unterlagen mithin schon keine „...“- Wirksamkeit und erst recht keine uneingeschränkte Wirksamkeit „...“.

iv. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens kam nicht in Betracht. Denn nach dem „Strengeprinzip“ sind Werbeaussagen im Bereich der Gesundheitswerbung nur zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen, was bedeutet, dass der vom Werbenden in Anspruch genommene Stand bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert sein muss. Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn der Werbende sich erst im Prozess auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens beruft, weil ein erst nachträglich eingeholtes Gutachten den Vorwurf nicht entkräften könnte, mit einer im Zeitpunkt der Werbung nicht belegten Aussage geworben zu haben (BGH GRUR 2021, 513 Rdnr. 34 – Sinupret).

e) Die Irreführung ist auch wettbewerbsrechtlich relevant, da die Werbung mit Äußerungen, nach denen ein bestimmtes Produkt eine Infektion mit dem Coronavirus genauso effektiv verhindern könne wie das Tragen einer Schutzmaske, beziehungsweise nach denen ein bestimmtes Produkt absoluten Schutz vor einer Infektion biete, geeignet ist, potenzielle Kunden zu einer näheren Beschäftigung mit dem Angebot der Beklagten zu verleiten.

6. Durch die erfolgte Verletzungshandlung ist die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben, § 8 Abs. 1 S. 1 UWG. Die von der Beklagten unterschriebene Unterlassungserklärung (vgl. Erklärung vom 20.01.2022 in Anlage K3) konnte die Wiederholungsgefahr nicht ausräumen, da der Kläger die Annahme dieser Erklärung ablehnte (vgl. Schreiben vom 27.01.2022 in Anlage K6). Zwar genügt für den Wegfall der Wiederholungsgefahr grundsätzlich der Zugang einer strafbewehrten Unterlassungserklärung des Schuldners, die sich als Ausdruck eines ernsthaften Unterlassungswillens darstellt. Lehnt der Gläubiger die Annahme der strafbewehrten Unterlassungserklärung gegenüber dem Schuldner jedoch ab, scheitert der Abschluss des Unterlassungsvertrags und es fehlt ab diesem Zeitpunkt an der für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderlichen Abschreckungswirkung durch eine (drohende) Vertragsstrafeverpflichtung (vgl. BGH GRUR 2023, 255 Rdnr. 40ff. – Wegfall der Wiederholungsgefahr III). Unabhängig davon, ob es sich bei dem von der Beklagten auf der Unterlassungserklärung vom 20.01.2022 (vgl. Erklärung in Anlage K3) hinzugefügten Zusatz um einen neuen Sachverhalt handelt, fehlte es jedenfalls seit der Ablehnung der Annahme durch den Kläger am 27.01.2022 (vgl. Schreiben in Anlage K6) an der für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderlichen Abschreckungswirkung durch eine Vertragsstrafeverpflichtung. Damit ist der endgültige Wegfall der Wiederholungsgefahr zwar von einem Willensakt des Gläubigers abhängig. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Schuldner bis zum Zugang der Ablehnung die durch die Verletzungshandlung begründete Vermutung einer Wiederholungsgefahr durch einen Verweis auf seine einseitige strafbewehrte Unterlassungserklärung sowohl dem Erstgläubiger als auch gegenüber Drittgläubigern widerlegen kann. Ein unbilliges Ergebnis hinsichtlich des Erstgläubigers kann im Übrigen dadurch vermieden werden, dass der Schuldner die Möglichkeit hat, sich bei einer gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch ein sofortiges Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO der Kostentragung zu entziehen (vgl. BGH GRUR 2023, 255 Rdnr. 43f. – Wegfall der Wiederholungsgefahr III).

II. Der Kläger hat darüber hinaus gegen die Beklagte auch einen Unterlassungsanspruch nach §§ 2 Abs. 1, 3 UKlaG i.V. m. § 3 Nr. 1 HWG a.F./n.F.

1. Der Kläger ist als in die Liste qualifizierter Einrichtungen i. S. d. § 4 UKlaG nach §§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 UKlaG aktivlegitimiert.

2. Bei § 3 HWG handelt es sich in alter und neuer Fassung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6 UKlaG um eine Verbraucherschutznorm i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG.

3. Ein Verstoß gegen den § 3 Nr. 1 HWG a.F. und n.F. liegt vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die obigen Ausführungen unter A. I. 5 verwiesen.

4. Das Verbraucherschutzinteresse an der Geltendmachung des Anspruchs besteht, vgl. § 2 Abs. 1 UKlaG. Ein Versehen im Einzelfall liegt bei der gezielt gewählten Werbegestaltung nicht vor.

5. Auch die erforderliche Wiederholungsgefahr ist infolge der festgestellten Verletzungshandlung gegeben. Die von der Beklagten unterschriebene Unterlassungserklärung (vgl. Erklärung vom 20.01.2022 in Anlage K3) konnte die Wiederholungsgefahr aufgrund der Ablehnung des Klägers nicht ausräumen, Insoweit wird auf die obigen Ausführungen unter A. I. 6. verwiesen.

III. Aufgrund des bestehenden Unterlassungsanspruchs hat der Kläger gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Erstattung seiner Abmahnkosten nach § 5 UKlaG i.V. m. § 13 Abs. 3 UWG. Einwände gegen die Höhe der geltend gemachten Pauschale wurden nicht erhoben.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Hamburg: Wettbewerbswidrige Irreführung bei Reduzierung der Füllmenge von 500g auf 400g bei gleicher Verpackung ohne aufklärenden Hinweis während der ersten 3 Monate

LG Hamburg
Urteil vom 13.02.2024
406 HKO 121/22


Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch eine Mogelpackung vorliegt, wenn die Füllmenge bei identischer Produktverpackung von 500g auf 400g reduziert wird, ohne dass während der ersten 3 Monate ein aufklärender Hinweis erfolgt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die allgemeinen Irreführungstatbestände des $ 5 UWG auch bei Irreführungen hinsichtlich einer Packungsgröße anwendbar. Gerade wenn man mit der Beklagten davon ausgehen wollte, dass § 43 Abs. 2 MessEG nur objektiv aus der Gestaltung und Befüllung von Fertigpackungen resultierende Täuschungen erfasst, ist kein Grund ersichtlich, warum § 43 Abs. 2 MessEG aus anderen Umständen resultierende Irreführungen betreffend die Füllmenge von Fertigpackungen in der Art privilegieren sollte, dass die allgemeinen Irreführungstatbestände hierauf nicht anwendbar wären. Erfasst § 43 Abs. 2 MessEG hingegen auch aus anderen Umständen resultierende Täuschungen, ist ebenfalls kein Grund für eine Unanwendbarkeit der allgemeinen Irreführungsverbote ersichtlich.

Vorliegend ist der Vertrieb der hier streitigen 400 g-Packung ohne deutlich sichtbaren aufklärenden Hinweis über die geänderte Füllmenge jedenfalls für einen Zeitraum von 3 Monaten irreführend, wenn „Sanella“ zuvor in einer bis auf die Füllmengenangabe identischen Produktverpackung in 500 g-Packungen vertrieben worden ist. Die auf der Produktseite angegebene Füllmenge wird dem situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittverbraucher vielfach entgehen. Er wird vielmehr regelmäßig auf Grund des übereinstimmenden Erscheinungsbildes der Verpackungen davon ausgehen, ein auch hinsichtlich der Füllmenge unverändertes Produkt zu erwerben und die geringere Füllmenge erst im Nachhinein bemerken.

Insoweit ist auch nicht etwa die Wiederholungsgefahr durch Zeitablauf entfallen. Zwar sind seit der im Sommer 2022 erfolgten Produktumstellung bereits deutlich mehr als 3 Monate vergangen. Es ist jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass die Beklagte die hier streitgegenständliche Produktumstellung zu einem späteren Zeitpunkt erneut vornimmt, also nach zwischenzeitlichem Vertrieb einer 500 g-Packung die Füllmenge wiederum auf 400 g reduziert. Dies auch deshalb, weil die Beklagte ihr Streichfett „Sanella* in der Vergangenheit im Laufe der Zeit in einer ganzen Reihe verschiedener Packungsgrößen und Füllmengen angeboten hat.

Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass der Vertrieb der 400 g-Packung unabhängig von dem Zeitablauf seit Umstellung der Füllmengen von 500 g auf 400 g irreführend wäre. Die zu 80 % mit Streichfett gefüllte 400 g-Packung „Sanella“ täuscht jedenfalls nicht unabhängig von der zuvor vertriebenen 500 g-Packung eine größere Füllmenge vor als in ihr enthalten ist. Dies kann auch unter Berücksichtigung des wettbewerblichen Umfeldes nicht festgestellt werden, so dass offen bleiben kann, ob bei der Feststellung eines Verstoßes gegen § 43 Abs. 2 MessEG auch auf außerhalb der konkret streitgegenständlichen Verpackung liegende Umstände abgestellt werden kann oder nur § 5 UWG bzw. Art 7 LMIV einschlägig sind. Streichfette werden zwar vielfach weiterhin in 500 g-Packungen vertrieben, daneben aber auch in einer ganzen Reihe von Packungsgrößen mit unterschiedlichen Füllmengen. Auch ist weder ersichtlich noch substantiiert dargelegt, dass die farblich sehr unterschiedlich gestalteten 500 g-Packungen dem Verbraucher ein optisch einheitliches Bild vermitteln, wie es als Grundlage einer Irreführung hinsichtlich der Befüllung der hier streitigen Packung erforderlich wäre. Die von der identisch ausgestalteten 500 g-Packung „Sanella“ ausgehende Irreführung besteht hingegen nur innerhalb einer gewissen Übergangszeit, die 3 Monate nach der Umstellung noch nicht abgelaufen ist, jedoch vor Schluss der mündlichen Verhandlung in dieser Sache ihr Ende gefunden hat.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG München: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit 0%-Finanzierung im Online-Shop von Saturn und Mediamarkt wenn zugleich Rahmenkreditvertrag abgeschlossen wird

OLG München
Urteil vom 19.10.2023
6 U 3908/22


Das OLG München hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit "0%-Finanzierung" im Online-Shop von Saturn und Mediamarkt vorliegt, wenn zugleich ein Rahmenkreditvertrag abgeschlossen wird

Aus den Entscheidungsgründen:
2) Indem die Beklagte eine 0%-Finanzierung zum Erwerb im Rahmen ihrer Online-Shops unter www.s...de und www.m...de blickfangmäßig beworben und lediglich im Rahmen eines nur schwer leserlichen und inhaltlich nicht hinreichend klaren auflösenden Hinweises zu einem Sternchenvermerk darauf hingewiesen hat, dass über die Finanzierung des Produkts hinaus ein zeitlich unbefristeter Rahmenkreditvertrag bis zu einem Nettodarlehensvertrag von EUR 10.000,00 mit dem Kreditinstitut BNP P. mit einer veränderlichen Sollzinsbelastung von 14,84% (15,9% effektiver Jahreszinssatz) abgeschlossen wird, hat sie gegen das Irreführungsverbot gemäß § 5 Abs. 1 UWG verstoßen.

a) Gemäß § 5 Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

aa) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Tatsachen oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die in § 5 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 7 UWG genannten Umstände enthält. Hierzu zählen gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG insbesondere die wesentlichen Merkmale der fraglichen Ware oder Dienstleistung einschließlich deren Art, Risiken und Zusammensetzung. Zur Täuschung im Sinne von § 5 Abs. 2 Alt. 2 UWG geeignet und damit irreführend ist eine Angabe, wenn sie bei den angesprochenen Kunden eine Vorstellung erzeugt, die mit den wirklichen Verhältnissen nicht im Einklang steht, wobei es für die Beurteilung auf den Gesamteindruck ankommt, den die geschäftliche Handlung bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft (st. Rspr., statt vieler: BGH, Urt. v. 12.05.2022, Az. I ZR 203/20, GRUR 2022, 925 Tz. 18 – Webshop Awards; BGH, Urt. v. 04.07.2019, Az. I ZR 161/18, GRUR 2020, 299 Tz. 10 – IVD-Gütesiegel; Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 5 Rn. 1.56). Wird dabei eine Angabe blickfangmäßig herausgestellt, darf diese für sich genommen nicht unrichtig oder für den Verkehr missverständlich sein (st. Rspr., statt vieler: BGH, Urt. v. 15.10.2015, Az. I ZR 260/14, GRUR 2016, 207 Tz. 16 – All Net Flat; BGH, Urt. v. 18.12.2014, Az. I ZR 129/13, GRUR 2015, 698 Tz. 16 – Schlafzimmer komplett; BGH, Urt. v. 19.04.2007, Az. I ZR 57/05, GRUR 2007, 981 Tz. 23 – 150% Zinsbonus). Vermittelt eine blickfangmäßig herausgestellte Angabe für sich genommen eine fehlerhafte Vorstellung, kann der dadurch veranlasste Irrtum nur durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen werden, der seinerseits selbst am Blickfang teilhaben muss, was nur dann der Fall ist, wenn der situationsadäquat aufmerksame Verbraucher die aufklärenden Hinweise auch wahrnimmt (BGH, Urt. v. 18.12.2014, Az. I ZR 129/13, GRUR 2015, 698 Tz. 16 – Schlafzimmer komplett; BGH, Urt. v. 19.04.2007, Az. I ZR 57/05, GRUR 2007, 981 Tz. 23 – 150% Zinsbonus). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Zweck des Irreführungsverbotes der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (Richtlinie Nr. 2005/29/EG) entsprechend darin besteht, den Verbraucher in seiner Fähigkeit zu einer freien und informationsgeleiteten Entscheidung zu schützen (BGH, Urt. v. 15.10.2015, Az. I ZR 260/14, GRUR 2016, 207 Tz. 18 – All Net Flat).

bb) Diese Maßstäbe zugrunde gelegt ist eine Irreführung über die Art und Zusammensetzung der von der Beklagten im Zusammenhang mit dem Erwerb verschiedener Elektrogeräte angebotenen Dienstleistung einer 0%-Finanzierung im vorliegenden Fall zu bejahen, § 5 Abs. 2 Alt. 2 Nr. 1 UWG.

(1) Dabei sieht sich der Senat im Rahmen der vorzunehmenden rechtlichen Würdigung an die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts gebunden. Insbesondere mit Blick auf den vom Landgericht auf Seiten 3 und 4 des angegriffenen Urteils festgestellten Inhalt der klarstellenden Hinweise ist daher davon auszugehen, dass die von der Beklagten im Rahmen ihrer Online-Shops verwendeten Hinweistexte jeweils übereinstimmen. Dass ausweislich der Anlage K 3 betreffend das im Online-Shop www.s...de angebotene Produkt LG OLED55CX9LA OLED TV der Sternchenvermerk (***) nicht die eigentliche 0%-Finanzierung näher erläutert, sondern zunächst darauf hinweist, dass das Angebot „nur für direkt von Saturn angebotene Produkte“ gilt, mit der H. Bank GmbH & Co KG, …, im Fortfolgenden ein weiterer Finanzierungspartner genannt wird und auch der Satz, wonach der Partner für den Onlineshop der MMS E-C. GmbH die BNP P. S.A. …, … sei, fehlt, war im Rahmen der Irreführungsprüfung daher nicht zu berücksichtigen. Gleiches gilt im Ergebnis hinsichtlich des im Online-Shop www.m. .de angebotenen Produkts LG OLED65CX9LA OLED TV, bei dem ebenfalls der weitere Finanzierungspartner H. Bank …, genannt ist und der Hinweis, wonach der Partner für den Onlineshop der MMS E-C. GmbH die BNP P. S.A. sei, fehlt (Anlage K 4). Der Tatbestand des landgerichtlichen Urteils weist insoweit keine Widersprüche, Lücken oder Unklarheiten auf und wurde von den Parteien auch nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen. Ein Rückgriff auf die von der Klägerin vorgelegten Anlagen und den sich hieraus ergebenden tatsächlichen Text der Hinweise ist dem Senat daher verwehrt (vgl. BGH, Urt. v. 01.07.2021, Az. I ZR 137/20, WRP 2022, 48 Tz. 27 f. – Kaffeebereiter).

(2) Ungeachtet dessen stellt sich aber die streitgegenständlich beworbene 0%-Finanzierung unter Berücksichtigung des vom Landgericht festgestellten Hinweistextes als irreführend dar (nachfolgend (a)). Die zu den Sternchenvermerken von der Beklagten abgedruckten Hinweise genügen nicht, um eine Irreführung im vorliegenden Fall auszuschließen. Dem Verbraucher wird die entgegen der beworbenen 0%-Finanzierung tatsächlich mögliche Zinsbelastung in den in der Fußzeile der jeweiligen Homepage abgedruckten Hinweisen nicht hinreichend klar und unmissverständlich erläutert (nachfolgend (b)).

(a) Die streitgegenständliche 0%-Finanzierung wurde von der Beklagten blickfangmäßig in einem Kästchen unmittelbar unterhalb der Preisangabe des jeweils zu erwerbenden Produkts beworben und herausgestellt. Mit der blickfangmäßigen Herausstellung der 0%-Finanzierung einschließlich der mit der Höhe und Anzahl der Raten klar bezeichneten wesentlichen Konditionen weckt die Beklagte bei dem angesprochenen Verbraucher die Erwartungshaltung, im Zusammenhang mit dem Erwerb der jeweiligen Ware keine, auch keine potentielle weitere Zinsbelastung tragen zu müssen. Dieser Verbrauchervorstellung entsprechen die tatsächlichen Verhältnisse nicht. Denn tatsächlich wird dem Verbraucher bei einem Einkauf über die Online-Shops der Beklagten unter www.s. .de und www.m. .de mit der Wahl der ihm angebotenen 0%-Finanzierung nicht nur eine entsprechende zinsfreie Finanzierung des tatsächlich erworbenen Produkts in Form eines Ratenkredits ermöglicht, sondern darüber hinaus ein zeitlich unbefristeter Rahmenkreditvertrag über einen Nettodarlehensbetrag bis zu EUR 10.000,00 mit dem Kreditinstitut BNP P.vermittelt und hierzu eine Mastercard zugesandt, bei deren Gebrauch dem Verbraucher erhebliche weitere Kosten in Höhe eines veränderlichen Sollzinssatzes von 14,84% (15,9% effektiver Jahreszinssatz) entstehen können.

Ihrem Inhalt nach richtet sich die streitgegenständliche Werbung an Endverbraucher. Maßgeblich ist damit die Sichtweise des durchschnittlich informierten, verständigen und der Situation, in der er mit der Aussage konfrontiert wird, entsprechend aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers (st. Rspr., statt vieler: BGH, Urt. v. 19.04.2007, Az. I ZR 57/05, GRUR 2007, 981 Tz. 20 – 150% Zinsbonus; BGH, Urt. v. 24.10.2022, Az. I ZR 50/500, GRUR 2003, 163, 164 – Computerwerbung II). Da die Mitglieder des erkennenden Senats zu den von der streitgegenständlichen Werbung angesprochenen Verkehrskreisen zählen, können diese die mit der von der Beklagten angebotenen 0%-Finanzierung erzeugte Vorstellung aus eigener Anschauung selbst beurteilen. Angesichts der dem Wortlaut nach auf eine Finanzierung zu 0% Zinsen gerichteten Werbung und der zugleich angegebenen Anzahl und Höhe der zu bezahlenden Raten versteht der angesprochene Durchschnittsverbraucher die ihm dargebotene Finanzierungsmöglichkeit dahingehend, das fragliche Produkt gegen Zahlung der nach Anzahl und Höhe benannten Raten ohne jede zusätzliche Zinsbelastung erwerben zu können.

Dabei ist zwar entgegen dem Landgericht davon auszugehen, dass der durchschnittliche Verbraucher die fragliche Werbung nicht lediglich flüchtig wahrnehmen wird. Denn bei den streitgegenständlichen Produkten, hier Fernseher der Marken Sony und LG mit OLED-Technologie, handelt es sich um hochpreisige Güter, die nicht Gegenstand alltäglicher Erwerbsgeschäfte sind, sondern typischerweise auf einer überlegten und geplanten Kaufentscheidung beruhen. Daher wird der Durchschnittsverbraucher im Grundsatz den unmittelbar in dem unterhalb der Preisangabe des jeweiligen Produkts blickfangmäßig hervorgehobenen Kästchen als solchen erkennbaren Sternchenvermerk zu der dort angebotenen 0%-Finanzierung wahrnehmen und diesem auch nachgehen. Da dem Verbraucher aber die zum Zwecke der Finanzierung primär relevanten Informationen betreffend die Höhe und Anzahl der von ihm zu zahlenden Raten bereits aus der eigentlichen Blickfangwerbung bekannt sind, wird er im Rahmen des Sternchenvermerks allenfalls ergänzende Informationen zur Abwicklung des Ratenkredits, insbesondere zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Raten und den zur Zahlungsabwicklung benötigten Bank- und Kontodaten des Zahlungsempfängers, erwarten. Stattdessen enthält der Sternchenvermerk aber neben der Angabe verschiedener in Betracht kommender Zahlungsdienstleister den Hinweis auf einen im Falle des Einkaufs über den jeweiligen Online-Shop mit dem Finanzierungspartner BNP P. zustande kommenden Rahmenkreditvertrag sowie auf eine in diesem Zusammenhang dem Verbraucher zur Verfügung gestellte Mastercard, bei deren Gebrauch ihm möglicherweise Zinszahlungspflichten in Höhe von bis zu 15,9% effektiver Jahreszins des aus dem Kreditrahmen in Anspruch genommenen Betrages entstehen können. Der Inhalt des streitgegenständlichen Sternchenvermerks begründet mithin einen angesichts der aus dem Blickfang heraus klaren Verbrauchervorstellung einer vollständig zinsfreien Finanzierung eines spezifischen Erwerbsgeschäfts überraschenden Widerspruch zu der dem Verbraucher letztlich bei Gebrauch der im Zusammenhang mit der 0%-Finanzierung übersandten Mastercard möglicherweise entstehenden Zinszahlungspflicht und belegt somit das für die Annahme der Irreführung entscheidende Auseinanderfallen von Verbrauchervorstellung einerseits und tatsächlicher Situation andererseits.

Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang das mit Schriftsatz vom 29.08.2023 sowie in der mündlichen Verhandlung von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten vertiefte Argument, wonach dem relevanten Durchschnittsverbraucher aus verschiedenen Internetveröffentlichungen bekannt sei, dass auch im Falle von 0%-Finanzierungen alles seinen Preis habe und insoweit verschiedene Geschäftsmodelle einschließlich des zugleich mit dem Warenerwerb erfolgenden Verkaufs von Kreditkarten praktiziert würden. Von Verbraucherschutzorganisationen und Anbietern von Verbraucherinformationen veröffentlichte Hinweise und Warnungen vor versteckten Kostenfallen sind insoweit bereits im Ansatz nicht geeignet, das Vorstellungsbild des maßgeblichen Durchschnittsverbrauchers dahingehend zu prägen, dass dieser im Hinblick auf die im Einzelfall zu beurteilende Werbung keiner Fehlvorstellung unterliegt. Die von der Beklagten vorgelegten Internetpublikationen zeigen im Gesamtbild vielmehr, wie unklar und heterogen sich die Gestaltung von 0%-Finanzierungen darstellt. Hieraus folgt aber gerade nicht, dass eine Irreführung mangels entsprechender Fehlvorstellung des maßgeblichen Durchschnittsverbrauchers per se ausgeschlossen ist. Vielmehr ist damit im Gegenteil umso mehr belegt, dass der Anbieter einer 0%-Finanzierung gerade unmissverständlich und hinreichend klar erläutern muss, mit welchen möglichen Zusatzkosten ein Verbraucher gegebenenfalls rechnen muss, um in dem jeweiligen Einzelfall eine Irreführung auszuschließen.

(b) Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung sind die zu den Sternchenvermerken vorgehaltenen Hinweise weder nach Art noch nach Inhalt hinreichend klar, um die dargelegte Irreführung zu beseitigen. Die in der Fußzeile der streitgegenständlichen Internet-Webseiten von der Beklagten abgedruckten Hinweise genügen den Anforderungen an einen dem Bundesgerichtshof zufolge im Falle einer durch eine blickfangmäßige Werbung verursachten Fehlvorstellung notwendigen klarstellenden Hinweis nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der angesprochene Verbraucher auf Grund der wortlautgemäß eindeutigen Blickfangwerbung für die streitgegenständliche 0%-Finanzierung keinerlei Anlass hat, damit zu rechnen, dass ihm aus oder im Zusammenhang mit dieser Finanzierung weitere Zinsbelastungen entstehen können. Im Gegenteil darf der Verbraucher aufgrund der seitens der Beklagten erfolgten Werbung gerade berechtigter Weise davon ausgehen, mit keinerlei Zinszahlungspflichten belastet zu werden, sodass entsprechend der auch vom Landgericht im Ergebnis zu Recht vertretenen Auffassung strenge Anforderungen an den im Streitfall erforderlichen klarstellenden Hinweis zu stellen sind.

Die streitgegenständlichen Hinweise sind bereits der Art ihrer Darstellung nach nicht hinreichend klar. Selbst wenn man – was der Senat im vorliegenden Fall zugunsten der Beklagten unterstellt – im Hinblick auf die streitgegenständlichen hochpreisigen Produkte davon ausgeht, dass der angesprochene Verbraucher angesichts der wirtschaftlichen Tragweite der entsprechenden Kaufentscheidung dem Sternchenvermerk nachgeht, kann dessen Inhalt von dem angesprochenen Durchschnittsverbraucher innerhalb der ohne erkennbare Absätze aneinandergereihten Liste verschiedener Klarstellungen nicht hinreichend klar zur Kenntnis genommen werden. Angesichts der eindeutigen blickfangmäßigen Bewerbung der 0%-Finanzierung und der daraus resultierenden Erwartung einer auch im Übrigen nicht bestehenden Zinsbelastung ist insoweit zu erwarten, dass die Beklagte, die als verantwortliche Anbieterin einem Kunden mit der 0%-Finanzierung zugleich eine dessen Erwartungshaltung kontrastierenden Rahmenkreditvertrag mit potentiell erheblicher Zinsbelastung vermitteln will, einen Hinweis so gestaltet, dass sich dieser seiner Darstellung nach der blickfangmäßig beworbenen 0%-Finanzierung entsprechend dem Kunden leicht erkennbar und klar erschließt. Diesen Anforderungen wird der streitgegenständliche Hinweis aber nicht gerecht. Schriftart und -größe sind im Vergleich zu der im Übrigen erfolgten Gestaltung der jeweiligen Online-Shops ersichtlich unauffällig und nur schwer leserlich gestaltet. Gleiches gilt für die von der Beklagten im Vergleich zu den sonstigen Textdarstellungen gewählte magere Schriftstärke. In ausgedruckter Form sind die Hinweise, wie aus Anlagen K 3 und K 4 ersichtlich, allenfalls bei höchster Konzentration unter Zuhilfenahme von Seh- oder Lesehilfen entzifferbar.

Nichts anderes ergibt sich insoweit auch aus dem Argument der Beklagten, dass der Verbraucher seinerseits den Text über die sogenannte Zoomfunktion vergrößern und jedenfalls sodann klar wahrnehmen könne. Hierzu hat der Verbraucher im vorliegenden Fall angesichts der durch die eindeutige Blickfangwerbung geweckten Erwartung, keinerlei Zinsbelastungsrisiken ausgesetzt zu sein, bereits keinen Anlass. Will der verantwortliche Betreiber eines Online-Shops einem Kunden einen Vertragsschluss vermitteln, der ihn zu einer Leistung verpflichtet (hier: mögliche Zinsbelastung), welche gerade im Gegensatz zu der durch eine Blickfangwerbung geweckten Erwartungshaltung (hier: keinerlei Zinsbelastung) steht, hat vielmehr der Anbieter selbst dafür Sorge zu tragen, dass entsprechende Hinweise hardwareunabhängig mittels geeigneter Voreinstellungen des von ihm gestalteten Online-Shops leicht zur Kenntnis genommen werden können. Dies ist vorliegend indes nicht der Fall. Vielmehr geht der Hinweis auf den zusätzlichen Abschluss eines Rahmenkreditvertrages samt möglicher zusätzlicher Zinsbelastung dem Gesamteindruck der Gestaltung der streitgegenständlichen Online-Shops nach in dem einheitlichen Textblock verschiedenster Hinweise unter, sodass zumindest ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Durchschnittsverbraucher diesen nicht zur Kenntnis nehmen wird (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.2015, Az. I ZR 260/14, GRUR 2016, 207 Tz. 20 – All Net Flat).

Darüber hinaus sind auch die Umstände der 0%-Finanzierung und der in diesem Zusammenhang erfolgten Kreditvergabe durch das Kreditinstitut BNP P. ihrem Inhalt nach nicht hinreichend klar und unmissverständlich erläutert. Ergänzend zu den insoweit zutreffenden Ausführungen des Landgerichts (Bl. 88/89 d. Akte, dort: Ziff. 2.2.4) ist insoweit darauf hinzuweisen, dass insbesondere auch die Formulierung, dass „danach und für alle weiteren Verfügungen“ der veränderliche Sollzinssatz „(jährlich) 14,84% (15,9% effektiver Jahreszinssatz)“ betrage, missverständlich ist. Die Beklagte trägt zwar gemäß Rn. 33 ihrer Berufungsbegründung vom 12.09.2022 (Bd. 2, Bl. 22 d. Akte) vor, dass die 0%-Finanzierung auch für alle weiteren Produktangebote ihres Online-Shops gälte, sofern diese ebenfalls mit „0% Finanzierung“ beworben würden. Dem Wortlaut des von der Beklagten verwendeten Hinweises zufolge ist aber eine Auslegung gerade nicht ausgeschlossen, wonach im Falle einer Finanzierung eines jeden weiteren über den jeweiligen Online-Shop der Beklagten getätigten Erwerbsgeschäfts der vorstehende genannte veränderliche Sollzinssatz fällig wird. Hinzu kommt, dass jedwede nähere Erläuterung zu den Nutzungsbedingungen der dem Hinweis zu Folge einem Verbraucher zur Verfügung gestellten MasterCard fehlt. Insoweit bleibt es für den Verbraucher insbesondere unklar, ob er den veränderlichen Sollzinssatz schon bei jeder weiteren Bestellung über den fraglichen Online-Shop der Beklagten zu bezahlen hat oder ob dies nur bei gesonderter Inanspruchnahme der Master-Card zur Finanzierung von Produkten dritter Anbieter der Fall ist.

Die Beklagte kann dem auch nicht entgegenhalten, mit den Angaben zum Abschluss des Rahmenkreditvertrages lediglich gesetzliche Informationspflichten erfüllt zu haben. Diese von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten als solche bezeichnete Dilemmasituation ist aber unter dem Gesichtspunkt des wettbewerbsrechtlichen Irreführungsverbotes bereits aus dem Grund in rechtlicher Hinsicht unbeachtlich, weil die vermeintliche Pflichtenkollision gerade nicht unvermeidlich ist, sondern allein auf die von der Beklagten selbst getroffene geschäftliche Entscheidung zurückgeht, dem Kunden eine Warenfinanzierung in Verbindung mit einem mit dem Finanzierungspartner zusätzlich abzuschließenden Rahmenkreditvertrag anzubieten. Wie der streitgegenständliche Hinweis der Beklagten selbst auf die weiteren Finanzierungspartner zeigt, ist eine 0%-Finanzierung dagegen zweifellos auch in der Gestaltung eines auf das entsprechende Erwerbsgeschäft beschränkten Ratenkredits möglich und wird so von der Beklagten selbst in anderen Fällen wie etwa beim Erwerb in physischen Ladengeschäften auch praktiziert. Vor diesem Hintergrund kann der Senat die Frage offenlassen, ob die mit Blick auf den dem Verbraucher mit dem Abschluss einer 0%-Finanzierung zugleich vermittelten Rahmenkreditvertrag in dem streitgegenständlichen Hinweis enthaltenen Informationen überhaupt den sich insbesondere aus § 491a BGB i.V.m. Art. 247 § 3 EGBGB ergebenden strengen gesetzlichen Anforderungen entsprechen (zur Anwendbarkeit der §§ 491 ff. BGB auf Zahlungsinstrumente mit Rahmenkreditabrede siehe etwa Jungmann, in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 56 Rn. 57).

Darüber hinaus ist auch der auf Homepage des Online-Shops der Beklagten enthaltene Link „0%-Finanzierung“ nicht geeignet, die Irreführung zu beseitigen. Zwar ist der Text insoweit zumindest leicht leserlich. Ungeachtet dessen ist aber der nach dem insoweit unstreitigen Parteivortrag mit den streitgegenständlichen Sternchenvermerken identische Text – wie ausgeführt – seinem Inhalt nach nicht hinreichend klar und verständlich. Letztlich kommt es hierauf aber gar nicht an. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann in Fällen, in denen eine blickfangmäßige Werbung bei isolierter Betrachtung eine fehlerhafte Vorstellung vermittelt, der dadurch veranlasste Irrtum regelmäßig nur durch einen solchen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen werden, der seinerseits selbst am Blickfang teilhat (BGH, Urt. v. 15.10.2015, Az. I ZR 260/14, Tz. 16 m.w.N. – All Net Flat). Diese Voraussetzung ist indes hinsichtlich des in der Titelleiste der Homepage der Online-Shops der Beklagten enthaltenen Links „0%-Finanzierung“ nicht erfüllt. Denn der fragliche Link ist in der Titelzeile der Online-Shops der Beklagten enthalten und nimmt somit aufgrund der sich daraus ergebenden klaren optischen Trennung nicht an der unterhalb der jeweiligen Preisangabe enthaltenen blickfangmäßigen Bewerbung der für das konkrete Produkt angebotenen 0%-Finanzierung teil.

bb) Die nach alledem vorliegende Irreführung ist wettbewerblich relevant. Die wettbewerbliche Relevanz ergibt sich – wie das Landgericht zutreffend ausführt – bereits aus der mit der streitgegenständlichen Blickfangwerbung verbundenen Anlockwirkung. Denn eine wie hier blickfangmäßig beworbene 0%-Finanzierung veranlasst den angesprochenen Durchschnittsverbraucher gerade dazu, sich mit dem Erwerb der entsprechenden hochpreisigen Waren näher auseinanderzusetzen (vgl. BGH, Urt. v. 28.04.2016, Az. I ZR 23/15, MMR 2015, 680 Tz. 35 – Geo-Targeting; OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 16.09.2021, Az. 6 U 133/20, GRUR-RR 2022, 94 Tz. 20; Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, § 5 Rn. 1.195 m.w.N.).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Düsseldorf: Keine Irreführung und kein Verstoß gegen § 18 Abs. 2 HGB durch Bennungen einer privatwirtschaftlichen GmbH mit "Institut für Einfachheit"

OLG Düsseldorf
Beschluss vom 15.08.2023
3 Wx 104/23


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, das keine Irreführung und kein Verstoß gegen § 18 Abs. 2 HGB durch Benennung einer privatwirtschaftlichen GmbH mit "Institut für Einfachheit" vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die gemäß §§ 382 Abs. 3, 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Gemäß § 18 Abs. 1 HGB muss die Firma zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. Gemäß § 18 Abs. 2 HGB darf die Firma keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Im Verfahren vor dem Registergericht wird die Eignung zur Irreführung nur berücksichtigt, wenn sie ersichtlich ist.

Eine ersichtliche Irreführung durch die Verwendung der Firma „Institut für Einfachheit“ im Sinne der Vorschrift lässt sich nicht feststellen.

Zu den bedeutsamen Angaben über die gesellschaftlichen Verhältnisse gehören Angaben zu Art, Größe und Tätigkeit der Gesellschaft, zu ihrem Alter, ihrer Zusammensetzung oder ihren sonstigen Verhältnissen (Senat, Beschluss vom 16.04.2004 – I-3 Wx 107/04, Rn. 15; OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.04.2001 – 20 W 84/2001, Rn. 2, juris). Die durch die mögliche Täuschung in Betracht kommende Irreführung muss von einer gewissen Bedeutung für die angesprochenen Verkehrskreise sein, wobei ein objektiver Maßstab aus der Sicht der durchschnittlichen Angehörigen des betroffenen Personenkreises und deren verständiger Würdigung anzulegen ist (Senat, a.a.O., Rn. 16, juris).

Da es heutzutage zahlreiche in privater Rechtsform gewerblich tätige Organisationen gibt, die das Wort „Institut“ in ihrer Firma führen (z.B. Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut, Kosmetikinstitut, Bestattungsinstitut, Reinigungsinstitut), führt - wie von der älteren Rechtsprechung angenommen - alleine die Bezeichnung „Institut“ für sich betrachtet den angesprochenen Verkehr nicht mehr zu der Vorstellung, es handele sich um eine öffentliche oder unter öffentlicher Aufsicht oder Förderung stehende, der Allgemeinheit und der Wissenschaft dienende Einrichtung mit wissenschaftlichem Personal, nicht aber um einen privaten Gewerbebetrieb oder um eine private Vereinigung (so noch BGH, Urteil vom 16.10.1986 – I ZR 157/84, Rn. 23, juris zu § 3 UWG a.F., jetzt § 5 UWG; zu § 18 Abs. 2 HGB a.F. BayObLG, Beschluss vom 26.04.1990 – BReg 3 Z 167/89, Rn. 25, juris, zu § 18 Abs. 2 HGB n.F. noch Senat, a.a.O., Rn. 17; OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 3; KG Berlin, Beschluss vom 26.10.2011 – 25 W 23/11, Rn. 10, juris). Dies gilt, obwohl der Begriff „Institut“ nach wie vor als Bezeichnung für eine wissenschaftliche Betriebseinheit einer Hochschule verwendet wird (vgl. z.B. BayObLG, a.a.O., Rn. 18; OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 4). So findet sich bei google zu den Stichworten „Institut“ und „GmbH“ zahlreiche Verweise auf Institute für Moderation und Management, für Facility Management, für Mitbestimmung, für Innovation und Transfer, ein Institut für Führungskräfte, das IST Studieninstitut, das Zukunftsinstitut und vieles mehr. Letztlich kann die Frage, ob und inwieweit vor dem dargestellten Hintergrund die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nicht fortentwickelt werden müssen, auf sich beruhen.

Denn auch bei Anwendung der bisherigen Rechtsgrundsätze folgt aus der Verwendung des Worts „Institut“ in der Firma vorliegend keine Irreführung. Danach muss die Bezeichnung "Institut" für ein Privatunternehmen zur Vermeidung von Irreführungen mit klaren Hinweisen versehen werden, die einen solchen Charakter außer Zweifel stellen. Dabei kommt es stets auf die konkrete Art des Gebrauchs, insbesondere die im Zusammenhang mit dem Begriff "Institut" verwendeten weiteren Bestandteile der Bezeichnung oder auf sonstige im Zusammenhang damit benutzte Angaben an (BGH, a.a.O. Rn. 23 zu § 3 UWG a.F.; zu § 18 Abs. 2 HGB BayObLG, a.a.O., Rn. 25; OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 4; KG Berlin, a.a.O., Rn. 11, juris). Dabei reicht die Angabe des Rechtsformzusatzes, z.B. GmbH in der Regel nicht aus, um die Täuschungseignung auszuschließen (Ries in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 3. Akademie, Institut, Anstalt, Seminar, Kolleg, Rn. 50 f., OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 4; vgl. Senat, a.a.O., Rn. 17 zu e.K.; KG Berlin, a.a.O., Rn. 12 zu e.V.).

Eindeutig als nicht täuschungsgeeignet und somit zulässig sind Bezeichnungen wie z.B. Beerdigungs-, Detektiv-, Eheanbahnungs- und Meinungsforschungsinstitut sowie Institut für Schönheitspflege beurteilt worden (vgl. BayObLG, a.a.O., Rn. 23, juris). Etwas anderes wurde angenommen, wenn die Tätigkeitsangabe im Zusammenhang mit der Bezeichnung „Institut“ den Eindruck wissenschaftlicher Betätigung erweckt, z.B. bei Deutsches Vorsorgeinstitut, Kardiologisches Institut, Institut für Marktanalysen, Institut für Zelltherapie, Institut für physikalische Therapie, Institut für steuerwissenschaftliche Information, Institut für Politik und Wirtschaftswissenschaften, Dolmetscher-Institut (Ries in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 3. Akademie, Institut, Anstalt, Seminar, Kolleg, Rn. 50 mit Nachweisen zu der hierzu ergangenen Rechtsprechung).

Nach diesen Grundsätzen ist - bei der im Hinblick auf die Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gebotenen grundrechtskonformen Auslegung des § 18 Abs. 2 HGB - eine Irreführung durch die Firma „Institut für Einfachheit“ nicht ersichtlich. Der Namenszusatz „für Einfachheit“ ist weder identisch mit universitären Studiengängen oder Forschungszweigen, noch weist er auf eine bestimmte Fachrichtung hin. Er ist auch nicht geeignet, die Vorstellung einer wissenschaftlichen Einrichtung, die mit dem Wort „Institut“ verbunden werden könnte, zu verstärken (vgl. KG Berlin, a.a.O., Rn. 12).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Wettbewerbswidrige Spitzenstellungsbehauptung durch Slogan" Deutschlands Nr. 1 Tag & Nacht Erkältungsmittel" für Produkt "Wick Daynait"

OLG Frankfurt
Urteil vom 14.12.2023
6 U 197/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Spitzenstellungsbehauptung durch Werbung für das Erkältungsmittel "Wick Daynait" mit dem Slogan "Deutschlands Nr. 1 Tag & Nacht Erkältungsmittel" vorliegt. Bei Erkältungsmitteln belegt das Produkt nicht den Spitzenplatz. Der Slogan ist so zu verstehen, dass das Produkt das meistverkaufte Erkältungsmittel ist und sich die Werbeaussage nicht auf ausschließlich auf spezielle "Tag und Nacht"-Erkältungsmittel bezieht. Daher liegt eine wettbewerbswidrige Irreführung vor. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.


OLG Köln: Ankerkraut gegen BUTCHER´s by Penny - Keine Markenrechtsverletzung durch Verwendung der Wortfolge "Beef Booster" und keine wettbewerbswidrige Nachahmung

OLG Köln
Urteil vom 08.09.2023
6 U 39/23


Das OLG Köln hat im Rechtsstreit zwischen Ankerkraut und Penny wegen des Produkts "BUTCHER´s by Penny" entschieden, dass keine Markenrechtsverletzung durch Verwendung der Wortfolge "Beef Booster" vorliegt. Zudem hat das Gericht auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche abgelehnt.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch aus Markenrecht zu. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 5, Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind zwar insoweit erfüllt, als die Klägerin Inhaberin der u.a. für Gewürze und Gewürzmischungen eingetragenen und in Kraft stehenden Wortmarke „Beef Booster“ ist, der trotz der beschreibenden Anklänge eine zumindest geringe Kennzeichnungskraft zukommt, und die Beklagten bei der Trockenmarinade „BEEF BOOSTER“ ein mit der eingetragenen Marke identisches Zeichen für identische Ware verwendet haben. Es fehlt jedoch an der für die Feststellung einer Markenrechtsverletzung erforderlichen markenmäßigen Verwendung des geschützten Zeichens. Für die Beurteilung der - für einen Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 5 MarkenG stets erforderlichen und unabhängig von der Kennzeichnungskraft der Marke zu prüfenden - markenmäßigen Benutzung kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalles an, auf die konkrete Aufmachung, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt, unter Berücksichtigung der Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor. Dies trägt die Klägerin selbst in der Berufungsbegründung zutreffend vor. Insoweit kann sie aus Urteilen zu anderen Sachverhalten nichts zu ihren Gunsten herleiten. Weder die von ihr angeführte Entscheidung des OLG München (Urteil vom 17.11.2005, 29 U 1927/05: Verwechslungsgefahr zwischen der Wortmarke MEMORY und einem Zeichen mit den Wortbestandteilen EDUCA memory game für Legekartenspiele) noch die Entscheidung des Senats im Verfahren 6 U 203/08 (Urteil vom 20.05.2009: Verwechslungsgefahr zwischen der Wortmarke „Powermoon“ und der Bezeichnung „LED-LENSER V 13 Power Moon" für Beleuchtungsgeräte) sind in tatsächlicher Hinsicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar. Anders als in den vom OLG München bzw. dem Senat entschiedenen Fällen werden die Marke „BUTCHER´S by PENNY“ und die Bezeichnung „BEEF BOOSTER“ nicht in unmittelbaren Zusammenhang zueinander bzw. als ein Gesamtzeichen verwendet. Die von der Klägerin dafür, dass die Verwendung mehrere Marken zur Kennzeichnung eines Produktes eine weit verbreitete Praxis darstelle, angeführte Entscheidung des OLG Hamburg (Urteil vom 29.01.2009, 3 U 44/07) hat eine markenmäßige Verwendung von „Yoghurt Gums“ für Fruchtgummi mit Schaumzucker in der konkreten Aufmachung als rein beschreibend verneint. Entsprechendes gilt für den vorliegenden Fall. Aus der maßgeblichen Sicht des informierten Durschnittverbrauchers, die der Senat, dessen Mitglieder zum angesprochenen Verkehrskreis gehören, ohne weiteres selbst beurteilen kann, haben die Beklagten „BEEF BOOSTER“ in der angegriffenen Produktausstattung nicht herkunftshinweisend verwendet, sondern zur näheren Beschreibung des Produkts. Die Bezeichnung erfolgt weder an einer Stelle, an der der Verbraucher einen weiteren Herstellerhinweis erwartet, noch in einer Art und Weise, die auf eine markenmäßige Verwendung hindeutet. Die Herstellerangabe „BUTCHERS by Penny“ befindet sich hervorgehoben und als solche eindeutig erkennbar über der Produktangabe „TROCKENMARINADE“. Das angegriffene Zeichen befindet sich getrennt von der prominenten Herstellerangabe unter der ebenfalls groß hervorgehobenen Produktangabe in einem kleinen farbigen Feld. In einem solchen Feld erwartet der Verbraucher keine weitere Herstellerangabe, sondern eine nähere Angabe zur Sorte bzw. dem Verwendungszweck der Trockenmarinade. Dementsprechend fügt sich das angegriffene Zeichen nicht nur in die Produktlinie der Beklagten mit den drei weiteren Sorten-Bezeichnungen „CHICKEN BOOSTER“, „HOT CAJUN“ und „MAJIC DUST“ ein sondern entspricht letztlich auch der Kennzeichnungsgewohnheit der Klägerin selbst, die in einem Farbfeld unter der prominent hervorgehobenen Herstellerangabe „ANKERKRAUT“ die verschiedenen Geschmacksrichtungen bzw. Anwendungsbereiche wie „Rührei Kräuter“, „Chili-Pfeffer Salz“, „Pizza Gewürz“, „Omas Liebling“ pp. anführt er Vortrag der Klägerin, es entspreche den Kennzeichnungsgewohnheiten in der Gewürzmittelbranche, Dachmarken mit Untersorten zu führen, denen unterscheidungskräftige Untermarken/ Zweitmarken zugewiesen seien, ist nicht mit hinreichenden Tatsachen untermauert. Der Verweis auf rund zehn eigene Marken („Bang Boom Bang“, „Mango No. 5“, „Pull that Piggy“, „Smoking Zeus“, „Teufelskerl“, „Cherry Chipotle“, „SPIC KNOCKOUT“, „TERI AKI RUMBLE“, „TONKI-KONG“) sowie die Marken „just egg“ der Just Spice GmbH, „Sweet Tonka Kiss“ der Hartkorn Gewürzmühle GmbH und „Manina D Oro“ der Firma Edo Gewürze genügt für die Feststellung einer allgemeinen Gewohnheit nicht.

Soweit die Klägerin behauptet, ihre Marke erfreue sich so hoher Bekanntheit, dass der Verkehr das Zeichen als Unterscheidungsmittel auffasse, kann nicht festgestellt werden, dass die Klagemarke „Beef Booster“ überhaupt in nennenswertem Umfang für Gewürze / Gewürzmischungen verwendet wird, erst Recht nicht, dass sie eine hohe Bekanntheit genießt. Aus dem unlesbaren Screenshot Bl. 427 eA kann zu Gunsten der Klägerin nichts hergeleitet werden, und ihr Vortrag Bl. 427 f. eA zu 1.370 Kundenrezensionen sowie 300 Verkäufen im letzten Monat ist für Feststellungen zum tatsächlichen Absatz unzureichend. In keinem Fall folgt aus diesen geringen Mengen eine hohe Bekanntheit der Klagemarke.

Im Übrigen sind die Ausführungen des Landgerichts dazu, dass „Beef Booster“ auch von Mitbewerbern als Geschmacksangabe verwendet wird, nicht zu beanstanden. Die Richtigkeit dieses Vortrags der Beklagten wird durch die Anlagen Schmitt-Teworte (S-T) 31 und B6 („BEEF BOOSTER“ von BBQ / Aldi Süd), die Anlage B7 (Knorr Beef Booster) und die Anlage B8 (Beef Booster von Hanse & Pepper) belegt. Der Begriff „Booster“ wird im Gewürzbereich allgemein für Fleisch und Geflügel (Anl. B8: „FLEISCH BOOSTER“, „Steak Booster“, „BBQ BOOSTER“; Anl. S-T 9: „CHICKEN BOOSTER“), sonstige Produkte (Anl. B8: „BUTTER BOOSTER“) und sogar isoliert (Anl. B8: „Spice Booster“) verwendet.

2. Ein Unterlassungsanspruch folgt auch nicht aus § 8 Abs. 1 UWG. Die Parteien sind zwar Mitbewerber, die Klägerin also nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UGW klagebefugt, und der Vertrieb der angegriffenen Produkte durch die Beklagten stellt eine geschäftliche Handlung dar, diese ist jedoch mangels Unlauterkeit nicht nach § 3 UWG unzulässig. Keiner der von der Klägerin geltend gemachten Unlauterkeitstatbestände ist erfüllt. Es liegt weder eine unlautere Nachahmung nach § 4 Nr. 3 UWG vor noch eine Herkunftstäuschung nach § 5 Abs. 2 UWG a.F. / § 5 Abs. 3 Nr. 1 UWG n.F.

a. Wie bereits das Landgericht ausgeführt hat, kann das Anbieten einer Nachahmung nach § 4 Nr. 3 UWG wettbewerbswidrig sein, wenn das Produkt von wettbewerblicher Eigenart ist und besondere Umstände – wie eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft oder eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung des nachgeahmten Produktes – hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt. Dabei besteht zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen eine Wechselwirkung. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen (ständige Rechtsprechung, s. zuletzt z.B. BGH, Urteil vom 26.01.2023, I ZR 15/22 – KERRYGOLD, juris, Tz. 25).

Unter welchen Voraussetzungen wettbewerbliche Eigenart vorliegt, hat das Landgericht ebenfalls bereits zutreffend und umfassend dargelegt. Hierauf kann Bezug genommen werden. Einem verpackten Produkt kann wettbewerbliche Eigenart zukommen, wenn die konkrete Gestaltung oder bestimmte Merkmale der Verpackung des Produkts geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten der darin verpackten Ware hinzuweisen (BGH, Urteil vom 26.01.2023, I ZR 15/22 – KERRYGOLD, juris, Tz. 34). Dies kann der Senat, dessen Mitglieder zum angesprochenen Verkehrskreis der Verbraucher gehören, ohne weiteres selbst feststellen.

Die Produktverpackung der ANKERKRAUT-Traditionslinie ist von wettbewerblicher Eigenart, die aus der Kombination folgender Gestaltungsmerkmale folgt:

- handelsübliches Korkenglas (Gewürzglas), ca. 10 cm hoch, ca. 170 ml. Füllvolumen;

- Korken und Glas verbunden mit einem kreisförmigen Papiersiegel in der Grundfarbe Schwarz, im Durchmesser etwas kleiner als der Korken, mit zwei seitlichen Streifen, die über den Korken und den oberen Glasrand reichen, so dass das Glas nicht geöffnet werden kann, ohne das Siegel sichtbar zu beschädigen;

- rundes Ankerkraut-Logo (Anker mit Zusatz AK) in der Mitte des Papiersiegels auf farbigem Grund; Farbe entsprechend der im unteren Drittel des Etiketts

- rechteckiges Etikett auf der Schauseite, zweifarbig, oberes Drittel Schwarz, unteres Drittel meist Braunrosa;

- Etikett auf der Schauseite im oberen Drittel unter dem silbernen Ankerkraut-Logo beschriftet jeweils in Silber mit groß „ANKERKRAUT“ und darunter klein „GESCHMACKSMANUFAKTUR“, im unteren Drittel beschriftet jeweils in Schwarz in großer Schreibschrift mit der Geschmacksrichtung (z.B. „Bratkartoffel Gewürz“) und darunter in kleiner Druckschrift einer ergänzenden Charakterangabe (z.B. „WÜRZIG UND RUSTIKAL“);

- rechteckiges Etikett auf der Rückseite, überwiegend Schwarz, mit den Pflichtangaben pp. in silberner Druckschrift.

Besonders prägend für die wettbewerbliche Eigenart ist die Gestaltung des Etiketts auf der Schauseite, an dem sich der angesprochene Verbraucher bei Produkten des täglichen Bedarfs - und so auch hier - in erster Linie orientiert (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.2000, I ZR 225/98 - Vienetta, juris, Tz. 30, 33). Die Verwendung eines Korkenglases für Gewürze ist eine als solche nicht schutzfähige gestalterische Grundidee. Dass ein Korkenglas gegen Öffnen vor dem Verkauf geschützt werden muss, liegt auf der Hand, so dass die Verwendung eines Papiersigels als einfache und preiswerte Lösung ebenfalls nicht monopolisiert werden darf.

Die wettbewerbliche Eigenart der Produktlinie der Klägerin ist von Hause aus als gering zu bewerten. Das zurückhaltend gestaltete Schauseiten-Etikett mit seinen Angaben zu der Herstellerin und dem Produkt hat letztlich einen rein beschreibenden Charakter, ebenso wie das handelsübliche Korkenglas. Solche Gläser werden regelmäßig für Gewürze verwendet. Dies entspricht der Lebenserfahrung und wird durch das von den Beklagten vorgelegte Produktumfeld belegt. Soweit die Klägerin erstmals in der Berufungsbegründung die Marktrelevanz des Produktumfeldes mit Nichtwissen bestreitet, ist ihr Vortrag als verspätet zurückzuweisen. Die Beklagten hatten bereits in der Klageerwiderung zur Marktbedeutung vorgetragen und insbesondere für die von Aldi, Lidl und der Altenburger Senf- und Feinkost GmbH & Co. (unter Senfonia Premium) veräußerten Produkte konkrete Verkaufszahlen dargelegt. Die Klägerin hat auf die Berufungserwiderung nicht repliziert und ist dem erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht entgegengetreten. Im Übrigen haben die Beklagten für die von Aldi und Lidl vertriebenen Produkte mit der Berufungserwiderung Belege für erhebliche Verkaufszahlen in Deutschland von insgesamt über 1,5 Mio. Stück im Zeitraum 2020 bis 2022 vorgelegt (s. Anl. B6 für Aldi / BBQ, Anl. B4 für Lidl / Kania; Anl. B5 für Lidl / Grillmeister; das Aldi-Produkt Grillmeister ist ausweislich der Katalogabbildungen Bl. 218 ff. eA außerdem noch im April 2023 veräußert worden). Dass die streitbefangenen Gläser typischerweise für Gewürze verwendet werden, ergibt sich sogar aus dem von der Klägerin selbst angeführten Designpreis red dot award, den sie im Jahr 2014 für das Verpackungskonzept des sich in „klassischen Gewürzgläser(n)“ präsentierenden Sortiments erhalten hat. Dass der Produktausstattung von Hause aus durchschnittliche oder gar überdurchschnittliche wettbewerbliche Eigenart zukommt, folgt aus der Verleihung des Designpreises nicht. Die Begründung zur Preisverleihung stellt im Wesentlichen auf den „unverwechselbaren Namen Ankerkraut“ und den deutlichen Bezug zur Hafenmetropole Hamburg mit dem Logo eines Ankers als traditionelles Seefahrersymbol ab.

Mit dem Landgericht kann von einer Steigerung der wettbewerblichen Eigenart aufgrund der Bekanntheit der Marke „Ankerkraut“ durch die Fernsehsendung „Höhle der Löwen“ ausgegangen werden, jedenfalls in Verbindung mit den von der Klägerin vorgelegten Verkehrsbefragungen (Anlagen K6 bis K8), wobei dahinstehen kann, ob die Gutachten methodisch in jeder Hinsicht einwandfrei sind und/oder alleine für eine Feststellung der Steigerung ausreichend wären.

Dahinstehen kann auch, ob die wettbewerbliche Eigenart durch die von der Klägerin im März 2020 bzw. April 2021 ausdrücklich gebilligten Nachahmungen, die durch Lidl unter „Edle Gewürze … Kania“ (s. Anl. S-T 30) und Aldi unter „BBQ“ (s. Anl. S-T 31) vertrieben worden sind, und/oder die ebenfalls von Lidl unter „Grillmeister“ vertriebenen Gewürzmischungen und/oder das von der Klägerin lizensierte Produkt MOESTA

Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.

wieder verwässert worden ist.

Selbst wenn von einer von Hause aus geringen und durch Verkehrsbekanntheit gesteigerten, mithin durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart ausgegangen würde, wären die allenfalls nachschaffenden Nachahmungen der Beklagten (dazu aa.) nicht zu beanstanden. Bei der nachschaffenden Nachahmung bedarf es nämlich ausgeprägter besonderer Begleitumstände, um von der Unlauterkeit ausgehen zu können (s. Wille in Büscher, UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 3 Rn. 61), an denen es hier fehlt (dazu bb. und cc.).

aa. Eine nahezu identische Nachahmung liegt vor, wenn das angebotene Produkt nur geringfügige, im Gesamteindruck unerhebliche Abweichungen von den die wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmales des Originalprodukts aufweist. Die sich gegenüberstehenden Produkte müssen ungeachtet kleinerer Abweichungen im Detail im Gesamteindruck einander so ähnlich sein, dass sie vom Verkehr praktisch nicht auseinandergehalten werden können. Eine nachschaffende Nachahmung liegt vor, wenn die fremde Leistung lediglich als Vorbild benutzt wird und eine bloße Annäherung an das Originalprodukt vorliegt. Dies ist der Fall, wenn das angebotene Produkt sich dem Originalprodukt in seinen die wettbewerbliche Eigenart begründenden Markmalen erkennbar annähert aber deutlich sichtbare Abweichungen im Gesamteindruck bestehen. Weisen die sich gegenüberstehenden Produkte allein in ihrer abstrakten Grundidee, aber nicht in ihrer diese umsetzenden konkreten Gesamterscheinung Übereinstimmungen auf, ist nicht einmal eine nachschaffende Nachahmung gegeben (s. Wille in Büscher, UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 3 Rn. 60 f.).

Im vorliegenden Fall nähern sich die Produktverpackungen der Parteien in erster Linie in der Grundidee der Verwendung eines handelsüblichen Korkenglases mit einer edel wirkenden Aufmachung (Siegel, schwarzes Etikett) an. In der konkreten Umsetzung dieser Grundidee finden sich dagegen so deutliche Unterschiede, dass im Erinnerungseindruck die Konkurrenzprodukte unverwechselbar sind. Insoweit liegt allenfalls eine nachschaffende Nachahmung vor.

Die wettbewerbliche Eigenart der Traditionslinie der Klägerin wird maßgeblich geprägt durch die zweifarbige Gestaltung des Etiketts auf der Schauseite und des Papiersiegels sowie dem bekannten, einprägsamen Namen Ankerkraut und das Ankerkraut-Logo. In diesen Elementen weicht die Produktausstattung der Beklagten deutlich vom Original ab. Die Beklagten verwenden für das Etikett bereits eine andere Grundform mit einer gerundeten Oberkante. Außerdem ist die Grundfarbe des Etiketts und des Siegels ausschließlich Schwarz. Das farbige untere Drittel der Etiketten der Klägerin findet eine allenfalls angedeutete Entsprechung in dem kleinen Farbfeld für die Geschmacksrichtung, wobei das Farbkonzept der Beklagten mit drei verschiedenen Farben für die drei Geschmacksrichtungen nicht dem der Klägerin mit ganz überwiegend einem Farbton entspricht. Die Papiersiegel sind jeweils mit den unverwechselbaren Logos der Parteien beschriftet. Auch die Marken ANKERKRAUT und BUTCHER´S by Penny sind einander in keiner Hinsicht ähnlich. Die Eigenmarke der Beklagten „BUTCHER´S by Penny“ ruft Assoziationen (nur) zum Fleischbereich hervor, das auf die Seefahrt verweisende Zeichen „Ankerkraut“ dagegen Assoziationen zu allen weltweit gehandelten Gewürzen für jedes erdenkliche Gericht. Schließlich fügt sich das angegriffene Design ohne weiteres in das sonstige unter „BUTCHER`S by Penny“ vertrieben Angebot der Beklagten ein. Die Beklagten vertreiben Hamburger-Zubehör (Patties, Brötchen, Fritten, Gewürze, Pommes-Salz), Steaks, Spare Ribs, Würstchen, Saucen etc. unter Verwendung der Grundfarbe Schwarz und des geschwungenen Butcher´s-Emblems mit kleinteiligen Zusätzen und der kleinen Abbildung eines Metzgers. Die entsprechenden typischen Gestaltungen der verschiedenen Produkte des breiten Sortiments folgt aus dem bindenden Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Seite 6 LGU) sowie den von den Beklagten zu Akte gereichten Unterlagen (Präsentation der Eigenmarke und der Produkte 2022, Anl. S-T 5 und S-T 6; Präsentation der Eigenmarke 2023, Anl. B 1). Die Wortmarke „BUTCHER´s by Penny“ ist seit 2017 eingetragen. Ihre aktuelle Verwendung u.a. auf den streitbefangenen Produkten entspricht im Gesamteindruck dem Design, in dem ausweislich der von den Beklagten vorgelegten Prospekte und Fotos aus dem Jahr 2017 (Anl. B 10 und B 11) bereits seit Jahren die Wort-Bildmarke der Beklagten BUTCHER´S Burger (Anl. B 2) verwendet worden ist.

Die Unterschiede in der Gestaltung treten nicht als geringfügig zurück, sondern führen zu einem abweichenden Gesamteindruck. Die Ausstattung der Klägerin wirkt in ihrer klaren Zweifarbigkeit und dem Bezug zur Seefahrt edel, puristisch und hanseatisch-weltoffen. Der Gesamteindruck der angegriffenen Produkte der Beklagten ist zwar auch hochwertig, dabei aber kleinteilig, bodenständig und westernmäßig-rustikal:

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Insgesamt nähern sich die Beklagten dem Produkt der Klägerin nicht dichter an als die von Aldi und Lidl unter „BBQ“ bzw. „Edle Gewürze … Kania“ und „Grillmeister“ vertriebenen Produkte:

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bb. Nach § 4 Nr. 3 lit. a) UWG handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt. Dabei ist zwischen einer unmittelbaren Herkunftstäuschung und einer mittelbaren Herkunftstäuschung zu unterscheiden. Eine unmittelbare Herkunftstäuschung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise annehmen, bei der Nachahmung handele es sich um das Originalprodukt. Eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne liegt vor, wenn der Verkehr von geschäftlichen oder organisatorischen - wie lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen - Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht oder wenn er die Nachahmung für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers hält.

Soll die Annahme einer vermeidbaren Herkunftstäuschung mit dem Argument bejaht werden, die angesprochenen Verkehrskreise könnten annehmen, dass lizenzvertragliche Verbindungen zwischen dem Hersteller des Originalprodukts und dem Anbieter der Nachahmung bestehen, müssen bei einer deutlichen Kennzeichnung der Produkte mit einem abweichenden Herstellerkennzeichen - über die Nachahmung hinausgehende - Hinweise vorliegen, die diese Annahme rechtfertigen. Ein solcher Hinweis kann beispielsweise darin liegen, dass die Beklagte zuvor Originalprodukte der Klägerin vertrieben hat oder die Parteien früher einmal durch einen Lizenzvertrag verbunden waren. Sofern die Gefahr einer Herkunftstäuschung damit begründet werden soll, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt werde, es handele sich bei dem Produkt des Wettbewerbers um eine neue Serie oder eine Zweitmarke des Unterlassungsgläubigers, müssen entsprechende Feststellungen zu den Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem in Rede stehenden Markt und zum Verständnis der von den Produkten angesprochenen Verkehrskreise getroffen werden (BGH, Urteil vom 26.01.2023, I ZR 15/22-KERRYGOLD, juris, Tz. 46).

(1) Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ist bereits aufgrund der auf den Produkten deutlich aufgebrachten unterschiedlichen Kennzeichen ausgeschlossen. Nicht nur Herstellermarken, auch Handelsmarken/Eigenmarken schließen eine unmittelbare Herkunftstäuschung aus (vgl. BGH, Urteil vom – Knoblauchwürste, juris, Tz. 14). Der Ansicht der Klägerin, das Zeichen „by Penny“ gehe in der Gesamtgestaltung unter, kann nicht beigetreten werden. Der Zusatz ist unübersehbarer Teil der auf die streitbefangenen Produkte prominent angebrachten Eigenmarke der Beklagten zu 1.

(2) Eine mittelbare Herkunftstäuschung kommt vorliegend insoweit in Betracht, als es sich bei dem Kennzeichen der Beklagten erkennbar um eine Eigenmarke handelt. Bei Eigenmarken ist dem Verkehr bekannt, dass sich dahinter andere Hersteller verbergen können. Insoweit besteht jedenfalls im Ansatz die Möglichkeit, dass der angesprochenen Verbraucher von lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien ausgehen könnte. Dagegen gibt es keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Verbraucher könnte die Produkte der Beklagten als neue Produkte der Klägerin oder die Bezeichnung „BUTCHER´S by Penny“ für einer Zweitmarke der Klägerin halten.

Tatsächlich besteht aber auch keine Gefahr einer mittelbaren Herkunftstäuschung unter dem Gesichtspunkt des Anscheins möglicher lizenz- oder gesellschaftsvertraglicher Beziehungen zwischen den Parteien. Gegen eine solche Annahme spricht bereits die Tatsache, dass die Klägerin bereits in zwei Fällen den Vertrieb mindestens so deutlicher Nachahmungen ihrer Produktlinie durch große Discounter (Aldi und Lidl) nicht nur toleriert, sondern sogar werbewirksam gutgeheißen hat. Der Verbraucher hat keine Veranlassung davon auszugehen, dass der Discounter Penny – anders als Aldi und Lidl – in einer vertraglichen Beziehung zur Klägerin steht. Außerdem fügt sich die angegriffene Produktaufmachung unverkennbar in die gesamte „BUTCHER´S by Penny“-Serie der Beklagten ein. Der Verbraucher hat keine Veranlassung, auf die Klägerin als mögliche Herstellerin der Gewürzmischungen zu schließen. Das Renommee und die besondere Unternehmensgeschichte legen eine vertragliche Zusammenarbeit mit Discountern nicht nahe, jedenfalls nicht in der Form, dass die Produkte unauffällig in die Eigenmarke eingegliedert werden. Beim Bestehen lizenz- oder gesellschaftsvertraglicher Beziehungen würde der Verbraucher vielmehr eine werbewirksame eindeutige Bezugnahme auf die Klägerin erwarten. Insgesamt betrachtet hält die angegriffene Produktausstattung einen so deutlichen Abstand zum Originalprodukt der Klägerin, dass unter Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen der wettbewerblichen Eigenart, dem Grad der Nachahmung und den besonderen wettbewerblichen Umständen der Vorwurf einer unlauteren Nachahmung nicht begründet ist.

cc. Eine unangemessene Rufausnutzung oder Rufbeeinträchtigung nach § 4 Nr. 3 lit. b) UWG liegt nicht vor, auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass das Produkt der Klägerin einen guten Ruf genießt. Bei durchschnittlicher wettbewerblicher Eigenart und einer allenfalls nachschaffenden Nachahmung gelten nach dem Grundsatz der Wechselwirkung relativ hohe Anforderungen an die Feststellung des Unlauterkeitstatbestandes. Besondere Begleitumstände, die hier ohne das Bestehen von Verwechslungsgefahr zu einer unlauteren Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung führen könnten, sind nicht dargetan. Der angesprochene Verkehr erkennt die Leistungsergebnisse der Parteien als das, was sie sind, nämlich als Konkurrenzprodukte. Dass / in welcher Hinsicht die Nachahmung im Wesentlichen nicht dieselbe Qualität aufweisen soll wie ihre Gewürzmischungen, hat die Klägerin überdies nicht schlüssig vorgetragen. Soweit die angegriffenen Produkte aufgrund der Verwendung von Korkengläsern, Papiersiegeln und schwarzen Etiketten Assoziationen an das Originalprodukt und insoweit Aufmerksamkeit erwecken mögen, genügt dies für eine Rufübertragung i.S.d. § 3 Nr. 3 lit. b) UWG nicht.

b. Aus § 5 Abs. 2 UWG a.F. / § 5 Abs. 3 Nr. 1 UWG n.F., wonach eine geschäftliche Handlung irreführend und insoweit unlauter sein kann, wenn sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft, können im vorliegenden Fall keine weitergehenden Rechte hergeleitet werden als aus § 4 Nr. 3 lit. a) UWG, § 14 MarkenG. Dies sieht auch die Klägerin selbst so. Eine irreführende Produktvermarktung als Sonderfall der Irreführung über die betriebliche Herkunft ist aus den o.a. Gründen nicht feststellbar.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Dresden: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Bezeichnung "Institut für Innenarchitektur" für private Bildungseinrichtung da keine Einrichtung einer Hochschule

LG Dresden
Urteil vom 18.12.2023
5 O 578/23


Das LG Dresden hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn eine private Bildungseinrichtung die Bezeichnung "Institut für Innenarchitektur" führt. Der Begriff "Institut" erweckt den Eindruck, dass es sich um die Einrichtung einer Hochschule handelt. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

BGH legt EuGH Fragen zum urheberrechtlichen Werkbegriff im Rechtsstreit um das USM Haller Möbelsystem zur Vorabentscheidung vor

BGH
Beschluss vom 21.12.2023
I ZR 96/22


Der BGH hat dem EuGH Fragen zum urheberrechtlichen Werkbegriff im Rechtsstreit um das USM Haller Möbelsystem zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof legt Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zum urheberrechtlichen Werkbegriff
vor

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen vorgelegt, mit denen der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelte Begriff des urheberrechtlich geschützten Werks weiter geklärt werden soll.

Sachverhalt:

Die in der Schweiz ansässige Klägerin ist Herstellerin eines von ihr unter der Bezeichnung "USM Haller" seit Jahrzehnten vertriebenen modularen Möbelsystems, bei dem hochglanzverchromte Rundrohre mittels kugelförmiger Verbindungsknoten zu einem Gestell zusammengesetzt werden. In das Gestell können verschiedenfarbige Verschlussflächen aus Metall (sogenannte Tablare) eingesetzt werden. Die so geschaffenen Korpusse können beliebig kombiniert und über- oder nebeneinander angebaut werden.

Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, bietet über ihren Online-Shop Ersatzteile und Erweiterungsteile für das USM Haller Möbelsystem an, die in der Form und überwiegend auch in der Farbe den Original-Komponenten der Klägerin entsprechen. Nachdem sich die Beklagte zunächst - von der Klägerin nicht beanstandet - auf das reine Ersatzteilgeschäft beschränkt hatte, nahm sie in den Jahren 2017/2018 eine Neugestaltung ihres Online-Shops vor, in dem sämtliche Komponenten aufgelistet werden, die für den Zusammenbau vollständiger USM Haller Möbel erforderlich sind. Die Beklagte bietet ihren Kunden einen Montageservice an, bei dem die gelieferten Einzelteile beim Kunden zu einem vollständigen Möbelstück zusammengefügt werden.

Die Klägerin ist der Ansicht, bei dem USM Haller Möbelsystem handele es sich um ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst, jedenfalls aber um ein lauterkeitsrechtlich gegen Nachahmung geschütztes Leistungsergebnis. Sie sieht in der Neugestaltung des Online-Shops eine neue Ausrichtung des Geschäftsmodells der Beklagten, die darauf abziele, nicht mehr nur Ersatzteile für das Möbelsystem der Klägerin anzubieten, sondern ein eigenes Möbelsystem herzustellen, anzubieten und zu vertreiben, das mit ihrem Möbelsystem identisch sei.

Die Klägerin hat die Beklagten auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, den Ersatz von Abmahnkosten und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Sie stützt ihre Klageanträge in erster Linie auf Urheberrecht, hilfsweise auf wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage aus Urheberrecht überwiegend stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat dagegen urheberrechtliche Ansprüche abgelehnt und lediglich Ansprüche aus Wettbewerbsrecht zuerkannt.

Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt, dass es sich bei dem USM Haller Möbelsystem nicht um ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG handele. Es erfülle nicht die vom Gerichtshof der Europäischen Union in seiner jüngeren Rechtsprechung gestellten Anforderungen an ein Werk, weil seine Gestaltungsmerkmale - auch nach dem von ihnen vermittelten Gesamteindruck - nicht Ausdruck freier kreativer Entscheidungen seien.

Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche seien aber unter dem Gesichtspunkt des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes begründet. Das USM Haller Möbelsystem habe wettbewerbliche Eigenart, weil seine Gestaltungsmerkmale nach ihrem Gesamteindruck auf die Klägerin als Herstellerin hinwiesen. Das Angebot der Beklagten sei gemäß § 4 Nr. 3 Buchst. a UWG unlauter, weil es die Abnehmer in vermeidbarer Weise über die betriebliche Herkunft der angebotenen Produkte täusche.

Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Klägerin verfolgt ihre vom Oberlandesgericht abgewiesenen urheberrechtlichen Ansprüche weiter. Die Beklagten erstreben die vollständige Abweisung der Klage.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union drei Fragen zur Auslegung des in Art. 2 Buchst. a, Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft enthaltenen Begriffs des Werks vorgelegt. Die richtige Auslegung ist mit Blick auf das beim Gerichtshof der Europäischen Union zum Aktenzeichen C-580/23 anhängige Vorabentscheidungsersuchen des schwedischen Berufungsgerichts für Patente und Märkte ("Svea hovrätt"), das gleichfalls Fragen zum Werkbegriff aufwirft, nicht derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt.

Zunächst soll durch den Gerichtshof der Europäischen Union geklärt werden, ob das Berufungsgericht mit Blick auf den für Werke der angewandten Kunst ebenfalls in Betracht kommenden Schutz als Geschmacksmuster oder Design zutreffend von einem Ausnahmecharakter des Urheberrechtsschutzes mit der Folge ausgegangen ist, dass bei der Prüfung der urheberrechtlichen Originalität dieser Werke höhere Anforderungen an die freie kreative Entscheidung des Schöpfers zu stellen sind als bei anderen Werkarten.

Fraglich ist außerdem, ob bei der urheberrechtlichen Prüfung der Originalität (auch) auf die subjektive Sicht des Schöpfers beim Schöpfungsprozess abzustellen ist und er insbesondere die kreativen Entscheidungen bewusst treffen muss oder aber ob es auf einen objektiven Maßstab ankommt.

Ferner ist bislang nicht eindeutig geklärt, ob bei der Beurteilung der Originalität nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der Gestaltung eingetretene Umstände herangezogen werden können, wie etwa die Präsentation der Gestaltung in Kunstausstellungen oder Museen oder ihre Anerkennung in Fachkreisen.

Vorinstanzen:

LG Düsseldorf - Urteil vom 14. Juli 2020 - 14c O 57/19

OLG Düsseldorf - Urteil vom 2. Juni 2022 - 20 U 259/20

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG

(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere: (…)

4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke; (…)

(2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.

Art. 2 Buchst. a Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten sehen für die Urheber in Bezug auf ihre Werke das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten.

Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern in Bezug auf das Original ihrer Werke oder auf Vervielfältigungsstücke davon das ausschließliche Recht zusteht, die Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten.


LG Bremen: Wettbewerbswidrige Irreführung wenn Finanzberater mit "Unabhängigkeit" wirbt obwohl er Provisionen erhält

LG Bremen
Urteil vom 11.07.2023
9 O 1081/22


Das LG Bremen hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn ein Finanzberater mit "Unabhängigkeit" wirbt, obwohl er Provisionen von Anbietern der Anlagen und Versicherungen erhält und die Vergütung nicht ausschließlich aus dem Honorar seiner Kunden besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger kann von der Beklagten die Unterlassung der streitgegenständlichen Bewerbungen gemäß § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 3,5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG verlangen.

aa. Der Kläger ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG sowie nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klagebefugt. Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 UKlaG in der Liste des Bundesamtes für Justiz eingetragen.

bb. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG irreführend, wenn sie über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Vorteile der Waren oder Dienstleistungen unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthält.

Es handelt sich zunächst um unwahre Angaben. Die Angaben sind bereits deshalb unwahr, weil auch unter Berücksichtigung des Gedankens aus § 94 WpHG „Unabhängigkeit“ nach den Regelungen in § 34f Abs. 1 GewO und § 34h GewO eine Unabhängigkeit nur im Falle des Honorar-Anlagenberaters im Sinne von § 34h GewO angenommen werden kann und nur er sich als unabhängig bezeichnen kann. Der Finanzanlagenberater kann dies dagegen nicht, auch wenn er in Einzelfällen anstatt oder neben einer Provision sein Honorar vom Anleger erhält.

Bei der Prüfung, ob eine Angabe über geschäftliche Verhältnisse geeignet ist, den Verkehr irrezuführen, kommt es nicht auf den objektiven Wortsinn und nicht darauf an, wie der Werbende selbst seine Aussage über die Ware oder gewerbliche Leistung verstanden haben will. Entscheidend ist die Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet (vgl. BGH GRUR 2020, 1226 Rn. 14 - LTE-Geschwindigkeit; st. Rspr). Hierzu zählen in erster Linie Anleger, zu denen der erkennende Richter gehört. Maßstab ist der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (vgl. BGH GRUR 2000, 619, 621).

Vor diesem Hintergrund bedeutet „Unabhängigkeit“ aus Sicht des angesprochenen Verkehrs, nicht nur, dass die Beklagte nicht in einer vertraglichen Beziehung zu den Anbietern der Anlagen bzw. Versicherungen steht. Der Auffassung des Landgerichts Hamburg (GRUR-RS 2020, 25713 Rn. 15) ist selbstverständlich zuzustimmen, dass in diesen Fällen die Erwartung des Verbrauchers enttäuscht wird, der natürlich im Falle einer Werbung der „Unabhängigkeit“ davon ausgeht, dass die Beklagte in seinem Interesse rechtlich unabhängig tätig wird. Die Kammer ist allerdings der Auffassung, dass der angesprochene Verkehr von Anlegern darüber hinaus auch die Erwartung hat, dass die Beklagte im Falle der Werbung mit einer „produktunabhängigen Beratung“ bzw. „unabhängigen Beratung“ tatsächlich nicht in einem Provisionsinteresse tätig wird, sondern vollständig unabhängig von etwaigen Provisionen oder anderen Zuwendungen, die seitens der Anbieter von Anlagen in unterschiedlichen Höhen an die Beklagte im Erfolgsfalle geleistet werden, für den Verbraucher Anlagen vermittelt. Eine irgendwie geartete Abhängigkeit der Beklagten von einem Produktgeber, sei es auch keine vertragliche, sondern nur eine über eine Provision oder sonstige Zuwendung vermittelte, steht aus Sicht des angesprochenen Verkehrs einer „Unabhängigkeit“ entgegen. Genau diese Unabhängigkeit ist Gegenstand der Regelung des § 34h GewO, wobei es nicht ausreicht, dass dem Verbraucher, nachdem er sich mit dem Angebot der Beklagten aufgrund der unlauteren Werbung näher befasst, erfahren könnte, dass die Beklagte verschiedene Vergütungsmodelle anwendet. Diese Erläuterungen sind ersichtlich zu spät. Für die Richtigkeit des gefundenen Ergebnisses spricht nach Ansicht der Kammer der zu übertragende Gedanke aus der Regelung des § 94 Abs. 1 WpHG, der eine Verwendung der Bezeichnung „Unabhängigkeit“ nur zulässt, wenn der Werbende im Register Unabhängiger Anlageberater eingetragen ist.

Die streitgegenständlichen Aussagen sind, wie der Kläger bereits zutreffend dargelegt hat, auch geeignet, Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie anderenfalls nicht getroffen hätten, nämlich, dass sie in geschäftlichen Kontakt zu der Beklagten in dem Glauben treten, die Gewähr einer unabhängigen Finanzberatung zu erhalten, obschon diese kraft der gewerblichen Tätigkeit der Beklagten nicht gewährleistet ist. Verbraucher, denen es gerade auf eine vollends unabhängige Beratung
ankommt, würden ohne die täuschungsbedingen Angaben der Beklagten ihre Entscheidung sicherlich anders treffen.


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BGH: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Bewerbung von Lebensmitteln mit "Bakterienkulturen zum Diätmanagement" sofern Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke suggeriert werden

BGH
Urteil vom 1307.2023
I ZR 68/21
Bakterienkulturen
UWG § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1; Verordnung (EU) Nr. 609/2013 Art. 2 Abs. 2 Buchst. g; LMIV Art. 2 Abs. 2 Buchst. s, Art. 7 Abs. 3 und 4


Der BGH hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn Lebensmittel mit "Bakterienkulturen zum Diätmanagement" beworben werden, sofern dabei suggeriert wird, dass es sich bei dem Produkt um ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke handelt.

Leitsätze des BGH:
a) Ein Erzeugnis stellt ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke im Sinne des Art. 2
Abs. 2 Buchst. g der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 dar, wenn krankheitsbedingt ein erhöhter oder spezifischer Nährstoffbedarf besteht, der durch das Lebensmittel gedeckt werden soll. Für eine solche Einstufung reicht es nicht aus, dass der Patient allgemein aus der Aufnahme dieses Lebensmittels deswegen Nutzen zieht, weil darin enthaltene Stoffe der Störung entgegenwirken oder deren Symptome lindern (Anschluss an EuGH, Urteil vom 27. Oktober 2022 - C-418/21, GRUR 2022, 1765 [juris Rn. 59] = WRP 2022, 1484 - Orthomol).

b) Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. g der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 zeichnen sich durch ihre spezifische Ernährungsfunktion aus und enthalten Nährstoffe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. s LMIV. Produkte, die in natürlicher Weise im menschlichen Darm vorkommende Bakterien enthalten, sind keine solchen Lebensmittel, weil Bakterien keine Nährstoffe in diesem Sinne sind.

c) Der Vertrieb und die Bewerbung von Produkten, die Bakterienkulturen enthalten, "zum Diätmanagement" ist irreführend, wenn diese Angabe den angesprochenen Verkehrskreisen suggeriert, es handele sich bei den Produkten um Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke.

BGH, Urteil vom 13. Juli 2023 - I ZR 68/21 - OLG München - LG München II

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LG Berlin: Irreführung durch Bewerbung einer Quarzuhr mit Abbildung eines mechanischen Uhrwerks auch wenn in Beschreibung von Quarzwerk die Rede ist

LG Berlin
Urteil vom 02.05.2023
15 O 50/23


Das LG Berlin hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn eine Quarzuhr mit der Abbildung eines mechanischen Uhrwerks beworben wird, auch wenn in der Beschreibung von einem Quarzwerk die Rede ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Der Unterlassungsanspruch ist gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3 Abs. 1, 2 und 4 S. 1, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG begründet, da sich die streitgegenständliche Werbung als irreführend darstellt.

Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG irreführend und damit unlauter, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware enthält, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Angaben i.S.d. § 5 UWG sind (tatsächliche) Erklärungen gleich welcher Ausdrucksform, insbesondere bildliche Darstellungen, vgl. § 5 Abs. 4 UWG. Für die Beurteilung, ob eine geschäftliche Handlung irreführend ist, kommt es nicht auf den objektiven Wortsinn und nicht darauf an, wie der Werbende selbst seine Aussage über die Ware verstanden haben will, sondern welchen Gesamteindruck sie bei dem maßgeblichen Verkehrskreisen hervorruft, an die sich die Werbung richtet, § 3 Abs. 4 S. 1 UWG (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.57 m.w.N.).

a) Entscheidend für die Einstufung einer Werbeaussage als irreführend ist die Bestimmung des maßgeblichen Verkehrskreises. In Betracht kommt vorliegend die gesamte Leserschaft des ..., die Kunden des ... Shops oder - wie die Beklagte vortragen lässt - sog. „kundige Uhrenliebhaber“, mithin ein Fachpublikum.

Im vorliegenden Fall greift die Eingrenzung des maßgeblichen Verkehrskreises auf ein Fachpublikum zu kurz. Entscheidend ist vielmehr die gesamte Leserschaft des ...x, da sich an diese die konkrete Anzeige richtet, von dieser wahrgenommen wird und diese sich angesprochen fühlt.

b) Bei der Ermittlung des Verständnisses des Verkehrskreises ist auf den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher abzustellen, welcher der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (BGH, Urteil vom 20.10.1999 - I ZR 167/97, GRUR 2000, 619). Bei der Ermittlung des Grads der Aufmerksamkeit ist u.a. zu berücksichtigen, ob es sich lediglich um eine geringwertige Ware des täglichen Bedarfs handelt, aber auch um welche Art der Werbung es sich handelt, also ob sie grundsätzlich eher beiläufig wahrgenommen wird, wie beim Durchblättern der Tageszeitung (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.79 f.).

Maßgebend für die Beurteilung einer Werbeaussage ist, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung auf Grund des Gesamteindrucks der Anzeige versteht, also grundsätzlich auch unter Berücksichtigung von Erläuterungen, insbesondere bei sog. Blickfangwerbung (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.81, 1.85 f.).

Von Blickfangwerbung wird gesprochen, wenn einzelne Angaben in der Werbung im Vergleich zu den sonstigen Angaben besonders herausgestellt sind und dadurch die Aufmerksamkeit des Publikums erwecken (Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.85).

Spätere Richtigstellungen oder Klarstellungen im weiteren Text der Werbung oder aufklärende Zusätze ändern an der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung eines täuschenden Blickfangs als irreführend nichts, soweit der Blickfang objektiv unrichtig ist und kein vernünftiger Anlass für die objektive Unrichtigkeit besteht und sich dieser Blickfang vielmehr als „dreiste Lüge“ erweist (Ohly/Sosnitza/Sosnitza, 8. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 144; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.89).

Anders liegt es bei indirekten Aussagen des Blickfangs, welche für sich genommen nicht objektiv unrichtig sind und der Blickfang selbst durch Sternchenhinweis oder sonst durch eine Anmerkung auf nicht zu übersehende Einschränkungen aufmerksam macht. In solchen Fällen geht der verständige Durchschnittsverbraucher davon aus, dass die in Bezug genommenen weiteren Angaben Teil des Blickfangs sind und ohne sie ein zutreffendes Verständnis der Werbung nicht gewonnen werden kann (Ohly/Sosnitza/Sosnitza, 8. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 144; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.90). Die Aufklärung muss nicht zwingend durch einen Sternchenhinweis oder einen anderen klarstellenden Hinweis an den isoliert irreführenden blickfangmäßigen Angaben erfolgen, vielmehr kann es genügen, dass es sich um eine Werbung - etwa für langlebige und kostspielige Güter - handelt, mit der sich der Verbraucher eingehend und nicht nur flüchtig befasst und die er aufgrund einer kurzen und übersichtlichen Gestaltung insgesamt zur Kenntnis nehmen wird (BGH, Urt. v. 18.12.2014 - I ZR 129/13 - Schlafzimmer komplett, GRUR 2015, 698, Rn. 19; BGH, Versäumnisurteil. v. 21.9.2017 - I ZR 53/16 - Festzins Plus, GRUR 2018, 320, Rn. 24).

Randnummer26
aa) Der Kläger ist der Meinung, der Verkehrskreis erkenne, dass es sich bei der Abbildung um ein mechanisches Uhrwerk einer Automatikuhr handle und erwarte aufgrund des hervorgehobenen mechanischen Uhrwerks daher, dass auch die angebotenen Uhren ein solch hochwertiges Uhrwerk enthielten.

Randnummer27
bb) Die Beklagte hingegen ist der Auffassung, dass der Verkehrskreis schon nicht erkenne, dass es sich bei der Abbildung um eine Automatikuhr handele. Im Übrigen läge keine sog. Blickfangwerbung vor und selbst wenn dies der Fall wäre, wäre diese durch die aufklärenden Hinweise in der Beschreibung und Bezeichnung der Uhren korrigiert.

Randnummer28
cc) Die Kammer kann die Verkehrsauffassung auf Grund eigener Sachkunde ermitteln, da ihre Mitglieder grundsätzlich zu dem angesprochenen Verkehrskreis gehören.

(1) Aufgrund des Preises der angebotenen Armbanduhren dürfte es sich jedenfalls nicht mehr um eine geringwertige Ware des täglichen Bedarfs handeln, so dass der Verbraucher grundsätzlich mit einer erhöhten Aufmerksamkeit an die Verständnisbildung der Werbung herangeht. Andererseits handelt es sich um eine Werbung in einer Tageszeitung, welche eher beiläufig wahrgenommen wird, so dass wohl insgesamt von keiner hohen Aufmerksamkeit des Verbrauchers ausgegangen werden kann.

(2) Entscheidend ist daher, ob der angesprochene Verkehrskreis in der Abbildung überhaupt ein mechanisches Uhrwerk erkennt. Während man dies von einem „kundigen Uhrenliebhaber“ wohl jedenfalls erwarten kann, wird man davon bei der Leserschaft des ... nicht zwangsläufig ausgehen können.

Die Kammer ist allerdings der Ansicht, dass jedenfalls ein nicht unbedeutender Teil des maßgeblichen Verkehrskreises in der streitgegenständlichen Abbildung ein mechanisches Uhrwerk erkennen wird oder jedenfalls ein Uhrwerk, welches eine besondere Qualität und Werthaltigkeit im Vergleich zu einer üblichen Armbanduhr aufweist, ohne dabei konkret zwischen den Begriffen „Quarzwerk“ und mechanischem Uhrwerk“ unterscheiden zu können.

(3) Weiter ist daher zu ermitteln, wie der maßgebliche Verkehrskreis die Anzeige in ihrem Gesamtzusammenhang versteht, insbesondere inwieweit die Abbildung des Uhrwerks, die Beschreibung sowie die Benennung der Armbanduhr den Gesamteindruck prägen.

Die Kammer ist der Auffassung, dass der Verkehrskreis die Abbildung des Uhrwerks als eine Erklärung über die Technik, namentlich der Mechanik, welche in der angebotenen Armbanduhr verbaut wurde, versteht, also als eine Angabe im Sinne des § 5 Abs. 2 UWG. Da die streitgegenständlichen Uhren kein solches Uhrwerk enthalten, handelt es sich insoweit um eine objektiv unwahre Angabe.

Ungeachtet der Frage, ob es sich bei der Abbildung des Uhrwerks um einen Blickfang handelt - wovon die Kammer ausgeht - löst auch die begleitende Beschreibung, die Uhr enthalte ein Quarzwerk, sowie die Bezeichnung der Armbanduhr die Irreführung des Verkehrskreises nicht wieder auf. Bei der Bebilderung handelt es sich um eine schlicht falsche Angabe. Um eine solche falsche Angabe wieder richtigzustellen, sind - soweit eine Richtigstellung überhaupt noch möglich ist - hohe Anforderung an die begleitenden Erläuterungen zu stellen. Aus Sicht der Kammer wird die Beklagte diesen Anforderungen nicht gerecht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verkehrskreis im Rahmen des Durchblätterns der Zeitung nicht die erforderliche Aufmerksamkeit aufbringt, sich mit dem gesamten Text der Anzeige auseinanderzusetzen. Ferner ist von dem Verkehrskreis nicht zu erwarten, dass er bei der Bezeichnung „Quarz“ oder „Quarzwerk“ versteht, dass es sich bei dem abgebildeten Uhrwerk nicht ebenfalls um ein Quarzwerk handeln kann. Vielmehr geht der durchschnittlich verständige Verbraucher weiterhin davon aus, dass das abgebildete Uhrwerk auch in der angebotenen Armbanduhr verbaut ist. Damit liegt eine Irreführung des Verbrauchers vor, welche eine unlautere geschäftliche Handlung darstellt, die geeignet ist, den Verbraucher zum Kauf der Armbanduhr zu veranlassen.


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OLG Hamburg: Werbung mit "bekannt aus" nur bei redaktioneller Berichterstattung und nicht bei bezahlter Werbung - Fundstellenangabe bzw. Verlinkung bei bekannten Medien erforderlich

OLG Hamburg
Urteil vom 21.09.2023
15 U 108/22


Das OLG Hamburg hat entschieden, das die Werbung mit "bekannt aus" nur bei redaktioneller Berichterstattung und nicht bei bezahlter Werbung zulässig ist. Zudem ist eine Fundstellenangabe bzw. Verlinkung bei bekannten Medien erforderlich.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger macht ausschließlich Ansprüche aus § 5a UWG geltend und nicht auch solche aus § 5 UWG. Diesem zu Protokoll gegebenen Verständnis des Senats ist er nicht entgegengetreten. Demnach kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte durch Nennung der Leitmedien eine Marktstärke suggeriert, die sie nicht innehat, und ob in den von ihr genannten Medien keine redaktionellen Berichte über sie, sondern nur geschaltete Werbeanzeigen von ihr enthalten waren. Abgesehen davon hat der Kläger dazu auch nicht schlüssig vorgetragen.

3. Dem Kläger steht der mit dem Antrag zu 1.b) geltend gemachte Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 a.F. UWG in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 1 UWG zu.

Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 UWG kann bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässige, weil unlautere geschäftliche Handlung vornimmt.

a. Der Kläger ist aktivlegitimiert. Der Anspruch steht nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a.F. rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt. Nach § 15a Abs. 1 UWG ist § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG n.F., nach dem für die Klagebefugnis eine Eintragung des Verbands erforderlich ist, nicht anzuwenden auf Verfahren, welche am 01.09.2021 bereits rechtshängig sind. Der Kläger ist unstreitig ein qualifizierter Verband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a.F. Die Rechtshängigkeit des hiesigen Verfahrens trat am 12.07.2021 ein (s. Bl. 24 d.A.), so dass § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG n.F. nicht anzuwenden ist und der nach altem Recht klagebefugte Kläger unabhängig von einer Eintragung bis zur Beendigung des Rechtsstreits klagebefugt bleibt (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 15a Rn. 2).

b. Die Beklagte ist passivlegitimiert. Die Internetseiten, auf denen sich die streitgegenständlichen Angaben befinden (s. Anlagen K3, K4 und K5), werden unstreitig von der Beklagten betrieben. Da die Beklagte mittels der angegriffenen Angaben ihre Dienstleistung bewirbt, handelt es sich dabei um geschäftliche Handlungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG.

c. Die Beklagte hat gegen § 5a Abs. 1 UWG verstoßen und damit eine unlautere Handlung im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG begangen, indem sie mit ihrer Bekanntheit aus konkret benannten Medien geworben hat, ohne dazu jeweils eine Fundstelle anzugeben oder zu verlinken, aus der sich eine Berichterstattung ergibt.

Nach § 5a Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer einen Verbraucher irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält, die der Verbraucher nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. § 5a Abs. 1 UWG ist durch das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht mit Wirkung ab dem 28.05.2022 neu gefasst worden. § 5a Abs. 1 n.F. UWG (hier stets: § 5a Abs. 1 UWG) entspricht im Wesentlichen § 5a Abs. 2 a.F. UWG, so dass dieselben Beurteilungsmaßstäbe für die Zeitpunkte des vorgeworfenen Verstoßes einerseits und der mündlichen Verhandlung vor dem Senat andererseits gelten.Die ab dem 28.5.2022 geltende Neufassung des § 5a Abs. 1 UWG enthält zwar nicht mehr die Präzisierung „im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände“. Diese Präzisierung ist aber im Wege der richtlinienkonformen Auslegung gleichwohl zu berücksichtigen und ergibt sich mittelbar aus der Einschränkung in Nr. 1 „nach den jeweiligen Umständen“. Daher sind die zu § 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 a.F. UWG entwickelten Beurteilungsmaßstäbe auch unter Geltung des § 5a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 UWG anzuwenden (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, § 5a Rn. 2.47).

aa. Bei den von der Beklagten nicht angegebenen Fundstellen zu den genannten Medien handelt es sich um wesentliche Informationen im Sinne der Vorschrift. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Rechtsprechung zur Werbung mit Testergebnissen, Prüfsiegeln oder Gütezeichen auf den hier vorliegenden Fall übertragbar ist, obwohl hier nicht mit einem Qualitätsurteil eines Dritten geworben wird. Die Wesentlichkeit ergibt sich aus Folgendem:

Eine Information ist nicht allein schon deshalb wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG, weil sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann, sondern nur dann, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zudem ein erhebliches Gewicht zukommt (BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 31, 46 – LGA tested). Den Unternehmer trifft nach § 5a Abs. 1 UWG keine allgemeine Aufklärungspflicht über Tatsachen, die für die geschäftliche Entscheidung des angesprochenen Verkehrs möglicherweise von Bedeutung sind. Er ist nicht generell verpflichtet, auch auf weniger vorteilhafte oder gar negative Eigenschaften des eigenen Angebots hinzuweisen (BGH GRUR 2022, 241 Rn. 27 – Kopplungsangebot III), sofern dies nicht zum Schutze der (z.B. Gesundheits- oder Sicherheits-) Interessen des Verbrauchers unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden unerlässlich ist (OLG Düsseldorf WRP 2015, 365 Rn. 39; OLG Köln GRUR-RR 2020, 438 Rn. 56 – Autositzbezüge). Die Informationspflicht reicht über das hinaus, was notwendig ist, um Fehlvorstellungen des Verbrauchers zu vermeiden (vgl. BGH GRUR 2012, 1275 Rn. 36 – Zweigstellenbriefbogen). Die Frage, ob eine Information für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von besonderem Gewicht ist, ist nach dem Erwartungs- und Verständnishorizont des Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen (BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 37 – LGA tested).

Der Senat kann die Erwartung und das Verständnis des angesprochenen Verkehrskreises sowie die Wesentlichkeit der in Rede stehenden Informationen aus eigener Sachkunde feststellen, denn die Mitglieder des Senats gehören zu dem von der Werbung der Beklagten angesprochenen Verkehrskreis der allgemeinen Verbraucher.

(1) Der Kläger trägt vor, aus der Angabe „Bekannt aus:“ schließe der Verbraucher, dass eine redaktionelle Berichterstattung erfolgt und dass diese für die Beklagte positiv gewesen sei. Dieses Verständnis teilt der Senat, ebenso wie das Landgericht, nur zum Teil. Zwar erwartet der Verbraucher durch die Angabe „Bekannt aus:“, dass die Beklagte in den genannten Medien redaktionelle Erwähnung gefunden und nicht etwa nur bezahlte Werbeanzeigen geschaltet hat (zu letzterem noch sogleich). Die redaktionelle Erwähnung kann aber, wie das Landgericht zutreffend ausführt, auch neutraler Art sein. Denn schon der neutrale Bericht eines anerkannten Mediums wie etwa der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und damit der Umstand, dass dieses Medium auf die Dienstleistung der Beklagten aufmerksam geworden ist und sie für erwähnenswert hält, spricht für eine gewisse Bedeutung der Dienstleistung. Auch eine neutrale Berichterstattung kann deswegen für potenzielle Kunden von Bedeutung und daher – aus ihrer Sicht – Motivation der Beklagten sein, das berichtende Medium zu nennen. Der Angabe „Bekannt aus:“ ist auch ihrem Wortsinn nach nicht zwingend zu entnehmen, dass das jeweilige Medium positiv über die Beklagte berichtet hat. Zudem wäre dann ein Ausdruck wie „Empfohlen von:“ auch naheliegender, weil die Beklagte damit eine größere Werbewirkung erzielen könnte.

Soweit der Kläger für ein allein auf positive redaktionelle Berichterstattung gerichtetes Verbraucherverständnis erstmals in der Berufung die Einholung eines demoskopischen Gutachtens anbietet, ist dies zum einen nach § 531 Abs. 2 ZPO präkludiert, zum anderen ist die Beweiserhebung nicht nötig, weil der Senat – wie dargelegt – das Verkehrsverständnis selbst beurteilen und feststellen kann.

Demgegenüber versteht der angesprochene Verkehr die Angabe nicht dahingehend, dass sie sich auf eine für die Beklagte negative redaktionelle Berichterstattung bezieht. Auch daraus kann zwar eine Bekanntheit resultieren, so dass diese Variante vom reinen Wortlaut erfasst wäre. Allerdings würde die Beklagte dann im eigenen Interesse nicht damit werben, was dem angesprochenen Verkehr bewusst ist, so dass diese Verständnisvariante ausscheidet. Der Kläger hat ein solches Verkehrsverständnis auch nicht vorgetragen.

Ebenso wenig versteht der angesprochene Verkehr die Angabe (auch) dahingehend, dass die Beklagte aufgrund von in den jeweiligen Medien von ihr geschalteter Werbeanzeigen bekannt ist. Der Kläger hat vorgetragen, die Angabe werde dahingehend verstanden, dass über die Beklagte in den genannten Medien redaktionell berichtet worden sei, wohingegen die Aussage, dass in den genannten Medien Werbung geschaltet wurde, nicht erwähnenswert sei (Schriftsatz vom 21.12.2021 Seiten 16 f., s. Bl. 23 f. eA). Diesem Verständnis tritt der Senat bei. Zwar mag eine Bekanntheit auch aus der bloßen Schaltung von Werbeanzeigen resultieren und dieses Verständnis daher vom reinen Wortlaut der Angabe erfasst sein. Allerdings würde damit das Verbraucherverständnis letztlich ein unredliches, wenn nicht gar im Sinne von § 5 Abs.1 UWG irreführendes und damit unlauteres Verhalten der Beklagten zugrunde legen. Denn damit würde unterstellt, dass die Beklagte ihre Werbung bewusst auf eine Bedeutungsvariante stützt, die gegenüber der naheliegenden Bedeutungsvariante der Bekanntheit aus redaktioneller Berichterstattung nicht nur deutlich ferner liegt, sondern die auch qualitativ einen ganz erheblichen Unterschied macht, ohne dies kenntlich zu machen. Es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass der angesprochene Verkehr der Angabe der Beklagten derart skeptisch oder gar misstrauisch gegenübertritt. Im Gegenteil hat der Kläger ein solches Verständnis selbst ausgeschlossen.

(2) Auf der Grundlage des dargelegten Verkehrsverständnisses besteht die Erwartung des angesprochenen Verkehrs, dass ihm zu den genannten Medien, auf die die Beklagte ihre Bekanntheit stützt, auch jeweils mindestens eine Fundstelle zu einer entsprechenden redaktionellen Berichterstattung angegeben wird. Denn der angesprochene Verbraucher hat ein Interesse daran, nachvollziehen zu können, aus welchem Anlass, in welcher Weise und auch wann das entsprechende Medium über die Beklagte berichtet hat. Ohne diese Informationen kann der Verbraucher die Werbeaussage der Beklagten überhaupt nicht einordnen. Während der Verbraucher etwa bei einer Werbung mit einem Testsieg bei der Stiftung Warentest auch ohne Fundstellenangabe schon eine gewissermaßen konkrete Vorstellung dahingehend hat, dass es sich um den Sieger in einem vergleichenden Test mehrerer Produkte durch eine anerkannte und neutrale Institution handelt, bleibt die hier in Rede stehende Angabe letztlich absolut vage. Ohne Fundstellenangabe lässt nicht nachvollziehen, ob über die Beklagte positiv oder neutral berichtet wurde, ob sich der Bericht allein ihr widmete oder ob sie nur am Rande eines anderen Themas Erwähnung findet, ob dem Bericht eine persönliche Erfahrung mit der Beklagten zugrunde liegt oder nicht und wie lange die Berichterstattung her ist, also welche Relevanz sie rein zeitlich noch hat. Demnach bedarf es der Fundstellenangabe, damit die Werbeangabe überhaupt eine konkrete Aussagekraft für den Verbraucher entfalten kann. Angesichts dessen und in Anbetracht der erheblichen Werbewirkung der aus Leitmedien wie den hier in Rede stehenden für sich reklamierten Bekanntheit ist die Angabe der Fundstelle neben der hier in Rede stehenden Werbung von erheblichem Gewicht für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers.

(3) Die Angabe der Fundstellen kann auch unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen von der Beklagten erwartet werden. Der Verbraucher hat ein erhebliches Interesse an der Angabe, um die konkrete Bedeutung der werbenden Angabe mittels einer leicht zugänglichen Fundstelle nachvollziehen zu können. Bei der anzustellenden Interessenabwägung im Einzelfall ist auch das Interesse des Unternehmers zu berücksichtigen, die Information nicht zu erteilen (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG, § 5a Rn. 2.12). Daher müssen der zeitliche und der kostenmäßige Aufwand des Unternehmers für die Beschaffung der Information, die für den Unternehmer mit der Informationserteilung verbundenen Nachteile sowie möglicherweise bestehende Geheimhaltungsbelange berücksichtigt werden (BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 33 – LGA tested; vgl. auch BGH GRUR 2017, 1265 Rn. 24 – Preisportal). Mit der vom Kläger begehrten zusätzlichen Angabe jeweils einer Fundstelle pro Medium ist ein gewisser zeitlicher und ggf. auch kostenmäßiger Mehraufwand der Beklagten verbunden. Dieser bleibt allerdings äußerst überschaubar. Der Beklagten müssen die entsprechenden redaktionellen Berichte bereits vorliegen, bevor sie redlicherweise mit einer Angabe wie der hier angegriffenen werben kann. Angesichts dessen besteht der Mehraufwand lediglich darin, die ihr bereits bekannten Fundstellen auf ihrer Internetseite anzugeben und / oder zu verlinken. Darüber hinaus ist weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen, dass bzw. welche konkreten weiteren Umstände dagegen sprechen könnten, jeweils eine Fundstelle anzugeben. Da es um positive oder allenfalls neutrale Berichterstattung geht, sind keine mit der Informationserteilung verbundenen Nachteile für die Beklagte ersichtlich. Schon weil sich die Werbung offenbar auf veröffentlichte Presseberichte bezieht, sind auch keine Geheimhaltungsbelange berührt.

bb. Die Beklagte hat den Verbrauchern diese wesentliche Information vorenthalten. Eine wesentliche Information wird dem Verbraucher vorenthalten, wenn sie zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich des Unternehmers gehört oder dieser sie sich mit zumutbarem Aufwand beschaffen kann und der Verbraucher sie nicht oder nicht so erhält, dass er sie bei seiner geschäftlichen Entscheidung berücksichtigen kann (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG, § 5a Rn. 2.26 mit Verweis u.a. auf BGH GRUR 2021, 979 Rn. 19 – Testsiegel auf Produktabbildung). Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die Fundstellenangaben fehlten, und sie gehören zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich der Beklagten. Da sie mit der Bekanntheit aus den genannten Medien geworben hat, müssten ihr die entsprechenden redaktionellen Berichte bereits vorliegen. Jedenfalls kann sie sich diese bzw. die Fundstellen mit zumutbarem Aufwand beschaffen.

cc. Die Fundstellenangabe wird vom Verbraucher im Sinne von § 5a Abs. 1 Nr. 1 UWG benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich um ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal, das selbstständig zu prüfen ist (BGH GRUR 2021, 979 Rn. 26 – Testsiegel auf Produktabbildung). Der Durchschnittsverbraucher benötigt eine wesentliche Information dann, wenn sie voraussichtlich oder wahrscheinlich bei der Abwägung des Für und Wider seiner geschäftlichen Entscheidung zumindest eine Rolle spielen könnte, wobei die Umstände des Einzelfalls, insbesondere der konkrete Inhalt der wesentlichen Information, zu betrachten sind (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG, § 5a Rn. 2.41 und 2.42). Das ist hier mangels entgegenstehenden Vortrags der Beklagten anzunehmen. Will der Unternehmer geltend machen, dass der Verbraucher – abweichend vom Regelfall – eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötige, trifft ihn eine sekundäre Darlegungslast (BGH GRUR 2021, 979 Rn. 26 – Testsiegel auf Produktabbildung). Der Unternehmer muss also Umstände darlegen, die den Schluss zulassen, dass der Verbraucher die ihm vorenthaltene Information ausnahmsweise nicht für eine informierte Entscheidung benötigt (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG, § 5a Rn. 2.43). Entsprechenden Vortrag hat die Beklagte nicht gehalten.

dd. Auch die ebenfalls selbstständig zu prüfende geschäftliche Relevanz (s. erneut BGH GRUR 2021, 979 Rn. 26 – Testsiegel auf Produktabbildung) ist gegeben. Das Vorenthalten der Fundstellen ist geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Es ist zu fragen, ob der durchschnittliche Verbraucher voraussichtlich eine andere geschäftliche Entscheidung getroffen hätte, wenn er über die betreffende Information – hier die Fundstellenangabe – verfügt hätte, was im Regelfall nach der Lebenserfahrung zu bejahen ist. Das gilt insbesondere, soweit es die wesentlichen Merkmale oder den Preis der Ware oder Dienstleistung betrifft, weil sie für den Verbraucher grundsätzlich ein bestimmender Faktor für seine Entscheidung sind (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, § 5a Rn. 2.46 m.w.N.). Es kann Ausnahmefälle geben, in denen die geschäftliche Relevanz zu verneinen ist. Jedoch trifft den Unternehmer, der geltend macht, dass – abweichend vom Regelfall – der Verbraucher eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und das Vorenthalten dieser Information den Verbraucher nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann, insoweit eine sekundäre Darlegungslast (BGH GRUR 2021, 979 Rn. 26 – Testsiegel auf Produktabbildung).

Zwar geht es hier weder um direkte Angaben zu den wesentlichen Merkmalen der von der Beklagten angebotenen Dienstleistung noch um deren Preis. Auf Grundlage des zugrunde gelegten Verbraucherverständnisses (s. dazu bereits unter aa.(1)) erscheint es aber zumindest möglich, wenn nicht sogar naheliegend, dass in der jeweiligen Berichterstattung eine (positive) Bewertung der Dienstleistung der Beklagten erfolgt. Im Übrigen kann es aus Sicht des angesprochenen Verkehrs bereits als Auszeichnung gelten, dass die Beklagte bzw. ihre Dienstleistung überhaupt Gegenstand der Berichterstattung von (bekannten) Medien war. In diesem Sinne hat der Kläger auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, die Werbung der Beklagten mit ihrer Bekanntheit aus den genannten Leitmedien erzeuge beim Verbraucher den Eindruck einer besonderen Qualität ihrer Dienstleistung. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Unter diesem Eindruck einer besonderen Qualität könnte sich der Verbraucher für einen Vertragsschluss mit der Beklagten entscheiden, was er nicht getan hätte, wenn er mithilfe der Fundstellenangabe die Berichterstattung nachvollzogen und so ggf. in Erfahrung gebracht hätte, dass dort von einer besonderen Qualität der Dienstleistung keine Rede ist. Es ist weder ersichtlich noch von der Beklagten dargelegt, dass hier ein Ausnahmefall vorliegt, in dem es an der geschäftlichen Relevanz fehlt.


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LG Hamburg: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung für Spülmaschinen-Caps mit "revolutionär" wenn keine erhebliche Leistungssteigerung gegenüber anderen Produkten vorliegt

LG Hamburg
Urteil vom 28.06.2023
315 O 116/23


Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn Spülmaschinen-Caps mit "revolutionär" beworben werden, obwohl keine erhebliche Leistungssteigerung gegenüber anderen Produkten vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Es besteht zunächst der Verfügungsanspruch.

Der Anspruch der Antragstellerin ergibt sich aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 in Verbindung mit §§ 3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG.

Die Antragstellerin ist als Mitbewerberin der Antragsgegnerin aktivlegitimiert nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Da die Verfahrensbeteiligten jeweils Spülmaschinentabs und -caps bewerben und anbieten, stehen sie in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis und sind folglich Mitbewerberinnen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG.

Die Antragsgegnerin handelt auch unlauter.

Nach § 5 Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung unter anderem dann unlauter, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen.

Das Bewerben des Produkts mit der beanstandeten Verpackungsgestaltung stellt eine geschäftliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar, weil die Antragsgegnerin insoweit zugunsten ihres Unternehmens zum Zwecke der Absatzförderung agiert.

Durch die werbliche Verwendung der Bezeichnung „revolutionär“ wie unter Antrag zu Ziffer 1 b) dargestellt nimmt die Antragsgegnerin ferner eine irreführende Handlung vor, da die Auslobung zur Täuschung geeignete Angaben über ein wesentliches Merkmal der Ware U. P. enthält.

Wesentliche Teile des angesprochenen Verkehrs – zu denen als Verbraucher auch die Mitglieder der Kammer zählen – erwarten aufgrund der Formulierungen

Unser erster Spülmaschinen Cap mit der revolutionären CYCLESYNC-Technologie ermöglicht dem richtigen Inhaltsstoff, sich genau im richtigen Moment zu entfalten, so dass selbst eingebrannte Speiserückstände effektiv entfernt werden

sowie

Unsere revolutionäre Performance mit 15 % weniger Chemikaliengehalt im Vergleich zu F. P. A. i.

im Rahmen der antragsgegenständlichen Verpackungsgestaltung von dem Produkt U. P. eine erhebliche Steigerung der Reinigungsleistung – insbesondere in Bezug auf eingebrannte Anschmutzungen – gegenüber anderen Spülmaschinenreinigungsprodukten und damit auch gegenüber dem Produkt U. der Antragsgegnerin.

Dies ergibt sich aus Folgendem:

Da der Verkehr in der Werbung grundsätzlich an Übertreibungen gewöhnt ist, wird er zwar vorliegend kein revolutionäres Produkt im Sinne einer bahnbrechenden Neuschöpfung erwarten. Die Bezeichnung „revolutionär“ verspricht allerdings auch nicht lediglich eine irgendwie geartete Überlegenheit, die sich möglicherweise in minimal besseren Ergebnissen erschöpft, sondern vermittelt in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise jedenfalls einen deutlichen Abstand zu anderen, hinsichtlich ihrer allgemeinen Produktbeschreibung vergleichbaren Produkten.

Maßgebliche Teile des angesprochenen Verkehrs werden dabei davon ausgehen, dass die vermeintlich deutlich übertroffenen Produkte im Handel üblicherweise erhältliche Spülmaschinenreinigungsprodukte sind, sodass die Erwartung auch das Produkt U. der Antragsgegnerin umfasst. Große Teile des Verkehrs werden wegen der ähnlichen Verpackungsgestaltung und fast identischen Produktbezeichnung (siehe dazu auch unter b) aa)) sogar speziell U. in Bezug nehmen. Zwar wird im zweiten beanstandeten Satz das Produkt F. P. A. i. erwähnt, allerdings ist diese Bezugnahme explizit beschränkt auf den Vergleich hinsichtlich des Chemikaliengehalts der Produkte.

Die Verkehrswahrnehmung einer erheblichen Leistungssteigerung gegenüber anderen Produkten am Markt unter Einschluss von U. wird durch den zweiten angegriffenen Satz, der nur durch zwei Sätze von dem ersten beanstandeten Satz getrennt ist, vertieft. Dort ist ausdrücklich von „revolutionäre Performance“ die Rede, was maßgebliche Teile des angesprochenen Verkehrs ohne weiteres mit „revolutionäre Leistung“ ins Deutsche übersetzen werden und aufgrund der ersten mit diesem Antrag angegriffenen Auslobung wiederum auf die Reinigungsleistung, insbesondere hinsichtlich eingebrannter Anschmutzungen, beziehen werden.

Entgegen dem Vortrag der Antragsgegnerin wird der Verkehr das Attribut „revolutionär“ nicht allein auf die Neuheit der auf der Verpackung in Bezug genommenen CYCLESYNC-Technologie beziehen. Er wird die Werbeaussage im ersten der beanstandeten Sätze vielmehr so verstehen, dass die „revolutionäre“ CYCLESYNC-Technologie die Freisetzung eines bestimmten Inhaltsstoffes zu einem bestimmten Zeitpunkt ermöglicht, was wiederum dazu führt, dass selbst eingebrannte Speiserückstände effektiv entfernt werden. In der Wahrnehmung des Verkehrs wird also die als „revolutionär“ bezeichnete Fähigkeit des Produkts durch eine Kausalkette auf die effektive Entfernung eingebrannter Speisereste – und damit die Reinigungsleistung – erstreckt. Insbesondere durch die Verwendung des Worts „selbst“ wird dem Verkehr ermittelt, dass eine revolutionäre Leistungssteigerung für die effektive Entfernung verantwortlich ist.

Ebenso wird der Verkehr eine „revolutionäre“ Performance auch nicht – wie die Antragsgegnerin meint – im 15 % geringeren Chemikaliengehalt im Vergleich zu einem Referenzprodukt sehen. So verdeutlicht schon der Satzbau, dass „revolutionär“ auf die „Performance“ und nicht auf die Differenz im Chemikaliengehalt bezogen ist. Im Übrigen wird der Verkehr dies auch – wie bereits ausgeführt – wegen der vorangegangenen Leistungsbehauptung, die hier vertieft wird, annehmen.

Die dargestellte Erwartungshaltung des Verkehrs wird enttäuscht, da eine erhebliche Leistungssteigerung schon im Vergleich zu dem Produkt U. nicht vorliegt. Dem die deutliche Leistungssteigerung des Produkts U. P. in Abrede stellenden Vortrag der Antragstellerin tritt die Antragsgegnerin im Rahmen dieses Irreführungsvorwurfs nicht entgegen, sondern zieht sich vielmehr auf die geschilderten Verkehrsverständnisse zurück, denen die Kammer nicht folgt (siehe oben).

Diese Irreführungsgefahr ist auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, zumal der Verbraucher bei der Auswahl von Spülmaschinentabs und -caps großen Wert auf die Reinigungsleistung legt.

Die nach § 8 Abs. 1 UWG vorausgesetzte Wiederholungsgefahr besteht schon wegen des begangenen Verstoßes und wurde durch die Antragsgegnerin bislang – etwa durch eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung – auch nicht ausgeräumt.


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