Skip to content

Volltext LG München liegt vor: Brauerei Paulaner darf Bezeichnung "PAULANER Spezi" weiterhin verwenden

LG München
Urteil vom 11.10.2022
33 O 10784/21


Wir hatten bereits in dem Beitrag LG München: Brauerei Paulaner darf Bezeichnung "PAULANER Spezi" weiterhin verwenden - markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung gilt im Regelfall zeitlich unbegrenzt über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:
II. Entgegen der Auffassung der Beklagtenvertreter ist auch das erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO zu bejahen.

1. Die Feststellungsklage dient der Erlangung von Rechtsgewissheit dort, wo eine Durchsetzung subjektiver Rechte durch Leistungsurteil oder eine Rechtsänderung durch Gestaltungsurteil nicht möglich ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 33. Auflage, § 256 Rdnr. 1). Ein Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO besteht daher grundsätzlich nur, wenn dem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte es ernstlich bestreitet oder er sich eines Rechts gegen den Kläger berühmt, und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 33. Auflage, § 256 Rdnr. 1).

2. Im Streitfall stellt die Beklagte die Berechtigung der Klägerin zur Nutzung des Zeichens „Spezi“, die diese aus der Vereinbarung 1974 ableitet, in Frage. Die Klägerin, die primär aus eigenem und nur hilfsweise („vorsorglich“) aus abgetretenem Recht der … GmbH & Co. KG vorgeht, hat daher ein greifbares eigenes Interesse an der Feststellung des Fortbestands dieser Vereinbarung. Anderweitige Rechtsschutzmöglichkeiten zur Klärung dieser Frage stehen der Klägerin nicht zur Verfügung, insbesondere ist das Begehren der Klägerin nicht deckungsgleich mit den mit der Widerklage verfolgten Ansprüchen der Beklagten.

B. Die Feststellungsklage ist - so weit nicht bereits in den Klageanträgen Ziffern I. und II. übereinstimmend für erledigt erklärt - begründet. Die Klägerin ist als Rechtsnachfolgerin der … AG Partei der Vereinbarung 1974 geworden (dazu nachfolgend I.). Diese Vereinbarung, die als Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarung und nicht als Lizenzvertrag einzuordnen ist (dazu nachfolgend II.), konnte von der Beklagten weder durch die mit dem als Anlage LSG 37 vorgelegten Schreiben vom 25.05.2021 noch durch die in der Duplik vom 27.04.2022 ausgesprochene Kündigung wirksam beendet werden (dazu nachfolgend III.).

I. Als Rechtsnachfolgerin der … AG ist die Klägerin an deren Stelle als Vertragspartnerin der Beklagten in die Vereinbarung 1974 eingetreten.

1. Ursprüngliche Vertragsparteien der am 05.03./15.03.1974 geschlossenen Vereinbarung sind die Beklagte und die … AG.

2. Mit zwischen der … AG und der … Brauerei AG geschlossenem Einbringungsvertrag vom 09.05.1994, vorgelegt als Anlage LSG 3, wurde der Getränke-Teil der … AG im Wege der Einzelrechtsnachfolge (vgl. dazu B.I.1 des Einbringungsvertrages) in die … Brauerei AG eingebracht. Ziel dieser Transaktion war ausweislich der Präambel des Einbringungsvertrages die Trennung des Betriebsteils „Getränkeherstellung und Vertrieb“ vom nicht notwendigen Grundbesitz und den Beteiligungen ohne überwiegend getränkespezifische Bedeutung, um damit einen höheren Grad der Spezialisierung der jeweiligen Aufgabenbereiche, mehr Ergebnisklarheit und auch Flexibilität vor dem Hintergrund der Konzentrationsbewegungen in der Branche, z.B. durch Knüpfung strategischer Allianzen, zu erreichen (vgl. dazu A. des Einbringungsvertrages). Gegenstand der Einbringung waren gemäß B.I.1 des Einbringungsvertrages alle Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten, die in der Einbringungsbilanz zum 01.01.1994 einzeln oder als Sachbegriff verzeichnet sind, abzüglich der Abgänge bzw. zuzüglich der Zugänge, die nach dem Stichtag gemäß Ziffer III. des Einbringungsvertrages erfolgt sind. Die Einbringungsbilanz wurde von der Klägerin im Verfahren nicht vorgelegt. Übertragen wurden ausweislich des Einbringungsvertrages insbesondere die in B.I.2 näher bezeichneten Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten, darunter gemäß B.I.2.h) „die für den Betriebsteil „Getränkeherstellung und Vertrieb“ bestehenden Verträge und Vertragsangebote, insbesondere Lieferungs- und Leistungsverträge mit Lieferanten und Abnehmern, vor allem Bier- und Getränkelieferungsverträge, sowie auch Kauf-, Miet-, Pacht-, Leasing-, Beratungs-, Finanzierungs-, Lizenz- und Kooperationsverträge (insbesondere […]), Verträge mit Handelsvertretern, Kommissionären und Vertriebshändlern, Herstellervereinbarungen und alle sonstigen zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse mit den sich hieraus ergebenden Rechten und Pflichten“ sowie gemäß B.I.2.j) „alle mit dem Betriebsteil „Getränkeherstellung und Vertrieb“ zusammenhängenden immateriellen Vermögensgegenstände, insbesondere alle öffentlichen und privaten Rechte und Gestattungen, gewerbliche Schutzrechte (z.B. Patente, Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster, Warenzeichen etc.) und ähnliche Rechte (einschließlich Know-How sowie ein eventuell vorhandener Geschäftswert), sowie Benutzungsrechte an vorgenannten Rechten Dritter. Die vorgenannten Warenzeichen sind in der Anlage 4 im einzelnen aufgeführt. Die Umschreibungen in den entsprechenden Registern werden bewilligt und beantragt.“ Von der … AG auf die … Brauerei AG übertragen wurden mithin auch die Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung 1974 als „Gestattung“ i.S.v. B.I.2.j) bzw. „sonstiges zivilrechtliches Rechtsverhältnis“ i.S.v. B.I.2.h) des Einbringungsvertrages.

In dieser Übertragung nicht nur von Rechten, sondern auch entsprechender Verpflichtungen - nämlich etwa der Verpflichtung, die Verwendung der den Gegenstand der Vereinbarung bildenden Kennzeichnungen durch den Vertragspartner unbeschadet eigener Rechte zu dulden (vgl. dazu etwa BGH GRUR 1981, 591 - Gigi-Modelle) - aus der Vereinbarung 1974 auf die … Brauerei AG liegt eine Schuldübernahme i.S.v. § 415 BGB, deren Wirksamkeit von der Genehmigung des Gläubigers, mithin der hiesigen Beklagten, abhängt. Eine solche Genehmigung, die auch als vorherige Zustimmung (Einwilligung) vorab erteilt werden kann (vgl. BeckOGK/Heinig, BGB, Stand: 01.03.2022, § 415 Rdnr. 25 m.w.N.), kann nicht schon in der Rechtsnachfolgeklausel gemäß Ziffer 10 der Vereinbarung 1974 gesehen werden. Sie liegt aber - da die Genehmigung i.S.v. § 415 Abs. 1 BGB auch konkludent erteilt werden kann (vgl. etwa MüKo/Heinemeyer, BGB, 9. Auflage, § 415 Rdnr. 12) - jedenfalls im nachfolgenden jahrelangen schlüssigen Verhalten der Beklagten, mit dem diese unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie nicht mehr die … AG als ihre Vertragspartnerin betreffend die Vereinbarung 1974 ansieht, sondern deren Rechtsnachfolger, etwa die … wie sich beispielsweise dem als Anlage LSG 44 vorgelegten Schreiben der Beklagten vom 16.03.2015 entnehmen lässt, in dem es im Zusammenhang mit der Diskussion über eine Kündbarkeit der Vereinbarung 1974 ausdrücklich heißt: „[…,] ist die Vereinbarung zwischen unserem und Ihrem Haus über die Lizenzierung von … vom März 1974 außerordentlich kündbar. […].“ oder schließlich die hiesige Klägerin, dergegenüber die Beklagte die als Anlage LSG 37 vorgelegte Kündigung vom 25.05.2021 erklärt hat (vgl. zum Fall der Zustimmung zur Vertragsübernahme auch BGH NJW-RR 2002, 191). Dass der Beklagten dabei der Einbringungsvertrag aus dem Jahre 1994 als solcher nicht bekannt gewesen sein mag, steht einer wirksamen Genehmigung der Schuldübernahme nicht entgegen. Denn die Zustimmung des Gläubigers zur Schuldübernahme muss sich schon nicht auf eine bestimmte Person als Übernehmer beziehen (vgl. BeckOGK/Heinig, BGB, Stand: 01.03.2022, § 415 Rdnr. 25); erst recht aber müssen dem Gläubiger nicht die Einzelheiten der Übertragung auf der Schuldnerseite bekannt sein. Eine Berufung auf die fehlende Mitteilung der Schuldübernahme i.S.v. § 415 Abs. 1 S. 2 BGB ist der Beklagten in Anbetracht der Gesamtumstände verwehrt, denn sie hat mit ihrem Verhalten über Jahre hinweg den Anschein erweckt, vom Wechsel ihres Vertragspartners bereits umfassend Kenntnis erlangt zu haben (vgl. BeckOGK/Heinig, BGB, Stand: 01.03.2022, § 415 Rdnr. 40). Im Übrigen erfolgte eine entsprechende Mitteilung auch mit dem als Anlage PBP 02 vorgelegten Schreiben der Klägerin vom 04.07.2017, dem sich entnehmen lässt, dass die Klägerin für sich in Anspruch nimmt, Rechtsnachfolgerin der … und mithin auch der seinerzeitigen Vertragspartei … AG zu sein. Ebenfalls nicht durchgreifend ist die Argumentation der Beklagtenseite, sie habe eine etwaige Schuldübernahme nicht genehmigen können, weil sie nicht gewusst habe, dass die Klägerin keinerlei Verpflichtungen übernommen habe; dass auf die … Brauerei AG und nachfolgend die Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin nicht nur die Rechte, sondern auch die Pflichten aus der Vereinbarung 1974 übergegangen sind, wurde bereits oben festgestellt und ist in B.I.2.h) des Einbringungsvertrages ausdrücklich geregelt.

3. Die … Brauerei AG wurde ausweislich der als Anlagen LSG 4 und LSG 5 vorgelegten Handelsregisterauszüge Ende 1998/Anfang 1999 formwechselnd umgewandelt in die … Sodann wurde die persönlich haftende Gesellschafterin dieser … die … ausweislich des als Anlage LSG 6 vorgelegten Handelsregisterauszugs als übertragende Gesellschaft aufgrund Verschmelzungsvertrages vom 30.05.2017 durch Aufnahme verschmolzen mit der … & Co. KGaA. Mit der Verschmelzung wurde die … & Co. KGaA einziger verbleibender persönlich haftender Gesellschafter der … Gleichzeitig wurde der einzige Kommanditist der … nämlich die … als übertragende Gesellschaft aufgrund des Verschmelzungsvertrags vom 30.05.2017 ebenfalls durch Aufnahme mit der … & Co. KGaA verschmolzen. Infolge dieser Verschmelzungen hat der einzige verbleibende Gesellschafter der … nämlich die … & Co. KGaA, das Geschäft der … mit allen Aktiven und Passiven im Wege der Anwachsung übernommen. Die … & Co. KGaA wiederum firmierte ausweislich des als Anlage LSG 8 vorgelegten Handelsregisterauszugs im Jahr 2017 um in … Brauerei Gruppe GmbH & Co. KGaA, die hiesige Klägerin. Die Klägerin ist mithin Rechtsnachfolgerin der … (vgl. auch notarielle Bescheinigung, Anlage LSG 7), welche aus der … Brauerei AG nach formwechselnder Umwandlung hervorgegangen ist. Soweit nicht ohnehin nur eine bloße Umfirmierung stattgefunden hat, ist für die weiteren Rechtsübergänge durch formwechselnde Umwandlung und Anwachsung und Verschmelzung eine Zustimmung der Beklagten nach § 415 Abs. 1 BGB nicht erforderlich, weil es sich insoweit um Gesamtrechtsnachfolgen handelt, auf die die §§ 414 ff. BGB keine Anwendung finden (vgl. BeckOGK/Heinig, BGB, Stand: 01.03.2022, § 414 Rdnr. 135).

II. Die Vereinbarung 1974 zwischen der … AG und der Beklagten, in die die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der … AG eingetreten ist, stellt weder nach heutiger Rechtslage noch unter Geltung des WZG einen Lizenzvertrag dar, sondern ist als klassische Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung - geschlossen im Vergleichswege - auszulegen.

1. Zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits besteht Uneinigkeit darüber, ob die Vertragsparteien der Vereinbarung 1974 einen Lizenzvertrag oder eine Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung abgeschlossen haben, was für die Frage einer Kündbarkeit dieser Vereinbarung von Belang ist. Der Wortlaut der Vereinbarung 1974 scheint diesbezüglich widersprüchlich, so dass es einer Auslegung bedarf (vgl. zum Kriterium der Auslegungsbedürftigkeit bzw. -fähigkeit etwa Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 6 und 6a).

2. Verträge sind gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. § 133 BGB gilt seinem Wortlaut nach zwar für die Auslegung der einzelnen Willenserklärung, er ist aber auch auf Verträge anzuwenden. Umgekehrt betrifft § 157 BGB seinem Wortlaut nach nur den bereits zustande gekommenen Vertrag. Auch die einzelnen Willenserklärungen und einseitigen Rechtsgeschäfte sind aber nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegen. Rechtsprechung und Lehre haben aus den beiden Normen unter Einbeziehung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen einen weitgehend allgemein anerkannten Kanon von Auslegungsgrundsätzen entwickelt (allg. M., vgl. nur Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 1). So hat die Auslegung trotz des in § 133 BGB enthaltenen Verbots der Buchstabeninterpretation zunächst vom Wortlaut auszugehen, und sind nach der Ermittlung des Wortsinns in einem zweiten Schritt die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände wie die Entstehungsgeschichte und Äußerungen der Parteien sowie die Interessenlage in die Auslegung einzubeziehen (vgl. etwa Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 14 ff.). Die Auslegung ist rechtliche Würdigung. Das Gericht hat diese von Amts wegen durchzuführen und ist an Parteivorbringen nicht gebunden (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 29).

3. Nach Entstehungsgeschichte und Regelungsgehalt ist die Vereinbarung 1974 trotz ihres missverständlichen Wortlauts nicht als Lizenzvertrag, sondern als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung einzustufen.

a) Wie sich aus der von den Parteien vorgelegten umfangreichen Korrespondenz im Vorfeld der Vereinbarung 1974 ergibt, bestand der Sinn und Zweck dieser Vereinbarung in der Beilegung und - endgültigen - Regelung der zwischen den Parteien bestehenden Streitigkeiten über die Berechtigung zur Benutzung des Zeichens „Spezi“ für ein colahaltiges Mischgetränk. Insbesondere bestand schon im damaligen Zeitpunkt einige Unsicherheit darüber, ob die Bezeichnung „Spezi“ für das in Rede stehende alkoholfreie Mischgetränk aus Cola und Limonade überhaupt Schutz als Warenzeichen beanspruchen konnte, wie etwa der als Anlage LSG 20 vorgelegten Zurückweisungsbeschluss des DPA vom 03.06.1973 oder auch die als Anlage LSG 15 vorgelegte Stellungnahme der IHK München vom 07.09.1967 belegt. Vor dem Hintergrund dieser Unwägbarkeiten, die auch den im Warenzeichenrecht ausgesprochen versierten anwaltlichen Vertretern der damaligen Vertragsparteien - Rechtsanwalt K. auf Seiten der … AG und Rechtsanwalt Dr. P. auf Seiten der Beklagten - wohl bewusst waren (siehe insoweit - exemplarisch - etwa Schreiben vom 11.09.1972, im Anlagenkonvolut PBP 11 sowie Schreiben vom 23.11.1973, Anlage PBP 16), entschlossen sich die … AG und die Beklagte zum Abschluss der Vereinbarung 1974. Bei Abschluss dieser Vereinbarung waren zugunsten der Beklagten die in der Präambel dieser Vereinbarung aufgelisteten Warenzeichen Nr. 698 130 „Spezi“, Nr. 698 129 „Spezi, die Flasche mit dem Rechten Maß“, Nr. 705 093 „Ein Spezi muß dabei sein“ sowie Nr. 889 780 eingetragen, nicht aber ein reines Wortzeichen „Spezi“ für „alkoholfreie Getränke“.

b) Kernstück der Vereinbarung 1974 ist die in Ziffer 1 enthaltene Gestattung der Beklagten zur warenzeichenmäßigen und schlagwortartigen Benutzung des Wortes „Spezi“ für ein alkoholfreies, kolahaltiges Mixgetränk in einer bestimmten bildhaften Aufmachung durch die … AG. Bei dieser „Gestattung“ handelt es sich nicht um eine Lizenz, sondern um ein pactum de non petendo im Sinne einer Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung.

aa) Eine Lizenz i.S.v. § 30 MarkenG beinhaltet die vertragliche Einräumung eines Nutzungsrechts an der Marke durch den Markeninhaber oder einen anderen an der Marke Berechtigten an den Lizenznehmer. Der Lizenznehmer partizipiert insoweit an den dem Markeninhaber ausschließlich zugewiesenen Nutzungsrechten (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 7 m.w.N.). Gegenstand einer Lizenz nach § 30 Abs. 1 MarkenG ist das durch die Eintragung, die Benutzung oder die notorische Bekanntheit einer Marke begründete Recht. Die Erteilung einer Markenlizenz ist im Falle der Eintragung einer Marke nach § 4 Nr. 1 MarkenG auf die eingetragene Marke beschränkt. Diese umfasst nicht das Recht, Lizenzen an verwechselbaren Zeichen i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu erteilen (vgl. BGH GRUR 2001, 54 - SUBWAY/Subwear, Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 7).

bb) Von der Lizenz im eigentlichen Sinne zu unterscheiden ist die Vereinbarung zwischen dem Markeninhaber und einem Dritten, dass der Markeninhaber gegen die (oder eine bestimmte) Benutzung der Marke durch den Dritten nicht vorgehen, insoweit also die Rechte aus der Marke nicht geltend machen werde (pactum de non petendo). Diese auch als „Negativlizenz“ bezeichnete Abrede hat mit der Lizenz i.S.v. § 30 MarkenG nichts zu tun. Dies zeigt sich schon daran, dass Gegenstand eines solchen pactum de non petendo - anders als bei der Lizenz i.S.v. § 30 MarkenG - ohne Weiteres auch ein (wirklich oder vermeintlich) nur ähnliches Zeichen für (wirklich oder vermeintlich) nur ähnliche Waren bzw. Dienstleistungen sein kann. Derartige Abreden kommen vor allem im Rahmen von Abgrenzungsvereinbarungen vor (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 8).

cc) Eine solche Abgrenzung von Lizenzen und Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarungen findet nicht erst seit Inkrafttreten des MarkenG, mit welchem die Markenlizenz im deutschen Recht erstmals eine - wenn auch lückenhafte - gesetzliche Regelung erfahren hatte (hierzu näher Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 1), statt. Vielmehr gelten diese Grundsätze seit jeher und insbesondere auch schon unter Geltung des WZG, wie beispielsweise eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 22.09.1899 (RGZ 44, 71 - Victoria) belegt, in der bereits das Reichsgericht eine entsprechende Abgrenzung zwischen einem Lizenzvertrag und einem Versprechen der dortigen Beklagten, die ihr aus der Eintragung des Warenzeichens „Victoria“ künftig erwachsenden Rechte gegen den dortigen Kläger nicht geltend machen zu wollen, vorgenommen hat. Auch unter Geltung des WZG war eine Abgrenzung von Lizenzverträgen zu Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen mithin danach vorzunehmen, ob ein Nutzungsrecht an einem eigenen Warenzeichen des Lizenzgebers eingeräumt wird, oder ob (lediglich) die Benutzung einer tatsächlich oder vermeintlich verwechselbaren Bezeichnung gestattet wird (in diesem Sinne auch v. Gamm, WZG, § 8 Rdnr. 22, vorgelegt als Anlage LSG 43 sowie Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 10. Auflage, Anh zu § 8 Rdnr. 6, vorgelegt als Anlage PBP 3).

dd) Dies zugrunde legend ist die Vereinbarung 1974 nicht als Lizenzvertrag, sondern als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung zu bewerten. Denn mit dieser Vereinbarung hat die Beklagte der … AG nicht etwa ein Nutzungsrecht an ihren vier eingetragenen Warenzeichen eingeräumt, sondern der … AG die Benutzung eines eigenen, von den Warenzeichen der Beklagten deutlich abweichenden Zeichens in der nachfolgenden Aufmachung
gestattet. Für diesen Befund spricht zudem, dass die Überschrift der Vereinbarung 1974 von „Lizenzvertrag“ (wie noch im als Anlage LSG 24 vorgelegten Entwurf vorgesehen) von den auf das Warenzeichenrecht spezialisierten anwaltlichen Vertretern der Vertragsparteien abgeändert wurde in „Vereinbarung“, und dass die Vereinbarung keine Regelungen zur Dauer bzw. Laufzeit sowie zu etwaigen Kündigungsmöglichkeiten vorsieht (so auch Elemenhorst/Schopp WRP 2012, 1356, 1357 m.w.N.) und darüber hinaus auch - anders als im Entwurf, in dem noch eine Zahlung „zur Abfindung der Lizenzgebühr“ vorgesehen war - von einer Lizenzgebühr abgesehen und stattdessen eine einmalige Abstandszahlung vereinbart wurde. Gegen die Einräumung einer Lizenz spricht zudem, dass die … AG nach der getroffenen Vereinbarung eine starke Stellung behält, die die Beklagte ihren Lizenznehmern - wie die als Anlagen PBP 35 bis PBP 41 vorgelegten Lizenz- und Abfüllverträge beispielsweise hinsichtlich der Vorgaben zum Bezug des bei der Herstellung zu verwendenden Grundstoffes (§ 3) oder zu den zu verwendenden Gebinden und deren Aufmachung (§ 6) sowie zur Unterwerfung unter ständige und regelmäßige Kontrollen hinsichtlich der ordnungsgemäßen Verwendung des Zeichens und der einheitlichen Qualität und Zusammensetzung des Getränkes (§ 3) belegen - üblicherweise nicht zugesteht.

Dass in der Tat in der unterschriebenen Fassung an einigen Stellen der Begriff „Lizenz“ enthalten ist (etwa in Ziffern 2, 4 und 9), steht der Einordnung der Vereinbarung als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung nicht entgegen und mag entweder redaktionellen Ungenauigkeiten oder dem Umstand geschuldet sein, dass Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen mit Nichtangriffsabreden mitunter auch als „Negativlizenz“ bezeichnet werden. Das übereinstimmend Gewollte hat den Vorrang vor einer irrtümlichen oder absichtlichen Falschbezeichnung (falsa demonstratio non nocet, vgl. dazu etwa Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 8 mit Verweis auf BGH NJW 1658 Tz. 12; grundlegend RG BeckRS 1920, 100367 - Haakjöringsköd). Und auch der Umstand, dass sich die … AG in Ziffer 2 der Vereinbarung 1974 zur Anbringung eines Lizenzvermerks „Lizenz Spezi Wz 705 093“ verpflichtet hat, vermag an der Rechtsnatur der Vereinbarung als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung nichts zu ändern. Denn nach dem übereinstimmenden Parteivortrag sollte mit der Anbringung dieses Hinweises auf den Etiketten der … AG nach außen hin eine Schwächung der Warenzeichen der Beklagten verhindert werden, ohne dass dies einen tieferen Sinn im Verhältnis der beiden Vertragsparteien gehabt hätte - das nach diesem Vermerk vorgeblich lizenzierte Zeichen „Ein Spezi muS dabei sein sollte von der … AG zu keinem Zeitpunkt benutzt werden.

4. Dass Gegenstand der Vereinbarung 1974 Zeichennutzungen sind, die - je nach vertretener Rechtsauffassung - nach § 23 MarkenG freigestellt sein könnten, steht der Wirksamkeit dieser Vereinbarung darüber hinaus nicht entgegen, weil durch diese gerade etwaige rechtliche Zweifel beseitigt werden sollten (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 43 mit Verweis auf BGH GRUR 2012, 910 - Delcantos Hits).

III. Die Vereinbarung 1974 konnte als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung von der Beklagten nicht wirksam gekündigt werden.

1. Vertragliche Regelungen zur Dauer bzw. Laufzeit sowie zu etwaigen Kündigungsmöglichkeiten enthält die Vereinbarung 1974 nicht.

2. Nach überwiegender und auch von der erkennenden Kammer vertretenen Auffassung sind markenrechtliche Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen - im Gegensatz zu Lizenzverträgen - nicht ordentlich kündbar (arg. ex §§ 314, 544 BGB). Denn die Schutzdauer eingetragener Markenrechte kann durch einfache Gebührenzahlung unbegrenzt verlängert werden. Das berechtigte Bedürfnis nach einer Abgrenzung der Benutzungsbefugnisse für (tatsächlich oder vermeintlich) verwechslungsfähige Zeichen besteht deshalb ebenfalls regelmäßig zeitlich unbegrenzt, zumal wenn - wie im Streitfall - mit dem Abschluss der Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarung eine endgültige Beilegung bestehender Meinungsverschiedenheiten beabsichtigt war, und die Parteien im Anschluss an diese Vereinbarung im Vertrauen auf deren Bestand vorhersehbar erhebliche Investitionen in ihren jeweiligen Markenaufbau getätigt haben (vgl. zu Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarungen BGH GRUR 2011, 641 Rdnr. 47 - Jette Joop sowie BGH GRUR 2002, 703 - VOSSIUS & PARTNER; BeckOK/Mielke, MarkenG, 30. Edition, Stand: 01.07.2022, § 14 Rdnr. 29; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 55; Fezer, MarkenG, 4. Auflage, § 14 Rdnr. 1101; Harte-Bavendamm/v. Bomhard GRUR 1998, 530; Elemenhorst/Schopp WRP 2012, 1356, 1357, 1360; offenlassend („jedenfalls aus wichtigem Grund“) Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 14 Rdnr. 302 mit Verweis auf § 15 Rdnr. 37; zur Geltungsdauer von Unterlassungsverpflichtungen allgemein BGH NJW 2012, 3162). Die Vereinbarung 1974 konnte daher durch die Kündigungen der Beklagten vom 25.05.2021 bzw. 27.04.2022 nicht ordentlich gekündigt werden.

Diesem Ergebnis stehen die von der Beklagten zur Stützung ihrer Auffassung herangezogenen, lange vor Einführung des § 314 BGB durch das SchuldRModG ergangenen Entscheidungen BGH GRUR 1959, 384 - Postkalender und BGH GRUR 1970, 528 - Migrol nicht entgegen:

In der Entscheidung BGH GRUR 1959, 384 - Postkalender ging es um die Frage der Kündbarkeit eines Dauerschuldverhältnisses gerichtet auf die Überlassung der drucktechnischen Herstellung eines Kalenders auf unbestimmte Zeit. Eine solche ständige Vertragsbeziehung ist aber schon ihrem Wesen nach nicht mit einer kennzeichenrechtlichen Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung vergleichbar, die gerade die Rechtsbeziehung zweier Parteien in Bezug auf die jeweiligen Zeichennutzungen endgültig regeln und die Schutzbereiche voneinander abgrenzen soll. Zudem knüpfte der BGH im Falle „Postkalender“ die ordentliche Kündbarkeit des dortigen Dauerschuldverhältnisses an die Berücksichtigung aller wesentlichen Begleitumstände unter Abwägung der Interessenlage der Vertragsparteien nach Treu und Glauben und den Verkehrssitten. Im Streitfall aber würde eine ordentliche Kündbarkeit schon an den an einer endgültigen Streitbeilegung ausgerichteten Interessen der Parteien bei Abschluss der Vereinbarung 1974 scheitern.

Der Entscheidung BGH GRUR 1970, 528 - Migrol hingegen lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem es um die Kündigung einer Vereinbarung ging, durch die einem anderen die Benutzung einer Bezeichnung ohne zeitliche Begrenzung gestattet worden war. In diesem Fall hat der BGH eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit wegen der Besonderheiten des Falles in Erwägung gezogen, denn der dortigen Beklagten wurde die Benutzung einer eng an den bekannten und wertvollen Firmennamen „Migros“ angelehnten Bezeichnung unentgeltlich gestattet; zudem stellte die getroffene Vereinbarung ein noch ergänzungsbedürftiges Provisorium dar. Beides trifft auf die Vereinbarung 1974 indes nicht zu. Weder wurde diese unentgeltlich geschlossen, noch hat diese einen lediglich provisorischen Charakter; im Gegenteil beinhaltet die Vereinbarung 1974 vielmehr eine dauerhafte Konfliktlösung.

3. Auch die außerordentliche Kündigungsmöglichkeit der miet- und pachtrechtlichen Vorschriften der §§ 581 Abs. 2, 544 BGB greift im Streitfall nicht. Die genannten Vorschriften sind auf kennzeichenrechtliche Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen nicht analog anzuwenden. §§ 581 Abs. 2, 544 BGB sollen sicherstellen, dass die Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses zeitlich begrenzt ist. „Ewige“, vertraglich begründete Nutzungsrechte, sog. „Erbmieten“ oder ähnliche Verhältnisse sollen hierdurch verhindert werden, weil die Verkehrsfähigkeit des Grundeigentums außerhalb des numerus clausus der Sachenrechte und des Buchungszwangs der Grundstücksrechte nicht schuldrechtlich gefährdet werden soll. Verpflichtungen für darüberhinausgehende Zeiträume sollen jedoch nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden (vgl. BeckOGK/Mehle, BGB, Stand: 01.04.2022, § 544 Rdnr. 2 sowie BGH NJW 2012, 3162 Rdnr. 16). Mit der Vereinbarung 1974 werden aber gerade keine Nutzungsrechte an einem etwaigen (Waren-) Zeichen der Beklagten eingeräumt, sondern es wurde - lediglich - ein Stillhalteabkommen (pactum de non petendo) in Form einer Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung getroffen (siehe dazu B.II.3.). Die Interessenlage ist daher nicht im Ansatz vergleichbar, weshalb sich die von der Beklagten in Erwägung gezogene Analogie verbietet.

4. Aus den genannten Gründen scheidet eine außerordentliche Kündigung der Beklagten in analoger Anwendung der §§ 581 Abs. 2, 543 Abs. 1 BGB ebenfalls aus; die Vereinbarung 1974 hat keine Gebrauchsüberlassung zum Inhalt.

5. Einer wirksamen außerordentlichen Kündigung der Vereinbarung 1974 nach § 314 Abs. 1 BGB steht jedenfalls entgegen, dass kein wichtiger Grund für eine solche außerordentliche Kündigung der Beklagten gegeben ist. Bei der Definition des wichtigen Grundes i.S.d. § 314 Abs. 1 S. 2 BGB hat sich der Gesetzgeber bewusst an § 626 Abs. 1 BGB angelehnt. Ein wichtiger Kündigungsgrund liegt danach vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zuzumuten ist (vgl. BeckOGK/Martens, BGB, Stand: 01.07.2022, § 314 Rdnr. 26). Der Kündigungsgrund muss außerdem aus dem Einflussbereich des Kündigungsgegners kommen und ihm zurechenbar sein (vgl. etwa BeckOK/Wiederhold, BGB, 62. Edition, Stand: 01.05.2022, § 543 Rdnr. 7). Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall: Die Klägerin hält die vertraglichen Vereinbarungen unbestritten ein, und Jahrzehnte nach Abschluss der Vereinbarung eingetretene Vertragsreue als Ausfluss des Wunsches der Beklagten, am beachtlichen wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin zu partizipieren, stellt keinen wichtigen Grund im Rechtssinne dar.

6. Und schließlich besteht auch keine ordentliche oder außerordentliche Kündigungsmöglichkeit der Beklagten nach §§ 705, 723 Abs. 1 BGB. Denn die Parteien der Vereinbarung 1974 haben anders als die Parteien in den Entscheidungen RG GRUR 1940, 560 - strickende Hände I und BGH GRUR 2006, 56 - BOSS-Club keinen Gesellschaftsvertrag geschlossen oder ein gesellschaftsähnliches Verhältnis begründet, sondern haben sich im Gegenteil voneinander abgegrenzt. In der Entscheidung BGH GRUR 2006, 56 - BOSS-Club haben die Parteien einen unentgeltlichen Lizenz- oder Gestattungsvertrag über die Nutzung der klägerischen Marke geschlossen, was eine Anwendung gesellschaftsvertraglicher Vorschriften rechtfertigt. In der Entscheidung RG GRUR 1940, 560 - strickende Hände I hingegen hat die Rechtsvorgängerin der dortigen Beklagten der dortigen Klägerin die Benutzung deren eigenen Warenzeichens gestattet. In dieser Gestattungsvereinbarung verpflichteten sich die Vertragsparteien gegenseitig, das in Rede stehende Motiv gegen Verletzungen von dritter Seite zu schützen und ggf. Widerspruch gegen Eintragungen Dritter einzulegen sowie sich wechselseitig über Zeichenverletzungen Dritter zu informieren und bei der Rechtsverfolgung zu unterstützen. Diese Verpflichtungen gehen weit über das hinaus, was die Parteien der Vereinbarung 1974 in der dortigen Ziffer 6 - die im Vergleich zum als Anlage LSG 24 vorgelegten Entwurf (dort Ziffer 5) nochmals stark abgeschwächt worden war - vereinbart haben. Beide Fallgestaltungen unterscheiden sich daher deutlich von der hier zu entscheidenden Konstellation, in der die Parteien der Vereinbarung 1974 sich gerade dazu entschlossen haben, nach Leistung einer einmaligen Abstandszahlung durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin endgültig getrennte Wege zu gehen.

C. Die zulässige Widerklage ist unbegründet.

Der Beklagten stehen die gegen die Klägerin geltend gemachten markenrechtlichen Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche nicht zu, weil die Klägerin mit der von der Beklagten beanstandeten Zeichennutzung die Widerklagemarken nicht verletzt. Weil die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der … AG (dazu oben B.I) Vertragspartei der Vereinbarung 1974 geworden ist, die durch die Beklagte nicht wirksam gekündigt werden konnte (dazu oben B.III), erfolgt die Zeichennutzung durch die Klägerin, die unbestritten die Vorgaben dieser Vereinbarung einhält, schon nicht „ohne Zustimmung des Markeninhabers“ i.S.v. § 14 Abs. 2 MarkenG, sondern vielmehr mit ausdrücklicher Zustimmung der Beklagten. Auf die weiteren zwischen den Parteien hochstreitigen, diffizilen kennzeichenrechtlichen Fragen einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerklagemarken, eines Verfalls der Widerklagemarken wegen Wandels zur gebräuchlichen Bezeichnung, einer markenmäßigen Benutzung des beanstandeten Zeichens auf den Etiketten der Klägerin und des Bestehens von Doppelidentität oder Verwechslungsgefahr im kennzeichenrechtlichen Sinne zwischen den sich jeweils gegenüberstehenden Zeichen kommt es nach alledem im Streitfall nicht an.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG München: Brauerei Paulaner darf Bezeichnung "PAULANER Spezi" weiterhin verwenden - markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung gilt im Regelfall zeitlich unbegrenzt

LG München
Urteil vom 11.10.2022
33 O 10784/21


Das LG München hat entschieden, dass Paulaner die Bezeichnung "PAULANER Spezi" weiterhin für ein Mischgetränk aus Limonade und Cola verwenden darf. Die Brauereien Riegele und Paulaner hatten in der Vergangenheit eine markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung geschlossen, an dies sich Riegele nach einer Kündigungserklärung nicht mehr gebunden fühlte. Markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarungen gelten - wie das Gericht ausführt - im Regelfall zeitlich unbegrenzt und können nicht ordentlich gekündigt werden. Für eine außerordentliche Kündigung bestand kein Grund.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
„Spezi“
Die auf Marken- und Wettbewerbsrecht spezialisierte 33. Zivilkammer des Landgerichts München I hat mit Urteil vom 11.10.2022 festgestellt, dass die zwischen zwei Brauereien getroffene Vereinbarung zur Berechtigung der Nutzung der Bezeichnung „PAULANER Spezi“ für ein Mischgetränk aus Limonade und Cola aus dem Jahr 1974 fortbesteht (Az. 33 O 10784/21).

Damit darf die Klägerin die Bezeichnung „PAULANER Spezi“ weiter nutzen.

Die beklagte Brauerei aus Augsburg hatte vorgerichtlich die Rechtsnachfolge der Klägerin hinsichtlich des Vertrags von 1974 bezweifelt und zudem die Kündigung der Vereinbarung erklärt. Sie begehrte den Abschluss einer neuen Lizenzvereinbarung. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit einer Feststellungsklage.

Dieser gab das Landgericht München I heute statt.

Die Kammer erkannte die klägerische Brauerei als Rechtsnachfolgerin an. Zudem erachtete sie die Vereinbarung von 1974 als weiterhin wirksam und fortbestehend.

Zur Überzeugung des Gerichts ist die Vereinbarung von 1974 nicht als Lizenzvertrag, sondern als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung auszulegen. Hierfür spreche bereits, so die Kammer, dass die ursprünglich vorgesehene Überschrift des Vertragsdokuments noch vor Vertragsunterzeichnung von „Lizenzvertrag“ in „Vereinbarung“ abgeändert worden sei, sowie weitere Begleitumstände des Vertragsschlusses. So sei mit der Vereinbarung aus dem Jahr 1974 eine endgültige Beilegung bestehender Streitigkeiten zwischen den Parteien beabsichtigt gewesen. Im Vertrauen auf die endgültige Beilegung habe die Klägerin erhebliche Investitionen in den Aufbau ihrer Marke getroffen.

Nach Auffassung des Gerichts sind markenrechtliche Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen - im Gegensatz zu Lizenzverträgen - nicht ordentlich kündbar. Denn die Schutzdauer eingetragener Markenrechte könne durch einfache Gebührenzahlung unbegrenzt verlängert werden, so die Kammer.

Das berechtigte Bedürfnis nach einer Abgrenzung der Benutzungsbefugnisse für (tatsächlich oder vermeintlich) verwechslungsfähige Zeichen bestehe deshalb ebenfalls regelmäßig zeitlich unbegrenzt, zumal wenn – wie im Streitfall – mit dem Abschluss der Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarung eine endgültige Beilegung bestehender Meinungsverschiedenheiten beabsichtigt worden sei, und die Parteien im Anschluss an diese Vereinbarung im Vertrauen auf deren Bestand vorhersehbar erhebliche Investitionen in ihren jeweiligen Markenaufbau getätigt hätten.

Für eine außerordentliche Kündigung durch die Beklagte habe die Klägerin keinen Anlass gegeben, so die Kammer, da sie sich stets vertragstreu verhalten habe.

Das Gericht führt hierzu in seinem Urteil aus: „Die Klägerin hält die vertraglichen Vereinbarungen unbestritten ein, und Jahrzehnte nach Abschluss der Vereinbarung eingetretene Vertragsreue als Ausfluss des Wunsches der Beklagten, am beachtlichen wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin zu partizipieren, stellt keinen wichtigen Grund im Rechtssinne dar.“

Die im Rahmen einer Widerklage geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche der Beklagten auf Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz wies die Kammer wegen des Fortbestehens der Vereinbarung aus dem Jahr 1974 zwischen den Parteien als unbegründet zurück.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.


BGH: Markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung - Ob eine kartellrechtswidrige spürbare Wettbewerbsbeschränkung besteht bedarf sorgfältiger Prüfung

BGH
Urteil vom 15.12.2015
KZR 92/13
Pelican/Pelikan
GWB § 1; AEUV Art. 101 Abs. 1

Leitsätze des BGH:


a) Dem Umstand, dass Unternehmen eine markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung abgeschlossen haben, kommt regelmäßig keine erhebliche Bedeutung für die Beurteilung der Frage zu, ob zwischen ihnen potentieller Wettbewerb besteht.

b) Für die Frage, ob eine markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung den Wettbewerb beschränkt, kommt es nicht auf den Schutzbereich der Marken der Parteien, sondern darauf an, ob sie nach allgemeinen Grundsätzen aktuelle oder potentielle
Wettbewerber sind.

c) Beschränkt eine markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung zwischen Nichtwettbewerbern einen der Vertragspartner im Wettbewerb mit Dritten, weil er eine auf den Drittmärkten bereits benutzte Marke dort nicht weiter verwenden darf, bedarf die Feststellung der Spürbarkeit einer solchen Wettbewerbsbeschränkung sorgfältiger Prüfung.

d) Jedenfalls eine kartellrechtlich nicht relevante Abgrenzungsvereinbarung wird nicht ohne weiteres schon mit der Löschung der Marke in entsprechendem Umfang unwirksam.

BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 - KZR 92/13 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Zur kartellrechtlichen Zulässigkeit einer markenrechtlichen Abgrenzungsvereinbarung

BGH
Urteil vom 07.12.2010
KZR 71/08
Jette Joop
GWB § 1; AEUV Art. 101 Abs. 1

Leitsätze des BGH:

a) Die kartellrechtliche Zulässigkeit einer Abgrenzungsvereinbarung, die keine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, beurteilt sich für die Dauer ihrer Geltung allein nach der markenrechtlichen Rechtslage bei ihrem Abschluss.
b) Bei der Bestimmung der Grenzen markenrechtlicher Abgrenzungsvereinbarungen gilt kein Verbot geltungserhaltender Reduktion.

BGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 - KZR 71/08 - OLG Hamburg
LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: