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LG Hamburg: Grundpreis muss nicht in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis angegeben werden - Europarechtskonforme Auslegung von § 2 Abs. 1 PAngV im Sinne der EU-Preisangabenrichtlinie

LG Hamburg
Urteil vom 20.08.2019
406 HKO 106/19

Das LG Hamburg hat entschieden, dass der Grundpreis nicht in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis angegeben werden muss. Dies folgt - so das Gericht - aus der gebotenen europarechtskonformen Auslegung von § 2 Abs. 1 PAngV im Sinne der EU-Preisangabenrichtlinie.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der zulässige Widerspruch ist begründet. Die einstweilige Verfügung erweist sich unter Berücksichtigung des Parteivorbringens im Widerspruchsverfahren im Umfang des Widerspruchs als zu Unrecht ergangen, weil bei europarechtskonformer Auslegung des § 2 Abs. 1 der Preisangabenverordnung abweichend von dessen Wortlaut eine Angabe des Grundpreises in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises nicht erforderlich ist.

Wie auch von Antragstellerseite zu Recht nicht in Zweifel gezogen wird, dürfen die Vorschriften der Preisangabenverordnung wegen der Vollharmonisierung dieses Rechtsgebietes keine strengeren Anforderungen stellen als die maßgeblichen Normen des Europarechtes. Hinsichtlich des Grundpreises heißt es hierzu in Art. 4 Abs. 1 der EU-Preisangabenrichtlinie: „Der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit müssen unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein.“ Entgegen der Auffassung des Antragstellers setzt dies nicht notwendig voraus, dass der Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises angegeben wird. Dem Wortlaut der Norm nach ist eine unmissverständliche, klar erkennbare und gut lesbare Angabe des Grundpreises auch an anderer Stelle als in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises möglich.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ergibt sich auch nicht aus Art. 6 der Erwägungsgründe der Richtlinie ein Anhaltspunkt dafür, dass die vorgenannte Regelung eine Grundpreisangabe in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises erfordert. Nach dem 6. Erwägungsgrund trägt die Verpflichtung, den Verkaufspreis und den Preis je Maßeinheit anzugeben, merklich zur Verbesserung der Verbraucherinformation bei, da sie den Verbrauchern auf einfachste Weise optimale Möglichkeiten biete, die Preise von Erzeugnissen zu beurteilen und miteinander zu vergleichen und somit anhand einfacher Vergleiche fundierte Entscheidungen zu treffen. Dieser Erwägungsgrund spricht im Gegenteil dafür, dass bereits die Regelung der Grundpreisangabe in Art. 4 Abs. 1 optimale Möglichkeiten zum Preisvergleich biete, ohne dass es zusätzlicher, im Wortlaut der Norm nicht enthaltener Anforderungen bedürfe. Soweit der Antragsteller geltend macht, Grundpreis und Gesamtpreis müssten auf einen Blick wahrnehmbar sein, weil nicht ersichtlich sei, wie ein optimaler Preisvergleich möglich sein solle, wenn nicht beide Preise von dem Verbraucher auf einen Blick wahrgenommen werden können, verkennt der Antragsteller, dass Gegenstand des Preisvergleiches nicht Grundpreis und Gesamtpreis sind, sondern die Grundpreise verschiedener Artikel. Damit lässt sich kein Anhaltspunkt dafür feststellen, dass die EU-Preisangabenrichtlinie über ihren Wortlaut hinaus eine Grundpreisangabe in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises gefordert hätte. Vielmehr geht die Richtlinie davon aus, dass optimale Möglichkeiten des Preisvergleiches auf einfachste Weise bereits dann bestehen, wenn der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sind. Dies entspricht auch den Tatsachen. Wenn die Grundpreisangabe unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar ist, bietet sie dem Verbraucher tatsächlich optimale Möglichkeiten des Preisvergleiches. § 2 Abs. 1 der Preisangabenverordnung ist daher europarechtskonform dahin auszulegen, dass es ausreicht, wenn der Grundpreis unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar angegeben wird, auch wenn dies nicht in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises erfolgt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: