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LG Düsseldorf: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung für EMS-Gerät mit "Traumkörper ganz ohne Sport" und ähnliche Werbeaussagen

LG Düsseldorf
Urteil vom 21.06.2023
12 O 115/22

Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass die Werbung für ein EMS-Gerät mit "Traumkörper ganz ohne Sport" und ähnliche Werbeaussagen eine wettbewerbswidrige Irreführung darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 8b UWG, § 2 UKlaG i.V.m. § 5 UWG bzw. §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 3 HWG und Art. 7 lit. a) der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.04.2017 über Medizinprodukte (Medizinprodukteverordnung, im Folgenden MDR (Medical Device Regulation)) zu.

a. Der Kläger ist gemäß nach §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 8b Abs. 1, 2 UWG und §§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 2 UKIaG i.V.m. §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 8b Abs. 1, 2 UWG aktiv legitimiert. Es handelt sich bei ihm um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen. Der Verband ist seit dem 15.11.2021 auch in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen. §§ 8 Abs. 3 Nr. 2 und 8b Abs. 1 und Abs. 2 UWG in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs (BGBl. I 2020 S. 2568; UWG n.F.) finden hier Anwendung. Nach diesen Vorschriften, die am 01.12.2021 in Kraft getreten sind, bedürfen Wirtschaftsverbände nunmehr der Eintragung in eine Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG n.F., um Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG geltend machen zu können (vgl. BGH, Urt. v. 26.01.2023, Az. I ZR 111/22, Rn. 11, juris). Ferner ist gerichtsbekannt, dass der Kläger nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande ist, seine satzungsmäßigen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen. Dem entsprechenden Vorbringen des Klägers ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Schließlich gehört dem Kläger auch eine erhebliche Zahl von Unternehmern an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben wie die Beklagte. Dabei ist auf die angegriffenen Wirkaussagen abzustellen, da es auf die Substituierbarkeit der von ihnen angebotenen Waren und Dienstleistungen ankommt. Das Gerät der Beklagten soll Muskeln im menschlichen Körper aufbauen („mühelos definierte Muskeln“) und zur Erlangung eines „Traumkörpers“, und zwar „ganz ohne Sport“, dienen. Ferner soll es Hautgewebe sowie Bereiche mit Cellulite glätten. Damit konkurrieren etwa Apotheken, die Mittel zur Gewichtsreduzierung vertreiben, mit der Beklagten, ebenso wie Ärzte (Allgemeinmediziner und Hautärzte) sowie Heilpraktiker, die ihren Patienten Diäten oder Medikamente gegen Cellulite verschreiben. Auch Hersteller und Großhändler von Arzneimitteln sowie Anbieter von Medizinprodukten stehen im Wettbewerb zur Beklagten. Der Kläger hat durch Vorlage seiner Mitgliederliste substantiiert dargelegt, dass ihm eine Vielzahl von Apotheken, Ärzten, Heilpraktikern und Arzneimittelherstellern und -großhändlern angehören. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist somit nicht nur auf die Anbieter im Markt für vergleichbare Therapie-Geräte (wie den „N.) die das EMS- und/oder HIFEM-Verfahren verwenden, abzustellen, wobei auch Unternehmen aus der Branche der Medizinprodukte zum Mitgliederkreis des Klägers zählen.

b. Bei den Werbeangaben handelt es sich auch um geschäftliche Handlungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG, da diese der Förderung des Absatzes von Waren (hier dem Gerät „N.“) dienen.

c. Es liegt ein Verstoß gegen die spezialgesetzlichen Irreführungsverbote gemäß §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 3 HWG und Art. 7 lit. a) MDR sowie das allgemeine Irreführungsverbot gemäß § 5 UWG vor.

Nach § 5 Abs. 1 S. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist nach § 5 Abs. 1 S. 2 UWG u.a. dann irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale einer Ware oder Dienstleistung enthält (Nr. 1).

Gemäß § 3 Nr. 1 HWG ist eine irreführende Werbung unzulässig, und zwar insbesondere dann, wenn Arzneimitteln, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben.

Gemäß Art. 7 lit. a) MDR ist es bei der Kennzeichnung, den Gebrauchsanweisungen, der Bereitstellung, der Inbetriebnahme und der Bewerbung von Produkten untersagt, Texte, Bezeichnungen, Warenzeichen, Abbildungen und andere bildhafte oder nicht bildhafte Zeichen zu verwenden, die den Anwender oder Patienten hinsichtlich der Zweckbestimmung, Sicherheit und Leistung des Produkts irreführen können, indem sie dem Produkt Funktionen und Eigenschaften zuschreiben, die es nicht besitzt.

aa. Es liegt eine Irreführung gemäß § 5 UWG vor.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die angegriffenen sieben Werbeangaben, bei denen es sich um Wirkungs- bzw. Wirksamkeitsaussagen handelt, zutreffend sind.

Ob und inwieweit eine Werbung mit Wirkungs- bzw. Wirksamkeitsaussagen irreführend ist, bemisst sich nach dem Verständnis eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Angehörigen der Verkehrskreise, an welche sich die Werbung richtet (BGH, GRUR 2004, 793 - Sportlernahrung II; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, § 5 UWG, Rn. 1.64). Dies können sowohl Fachkreise als auch Verbraucher, aber auch nur bestimmte Gruppen von Verbraucher sein. Wendet sich eine Werbung nur an Fachleute, so entscheiden deren Auffassung und Sprachgebrauch auf dem betreffenden Fachgebiet (BGH GRUR 2013, 649 Rn. 50 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; BGH GRUR 2021, 513 Rn. 11 – Sinupret; (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, § 5 UWG, Rn. 1.64). Werbeangaben werden von fachkundigen Kreisen meist sorgfältiger betrachtet. Zudem erfassen die Fachkreise aufgrund ihrer Vorbildung und Erfahrung den Aussageinhalt einer (Werbe-)Angabe oft leichter und prüfen sie mitunter wegen ihrer beruflichen Verantwortung genauer (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, § 5 UWG, Rn. 1.69). Wendet sich eine Werbung hingegen sowohl an ein Fach- als auch an ein Laienpublikum (oder Teile davon), so reicht es aus, wenn eine Irreführungsgefahr bei einer der Adressatengruppen besteht (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 124, juris; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.64).

Dies berücksichtigend ist der Aussagegehalt der hier angegriffenen Werbeangaben aus der Sicht der Fachkreise zu beurteilen. Die Veröffentlichung der in Rede stehenden Werbeanzeige erfolgte vorliegend in dem Fachmagazin „X.“, zu dessen Lesern in erster Linie Mitglieder der Fachkreise aus dem Bereich Beauty, Wellness, Styling, Hand- und Fußpflege zählen. Ferner ist davon auszugehen, dass sich selbst von den „interessierten Verbrauchern“ nur wenige wegen des hohen Preises des Geräts „D.“ für dessen Erwerb interessieren würden. Bei Verbrauchern könnte allenfalls im Einzelfall ein Interesse für ein entsprechendes (Fitness-)Training bei einem Dienstleister mit diesem Gerät geweckt worden sein. Da Verbraucher nur im Einzelfall bzw. nur durch Zufall mit der streitgegenständlichen Werbeanzeige in Kontakt gekommen sein dürften, ist insofern auf die Sicht eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Mitglieds der Fachkreise abzustellen. Maßgebend für die Bestimmung des Inhalts ist, wie dieser die beanstandeten Angaben aufgrund ihres Gesamteindrucks versteht (BGH, Urt. v. 05.02.2015, Az. I ZR 136/13, Rn. 18 - TIP der Woche; BGH, Urt. v. 18.01.2012, Az. I ZR 104/10, Rn. 16 - Neurologisch/Vaskuläres Zentrum). Nach dem Gesamteindruck beurteilt sich auch, welche Angaben in einer Äußerung getrennt verstanden werden, welche zusammengehören, in welchem Zusammenhang sie stehen und wie sie im Zusammenhang verstanden werden (BGH, Urt. v. 16.12.2004, Az. I ZR 222/02, Rn. 24 bei juris - Epson Tinte). Unerheblich ist das nicht zum Ausdruck gelangte Verständnis des Werbenden selbst. Entscheidend für die Bildung der Verkehrsauffassung ist vielmehr der erfahrungsgemäß am Wortsinn anknüpfende objektive Eindruck auf den Empfängerkreis. Dabei ist es durchaus möglich, dass sich Auffassung und Sprachgebrauch der Fachleute nicht von denen des allgemeinen Verkehrs unterscheidet (BGH, GRUR 2021, 513 Rn. 14 – Sinupret).

So liegt der Fall hier. Die für (medizinische) Laien wie für die Fachkreise gleichermaßen verständlichen Angaben in der angegriffenen Werbeanzeige suggerieren nicht nur dem Laien, sondern auch dem Mitglied der Fachkreise hinsichtlich der Körperstatur („Traumkörper“, „Muskelaufbau“), dem Fettgehalt im Körper („Körperfett wird reduziert“) und der Beschaffenheit der Haut („das Gewebe wird sichtbar gestrafft“, „Problemzonen mit Cellulite werden deutlich geglättet“) eine therapeutische Wirksamkeit bzw. therapeutische Wirkungen der Behandlung mit dem Gerät „D.“. Eines speziellen Trainings (im Sinne von sportlicher Aktivität) während oder im Zusammenhang mit der Behandlung bedarf es unter Berücksichtigung des maßgeblichen Gesamteindrucks der Werbeangaben nicht, da laut der blickfangmäßigen Überschrift der „Traumkörper auch ganz ohne Sport“ (Nr. 1) erreicht werden kann bzw. der Aufbau von – dem Schönheitsideal entsprechenden – definierten Muskeln „mühelos“ (Nr. 2) erfolgt. Auch die den Fließtext der Werbeanzeige einleitende Frage „Keine Lust auf Sport, aber Sehnsucht nach dem Traumkörper?“ wird in diesem Sinne im folgenden Satz sogleich beantwortet: „Kein Problem! Das N. stimuliert die Muskeln wie bei einem Intensivtraining, ganz ohne Sport“ (Nr. 3). Die weiteren angegriffenen Werbeangabe beinhalten mit „Muskeln werden aufgebaut und das Gewebe wird sichtbar gestrafft“ (Nr. 4), „Körperfett wird reduziert“ (Nr. 5) und „Problemzonen mit Cellulite werden deutlich geglättet!“ (Nr. 6) ferner konkrete Wirkangaben. Hierauf wird in der abschließenden Formulierung nochmals erkennbar Bezug genommen, in der es zusammenfassend heißt: „Innerhalb kürzester Zeit können beeindruckende Ergebnisse an Oberschenkeln, Bauch, Hüften, Armen und Po erzielt werden“ (Nr. 7). Da die in der Werbeanzeige verwandten Begriffe auch dem Laien ein Begriff sind,

Die Frage, ob eine Wirkungs- bzw. Wirksamkeitsangabe den Adressaten der Werbung in die Irre führt, ist hierbei in Anwendung des für die gesundheitsbezogene Werbung allgemein geltenden strengen Maßstabs zu entscheiden. Da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung verbunden sein können, sind insoweit an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit gesundheitsbezogener Werbeaussagen besonders strenge Anforderungen zu stellen (BGH, GRUR 2002, 182, 185 - Das Beste jeden Morgen; GRUR 2012, 647 Rn. 33 - Injectio; GRUR 2013, 649 Rn. 15 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 124, juris). Dies rechtfertigt sich zudem daraus, dass die eigene Gesundheit in der Wertschätzung des Verbrauchers einen hohen Stellenwert hat und sich deshalb an die Gesundheit anknüpfende Werbemaßnahmen erfahrungsgemäß als besonders wirksam erweisen (BGH, GRUR 2002, 182, 185 - Das Beste jeden Morgen; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 125, juris). Irreführend sind solche Werbeaussagen, die geeignet sind, im konkreten Fall eine Divergenz zwischen der Vorstellung des Adressaten und der Wirklichkeit herbeizuführen. Dabei wird auch die Werbung mit unzureichend wissenschaftlich gesicherten Wirkungsaussagen erfasst (OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 125, juris). Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung nämlich generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (BGH, GRUR 2012, 647 Rn. 33 - Injectio; GRUR 2013, 649 Rn. 16 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; GRUR 2015, 1244 Rn. 16 - Äquipotenzangabe in Fachinformation; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 125, juris).

Dabei obliegt der Nachweis, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, grundsätzlich dem Kläger als Unterlassungsgläubiger (BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 32 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 126, juris). Hat der Beklagte indes – wie hier die Beklagte – mit einer fachlich zumindest umstrittenen Meinung geworben, ohne auf die fehlende wissenschaftliche Absicherung hinzuweisen, kommt es jedoch zu einer Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast (OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 124, juris). Der Beklagte muss dann den Beweis für die Richtigkeit seiner Aussagen erbringen. Der Werbende übernimmt in einem derartigen Fall dadurch, dass er eine bestimmte Aussage trifft, die Verantwortung für die Richtigkeit, die er deshalb im Streitfall auch beweisen muss (vgl. BGH, GRUR 1991, 848, 849 - Rheumalind II; GRUR 2013, 649 Rn. 32 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 126, juris; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, § 5 UWG, Rn. 1.248). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebo-kontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch die Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist. Auch im Fall einer Metaanalyse ist Voraussetzung dafür, dass sie eine Werbeaussage tragen kann, in jedem Fall die Einhaltung der für diese Studien geltenden wissenschaftlichen Regeln (BGH, Urt. v. 06.02.2013, Az. I ZR 62/11, GRUR 2013, 649 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Die Erfüllung dieser Kriterien hat dabei nicht erst im Prozess zu geschehen, sondern bereits bevor die entsprechenden Werbebehauptungen aufgestellt werden. Dies erfordert das hohe Schutzgut der Gesundheit der angesprochenen Verkehrskreise.

Der Werbende muss, wenn er in einem solchen Fall in Anspruch genommen wird, daher zunächst darlegen, dass er über entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse verfügt. Nicht ausreichend ist es, dass er sich erst im Prozess auf ein Sachverständigengutachten beruft, aus dem sich die behauptete Wirkungsweise ergeben soll. Der Vorwurf, den Verkehr durch eine Angabe, für deren Richtigkeit der Kläger keine hinreichenden Anhaltspunkte hat, in die Irre geführt zu haben, kann hierdurch nicht ausgeräumt werden (vgl. OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 88; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 1.248).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist zunächst festzustellen, dass das EMS-Training und die von der Beklagten angeführte Therapie mit hochintensiven Magnetimpulsen (HIFEM) in der Wissenschaft umstritten sind und ihr Erfolg derzeit als (noch) wissenschaftlich ungesichert gilt. Der Kläger hat durch Vorlage der Anlagen K 9 bis K 11 (Gutachten des Prof. Dr. I. aus dem Jahr 1997 gemäß Anlage K 9, Sachverständigengutachten Dr. rer. nat. P. / Prof. Dr. med. J. vom 29.09.1997 gemäß Anlage K 10 und den Bericht vom Bericht aus dem vom W.-Netzwerk betriebenen Informationsportal „S.“ vom 24.04.2014 gemäß Anlage K 11) dargetan, dass die in Rede stehenden gesundheitsbezogenen Angaben zur EMS-Therapie bzw. zur Behandlung mit dem Gerät „N.“ nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. Gleiches gilt unter Berücksichtigung der von dem Kläger vorgelegten Anlagen K 12 bis K 14 (u.a. dem Gutachten von Prof. Dr. O. zum Phänomen Cellulite vom 30.01.1992) mit Blick auf die Wirkangaben zur Behandlung von Zellulitis oder Zellulite (sog. Orangenhaut).

Insofern wäre es an der Beklagten gelegen gewesen, eine entsprechend aussagekräftige Studie zum EMS-Training bzw. zu der Therapie mit hochintensiven Magnetimpulsen (HIFEM) vorzulegen, aus denen sich Feststellungen zu den behaupteten Wirkungen ergeben. Dabei kommt den von der Beklagten vorgelegten Studien (Anlage B 1 bis B 4) nicht der „Goldstandard“ zu, weil es sich nicht um randomisierte, placebo-kontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung handelt. Unabhängig davon, ob im Streitfall überhaupt eine placebo-kontrollierte Studie möglich ist, weil die Probanden die Anwendung mit elektrischem Strom spüren, lässt sich den von der Beklagten vorgelegten Studien jedenfalls nicht entnehmen, inwiefern es sich bei den dort beschriebenen „Erfolgen“ um signifikante Veränderungen (im Vergleich zu nicht behandelten Probanden) handelt, die nicht etwa auf anderen Faktoren (wie z.B. äußeren Umwelteinflüssen) beruhen. Zudem ist den von der Beklagten vorgelegten Studien in den jeweiligen Zusammenfassungen der Ergebnisse teils eine relativierende Aussage zu entnehmen, die an der Verallgemeinerungsfähigkeit der Aussagen Zweifel nährt. Auch erscheint es zweifelhaft, ob angesichts der Größe der jeweiligen Probandengruppen (von teils nur 10 oder 41 Teilnehmern) überhaupt allgemeingültige aussagekräftige Feststellungen zu Wirkungen getroffen werden können.

Schließlich sind die angegriffenen Angaben in der Werbeanzeige auch geeignet, Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten.

bb. Dies berücksichtigend liegt somit auch ein Verstoß gemäß §§ 3, 3a UWG i.V.m. Art. 7 lit. a) MDR und § 3 HWG vor, da die angegriffenen Werbeangaben, wie dargelegt, irreführend und daher unzulässig sind. Eine entsprechende Marktverhaltensregelung ist nicht nur in § 3 HWG zu sehen, sondern auch in Art. 7 lit. a) MDR, weil beide Bestimmungen den Schutz der menschlichen Gesundheit und damit den Verbraucherschutz bezwecken (vgl. BGH, GRUR 2015, 1244 Rn. 13 - Äquipotenzangabe in Fachinformation; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.08.2019, Az. I-2 U 38/18, Rn. 119, juris zu § 3 HWG und OLG Hamm, Urt. v. 21.04.2022, Az. I-4 U 39/22, Rn. 28; OLG Frankfurt, OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 2.12.2021, Az. 6 U 121/20, Rn. 32 zu Art. 7 MDR). Von der europarechtlichen Regelung in Art. 7 lit. a) MDR und der dort geregelten Irreführungsvariante werden die bislang von § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG erfassten Angaben über die Wirkungen des Medizinproduktes erfasst. Insoweit kann unter Berücksichtigung von Art. 7 Richtlinie 2006/114/EG bei der Anwendung der Vorschrift auf die entsprechenden Kriterien der Rechtsprechung zu § 3 HWG zurückgegriffen werden. Nach Art. 7 Richtlinie 2006/114/EG sind die Zivilgerichte der Mitgliedstaaten ermächtigt, vom Werbenden Beweise bzw. Beweismittel für die Richtigkeit von in der Werbung enthaltenen Tatsachenbehauptungen zu verlangen, wenn ein solches Verlangen – wie hier – unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden und anderer Verfahrensbeteiligter im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls angemessen erscheint. Im Ergebnis gelten daher mutatis mutandis nach Art. 7 lit. a) MDR die gleichen Anforderungen für Wirkungsaussagen für Medizinprodukte wie gemäß § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 21.04.2022, Az. I-4 U 39/22, Rn. 29 - 31; OLG Frankfurt, OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 2.12.2021, Az. 6 U 121/20, Rn. 37 mwN., zitiert nach juris).

d. Bei den Irreführungstatbeständen § 5 UWG, § 3 HWG und Art. 7 lit. a) MDR handelt es sich ferner Verbraucherschutzgesetze im Sinne des § 2 UKlaG. Zu den sonstigen Verbraucherschutzgesetzen gehören alle sonstigen Vorschriften, die Verhaltenspflichten des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher begründen (BGH WRP 2020, 726 Rn. 15 – SEPA-Lastschrift) und deren Verletzung Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigt (BGH WRP 2020, 726 Rn. 36 – SEPA-Lastschrift). Es genügt, dass die Vorschrift zumindest auch dem Schutz der Verbraucher dient und dass dieser Schutz nicht nur untergeordnete Bedeutung hat oder eine nur zufällige Nebenwirkung ist (BGH WRP 2020, 726 Rn. 20 – SEPA-Lastschrift im Anschluss an EuGH WRP 2019, 1567 Rn. 27 – Verein für Konsumenteninformation). Hierzu zählen insbesondere die verbraucherschützenden Vorschriften des UWG, soweit sie – wie das Verbot irreführender Handlungen (Art. 6 UGP-Richtlinie) – auf der UGP-Richtlinie beruhen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UKlaG § 2 Rn. 30 ff.).

e. Die erforderliche Wiederholungsgefahr ist nicht weggefallen. Die Beklagte hat trotz entsprechender Aufforderung durch die Klägerin bislang keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

f. Die Androhung von Ordnungsmitteln ergibt sich aus § 890 ZPO.

2. Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten folgt aus § 13 Abs. 1 UWG. Die Abmahnung erweist sich aus den vorgenannten Gründen als berechtigt. Einwendungen gegen die Höhe der geltend gemachten Pauschale wurden nicht erhoben.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG München: Unzulässige Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO wenn Diäterfolg nicht direkt sondern anhand von Beispielen suggeriert wird

LG München
Urteil vom 09.12.2019
39 O 553/19


Das LG München hat entschieden, dass ein unzulässige Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO vorliegt, wenn ein Diäterfolg nicht direkt sondern anhand von Beispielen suggeriert wird

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Der Kläger ist aktivlegitimiert im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG:

Die Beklagte vertreibt ihr Lebensmittel „A. V.“ unstreitig jedenfalls in Drogerien und Apotheken.

Der Kläger hat durch Vorlage seiner Mitgliederliste, deren Richtigkeit von der Beklagten zuletzt nicht mehr bestritten wurde, dargelegt, dass ihm neben einer hohen Anzahl von Unternehmen der Lebensmittelbranche und Hersteller und Vertreiber von Nahrungsergänzungsmitteln und Diätetiker auch Lebensmittel-Filialbetriebe, sowie der Hamburger Apothekerverein angehören.

Der Begriff gleicher oder verwandter Art im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist weit auszulegen. Die beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen müssen sich ihrer Art nach so gleichen oder nahestehen, dass der Absatz eines Unternehmens durch irgendein wettbewerbswidrigendes Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann. Es reicht aus, dass eine nicht gänzlich unbedeutende potenzielle Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann.

Maßgeblicher Markt für die Beurteilung, ob die Mitglieder des Klägers der Beklagten auf denselben sachlich und räumlich relevanten Markt als Wettbewerber begegnen, ist der Markt zur Herbeiführung einer Gewichtsreduktion. Auf diesem Markt sind neben der Beklagten auch Unternehmen wie Apotheken, Lebensmittelfilialen und Lebensmittelunternehmer tätig. Diese bieten, entweder als Nahrungsergänzungsmittel oder als kalorienreduzierte Lebensmittel, ebenfalls Produkte zu einer Gewichtsreduktion an. Der Kläger ist daher aktivlegitimiert im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.

2. Die streitgegenständliche Werbung verstößt gegen Art. 12b HCVO. Danach sind gesundheitsbezogene Angaben über Dauer und Ausmaße der Gewichtsabnahme verboten. Dabei sind gesundheitsbezogene Angaben gemäß Art. 2 Nr. 5 der HCVO alle Angaben, mit denen erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits bestehe.

Diese Definition trifft auf die streitgegenständliche Werbung zu.

a) Dem Einwand der Beklagten, dass die streitigen Erwerbungen nichts über die Dauer der Gewichtsabnahme aussage, weil der Angabe nur zu entnehmen sei, dass die Verwenderin vor einer bestimmten Zeit, nämlich vor fünf Jahren, begonnen habe, abzunehmen, kann nicht gefolgt werden.

Da die Beklagte entsprechend dem Wortlaut ihrer Werbung selbst darauf hinweist, die Verwenderin habe vor fünf Jahren mit A. „gestartet“ und den Verbraucher auch nicht darauf hinweist, dass sie zwischenzeitlich den Verzehr des Lebensmittels aufgegeben habe, wird der durchschnittliche Verbraucher die angegriffene Werbeaussage dahingehend verstehen, dass die Gewichtsreduzierung von 45 kg innerhalb von fünf Jahren erreicht wurde.

Auf die streitige Frage, ob die Tatbestandsmerkmale „Dauer“ und „Ausmaß“ tatsächlich kumulativ vorliegen müssen, muss daher nicht weiter eingegangen werden.

b) Auch der Einwand der Beklagten, es liege keine „Angabe“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO vor, verfängt nicht. Auch wenn bestimmte Abnehmerfolge nicht direkt versprochen werden, sondern nur anhand von Beispielen geschildert wird, wie viel andere Personen an Gewicht verloren haben, wird dem Durchschnittsverbraucher regelmäßig suggeriert, dass entsprechende, oder zumindest ähnliche Erfolge auch bei ihm erzielbar sind (vgl. OLG Celle GRUR-RR 2016, 213).

3. Aufgrund des gegebenen Wettbewerbsverstoßes kann der Kläger Ersatz für seine Aufwendungen verlangen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG). Er hat daher Anspruch auf die in Ziffer 2 des Klageantrags geltend gemachten 178,50 € zuzüglich Prozesszinsen.


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LG Bonn: Diät ohne Hungergefühle - Irreführende Werbung im Sinne von § 3 S. 2 Nr. 1 HWG

LG Bonn
Urteil vom 11.03.2015
30 O 33/14


Das LG Bonn hat entschieden, dass die Werbung für eine Diat bzw. ein Nahrungsergänzungsmittel mit den Werbeaussagen:

„Mit Leichtigkeit und einem aktiven Stoffwechsel zu Ihrer Wohlfühlfigur!“,
„…. verlieren auch Sie spielend bis zu zwölf Kilo in einem Monat!“,
„Ohne Hungergefühle“


eine wettbewerbswidrige Irreführung darstellt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Hamburg untersagt irreführenden "Du darfst"-Werbespot - auch Lightprodukte können bei übermäßigem Konsum dick machen

Landgericht Hamburg
Urteil vom 20.11.2012
406 HKO 107/12


Das LG Hamburg hat einen irreführenden "Du darfst"-Werbesport untersagt. Nach Ansicht des Gerichts liegt eine wettbewerbswidrige Irreführung vor, da der Werbespot suggeriert, dass die dort beworbenen Lightprodukten auch in großen Mengen konsumiert werden können, ohne dass es zu einer Gewichtszunahme kommt.


Aus den Entscheidungsgründen:

"Selbst wenn man davon ausgeht, dass dem verständigen Verbraucher bekannt ist, dass er nicht unbegrenzt viel essen kann, ohne übergewichtig zu werden, schließt dies eine Irreführung durch die streitgegenständliche Werbung nicht aus. Denn den Verbrauchern ist vielfach nicht bekannt, dass auch kalorienreduzierte Produkte keineswegs unbeschwert genossen werden können und dass man sich auch an solchen Produkten keineswegs mit allem satt essen kann, worauf man gerade Lust hat. Durch die verbreitete Werbung für Light-Produkte wird im Gegenteil bei vielen Verbrauchern der Eindruck hervorgerufen, dass es Lebensmittel gebe, an denen man sich unbeschwert satt essen könne, ohne eine Gewichtszunahme befürchten zu müssen. Hier besteht eine durch die Werbung für kalorienreduzierte Lebensmittel allgemein und die Produkte der Beklagten im Besonderen weit verbreitete Fehlvorstellung dahingehend, dass man kalorienreduzierte Lebensmittel durchaus unbeschwert und bis zum Eintritt der Sättigung genießen könne. Vielen Verbrauchern ist dabei nicht bekannt, dass beispielsweise kalorienreduzierte Wurst- oder Käsewaren immer noch eine hohe Energiedichte aufweisen und daher zu einer Gewichtszunahme führen, wenn man sich an diesen Produkten satt isst, ohne auf die Kalorien zu achten."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: