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Internet World Business-Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann: Kommando zurück - BGH: Unterlassungsverpflichtung begründet oft auch Rückrufpflicht des Herstellers

In Ausgabe 4/20, S. 16 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel "Kommando zurück - BGH: Unterlassungsverpflichtung begründet oft auch Rückrufpflicht des Herstellers".

Siehe auch zum Thema: BGH: Unterlassungsschuldner hat auch nach einstweiliger Verfügung Pflicht zum Rückruf bzw. zur Aufforderung an Abnehmer streitgegenständliches Produkt nicht weiterzuvertreiben


BGH: Unterlassungsschuldner hat auch nach einstweiliger Verfügung Pflicht zum Rückruf bzw. zur Aufforderung an Abnehmer streitgegenständliches Produkt nicht weiterzuvertreiben

BGH
Beschluss vom 17.10.2019
I ZB 19/19


Der BGH hat entschieden, dass der Unterlassungsschuldner auch nach einstweiliger Verfügung eine Pflicht zum Rückruf bzw. zur Aufforderung an Abnehmer, streitgegenständliches Produkt nicht weiterzuvertreiben, hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

"a) Nach der Rechtsprechung des Senats verpflichtet das in einem Unterlassungstitel enthaltene Verbot den Schuldner außer zum Unterlassen weiterer Vertriebshandlungen auch dazu, aktiv Maßnahmen zu ergreifen, die den Weitervertrieb der rechtsverletzend aufgemachten Produkte verhindern. Diese Handlungspflicht des Schuldners beschränkt sich allerdings darauf, im Rahmen des Möglichen, Erforderlichen und Zumutbaren auf Dritte einzuwirken. Zudem gelten bei der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung im Unterschied zur Vollstreckung eines Titels aus einem Hauptsacheverfahren Beschränkungen, die sich aus der Eigenart des Verfügungsverfahrens und aus den engen Voraussetzungen für die Vorwegnahme der Hauptsache sowie aus den im Verfügungsverfahren eingeschränkten Verteidigungsmöglichkeiten des Antragsgegners ergeben (zu allem ausführlich BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 17 ff.).

b) Die vom Beschwerdegericht ausgeführten Einwände veranlassen den Senat nicht, von dieser Rechtsauffassung abzuweichen.

aa) Ist der Schuldner nach dem Ergebnis der Auslegung des Unterlassungstitels verpflichtet, durch positives Tun Maßnahmen zur Beseitigung des fortdauernden Störungszustands zu ergreifen und dabei auf Dritte einzuwirken, kommt es nicht darauf an, ob er entsprechende Ansprüche gegen die in Betracht kommenden
Dritten hat. Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs hat zwar nicht für das selbständige Handeln Dritter einzustehen. Das entbindet ihn im Rahmen seiner durch Auslegung ermittelten positiven Handlungspflicht aber nicht davon, auf Dritte einzuwirken, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt und bei denen er mit -
gegebenenfalls weiteren - Verstößen ernstlich rechnen muss. Der Schuldner ist daher verpflichtet, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf solche Personen einzuwirken. Mit Blick auf seine Einwirkungsmöglichkeiten auf Dritte kommt es nur darauf an, ob der Schuldner rechtliche oder tatsächliche Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten Dritter hat. Es reicht daher aus, wenn ihm eine tatsächliche Einwirkung möglich ist (vgl. BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 25).

bb) Die spezialgesetzlich vorgesehenen Rückrufansprüche des Immaterialgüterrechts stehen - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - der Annahme von Beseitigungspflichten im Rahmen der Unterlassungshaftung nicht entgegen, weil diese in Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG ergangenen Vorschriften keinen Vorrang vor anderen Vorschriften beanspruchen (vgl. BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 29). Im vorliegend betroffenen Fall einer lauterkeitsrechtlichen Unterlassungspflicht kommt eine Sperrwirkung schon deshalb nicht in Betracht, weil es an einer solchen speziellen Regelung fehlt.

cc) Dem Bedenken, die Geltendmachung einer Rückrufpflicht könne im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache führen, trägt der Senat Rechnung, indem er den Schuldner ggf. lediglich für verpflichtet hält, Maßnahmen zu treffen, die die Abwehransprüche des Gläubigers sichern, ohne ihn in diesen Ansprüchen abschließend zu befriedigen. Hierzu zählt die Aufforderung an die Abnehmer, die erhaltenen Waren im Hinblick auf die einstweilige Verfügung vorläufig nicht weiterzuvertreiben (vgl. BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 37 bis 39).

dd) Die Annahme einer positiven Handlungspflicht aufgrund des Unterlassungsgebots verstößt - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - nicht gegen das in Art. 103 Abs. 2 GG geregelte Bestimmtheitsgebot (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 1991 - 2 BvR 1654/90, juris; BVerfG, GRUR 2007, 618, 619 [juris Rn. 16 bis 22]; BGH, GRUR 2018, 292 Rn. 24 mwN).

ee) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts begründet die Annahme einer Pflicht zum Rückruf oder zur Aufforderung der Abnehmer, nicht weiterzuvertreiben, nicht die Besorgnis einer Entwertung des Abschlussverfahrens oder einer gesteigerten Inanspruchnahme der Gerichte. Beschränkt sich die Pflicht des Schuldners auf eine solche Aufforderung, weil andernfalls im Eilverfahren eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache vorläge, kann der Gläubiger eine weitergehende Verpflichtung zum Rückruf allein im Hauptsacheverfahren erlangen, sofern sich der Schuldner nicht entsprechend strafbewehrt verpflichtet. Nimmt man mit dem Beschwerdegericht an, von der Pflicht zur Unterlassung sei keinerlei Beseitigungshandlung umfasst, so muss der Gläubiger hierfür auch dann gesonderte gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, wenn eine Abschlusserklärung abgegeben wurde.

c) Zur Frage, ob die Schuldnerin im Zeitraum zwischen der Verkündung der Urteilsverfügung und den durch die Gläubigerin veranlassten Testkäufen einen Rückruf oder auch nur eine Aufforderung, nicht weiterzuvertreiben, an ihre Abnehmer gerichtet hat, hat das Beschwerdegericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Darüber hinaus fehlt es an Feststellungen zum Verschulden der Schuldnerin, zur Höhe des wegen des Verstoßes gegen die Schuldnerin festzusetzenden Ordnungsgeldes und zur Dauer der deswegen ersatzweise festzusetzenden Ordnungshaft.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




OLG München: DSGVO steht Auskunftsanspruch über Abnehmer von Waren regelmäßig nicht entgegen - Berechtigte Interessen nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit f DGSVO

OLG München
Teilurteil vom 24.10.2018
3 U 1551/17


Das OLG München hat entschieden, dass die Vorgaben der DSGVO einem Auskunftsanspruch über Abnehmer von Waren regelmäßig nicht entgegen steht. Insofern greift Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit f DGSVO.

Aus den Entscheidungsgründen:

Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, der Auskunftserteitung stünden Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung entgegen, ist auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe f DS-GVO zu verweisen. Hiernach ist die Verarbeitung personenbezogener Daten dann rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist und die datenschutzbezogenen Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten des Betroffenen nicht überwiegen. Ein Abwägungsgesichtspunkt ist der Hinweis des europäischen Gesetzgebers in den Erwägungsgründen, dass die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person, die auf der Beziehung zu den Verantwortlichen beruhen, zu berücksichtigen sind (vgl. Erwägungsgrund 47 Satz 1 Halbsatz 2). In Satz 2 wird als Beispiel für eine solche Beziehung genannt, dass der Betroffene ein Kunde des Verantwortlichen ist oder in seinen Diensten steht (BeckOK Datenschutzrecht, 25. Edition, Stand 01.05.2018, Bearbeiter Albers/Veit, DS-GVO, Art. 6, Rn. 48).

Vor dem teleologischen Hintergrund von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. DS-GVO, einen Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen und jenen des Verantwortlichen (oder eines Dritten) zu schaffen, können dabei nicht nur rechtliche Interessen von Bedeutung sein, sondern müssen auch wirtschaftliche oder ideelle Interessen des Verarbeiters berücksichtigt werden. Eine möglichst weite Interpretation des berechtigten Interesses ist zudem (unions-)grundrechtlich geboten, wobei das Recht auf Berufsfreiheit hervorzuheben ist (BeckOK, a.a.O., Rn. 49). Geht man davon aus, dass die von seiten der Klägerin erteilte Information der Beklagten zur Ermittlung eines möglichen Schadensersatzanspruchs aus der Verletzung des Vertragshändlervertrags dient und die Klagepartei gemäß § 242 BGB zur Erteilung einer solchen Information gehalten ist, kann der Gesichtspunkt des Schutzes der wirtschaftlichen Daten der jeweiligen Kunden der Klägerin nicht höhergestellt werden. Insoweit ist besonders zu berücksichtigen, dass die Daten keinen höchst persönlichen Bereich oder ein besonderes Knowhow der Branche betreffen, sondern einen nach außen hin - durch Einsatz der Kräne bzw, Aufbauten - nicht verborgen bleibenden Kaufvorgang. Auch stehen Interessen der Kunden an wirtschaftlicher Geheimhaltung nicht inmitten: Daten wie Ratenzahlung, Kreditfinanzierung u.ä. sind nicht Gegenstand der geschuldeten Auskunft.


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OLG Düsseldorf: Unterlassungstenor bei Patentverletzung beinhaltet nicht automatisch Verpflichtung zum Rückruf

OLG Düsseldorf
Beschluss vom 30.04.2018
I-15 W 9/18


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass ein Unterlassungstenor bei einer Patentverletzung nicht automatisch die Verpflichtung zum Rückruf beeinhaltet.

Aus den Entscheidungsgründen:

Soweit die Gläubigerin in Anlehnung an die Entscheidung des I. Zivilsenats „Produkte zur Wundversorgung“ (GRUR 2018, 292) die Ansicht vertritt, das landgerichtliche Urteil vom 18.07.2017 umfasse mit seinem Unterlassungsgebot als Minus zum Rückruf jedenfalls die Pflicht, die Abnehmerinnen aufzufordern, die angegriffene Ausführungsform vorläufig nicht weiter zu vertreiben, vermag der Senat sich dieser Auffassung nicht anzuschließen.

Diese Aufforderung kann nicht als Minus bzw. bloße Sicherstellung des Rückrufanspruchs angesehen werden. Sie ist vielmehr Bestandteil der geschuldeten Handlung des Rückrufverpflichteten. Auch diese Aufforderung dient dem Zweck des § 140a Abs. 3 PatG, die bereits eingetretene Störung zu beseitigen und zu vermeiden, dass der Erwerber in der nachgeordneten Vertriebskette eine weitere Schutzrechtsverletzung begeht. Einen Erfolg der Aufforderung oder die tatsächliche Rückgabe der patentverletzenden Produkte schuldet der Verletzer wie ausgeführt nicht. Infolge dessen kann eine Aufforderung, den Weitervertrieb (vorläufig) zu stoppen, auch nicht als Sicherung des (eng verstandenen) Rückrufanspruchs begriffen werden. Die Leistungshandlung, die ernsthafte und nachdrückliche Aufforderung zur Rückgabe, hängt nicht davon ab, dass der Erwerber noch im Besitz der angegriffenen Ausführungsform ist und eine tatsächliche Rückgabe erfolgen wird.

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Aber auch dann, wenn als Rückruf lediglich die ernsthafte und nachdrückliche Aufforderung zur Rückgabe der Ware anzusehen wäre, so wäre zu beachten – wie das Landgericht bereits ausgeführt hat –, dass die begehrte Aufforderung zum vorläufigen Vertriebsstopp vorliegend jedenfalls faktisch wie ein Rückruf wirkt. Die Schuldnerinnen haben substantiiert und unter Beweisantritt dargetan, dass ein Abnehmer, der dazu aufgefordert wird, ein bestimmtes Produkt nicht weiter zu verkaufen, dieses nicht – auf unbestimmte Zeit – im eigenen Langer behalten, sondern an den Lieferanten zurückgeben wird. Die Ausführungen der Schuldnerinnen sind zwar nicht auf die konkreten Abnehmerinnen sowie die angegriffene Ausführungsform bezogen und die Gläubigerin hat sie in rechtlich zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten, wobei sie zudem auf den nahen Ablauf des Verfügungspatents hingewiesen hat. Letztlich bedürfte auch dies gleichwohl keiner weiteren Aufklärung. Denn unstreitig haben vier der sieben Abnehmerinnen die angegriffene Ausführungsform freiwillig retourniert, nachdem die Schuldnerinnen sie „nur“ über den Erlass der einstweiligen Verfügung informiert haben. Diese Abnehmerinnen haben die Waren mithin schon aufgrund eines Schreibens, das von ihnen keinerlei Handlung forderte, zurückgegeben."


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KG Berlin: Keine einstweilige Verfügung gegen Zusendung weiterer markenrechtlicher Abmahnungen - negative Feststellungsklage der richtige Weg

KG Berlin
Beschluss vom 18.10.2016
5 W 201/16


Das KG Berlin hat im Ergebnis wenig überraschend entschieden, dass es mangels Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig nicht möglich ist, die Zusendung weiterer markenrechtlicher Abmahnungen per einstweiliger Verfügung zu untersagen. Vielmehr ist die Erhebung einer negativen Feststellungsklage mit der Feststellung, dass die in den Abmahnungen geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche nicht bestehen.


OLG Frankfurt: Zur Höhe des Schadensersatzes der Abnehmer bei kartellrechtswidrigen Preisen des Hersteller - Ermittlung des hypothetischen Marktpreises

OLG Frankfurt
Urteil vom 17.11.2015
11 U 73/11 (Kart)


Das OLG Frankfurt hat sich in dieser Entscheidung mit der Höhe des Schadensersatzes der Abnehmer bei kartellrechtswidrigen Preisen des Herstellers und der dafür notwendigen Ermittlung des hypothetischen Marktpreises befasst.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Senat geht bei der Bestimmung des tatsächlich entrichteten Kartellpreises von folgenden Grundlagen aus:

Ausgangspunkt ist zugunsten der Klägerin der von ihr behauptete sog. Listen-/Rechnungspreis, welcher um alle gewährten Rabatte/Rückvergütungen zu reduzieren ist (unter (1)). Vom Kartellpreis zu eliminieren sind zudem die Frachtkosten (unter (2)) sowie der gewährte Skontoabzug (unter (3)). Da im Ergebnis keine Differenz zu Gunsten der Klägerin verbleibt, kommt es auf den Umstand, dass die Beklagte die Höhe des Durchschnittspreises bestritten und die vorgelegten Unterlagen als verspätet gerügt hat, nicht an.

(1)

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der so genannte Listen-/Rechnungspreis von der Klägerin im Ergebnis nicht gezahlt wurde. Die Klägerin hat zum einen von der Abrechnungsfirma A GmbH sogenannte Rückvergütungen erhalten, die sie sich auf den Listenpreis anrechnen lässt (unter (a)). Der Listenpreis hat sich darüber hinaus jedoch durch weitere Faktoren verringert. Die Klägerin ist unstreitig in den Genuss von Gratislieferungen/Naturalrabatten gekommen; zudem haben die Baustoffhändler ihr teilweise zusätzliche Rabatte gewährt. Diese Positionen hält die Klägerin - mit Ausnahme einer Gratislieferung - im Rahmen ihrer Preisdarlegungen für nicht berücksichtigungsfähig. Wie vom Senat mehrmals im Rahmen der Hinweisbeschlüsse erwähnt (zuletzt Hinweisbeschluss 17.4.2015, Bl. 1021 der Akte), muss sich die Klägerin indes alle preisreduzierenden Faktoren, d.h. auch diese Beträge, anrechnen lassen (unter (b.)).

(a)

Hinsichtlich der so genannten Rückvergütungen legt der Senat die eigenen Angaben der Klägerin, sofern vorhanden, zu Grunde. Im Übrigen ist von einer pauschalen Rückvergütung in Höhe von 20 €/t auszugehen:

Die Rückvergütungen seitens der Abrechnungsstelle A GmbH setzten sich ausweislich des Vortrags der Klägerin sowie der zur Akte gelangten Abrechnungen jedenfalls aus monatlichen Zahlungen (Monatsrabatten) sowie Halbjahreszahlungen (Halbjahresrabatten) zusammen. Die Existenz dieser beiden Rabatt-Arten belegen auch die zur Akte gelangten Preisblätter der Beklagten (Bl. 208-210).

Die eigenen Berechnungen der Klägerin für die Jahre 2000-2001 berücksichtigen ausweislich Anlage K 116 für das Jahr 2000 eine durchschnittliche Rückvergütung in Höhe von 20,4 €/t und für das Jahr 2001 in Höhe von 23,11 €/t. Angaben für das Jahr 1999 fehlen. Der Senat hat insoweit bereits im Rahmen des Hinweisbeschlusses vom 24.4.2012 im Einzelnen ausgeführt, dass sich die Klägerin jedenfalls einen Rabatt in Höhe von pauschal 20 €/t anrechnen lassen muss. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die hier aufzuarbeitenden Vorgänge erhebliche Zeit zurückliegen und das Preissystem der Beklagten für die Klägerin nur aufwändig zu erfassen war. Der im Zivilprozess geltenden Darlegungs- und Beweislast entsprechend gehen jedoch insoweit verbleibende Unsicherheiten zulasten der Klägerin - wie vom Senat im Rahmen der Hinweisbeschlüsse auch im Einzelnen ausgeführt -, so dass in Ermangelung anderweitiger konkreter Angaben für das Jahr 1999 ein pauschaler Abzug von 20 €/t vorzunehmen ist.

Soweit die Beklagte die Ansicht vertritt, aus den eigenen Angaben der Klägerin ergebe sich, dass teilweise sehr viel höhere Rückvergütungen gewährt worden seien, die bis zu 35 €/t betragen hätten, überzeugt dies nicht. Richtig ist zwar, dass sich aus den eigenen Angaben der Klägerin für das Jahr 2002 Rückvergütungen in einer Größenordnung von bis zu 35 €/t ausweislich Anlage K 116 ergeben. Diese sind jedoch für den hier zu beurteilenden Zeitraum nicht maßgeblich.

(b)

Über diesen Abzug hinaus sind alle weiteren preisreduzierenden Faktoren zu berücksichtigen - worauf die Klägerin mehrfach hingewiesen wurde (Hinweisbeschluss vom 24.4.2012, Bl. 689 der Akte, 17.4.2014, Bl. 1022 der Akte).

Dies bezieht sich zum einen auf die so genannten Baustoffhändlerrabatte, welche in der ganz rechten Spalte des Zementbuchs erwähnt werden:

Dem eigenen Vortrag der Klägerin nach hat sie - auch bei einer Abwicklung der Käufe über Baustoffhändler/Spediteure - im Ergebnis die Preise gezahlt, die die Beklagte mit ihr ausgehandelt hatte.

Im Rahmen der Ermittlung des tatsächlich entrichteten Preises kommt es nicht auf die formalen Vertragsbeziehungen an, sondern darauf, ob dieser, unmittelbar von der Kartellantin festgesetzte Preis gezahlt wurde. Insoweit führt die Klägerin selbst durchgehend aus, keinerlei eigenständige Preisverhandlungen mit den Baustoffhändlern geführt zu haben (Bl. 914 d.A.). Diese hätten als Empfangsvertreter gehandelt und seien in die "Absatzstruktur" der Beklagten eingebunden worden (Bl. 1283 d.A.). Preisabsprachen hätten allein zwischen ihr und der Beklagten bestanden (Bl. 1296 d.A.) - mit Schreiben vom 8.12.2004 hat sie zudem eine Aufstellung von Gesprächsterminen zwischen der Beklagten und ihr in ihrem Hause erstellt (Bl. 113 der Akte). Wiederholt hat die Klägerin betont, immer unmittelbar mit Mitarbeitern der Beklagten und nicht mit den "pro forma" - so ihr Vortrag - zwischengeschalteten Baustoffhändlern verhandelt zu haben (Bl. 392 der Akte).

Die weiteren zur Akte gelangten Unterlagen sprechen ebenfalls für direkte Einwirkungen der Beklagten auf die von der Klägerin zu entrichtenden Endpreise: Die Beklagte selbst hat Unterlagen eingereicht, die unstreitig von ihr stammen und Preiskalkulationen konkret und individuell für die Klägerin ausweisen (Bl. 208-210). Unstreitig hat die Beklagte zudem die Klägerin unmittelbar über Veränderungen des Preises in Kenntnis gesetzt - entweder durch allgemein an ihre "Geschäftsfreunde" adressierte Briefe oder aber konkret an die Klägerin adressierte Schreiben (Bl. 17, 121, 123, 126, 875 der Akte). Nicht zuletzt spricht die eigene Formulierung der Beklagten (Bl. 900 d.A.), in welcher von Liefermengen der Beklagten an die Klägerin die Rede ist, dafür, dass jedenfalls faktische unmittelbare Beziehungen zwischen den Parteien bestanden.

Ausgehend hiervon wäre es Aufgabe der Klägerin gewesen, im Einzelnen näher darzustellen, dass die sog. Baustoffhändlerrabatte gänzlich unabhängig von dem Preissystem der Beklagten gewährt wurden. Dies ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen. Die Klägerin selbst verweist darauf, dass die Baustoffhändler bewusst und gesteuert von der Beklagten zwischengeschaltet worden seien. Soweit diese die Abnahme bestimmter Mengen mit weiteren Rabatten honoriert haben, ist nicht ersichtlich, dass dieser Vorgang nicht mehr im Zusammenhang mit dem von der Klägerin betonten Gesamtkonzept der allein zur Beklagten bestehenden Preisabsprachen steht.

Unstreitig hat die Klägerin zum anderen Gratislieferungen erhalten, die sich bei der Preisgestaltung wie ein Naturalrabatt auswirken. So ergibt sich etwa aus den Anlagen B 7 bis B 9 (Blatt 211- 213), dass in unregelmäßigen Abständen Naturalrabatte bzw. Gratislieferungen unmittelbar an die Klägerin erfolgten. Die Preisblätter der Beklagten enthalten ebenfalls im Rahmen der tabellarischen Auflistung eine gesonderte Spalte für so genannte Naturalrabatte (Bl. 208 bis 210 d. Akte).

Da die Klägerin keine weitere schriftsätzliche Aufbereitung dieser zusätzlichen Rabatte vorgenommen hat, ist deren durchschnittliche Höhe gem. § 287 ZPO zu schätzen:

Hinsichtlich der Baustoffhändlerrabatte kommt als Grundlage der Schätzung allein das sog. Zementbuch in Betracht, dessen rechte Spalte allerdings nicht durchgehend lesbar erscheint. In den Jahren 1999-2001 wurden ihr demnach Beträge zwischen 6,90 und 9,40 DM/t, d.h. 4,70 €/t gutgeschrieben. Die Menge der rabattierten Lieferungen liegt nach stichprobenartiger Prüfung weit unter zehn Prozent des Jahresbezugs.

Konkrete Angaben der Klägerin zum Umfang der Gratislieferungen fehlen ebenfalls. Lediglich die durch Anlage B 9 (Bl. 213) belegte Gratislieferung über 28.38 t vom 24.8.2001 findet im Rahmen der Aufstellung Anlage K 116 Berücksichtigung. Aus Anlage B 8 folgt, dass im Jahr 1992 bereits für einen Zeitraum von drei Monaten (Oktober bis Dezember 1992) eine Gratislieferung gewährt wurde. Die Rechnung Nr. 1485 aus dem Jahr 2000 enthält ebenfalls eine Gratislieferung (Anlagenordner Schriftsatz 12.6.2012).

Berücksichtigt man, dass die Anlage B 9 vom Sommer 2001 stammt, erscheint jedenfalls die Annahme, dass die Klägerin zwei Gratislieferungen a ca. 29 t pro Jahr, d.h. 58 t p.a., erhalten hat, angemessen. Ausgehend von den für das Jahr 1999 und 2000 unstreitig gestellten Bezugsmengen in Höhe von rund 1.163 t erhielt die Klägerin durch die Gratislieferungen im Ergebnis einen Naturalrabatt Höhe von 5% des Gesamtbezugs.

Der Senat geht auf dieser Basis davon aus, dass zur Berücksichtigung dieser weiteren Rabatte überschlägig ein weiterer Abzug von 0,5 €/t angemessen, aber auch ausreichend ist."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Schadensersatz der Geschädigten gegen die Kartellteilnehmer bei kartellrechtswidrigen Preisabsprachen - ORWI

BGH
Urteil vom 28.06.2011
KZR 75/10
ORWI
AEUV Art. 101 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 2 Bf, C, I

Leitsätze des BGH:

a) Einem indirekten Abnehmer der Kartellteilnehmer steht ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 101 AEUV zu, wenn er durch das kartellrechtswidrige Verhalten einen Schaden erlitten hat. Die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt der indirekte Abnehmer.

b) Der Vorteil, der dem Geschädigten aus einer Abwälzung des kartellbedingten Preisaufschlags auf seine Abnehmer erwächst, kann unter dem Aspekt der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen sein. Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung liegt beim Schädiger.

c) Die Bejahung einer sekundären Darlegungslast des Kartellgeschädigten setzt eine umfassende Prüfung ihrer Erforderlichkeit und Zumutbarkeit voraus, bei der sorgfältig abzuwägen ist, inwieweit dem Geschädigten insbesondere eine Darlegung zu wettbewerblich relevanten Umständen abverlangt werden kann, an deren Geheimhaltung er ein schützenswertes Interesse hat; außerdem darf die Annahme einer sekundären Darlegungslast nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führen.

d) Für die durch ein Kartell verursachten Schäden haften alle Kartellteilnehmer nach §§ 830, 840 BGB als Gesamtschuldner.

BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10 - OLG Karlsruhe - LG Mannheim

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LG Mannheim: Hersteller von Schulranzen ist berechtigt den Vertrieb über die Auktionsplattform eBay zu verbieten

Das LG Mannheim hat mit Urteil vom 14.03.2008 - 7 O 263/07 Kart entschieden, dass der Hersteller von hochwertigen Schulranzen berechtigt ist, seinen Vertriebspartnern den Vertrieb über die Auktionsplattform eBay zu verbieten und einen Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften verneint. Das LG Berlin vertritt die gegenteilige Ansicht (6 O 412/07 Kart). Der BGH hatte seinerzeit mit Urteil vom 04.11.2003 – KZR 2/02 entschieden, dass ein Hersteller von Luxuskosmetika nicht verpflichtet ist, Online-Händler zu beliefern. Der BGH ist der Ansicht, dass der Betreiber eines selektiven Vertriebssystems für hochwertige Markenparfums ein berechtigtes Interesse daran hat, den Online-Vertrieb auszuschließen oder an besondere Voraussetzungen zu knüpfen. Ob sich diese Grundsätze auch auf alltägliche Produkte wie Schulranzen übertragen lassen, ist zumindest sehr fraglich.


LG Mannheim, Urteil vom 14.3.2008 - 7 O 263/07 Kart

Leitsätze des Gerichts:

1. Richtet der Hersteller von hochpreisigen Schulranzen, die er als Markenware vertreibt, ein selektives Vertriebssystem ein, in dem er seinen Fachhändlern vorschreibt, ein stationäres Einzelhandelsgeschäfts mit dem Ambiente eines Fachgeschäfts zu unterhalten, sämtliche Markenprodukte einschließlich von Ergänzungswaren zu bevorraten und anzubieten, kompetentes Fachpersonal einzusetzen und das Geschäft während der ortsüblichen Ladenöffnungszeiten geöffnet zu halten, so bedeutet die zusätzliche Verpflichtung, im Internet nur über einen diesen Anforderungen entsprechenden eigenen Internetshop und nicht über Auktionsplattformen zu vertreiben, keinen Verstoß gegen § 1 GWB, weil sich diese Bedingungen für den Internetvertrieb auf das zur Gewährleistung eines qualitätsangemessenen Vertriebs Erforderliche beschränken.

2. Auch wenn der Hersteller Normadressat ist und der Abnehmer von ihm sortimentsbedingt abhängig ist, liegt in diesem Fall kein Verstoß gegen §§ 19, 20 GWB vor, weil die Abwägung aller Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes ergibt, dass die darin liegende Behinderung nicht unbillig ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
"LG Mannheim: Hersteller von Schulranzen ist berechtigt den Vertrieb über die Auktionsplattform eBay zu verbieten" vollständig lesen