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BGH: Apple hat eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb nach § 19a GWB

BGH
Beschluss vom 18.03.2025
KVB 61/23
Apple


Der BGH hat entschieden, dass Apple eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb nach § 19a GWB hat und somit die entsprechende Entscheidung des Bundeskartellamtes bestätigt.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof bestätigt Apples überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat heute die Feststellung des Bundeskartellamts bestätigt, dass Apple eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb hat. Er hat damit zum zweiten Mal über eine Beschwerde gegen eine Feststellung nach § 19a Abs. 1 GWB entschieden. Die Regelung des § 19a GWB, die der Modernisierung und Stärkung der wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsaufsicht dient, sieht ein zweistufiges Verfahren vor. Danach kann das Bundeskartellamt in einem ersten Schritt die überragende marktübergreifende Bedeutung des Unternehmens für den Wettbewerb feststellen (§ 19a Abs. 1 GWB) und dem betroffenen Unternehmen in einem zweiten Schritt bestimmte Verhaltensweisen untersagen (§ 19a Abs. 2 GWB).

Sachverhalt:

Apple ist ein US-amerikanisches Technologieunternehmen, das insbesondere Computer und Smartphones mit dazugehörigen Betriebssystemen sowie Anwendungssoftware und Unterhaltungselektronik entwickelt und weltweit vertreibt. Mit einer Börsenkapitalisierung von über 3 Billionen USD ist Apple das wertvollste Unternehmen der Welt. Im Geschäftsjahr 2022 lagen der Umsatz des Konzerns bei 394,3 Mrd USD, der Gewinn bei knapp 95 Mrd USD und die liquiden Mittel bei mehr als 180 Mrd USD. Apple beschäftigt rund 150.000 Mitarbeiter und hat in den letzten zehn Jahren weit mehr als 50 Unternehmen übernommen. Zu den von Apple produzierten und vertriebenen Hardwareprodukten gehören insbesondere das iPhone, das iPad, die Mac-Computer und verschiedene Wearables wie die Apple Watch. Mit dem iPhone erzielt der Konzern über die Hälfte seines Umsatzes. Seit der Markteinführung 2007 bis 2021 wurden weltweit mehr als 2 Mrd iPhones verkauft, etwa die Hälfte davon zwischen 2017 und 2021. Für seine Hardware-Produkte hat Apple anderen Geräteherstellern nicht zugängliche und damit "proprietäre" Betriebssysteme entwickelt, die auf den Geräten vorinstalliert und für deren Nutzung grundsätzlich unverzichtbar sind. Desweiteren stellt Apple den Nutzern seiner Geräte eine Vielzahl selbstentwickelter und in der Regel vorinstallierter Softwareprodukte zur Verfügung. Zudem betreibt Apple den auf den Endgeräten vorinstallierten Apple App Store, die zentrale digitale Vertriebsinfrastruktur für von Dritten entwickelte Anwendungssoftware, und bietet verschiedene Online-Dienste an, unter anderem den Musik-Streamingdienst Apple Music, den Video-Streamingdienst Apple TV+ und den Bezahldienst Apple Pay.

Das Bundeskartellamt hat mit Beschluss vom 3. April 2023 (B 9-67/21) festgestellt, dass der Apple Inc. einschließlich aller mit ihr verbundenen Unternehmen (Apple) eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb im Sinn des § 19a Abs. 1 GWB zukommt. Die Feststellung ist auf fünf Jahre nach Eintritt der Bestandskraft befristet. Gegen diesen Beschluss haben die Apple Inc. und eine deutsche Konzerngesellschaft Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, den Beschluss aufzuheben.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Beschwerde, über die der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs in erster und letzter Instanz zu entscheiden hatte (§ 73 Abs. 5 Nr. 1 GWB), hatte keinen Erfolg. Das Bundeskartellamt hat zu Recht gemäß § 19a Abs. 1 GWB festgestellt, dass Apple in erheblichem Umfang auf mehrseitigen Märkten im Sinn des § 18 Abs. 3a GWB tätig ist und dem Unternehmen eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt.

Mit dem Betrieb des App Store und mit seinen mobilen Betriebssystemen wie iOS für das iPhone und iPadOS für das iPad ist Apple in erheblichem Umfang auf mehrseitigen Märkten tätig. Mehrseitige Märkte im Sinn des § 18 Abs. 3a GWB sind nicht nur Plattformen, auf denen Geschäftsabschlüsse zwischen verschiedenen Nutzergruppen stattfinden oder vermittelt werden. Es genügt, dass durch die Plattform die Aufmerksamkeit einer Nutzergruppe auf die andere gelenkt oder eine Interaktion zwischen unterschiedlichen Nutzergruppen technisch ermöglicht wird. Der Umfang von Apples Tätigkeit auf solchen Plattformen ist auch erheblich. Im Geschäftsjahr 2020 waren im Apple App Store rund 1,7 Mio Apps verfügbar, die 2020 über 30 Mrd mal heruntergeladen wurden. Mit den im Apple App Store verfügbaren Apps und angebotenen Leistungen wurden im Jahr 2020 insgesamt mehr als 640 Mrd USD umgesetzt. Apple erzielte im Geschäftsjahr 2021 allein durch den App Store einen Nettoerlös von über 15 Mrd USD.

Apple kommt eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb gemäß § 19a Abs. 1 GWB zu. Wie der Senat bereits mit Beschluss vom 23. April 2024 (KVB 56/22, BGHZ 240, 227 - Amazon) entschieden hat, muss für eine solche Feststellung weder eine konkrete Gefahr für den Wettbewerb bestehen oder dieser bereits beeinträchtigt sein, noch setzt sie voraus, dass das adressierte Unternehmen sein wettbewerbliches Potential ausnutzt. Die Norm will dem Bundeskartellamt eine effektivere Kontrolle derjenigen großen Digitalunternehmen ermöglichen, deren Ressourcen und strategische Positionierung ihnen potentiell erlauben, erheblichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter zu nehmen, den Wettbewerbsprozess zum eigenen Vorteil zu verfälschen sowie ihre bestehende Marktmacht auf immer neue Märkte und Sektoren zu übertragen. Daher reicht es aus, dass dem Unternehmen die strategischen und wettbewerblichen Möglichkeiten offenstehen, deren abstraktes Gefährdungspotential durch § 19a Abs. 1 GWB adressiert wird. Das Bundeskartellamt hat zutreffend festgestellt, dass Apple über solche strategischen und wettbewerblichen Potentiale verfügt. Apple zählt zu den größten, umsatzstärksten und profitabelsten Unternehmen weltweit; ihm stehen außerordentliche finanzielle und sonstige Ressourcen zur Verfügung. Ausgehend von seinen hochwertigen und hochpreisigen Hardwaregeräten, insbesondere dem iPhone, von denen weltweit mehr als eine Milliarde in Gebrauch sind und die beständig sehr hohe Absatzzahlen aufweisen, sowie den dafür entwickelten proprietären Betriebssystemen erstreckt Apple seine geschäftlichen Aktivitäten in diverse weitere Bereiche. Die Produkte und Dienstleistungen, die Apple den Nutzern seiner Geräte anbietet, sind in hohem Maß vertikal integriert und untereinander eng miteinander verbunden sowie in weiten Teilen den Nutzern von Apple-Geräten vorbehalten. Dies bildet die Grundlage für das - vom Unternehmen selbst so bezeichnete - "Apple-Ökosystem". Zwar ist davon auszugehen, dass Apple beispielsweise keinen Zugang zu Nutzerdaten hat, die nur auf den Geräten gespeichert oder verschlüsselt zwischen Geräten oder zwischen einem Gerät und der iCloud übertragen werden, da das Unternehmen darauf nach eigenen Angaben tatsächlich und rechtlich nicht zugreifen kann. Apple verfügt dennoch im Ergebnis über einen breiten und tiefen Zugang zu Daten. Das ergibt sich bereits aus der Datenschutzrichtlinie des Unternehmens, wonach die Nutzer in vielen Fällen der Freigabe von Daten zustimmen müssen, wenn sie die Produkte und Dienste von Apple in bestimmter Weise nutzen wollen. Selbst unterstellt, dass nur ein geringer Teil der Nutzer eine solche Freigabe erteilt, bleiben wegen der großen weltweiten Nutzerbasis von Apple dem Unternehmen Daten in sehr großem Umfang zugänglich. Da Apples Tätigkeit große Bedeutung für den Zugang Dritter zu Beschaffungs- und Absatzmärkten hat, verfügt Apple über erheblichen Einfluss auf deren Geschäftstätigkeit. So sind externe App-Entwickler und weitere Drittunternehmen auf Apples Unterstützung angewiesen, um Zugang zu der großen Zahl von Apple-Gerätenutzern zu erhalten. Verbunden mit der äußerst marktstarken Stellung des Konzerns in dem gesamtwirtschaftlich bedeutenden Bereich der Smartphones nebst Betriebssystem und Softwareanwendungen einschließlich App Store eröffnet dies Apple die von § 19a Abs. 1 GWB adressierten wettbewerblichen und strategischen Möglichkeiten.

Wie der Kartellsenat bereits entschieden hat (BGHZ 240, 227 - Amazon), stehen § 19a Abs. 1 GWB und einer darauf beruhenden Feststellungsverfügung weder verfassungs- noch unionsrechtliche Gründe entgegen. Die Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung Apples für den Wettbewerb nach § 19a Abs. 1 GWB wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass Apple während des Beschwerdeverfahrens mit seinen mobilen Betriebssystemen und App Stores von der Europäischen Kommission als Torwächter gemäß Art. 3 Digital Markets Act (DMA) benannt wurde und in der Europäischen Union seit dem 7. März 2024 dessen Regelungen unterworfen ist. Es ist bisher nicht ersichtlich, dass darauf beruhende Veränderungen in Apples Geschäftspraktiken in einer für § 19a Abs. 1 GWB relevanten Weise Stellung und Potentiale des Unternehmens im Wettbewerb verändert hätten. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union war auch vor dem Hintergrund neuerer Äußerungen in der Literatur nicht veranlasst.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

§ 18 Marktbeherrschung

(1) Ein Unternehmen ist marktbeherrschend, soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt

1. ohne Wettbewerber ist,

2. keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder

3. eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat.

[…]

(3a) Insbesondere bei mehrseitigen Märkten und Netzwerken sind bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens auch zu berücksichtigen:

1. direkte und indirekte Netzwerkeffekte,

2. die parallele Nutzung mehrerer Dienste und der Wechselaufwand für die Nutzer,

3. seine Größenvorteile im Zusammenhang mit Netzwerkeffekten,

4. sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten,

5. innovationsgetriebener Wettbewerbsdruck.

[…]

§ 19a Missbräuchliches Verhalten von Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb

(1) Das Bundeskartellamt kann durch Verfügung feststellen, dass einem Unternehmen, das in erheblichem Umfang auf Märkten im Sinne des § 18 Absatz 3a tätig ist, eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Bei der Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung eines Unternehmens für den Wettbewerb sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. seine marktbeherrschende Stellung auf einem oder mehreren Märkten,

2. seine Finanzkraft oder sein Zugang zu sonstigen Ressourcen,

3. seine vertikale Integration und seine Tätigkeit auf in sonstiger Weise miteinander verbundenen Märkten,

4. sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten,

5. die Bedeutung seiner Tätigkeit für den Zugang Dritter zu Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie sein damit verbundener Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter.

Die Verfügung nach Satz 1 ist auf fünf Jahre nach Eintritt der Bestandskraft zu befristen.

(2) Das Bundeskartellamt kann im Falle einer Feststellung nach Absatz 1 dem Unternehmen untersagen,

1. beim Vermitteln des Zugangs zu Beschaffungs- und Absatzmärkten die eigenen Angebote gegenüber denen von Wettbewerbern bevorzugt zu behandeln, insbesondere

a) die eigenen Angebote bei der Darstellung zu bevorzugen;

b) ausschließlich eigene Angebote auf Geräten vorzuinstallieren oder in anderer Weise in Angebote des Unternehmens zu integrieren;

2. Maßnahmen zu ergreifen, die andere Unternehmen in ihrer Geschäftstätigkeit auf Beschaffungs- oder Absatzmärkten behindern, wenn die Tätigkeit des Unternehmens für den Zugang zu diesen Märkten Bedeutung hat, insbesondere

a) Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer ausschließlichen Vorinstallation oder Integration von Angeboten des Unternehmens führen;

b) andere Unternehmen daran zu hindern oder es ihnen zu erschweren, ihre eigenen Angebote zu bewerben oder Abnehmer auch über andere als die von dem Unternehmen bereitgestellten oder vermittelten Zugänge zu erreichen;

3. Wettbewerber auf einem Markt, auf dem das Unternehmen seine Stellung, auch ohne marktbeherrschend zu sein, schnell ausbauen kann, unmittelbar oder mittelbar zu behindern, insbesondere

a) die Nutzung eines Angebots des Unternehmens mit einer dafür nicht erforderlichen automatischen Nutzung eines weiteren Angebots des Unternehmens zu verbinden, ohne dem Nutzer des Angebots ausreichende Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Umstands und der Art und Weise der Nutzung des anderen Angebots einzuräumen;

b) die Nutzung eines Angebots des Unternehmens von der Nutzung eines anderen Angebots des Unternehmens abhängig zu machen;

4. durch die Verarbeitung wettbewerbsrelevanter Daten, die das Unternehmen gesammelt hat, Marktzutrittsschranken zu errichten oder spürbar zu erhöhen, oder andere Unternehmen in sonstiger Weise zu behindern, oder Geschäftsbedingungen zu fordern, die eine solche Verarbeitung zulassen, insbesondere

a) die Nutzung von Diensten davon abhängig zu machen, dass Nutzer der Verarbeitung von Daten aus anderen Diensten des Unternehmens oder eines Drittanbieters zustimmen, ohne den Nutzern eine ausreichende Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Umstands, des Zwecks und der Art und Weise der Verarbeitung einzuräumen;

b) von anderen Unternehmen erhaltene wettbewerbsrelevante Daten zu anderen als für die Erbringung der eigenen Dienste gegenüber diesen Unternehmen erforderlichen Zwecken zu verarbeiten, ohne diesen Unternehmen eine ausreichende Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Umstands, des Zwecks und der Art und Weise der Verarbeitung einzuräumen;

5. die Interoperabilität von Produkten oder Leistungen oder die Portabilität von Daten zu verweigern oder zu erschweren und damit den Wettbewerb zu behindern;

6. andere Unternehmen unzureichend über den Umfang, die Qualität oder den Erfolg der erbrachten oder beauftragten Leistung zu informieren oder ihnen in anderer Weise eine Beurteilung des Wertes dieser Leistung zu erschweren;

7. für die Behandlung von Angeboten eines anderen Unternehmens Vorteile zu fordern, die in keinem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung stehen, insbesondere

a) für deren Darstellung die Übertragung von Daten oder Rechten zu fordern, die dafür nicht zwingend erforderlich sind;

b) die Qualität der Darstellung dieser Angebote von der Übertragung von Daten oder Rechten abhängig zu machen, die hierzu in keinem angemessenen Verhältnis stehen. Dies gilt nicht, soweit die jeweilige Verhaltensweise sachlich gerechtfertigt ist. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt insoweit dem Unternehmen. § 32 Absatz 2 und 3, die §§ 32a und 32b gelten entsprechend. Die Verfügung nach Absatz 2 kann mit der Feststellung nach Absatz 1 verbunden werden.

[….]

§ 73 Zulässigkeit, Zuständigkeit

[…]

(5) Der Bundesgerichtshof entscheidet als Beschwerdegericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten gegen Verfügungen des Bundeskartellamts

1. nach § 19a, auch in Verbindung mit §§ 19, 20 und Artikel 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie § 32 Absatz 1, 2 und 3,

2. […],

jeweils einschließlich aller selbständig anfechtbaren Verfahrenshandlungen.

Verordnung (EU) 2022/1925 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2022 über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor und zur Änderung der Richtlinien (EU) 2019/1937 und (EU) 2020/1828 (Gesetz über digitale Märkte/Digital Markets Act)

Artikel 1 Gegenstand und Anwendungsbereich

[…]

(5) Um eine Fragmentierung des Binnenmarkts zu vermeiden, erlegen die Mitgliedstaaten Torwächtern keine weiteren Verpflichtungen im Wege von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften auf, um bestreitbare und faire Märkte zu gewährleisten. Diese Verordnung hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, Unternehmen - einschließlich solcher, die zentrale Plattformdienste bereitstellen - für Angelegenheiten, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, Verpflichtungen aufzuerlegen, sofern diese Verpflichtungen mit dem Unionsrecht vereinbar sind und nicht darauf zurückzuführen sind, dass die betreffenden Unternehmen den Status eines Torwächters im Sinne dieser Verordnung haben.

(6) Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV. Sie lässt auch die Anwendung der folgenden Vorschriften unberührt:

a) […]

b) nationaler Wettbewerbsvorschriften, mit denen andere Formen einseitiger Verhaltensweisen verboten werden, soweit sie auf andere Unternehmen als Torwächter angewandt werden oder Torwächtern damit weitere Verpflichtungen auferlegt werden, […]

Artikel 3 Benennung von Torwächtern

(1) Ein Unternehmen wird als Torwächter benannt, wenn es

a) erheblichen Einfluss auf den Binnenmarkt hat,

b) einen zentralen Plattformdienst bereitstellt, der gewerblichen Nutzern als wichtiges Zugangstor zu Endnutzern dient, und

c) hinsichtlich seiner Tätigkeiten eine gefestigte und dauerhafte Position innehat oder absehbar ist, dass es eine solche Position in naher Zukunft erlangen wird.

(2) Es wird davon ausgegangen, dass ein Unternehmen die jeweiligen Anforderungen des Absatzes 1 erfüllt, wenn es

a) in Bezug auf Absatz 1 Buchstabe a in jedem der vergangenen drei Geschäftsjahre in der Union einen Jahresumsatz von mindestens 7,5 Mrd. EUR erzielt hat oder wenn seine durchschnittliche Marktkapitalisierung oder sein entsprechender Marktwert im vergangenen Geschäftsjahr mindestens 75 Mrd. EUR betrug und es in mindestens drei Mitgliedstaaten denselben zentralen Plattformdienst bereitstellt;

b) in Bezug auf Absatz 1 Buchstabe b einen zentralen Plattformdienst bereitstellt, der im vergangenen Geschäftsjahr mindestens 45 Millionen in der Union niedergelassene oder aufhältige monatlich aktive Endnutzer und mindestens 10 000 in der Union niedergelassene jährlich aktive gewerbliche Nutzer hatte, wobei die Ermittlung und Berechnung gemäß der Methode und den Indikatoren im Anhang erfolgt;

c) in Bezug auf Absatz 1 Buchstabe c die unter Buchstabe b des vorliegenden Absatzes genannten Schwellenwerte in jedem der vergangenen drei Geschäftsjahre erreicht hat.


EU-Kommission: Geldbuße gegen Apple über 1,8 Mrd. Euro wegen Kartellrechtsverstoß durch App-Store-Vorschriften für Musikstreaming-Anbieter

Die EU-Kommission hat eine Geldbuße gegen Apple über 1,8 Mrd. Euro wegen Kartellrechtsverstößen durch die App-Store-Vorschriften für Musikstreaming-Anbieter verhängt.

Die Pressemitteilung der EU-Kommission:
Kommission verhängt Geldbuße in Höhe von 1,8 Mrd. EUR gegen Apple wegen kartellrechtswidriger App-Store-Vorschriften für Musikstreaming-Anbieter

Die Europäische Kommission hat gegen Apple wegen Missbrauchs seiner beherrschenden Stellung auf dem Markt für den über seinen App Store laufenden Vertrieb von Musikstreaming-Apps an iPhone- und iPad-Nutzer („iOS-Nutzer“) eine Geldbuße in Höhe von über 1,8 Mrd. EUR verhängt. Insbesondere stellte die Kommission fest, dass Apple App-Entwickler Beschränkungen auferlegte, die sie daran hinderten, iOS-Nutzer über alternative und billigere Musikabonnements zu informieren, die außerhalb der App zur Verfügung stehen. Das verstößt gegen das EU-Kartellrecht.

Zuwiderhandlung

Apple ist derzeit der einzige Anbieter eines App Store, in dem Entwickler ihre Anwendungen an iOS-Nutzer im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) vertreiben können. Apple kontrolliert alle Aspekte der iOS-Nutzererfahrung und legt die Geschäftsbedingungen fest, die Entwickler einhalten müssen, wenn sie im App Store präsent sein und iOS-Nutzer im EWR erreichen möchten.

Die Untersuchung der Kommission hat ergeben, dass Apple es Entwicklern von Musikstreaming-Apps untersagt, iOS-Nutzer umfassend über alternative, billigere Musikabonnements zu informieren, die außerhalb der App verfügbar sind, und Hinweise dazu zu geben, wie solche Angebote abonniert werden können. Die entsprechenden Bestimmungen verbieten den App-Entwicklern u. a. Folgendes:

- Information der iOS-Nutzer in den Apps der Entwickler über die Preise von Abonnements, die außerhalb der App im Internet verfügbar sind

- Information der iOS-Nutzer in den Apps der Entwickler über die Preisunterschiede zwischen In-App-Abonnements (die über den „In-App“-Kaufmechanismus von Apple abgeschlossen werden) und anderswo abgeschlossenen Abonnements

- Einbau von Links in ihre Apps, die iOS-Nutzer zur Website des jeweiligen App-Entwicklers führen, auf der alternative Abonnements angeboten werden. App-Entwickler konnten sich auch nicht an eigene, neu geworbene Nutzer wenden (z. B. per E-Mail), um sie nach Einrichtung des Nutzerkontos über Preisalternativen zu informieren.

Die Kommission befindet in ihrem heutigen Beschluss, dass die in Rede stehenden Bestimmungen von Apple unlautere Handelsbedingungen darstellen und gegen Artikel 102 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen. Die Bestimmungen sind weder notwendig noch angemessen, um die geschäftlichen Interessen von Apple in Bezug auf den App Store auf intelligenten mobilen Apple-Geräten zu schützen. Sie wirken sich nachteilig für die iOS-Nutzer aus, da sie fundierte und effiziente Entscheidungen darüber verhindern, wo und wie die Nutzer Musikstreaming-Abonnements für ihr Gerät erwerben wollen.

Wegen des Verhaltens von Apple, das fast zehn Jahre andauerte, könnten viele iOS-Nutzer erheblich höhere Preise für Musikstreaming-Abonnements gezahlt haben, denn Apple verlangte von den Entwicklern hohe Provisionen, die über höhere Abopreise für ein und denselben Dienst im App Store von Apple letztlich an die Verbraucher weitergegeben wurden. Die in Rede stehenden Bestimmungen von Apple haben durch Beeinträchtigung der Nutzererfahrung auch nicht-monetären Schaden verursacht: iOS-Nutzer mussten entweder eine aufwendige Suche auf sich nehmen, um zu einschlägigen Angeboten außerhalb der App zu gelangen, oder sie haben nie ein Abo abgeschlossen, da sie ohne Hinweise nicht das richtige finden konnten.



Bundeskartellamt: Apple - Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb nach § 19a GWB

Das Bundeskartellamt hat hinsichtlich Apple die überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb nach § 19a GWB festgestellt.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:
Apple unterliegt den Digitalvorschriften nach § 19a GWB

Das Bundeskartellamt hat entschieden, dass die Apple Inc., Cupertino, USA, ein Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb ist. Damit unterliegt Apple gemeinsam mit seinen Tochterunternehmen der erweiterten Missbrauchsaufsicht des § 19a GWB.

Die Vorschrift des § 19a GWB ist aufgrund einer Gesetzesänderung seit Januar 2021 in Kraft. Das Bundeskartellamt kann in einem zweistufigen Vorgehen Verfahren Unternehmen, die eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb haben, wettbewerbsgefährdende Praktiken untersagen.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Apple verfügt über eine marktübergreifende wirtschaftliche Machtposition, die dem Unternehmen vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierte Verhaltensspielräume eröffnet. Das Unternehmen ist – ausgehend von seinen mobilen Endgeräten wie dem iPhone – Betreiber eines umfassenden digitalen Ökosystems mit einer hohen Bedeutung für den Wettbewerb nicht nur in Deutschland, sondern auch europa- und weltweit. Apple nimmt mit seinen proprietären Produkten iOS und dem App Store Schlüsselpositionen für den Wettbewerb und für den Zugang zum Ökosystem und den Apple-Kunden ein. Auf der Grundlage dieser Entscheidung können wir gezielt wettbewerbsgefährdende Praktiken aufgreifen und effektiv unterbinden.“

Hinsichtlich konkreter Verhaltensweisen von Apple prüft das Bundeskartellamt in einem weiteren Verfahren Apples Tracking-Regelungen sowie das App Tracking Transparency Framework (s. Pressemitteilung vom 14. Juni 2022). Das Bundeskartellamt geht dabei insbesondere dem Anfangsverdacht nach, dass diese Regelungen Apples eigene Angebote bevorzugt behandeln und/oder andere Unternehmen behindern könnten. Über die Einleitung weiterer Verfahren gegen Apple ist noch nicht entschieden worden.

Zur marktübergreifenden Bedeutung von Apple

Apple gehört mit weltweiten Umsatzerlösen von rund 400 Mrd. USD und einem Gewinn von fast 100 Mrd. USD im Geschäftsjahr 2022 zu den umsatz- und gewinnstärksten Unternehmen der Welt. Zum einen besetzt Apple die gesamte Wertschöpfungskette rund um hochwertige mobile digitale Endgeräte, teilweise einschließlich der eigenen Entwicklung von zentralen Komponenten wie der Prozessoren. Zum anderen entwickelt Apple die Software für diese Geräte – allen voran deren mobile Betriebssysteme wie iOS – selbst. Gleiches gilt für die Plattform für den mobilen Softwarevertrieb auf den Geräten, den App Store. Ergänzt wird Apples Angebot um eine Reihe weiterer Hardware-, Software- und Diensteprodukte.

Apples iPhone trägt kontinuierlich zu mehr als 50 Prozent zum Umsatz des Technologiekonzerns bei. Apple verfügt über marktbeherrschende, mindestens jedoch marktstarke Stellungen auf allen vertikal verbundenen Stufen ausgehend von Smartphones, Tablets und Smartwatches über die proprietären Betriebssysteme bis hin zum Apple App Store als der sowohl für App-Herausgebende als auch für Nutzerinnen und Nutzer einzig verfügbaren digitalen Vertriebsplattform für Apps und andere Softwareprodukte auf Apple Geräten.

Ausgehend von dieser engen, proprietären Vertikalstruktur und einer aktiven Gerätebasis von weltweit derzeit mehr als zwei Mrd. Stück ist Apple vielfach auf miteinander verbundenen Marktstufen und Geschäftsfeldern tätig und ist so in der Lage, seine Nutzerinnen und Nutzer langfristig an sein komplexes Ökosystem zu binden. Damit einher geht eine ausgeprägte Regelsetzungsmacht gegenüber Dritten, allen voran den App-Entwicklenden. Apple kontrolliert den Zugang zu Apple-Kundinnen und -Kunden und gestaltet diesen Zugang nach seinen Regeln und zu seinen ökonomischen Rahmenbedingungen. Diese herausragende Positionierung wird flankiert durch eine überragende Ressourcenausstattung. Apple kann nicht nur auf hohe Finanzmittel, sondern auch auf eine breite Nutzerbasis und einen starken Markenwert der Marke „Apple“ zurückgreifen. Das Unternehmen nutzt seine Ressourcen für den Ausbau seines Ökosystems, sei es über hohe Investitionen in F&E, fortlaufende Personalzuwächse in zukunftsweisenden Geschäftsbereichen oder über Unternehmenszukäufe, die sich vor allem auf Technologien zur Erweiterung von Geschäftsfeldern oder zur Verbesserung bestehender Dienste oder Produkte richten. Auch verfügt das Unternehmen über einen privilegierten Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten. Diese strukturell abgesicherte marktübergreifende Präsenz erleichtert es Apple, sein Ökosystem abzusichern und in neue Geschäftsfelder vorzustoßen, wie zum Beispiel das Werbegeschäft.

Apples überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb im Sinne des § 19a Abs. 1 GWB verschafft dem Unternehmen damit im Ergebnis eine Machtposition, die ihnen vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierte marktübergreifende Verhaltensspielräume eröffnet. Die Entscheidung des Bundeskartellamtes ist gemäß den gesetzlichen Vorgaben auf fünf Jahre befristet. Innerhalb dieses Zeitraumes unterliegt Apple in Deutschland der besonderen Missbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt nach § 19a Abs. 2 GWB. Das Bundeskartellamt hat zu seiner Entscheidung heute ebenfalls einen Fallbericht veröffentlicht. Dieser ist hier abrufbar.

Hintergrund zu § 19a GWB

Im Januar 2021 ist die 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB-Digitalisierungsgesetz) in Kraft getreten. Eine zentrale neue Vorschrift (§ 19a GWB) erlaubt dem Bundeskartellamt ein frühzeitiges und effektiveres Eingreifen, insbesondere gegen Verhaltensweisen großer Digitalkonzerne. Vor dem heute abgeschlossenen Verfahren gegen Apple hat das Amt eine überragende marktübergreifende Bedeutung bereits bei Alphabet/Google, bei Meta/Facebook und bei Amazon festgestellt (s. Pressemitteilungen vom 5. Januar 2022, vom 4. Mai 2022 und vom 6. Juli 2022). Ein weiteres Feststellungsverfahren wurde gegen Microsoft eingeleitet (s. Pressemitteilung vom 28. März 2023).

Auf Basis der neuen Vorschriften laufen auch bereits mehrere Verfahren, die sich gegen konkrete Verhaltensweisen richten, so gegen Google/Alphabet (s. Pressemitteilungen vom 21. Juni 2022, vom 4. Juni.2021 bzw. 12. Januar 2022 und 25. Mai 2021), Meta/Facebook (s. Pressemitteilung vom 28. Januar 2021) und Amazon (s. Pressemitteilung vom 14. November 2022).



BKartA leitet gegen Apple Verfahren nach § 19a GWB ein - Missbräuchliches Verhalten von Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb

Das Bundeskartellamt hat gegen Apple ein Verfahren nach § 19a GWB (Missbräuchliches Verhalten von Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb) eingeleitet.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:

Verfahren gegen Apple nach neuen Digitalvorschriften (§ 19a Abs. 1 GWB) – Bundeskartellamt prüft Apples marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb

Das Bundeskartellamt hat heute ein Verfahren gegen das Technologieunternehmen Apple nach den neuen kartellrechtlichen Vorschriften für Digitalkonzerne eingeleitet. Es handelt sich insgesamt um das vierte große Digitalunternehmen, gegen das das Amt mit dem neuen Instrument vorgeht. In den vergangenen Monaten wurden bereits gegen Facebook (siehe PM vom 28. Januar 2021), gegen Amazon (siehe PM vom 18. Mai 2021) und gegen Google (PM vom 25. Mai 2021) entsprechende Ermittlungen aufgenommen.

Im Januar 2021 ist die 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB-Digitalisierungsgesetz) in Kraft getreten. Eine zentrale neue Vorschrift (§ 19a GWB) ermöglicht der Behörde ein früheres und effektiveres Eingreifen, insbesondere gegen Verhaltensweisen großer Digitalkonzerne. Das Bundeskartellamt kann in einem zweistufigen Verfahren Unternehmen, die eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb haben, wettbewerbsgefährdende Praktiken untersagen.

Eingeleitet hat das Bundeskartellamt heute gegen Apple die erste Stufe, ein Verfahren zur Feststellung dieser marktübergreifenden Bedeutung. Ein Anhaltspunkt für eine solche Position eines Unternehmens kann ein sich über verschiedene Märkte erstreckendes Ökosystem sein. Entsprechende Machtstellungen sind von anderen Unternehmen oft nur schwer angreifbar.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Wir werden jetzt prüfen, ob Apple rund um das iPhone mit dem proprietären Betriebssystem iOS ein digitales Ökosystem über mehrere Märkte errichtet hat. Apple stellt Tablets, Computer und „Wearables“ her und vertreibt eine Reihe gerätebezogener Services und Dienstleistungen. Neben verschiedenen Hardware-Produkten des Konzerns sind im Geschäftsbereich Services der App Store, die iCloud, AppleCare, Apple Music, Apple Arcade, Apple TV+ sowie weitere Dienstleistungen und Services zusammengefasst. Wir werden uns neben der Stellung des Konzerns in diesen Bereichen unter anderem auch mit der weitreichenden Integration über mehrere Marktstufen, der technologischen und finanziellen Ressourcenstärke des Unternehmens sowie seinem Zugang zu Daten beschäftigen. Ein Schwerpunkt der Ermittlungen wird auf dem Betrieb des App Stores liegen, da er Apple vielfach befähigt, Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter zu nehmen.“

Ausgehend von diesem ersten Verfahren beabsichtigt das Bundeskartellamt, sich in einem möglichen weiteren Verfahren konkrete Verhaltensweisen von Apple genauer anzusehen. Dem Amt liegen diesbezüglich verschiedene Beschwerden gegen potentiell wettbewerbsgefährdende Praktiken vor. Dazu zählen unter anderem eine Verbändebeschwerde aus der Werbe- und Medienbranche, die sich gegen Apples Tracking-Einschränkung von Nutzern im Zusammenhang mit der Einführung des Betriebssystems iOS 14.5 richtet, und eine Beschwerde gegen die ausschließliche Vorinstallation von konzerneigenen Anwendungen als möglicher Unterfall einer nach § 19a GWB verbotenen Selbstbevorzugung. Darüber hinaus wird von App-Entwicklern der Zwang zur Nutzung des Apple-eigenen Systems für In-App-Käufe (IAP) sowie die damit verbundene Provisionshöhe von 30 Prozent kritisiert. Zudem werden die damit in Zusammenhang stehenden Marketingbeschränkungen im App Store thematisiert. Letztgenannte Beschwerde weist Parallelen zum laufenden Verfahren der Europäischen Kommission gegen Apple wegen der Beschränkungen des Streamingdienstes Spotify und einer entsprechenden Bevorzugung eigener Dienste auf. Das Bundeskartellamt wird sich insoweit ggf. mit der Europäischen Kommission sowie weiteren Wettbewerbsbehörden in Verbindung setzen. Über die Einleitung eines weiteren Verfahrens ist noch nicht entschieden worden.



LG Köln: Kein automatischer Verlust des Widerrufsrechts beim Kauf von Videos im Google Play Store - Google muss vorher informieren und Verbraucher ausdrücklich zustimmen

LG Köln
Urteil vom 21.05.2019
31 O 372/17


Das LG Köln hat entschieden, dass kein automatischer Verlust des Widerrufsrechts beim Kauf von Videos im Google Play Store eintritt. Google muss vorher informieren und der Verbraucher ausdrücklich durch eine eigenständige Erklärung, die nicht automatisch mit der Erklärung "Kaufen" bzw. "Ausleihen" verknüpft sein darf, zustimmen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger hat hinsichtlich der mit Antrag zu 1.1. angegriffenen Gestaltung des Bestellvorgangs von Video-Inhalten einen Unterlassungsanspruch nach § 2 Abs. 1 UKIaG iVm. § 312 d Abs. 1. Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB.

Hiernach hat der Unternehmer in Fällen, in denen das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 356 Absatz 4 und 5 BGB vorzeitig erlöschen kann, den Verbraucher über die Umstände, unter denen dieser ein zunächst bestehendes Widerrufsrecht verliert, zu informieren. Nach § 356 Abs. 5 BGB erlischt bei einem Vertrag Ober die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten das Widerrufsrecht, wenn der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags begonnen hat, „nachdem der Verbraucher ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt, und seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er durch seine Zustimmung mit Beginn der Ausführung des Vertrags sein Widerrufsrecht verliert".

Dass die vorgenannten Regelungen auf den hier streitgegenständlichen Bestellvorgang der von der Beklagten im Google Play Store Movies bereitgestellten digitalen Inhalte Anwendung finden, stellt die Beklagte nicht in Abrede.

Die konkrete Ausgestaltung des von der Beklagten eingerichteten Bestellvorgangs trägt den Vorgaben der Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 2 EG BGB, § 356 Abs. 5 BGB indes nicht hinreichend Rechnung. Zwar erteilt die Beklagte den Hinweis, dass der Nutzer mit dem Anklicken des mit „KAUFEN“ bzw. „AUSLEIHEN“ überschriebenen Buttons zustimme, dass seine Bestellung sofort ausgeführt wird und er damit das gesetzliche Widerrufsrecht verliert. Zurecht moniert der Kläger aber, dass diese Informationserteilung ebenso wie die vom Nutzer eingeholte Erklärung über die Ausführung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist unmittelbar mit der Erklärung über den Abschluss des Erwerbsvorgangs verknüpft wird. Eine „ausdrücklichen Zustimmung“ iSd. § 356 Abs. 5 BGB ist hierin nicht zu erkennen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: