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KG Berlin: Deutsches Datenschutzrecht für Facebook - unzureichende Einwilligungserklärung zur Weitergabe von Daten an App- und Spiele-Anbieter

KG Berlin
Urteil vom 22.09.2017
5 U 155/14


Das KG Berlin hat entschieden, dass sich Facebook an deutsches Datenschutzrecht zu halten hat und dass die streitgegenständlichen Einwilligungserklärungen zur Weitergabe von Daten an App- und Spiele-Anbieter unzureichend und damit unwirksam sind.

Siehe zur Vorinstanz: LG Berlin: Facebook - Einwilligung im App-Zentrum zur Datenweitergabe an App-Anbieter / Spiele-Anbieter mangels ausreichender Belehrung über Umfang unwirksam

Aus den Entscheidungsgründen:

"Diese Tätigkeit der Facebook Germany GmbH stellt einen hinreichenden Rahmen für die hier streitgegenständlichen Datenverarbeitungsvorgänge dar.

Insoweit müssen die Datenverarbeitungsvorgänge inhaltlich mit dieser Tätigkeit der Niederlassung verbunden sein (vergleiche EuGH Google Spain TZ 55 ff). Der vorliegend streitgegenständliche Internetauftritt der Beklagten ist - wie erörtert - auf Nutzer in Deutschland ausgerichtet und damit in einem besonderen Maß für deutsche Werbekunden sowie an einer Werbung gegenüber deutschen Verbrauchern interessierten Kunden von Bedeutung. Gerade diese Werbekunden soll die Facebook Germany GmbH einwerben und betreuen. Auch die Beklagte unterscheidet nicht Werbekunden (insbesondere auf den Nutzerseiten) und Anbieter von Apps/Anwendungen. Die Beklagte hat nicht gezielt in Abrede gestellt, dass die Facebook Germany GmbH für die Werbung und Betreuung von Anbietern von Anwendungen in Deutschland zuständig ist. Bei kostenpflichtigen Anwendungen kann davon ausgegangen werden, dass die Beklagte an dem Erlös - anteilig oder pauschal - beteiligt ist. Im Ausgangspunkt von Dritten kostenlos angebotene Anwendungen (so wie vorliegend die Spiele) dienen den Spieleranbietern in aller Regel entweder als eigene Werbeplattform für Werbungen anderer Unternehmen oder der kostenlose Teil der Anwendungen ist Werbung für entgeltliche Zusatzleistungen der Anwendungsanbieter. Der Kläger hat beispielhaft für die streitgegenständlichen Anwendungen darauf hingewiesen, dass die in Rede stehenden App-Angebote nur im Ausgangspunkt kostenlos sind und sie auch zusätzliche kostenpflichtige Leistungen beinhalten. Dies hat die Beklagte bei den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht in Abrede gestellt, sondern nur etwa angebotene kostenpflichtige Bücher als
unerheblich angesehen.
[...]
Unerheblich ist vorliegend der Umstand, dass die Beklagte hinsichtlich der tatsächlichen Durchführung der Datenverarbeitung einen engeren Bezug zu den Nutzern in Deutschland hat als die Facebook Germany GmbH. Darauf kommt es nicht entscheidend an.

(1) Grundlage eines Abstellens auf einen solchen engeren Bezug ist die Annahme, die Datenschutzrichtlinie wolle eine Konkurrenz mehrerer nationaler Datenschutzrechte innerhalb der EU vermeiden, so dass allein auf die für die Datenverarbeitung verantwortliche Stelle abzustellen sei (was vorliegend für die Beklagte und damit für irisches Datenschutzrecht sprechen könnte).

(2)
Schon der rechtliche Ausgangspunkt ist nicht überzeugend. Gerade für das Datenschutzrecht fehlt es an einer vollständigen Harmonisierung innerhalb der EU, so dass sogar die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr — wie erörtert - vom Herkunftslandprinzip für den Bereich des Datenschutzes eine Ausnahme bestimmt.

Für ein Gebot, bei mehreren Niederlassungen in der EU nur ein nationales Datenschutzrecht anzuwenden und dabei etwa auf die Niederlassung mit der engsten Verbindung zur streitigen Datenverarbeitung abzustellen, findet sich in der Datenschutzrichtlinie weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrer Ratio und den hierzu getroffenen Erwägungen ein hinreichender Anhalt. Eine Konzentration auf ein nationales Datenschutzrecht kommt nur dann in Betracht, wenn das datenverarbeitende Unternehmen innerhalb der EU seinen Sitz hat und keine (im oben genannten Sinne qualifizierte) Niederlassung in anderen EU-Ländern unterhält. Besteht aber eine solche Niederlassung in einem anderen EU-Land, findet allein Art. 4 Abs. 1 lit. a der Datenschutzrichtlinie Anwendung, der schon nach seinem Wortlaut keinen Anhalt für eine Konzentration auf das Datenschutzrecht eines einzigen EU-Landes enthält. Im Gegenteil: Art. 4 Abs. 1 lit. a Satz 2 der
Datenschutzrichtlinie regelt den Fall einer Mehrzahl von Niederlassungen in verschiedenen Mitgliedstaaten dahin, dass der für die Datenverarbeitung Verantwortliche für "jede dieser Niederlassungen die im jeweils anwendbaren einzelstaatlichen Recht festgelegten Verpflichtungen einhält", also das einschlägige nationale Datenschutzrecht für jedes EU-Land (mithin auch mehrere nationale Datenschutzregelungen) anwendet, in dem er eine Niederlassung unterhält. Danach soll der allein in einem einzigen EU-Land ansässige Unternehmer datenschutzrechtlich privilegiert werden, diese Privilegierung aber dann verlieren, wenn er weitergehend mit einer Niederlassung auch in einem anderen EU-Land tätig wird. Mit der Eröffnung einer solchen Niederlassung sind somit auch umfangreichere Verantwortlichkeiten verbunden.

Auch den genannten Entscheidungen des EuGH (Google Spain, Amazon und Weltimmo) ist kein Anhalt für eine Konzentration auf eine Niederlassung zu entnehmen. Dabei ging es sowohl in der Entscheidungen Weltimmo (TZ 17 und TZ 38) als auch in der Entscheidung Amazon (TZ 29 und TZ 80) um eine Mehrzahl von Niederlassungen in der EU. Insoweit verweist der EuGH zu Recht darauf, dass - wenn der Verantwortliche im Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten niedergelassen ist - er vor allem zur Vermeidung von Umgehungen höherer Datenschutzniveaus sicherstellen muss, dass jede dieser Niederlassungen die Verpflichtungen einhält, die im jeweiligen einzelstaatlichen Recht vorgesehen sind, dass auf ihre jeweiligen Tätigkeiten anwendbar ist (EuGH, aaO, Google Spain, TZ 48; aaO, Weltimmo, TZ 28)."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Berlin: Facebook - Einwilligung im App-Zentrum zur Datenweitergabe an App-Anbieter / Spiele-Anbieter mangels ausreichender Belehrung über Umfang unwirksam

LG Berlin
Urteil vom 28.10.2014
16 O 60/13
Facebook - Einwilligung zur Datenweitergabe


Das LG Berlin hat entschieden, dass die im App-Zentrum bei Facebook vorgesehene Lösung zur Erteilung der Einwilligung zur Datenweitergabe an App-Anbieter / Spiele-Anbieter mangels ausreichender Belehrung über die Reichweite der Einwilligung unwirksam ist.

Die Pressemitteilung des vzbv:

"Facebook App-Zentrum: Lösung zur Einwilligung in Datenweitergabe ist rechtswidrig
LG Berlin bestätigt Versäumnisurteil vom 9. September 2013

Das Landgericht Berlin hat ein im September 2013 ergangenes Versäumnisurteil gegen Facebook bestätigt. Das Gericht stützt mit dem Urteil die Rechtsauffassung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv): Nutzer werden in Facebooks App-Zentrum nicht ausreichend über die umfassende Datenweitergabe an App-Anbieter informiert. Die Einwilligung erfolgt nicht bewusst und ist damit rechtswidrig.

Facebook bietet in seinem eigenen App-Zentrum die Möglichkeit an, zahlreiche Apps von Drittanbietern zu nutzen. Dazu gehören beliebte Spiele wie FarmVille oder Café World, Umfragen oder Ratespiele. Durch Klicken auf den Button "Spiel spielen" oder „An Handy laden“ wird die Einwilligung des Nutzers zur umfassenden Datennutzung und -weitergabe unterstellt. Eine Auflistung der Daten, die der App-Anbieter erheben und nutzen will, befindet sich unterhalb des Buttons in kleiner, hellgrauer Schrift. App-Anbieter erhalten danach beispielweise die Erlaubnis, auf den Chat, die Informationen zu Freunden und die persönlichen Kontaktdaten zuzugreifen, sowie auf der Pinnwand des Nutzers zu posten.

Umfassende Zugriffsrechte für Drittanbieter

„Drittanbieter erhalten durch die Einwilligung umfassende Zugriffsrechte auf das Profil und die Kontakte von Facebook-Nutzern, ohne dass sich die Nutzer darüber bewusst sind“, sagt Michaela Zinke, Referentin für Datenschutz im Projekt Verbraucherrechte in der digitalen Welt beim vzbv. „Der Nutzer sagt mit dem Klick auf den Button nicht nur ‚Spiel spielen‘, sondern auch ‚Hier sind alle meine Daten‘.“

Eine solche umfassende Datenweitergabe an Dritte erfordert nach deutschem Recht eine bewusste und informierte Einwilligung eines Nutzers. Nach Auffassung des vzbv ist das bei der Betätigung des Buttons „Spiel spielen“ oder „An Handy laden“ nicht gegeben. Das Landgericht Berlin hat dies mit seinem Urteil bestätigt.

Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 28.10.2014 ist noch nicht rechtskräftig. Der vzbv geht davon aus, dass Facebook Berufung einlegen wird."