Skip to content

OLG Frankfurt: Kein Schmerzensgeldanspruch gegen Arzneimittelhersteller wegen Verunreinigung eines Medikaments bei übersteigerter Krebsangst ohne objektive Grundlage

OLG Frankfurt
Urteil vom 26.04.2023
13 U 69/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass kein Schmerzensgeldanspruch gegen einen Arzneimittelhersteller wegen der Verunreinigung eines Medikaments bei übersteigerter Krebsangst ohne objektive Grundlage besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Überzogene Krebsangst - Kein Schmerzensgeld bei Verunreinigung eines Medikaments

Die Klägerin kann kein Schmerzensgeld verlangen, soweit sie seit Kenntnis der Verunreinigung an der Angst leide, an Krebs zu erkranken.

Erhöht die Einnahme eines verunreinigten Arzneimittels das Risiko, an Krebs zu erkranken, um 0,02 %, ist es nicht generell geeignet, psychische Belastungen in Form von Ängsten und Albträumen zu verursachen. Das allgemeine Lebensrisiko einer Krebserkrankung liegt für Frauen in Deutschland bei 43,5%. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) bestätigte mit heute veröffentlichter Entscheidung, dass die Klägerin von der Arzneimittelherstellerin kein Schmerzensgeld verlangen kann, soweit sie seit Kenntnis der Verunreinigung an der Angst leide, an Krebs zu erkranken.

Die Klägerin erhielt seit vielen Jahren blutdrucksenkende Arzneimittel mit dem Wirkstoff Valsartan. Die Beklagte stellt Medikamente mit diesem Wirkstoff her. 2018 rief die Beklagte alle Chargen mit diesem Wirkstoff zurück, da es beim Wirkstoff-Hersteller produktionsbedingt zu Verunreinigungen mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA) gekommen war. NDMA ist von der Internationalen Agentur für Krebsforschung der WHO und der EU als „wahrscheinlich krebserregend“ bei Menschen eingestuft worden. Nach dem Beurteilungsbericht der Europäischen Arzneimittelagentur ist das theoretisch erhöhte Lebenszeit-Krebsrisiko aufgrund möglicher Verunreinigungen mit NDMA bei täglicher Einnahme der Höchstdosis über ein Zeitraum von 6 Jahren um 0,02 % erhöht. Das allgemeine Lebenszeitrisiko für Frauen, an Krebs zu erkranken, wird für Deutschland mit 43,5 % angegeben.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schmerzensgeld von mindestens 21.500 € in Anspruch. Sie behauptet, seit Kenntnis des Rückrufs unter der psychischen Belastung, an Krebs zu erkranken, zu leiden.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die Klägerin habe bereits keine „erhebliche“ Verletzung ihrer Gesundheit nachgewiesen, bestätigte das OLG die Entscheidung des LG. Der sich aus den Angaben der Klägerin ergebende Krankheitswert liege unterhalb der Erheblichkeitsschwelle. Die Klägerin berufe sich darauf, dass sie bereits das Wort “krebserregend“ beunruhige. Tagsüber denke sie oft an die ungewisse gesundheitliche Zukunft; nachts plagten sie Albträume. Diese Schilderungen seien ungenau, pauschal und belegten keine behandlungsbedürftige Gesundheitsverletzung.

Die Haftung der Beklagten scheide auch aus, da die Gesundheitsbeeinträchtigung nicht „infolge“ der Arzneimitteleinnahme aufgetreten sei. Das Arzneimittel selbst sei - auch nach dem Vortrag der Klägerin - nicht geeignet, die hier beklagten Gesundheitsbeeinträchtigungen in Form der Ängste und Albträume zu verursachen. Auslöser der psychischen Folgen sei vielmehr die Kenntnis von der Verunreinigung gewesen, wonach die Klägerin mit einem geringfügig erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Krebserkrankung rechnen müsse. Diese anzunehmende Risikoerhöhung verbleibe aber in einem Rahmen, „der nicht in relevanter Weise über dem allgemeinen Lebensrisiko liegt und damit generell bei objektiver Betrachtung nicht geeignet ist, die behaupteten psychischen und physischen Folgen auszulösen“, begründet das OLG weiter, „die (...) nur ganz geringfügige Erhöhung des Krebsrisikos durch die Verunreinigung des Arzneimittels gegenüber dem allgemeinen Risiko, an Krebs zu erkranken, ist nicht per se als Schaden zu werden, ebenso wie eine Verunreinigung des Arzneimittels an sich, die auch folgenlos bleiben kann (...)“. Die individuelle Risikoeinschätzung der Klägerin sei hier nicht objektiv nachvollziehbar.

Darüber hinaus lägen auch andere schadensverursachende Umstände vor. Die Klägerin habe selbst vorgetragen, dass ihre Ängste, an Krebs zu erkranken, dadurch verursacht würden, dass ihre Mutter, ihr Bruder und die Cousine an Krebs verstorben seien.

„Überzogene Reaktionen auf die Nachricht, dass ein eingenommenes Medikament möglicherweise Verunreinigungen enthält, die möglicherweise krebserregend sind, können (...) der Beklagten nicht zugerechnet werden“, schloss das OLG.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Klägerin die Zulassung der Revision begehren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 26.04.2023, Az. 13 U 69/22
Landgericht Darmstadt, Urteil vom 03.02.2022, Az. 27 O 119/21




BGH: Keine Abschläge nach § 1 Satz 1 AMRabG für Lifestyle-Arzneimittel

BGH
Urteil vom 25.03.2021
I ZR 247/19
Abschlagspflicht III
AMRabG § 1 Satz 1; SGB V § 130a Abs. 1 Satz 1, § 31 Abs. 1 Satz 1, § 34 Abs. 1

Leitsatz des BGH:


Unternehmen der privaten Krankenversicherung und Träger der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen können gegenüber pharmazeutischen Unternehmen keine Abschläge nach § 1 Satz 1 AMRabG in Verbindung mit § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V für solche Arzneimittel geltend machen, die nach § 34 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V vom Leistungsanspruch der gesetzlich Krankenversicherten nicht umfasst sind (hier: sogenannte "Lifestyle"-Arzneimittel gemäß § 34 Abs. 1 Satz 7 und 8 SGB V).

BGH, Urteil vom 25. März 2021 - I ZR 247/19 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG München: Wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 10 Absatz 1 Satz 5 AMG wenn Arzneitee mit "aus ökologischem Landbau" und Traditionsangabe "Arzneitee seit 1916" beworben wird.

LG München
Urteil vom 12.03.2021
37 O 2885/20


Das LG München hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 10 Absatz 1 Satz 5 AMG vorliegt, wenn Arzneitee mit "aus ökologischem Landbau" und Traditionsangabe "Arzneitee seit 1916" beworben wird. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass es sich dabei nicht um Angaben handelt, die mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen oder für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind. Geklagte hatte die Wettbewerbszentrale.



BGH legt EuGH vor: Dürfen pharmazeutische Unternehmen kostenlose Fertigarzneimittel mit Verpackungsaufschrift "zu Demonstrationszwecken" auch an Apotheker abgeben ?

BGH
Beschluss vom 31.10.2018
I ZR 235/16
Apothekenmuster
Richtlinie Nr. 2001/83/EG Art. 96 Abs. 1 und 2; AMG § 47 Abs. 3


Der BGH hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, ob pharmazeutische Unternehmen kostenlose Fertigarzneimittel mit der Verpackungsaufschrift "zu Demonstrationszwecken" auch an Apotheker abgeben dürfen.

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Art. 96 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 6. November 2001, S. 67) in der zuletzt durch die Verordnung (EU) 2017/745 (ABl. L 117 vom 5. April 2017, S. 1) geänderten Fassung folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 96 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG dahin auszulegen, dass pharmazeutische Unternehmer kostenlose Fertigarzneimittel auch an Apotheker abgeben dürfen, wenn deren Verpackungen mit der Aufschrift "zu Demonstrationszwecken" versehen sind, die Arzneimittel der Erprobung des Arzneimittels durch den Apotheker dienen, keine Gefahr einer (ungeöffneten) Weitergabe an Endverbraucher besteht und die in Art. 96 Abs. 1 Buchst. a bis d und f bis g dieser Richtlinie geregelten weiteren Voraussetzungen einer Abgabe vorliegen?

2. Falls die Frage 1 bejaht wird: Erlaubt Art. 96 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG eine nationale Vorschrift wie § 47 Abs. 3 AMG, wenn diese so ausgelegt wird, dass pharmazeutische Unternehmer kostenlose Fertigarzneimittel nicht an Apotheker abgeben dürfen, wenn deren Verpackungen mit der Aufschrift "zu Demonstrationszwecken" versehen sind, die Arzneimittel der Erprobung des Arzneimittels durch den Apotheker dienen, keine Gefahr einer (ungeöffneten) Weitergabe an Endverbraucher besteht und die in Art. 96 Abs. 1 Buchst. a bis d und f bis g dieser Richtlinie und die in § 47 Abs. 4 AMG geregelten weiteren Voraussetzungen einer Abgabe vorliegen?

BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 - I ZR 235/16 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Stuttgart: Verstoß gegen § 3a HWG bei Bewerbung eines Arzneimittels für Anwendungsgebiet das nicht von Zulassung erfasst ist - ASS plus C

OLG Stuttgart
Urteil vom 08.06.2017
2 U 127/16


Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen § 3a HWG vorliegt, wenn ein Arzneimittels mit einem Anwendungsgebiet beworben wird, welches nicht von der Zulassung erfasst ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die beanstandete Werbung verstößt gegen § 3a HWG.
a)

Nach dieser Bestimmung ist eine Werbung für Arzneimittel unzulässig, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten (§ 3a Satz 1 HWG). Die Bestimmung verbietet es, für ein zulassungspflichtiges Arzneimittel ein nicht von der Zulassung erfasstes Anwendungsgebiet explizit zu nennen (Fritzsche in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl. (2014), § 3a HWG Rn. 2). Die Regelung wird durch § 3a Satz 2 HWG ergänzt, wonach es unzulässig ist, wenn sich die Werbung auf Anwendungsgebiete bezieht, die nicht von der Zulassung erfasst sind.
b)

Mit der Werbebotschaft, dass das enthaltene Vitamin C das Immunsystem unterstütze, weist die Beklagte auf ein Anwendungsgebiet hin, für welches das Medikament nicht zugelassen ist.

Maßgeblich für den Umfang der Zulassung ist der nach § 25 Arzneimittelgesetz (AMG) erteilte Zulassungsbescheid der zuständigen Behörde (BGH, Urteil vom 11. September 2008 – I ZR 58/06, juris Rn. 20). Das zugelassene Anwendungsgebiet bezieht sich im vorliegenden Fall alleine auf „leichte bis mäßig starke Schmerzen (wie Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, Regelschmerzen, schmerzhafte Beschwerden, die im Rahmen von Erkältungskrankheiten auftreten)“ sowie auf Fieber. Das Arzneimittel ist unstreitig nicht zur „Unterstützung des Immunsystems“ zugelassen.
c)

Die „Unterstützung des Immunsystems“ ist als eigenständiges Anwendungsgebiet anzusehen.

Der Begriff des „Anwendungsgebietes“ ist gleichbedeutend mit dem in der medizinischen Wissenschaft gebräuchlichen Begriff der Indikation und bezeichnet die dem Arzneimittel gegebene Zweckbestimmung, insbesondere die körperlichen und seelischen Zustände, die durch das betreffende Arzneimittel beeinflusst werden sollen (OLG Stuttgart, Urteil vom 16. März 2006 – 2 U 226/05, juris Rn. 21; OLG Koblenz, Urteil vom 27. Januar 2016 – 9 U 895/15, juris Rn. 45). Die „Unterstützung des Immunsystems“ stellt einen therapeutischen Anwendungsbereich dar, denn eine Immunschwäche ist medizinisch diagnostizierbar.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Europäische Kommission für den Bereich der Lebensmittel nach Empfehlung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Angabe „Vitamin C trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“ zugelassen hat (ABl. L Nr. 136 vom 25.02.2012, S. 33). Auf die Beantwortung der Frage, ob das Arzneimittel tatsächlich in dem Anwendungsgebiet außerhalb der Zulassung wirksam ist oder nicht, kommt es bei der Beurteilung eines Verstoßes gegen § 3a HWG nicht an. Selbst eine langjährig nachgewiesene Wirksamkeit ändert nichts an dem Verbot einer entsprechenden Werbung. Die Verbotsvorschrift des § 3a HWG knüpft alleine an das formale Kriterium an, ob der Anwendungsbereich von der arzneimittelrechtlichen Zulassung erfasst wird (OLG Stuttgart, Urteil vom 16. März 2006 – 2 U 226/05, juris Rn. 20).
d)
Entgegen der Auffassung der Beklagten weist sie in ihrer Werbung nicht lediglich auf eine zusätzliche Wirkung hin."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OVG Münster: Firmeneigene Bio-Kennzeichnungen auf Arzneimittelverpackung sind unzulässige Werbung nach § 10 AMG

OVG NRW
Beschluss vom 26.10.2015
13 A 2597/14


Das OVG NRW hat entschieden, dass Firmeneigenen Bio-Kennzeichnungen auf Arzneimittelverpackung als unzulässige Werbung nach § 10 AMG zu qualifizieren ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Das Verwaltungsgericht hat angenommen, es sei mit § 10 Abs. 1 AMG und Art. 62 der Richtlinie 2001/83/EG nicht vereinbar, dass die Klägerin auf dem Etikett des Behältnisses und der äußeren Umhüllung das gelb-grüne firmeneigene Biosiegel (Schriftzug „bio“ und drei stilisierte Pflanzen) verwende. Nach § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG sind weitere Angaben auf den Behältnissen und äußeren Umhüllungen, die nicht durch eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft vorgeschrieben oder bereits nach einer solchen Verordnung zulässig sind, zulässig, soweit sie mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und den Angaben nach § 11a nicht widersprechen. Art. 62 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG bestimmt: Die äußere Umhüllung und die Packungsbeilage können zur Veranschaulichung einiger der in den Artikeln 54 und 59 Absatz 1 genannten Informationen Zeichen oder Piktogramme sowie weitere mit der Zusammenfassung der Merkmale des Erzeugnisses zu vereinbarende Informationen enthalten, die für den Patienten wichtig sind; nicht zulässig sind Angaben, die Werbecharakter haben können. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die Information, dass der pflanzliche Grundstoff aus – nicht näher definiertem – biologischem Anbau stamme, sei weder für die Anwendung des Arzneimittels noch für die Gesundheit des Patienten von Bedeutung und habe zudem Werbecharakter.

Die Antragsbegründung zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit dieser im Einzelnen begründeten Erwägungen auf. Sie entsprechen der Rechtsprechung des Senats zum identischen firmeneigenen Biosiegel des Mutterunternehmens der Klägerin,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2013 – 13 A 2862/12 -, LRE 66, 308 = juris,

an der der Senat auch in Ansehung des Zulassungsvorbringens festhält.

Das Vorbringen, § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG sei unionsrechtswidrig bzw. im Lichte der Richtlinie 2001/83/EG anders auszulegen, kann schon deshalb keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung begründen, weil das Verwaltungsgericht selbstständig tragend angenommen hat, dass das Biosiegel wegen Verstoßes gegen das Werbeverbot auch mit Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG nicht vereinbar sei. Wie die Klägerin selbst zutreffend ausführt, wirkt sich nach dieser Rechtsauffassung eine mögliche Divergenz im konkreten Fall nicht aus.

Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2013 - 13 A 2862/12 -, juris, Rn. 5 ff.

Dem Einwand der Klägerin, das firmeneigene Werbesiegel sei nach dem unionsrechtlichen Verständnis der Richtlinie 2001/83/EG keine Werbung, ist nicht zu folgen. Firmeneigene Bio-Kennzeichnungen sind Angaben, die im Sinne des 2. Halbsatzes des Art. 62 Richtlinie 2001/83/EG Werbecharakter haben können. Sie dienen dem Ziel, den Absatz des Produkts zu fördern, indem sie es gegenüber anderen herausheben."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Hamburg: Kostenlos an Apotheker zum Zwecke des Eigenverbrauchs abgegebene Fertigarzneimittel sind unzulässige Muster gem. § 47 Abs. 3 AMG und keine zulässigen Arzneimittelproben

OLG Hamburg
Beschluss vom 10.02.2015
3 U 16/13

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass kostenlos an Apotheker zum Zwecke des Eigenverbrauchs abgegebene Fertigarzneimittel unzulässige Muster gem. § 47 Abs. 3 AMG und keine zulässigen Arzneimittelproben sind.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt hier insbesondere kein Fall vor, der mit den von § 47 Abs. 3 AMG nicht erfassten Arzneimittelproben vergleichbar wäre (vgl. zu „Arzneimittelproben“: Miller a. a. O. § 47 Rdnr. 66; Rehmann, AMG, 4. Aufl. 2014, § 47 Rdnr. 16, Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Losebl., Stand: 2011, § 47 Anm. 53). Dabei handelt es sich nämlich um Proben, die in Apotheken oder im sonstigen Einzelhandel zum Zwecke der Werbung für das betreffende Arzneimittel an Verbraucher unentgeltlich verteilt werden (Kloesel/Cyran a. a. O.), wobei diese im Gegensatz zum Muster in der Regel in kleineren als der kleinsten für den Verkehr zugelassenen Packungsgröße abgegeben werden (Miller a. a. O.). Es kann dahinstehen, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen die Abgabe solcher Proben mit Blick auf § 11 Nr. 14 HWG zulässig ist, da die betreffende Konstellation (Abgabe von Apotheker an Verbraucher) mit der hier vorliegenden (Abgabe durch den pharmazeutischen Unternehmer an Apotheker) nicht vergleichbar ist. Wie der Wortlaut des § 47 Abs. 3 AMG zeigt, wird darin allein die Arzneimittelabgabe durch „pharmazeutische Unternehmer“ begrenzt. Es findet sich darin jedoch keine Regelung über das Verhältnis von Arzt oder Apotheker zum Verbraucher. Auch die weiteren Anforderungen an die Musterabgabe in § 47 Absätze 3 und 4 AMG sowie in Art. 96 Abs. 1 AMG der Richtlinie 2001/83/EG zeigen, dass damit das Verhältnis vom pharmazeutischen Unternehmer zu den dort geregelten Fachkreisen in den Blick genommen wird. Dies lässt sich etwa an den Bestimmungen zur erforderlichen schriftlichen Anforderung in § 47 Abs. 4 AMG bzw. Art. 96 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2001/83/EG erkennen, welche zwar auf die Musterabgabe an Fachkreise passen, nicht aber an die Abgabe einer Probe durch solche Fachkreise an den Verbraucher.

bb) Durch die Abgabe von Mustern von Fertigarzneimitteln an Apotheker hat die Beklagte gegen § 47 Abs. 3 AMG verstoßen, da Apotheker nicht zu dem in der Vorschrift genannten Personenkreis gehören, an welche unter bestimmten Voraussetzungen Arzneimittelmuster abgegeben werden dürfen."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Zur Preisbindung bei patientenindividuell zusammengestellten Arzneimittelblistern - ärztliche Verordnung für individuelle Blister nicht zwingend

BGH
Urteil vom 05.03.2015
I ZR 185/13
Patientenindividuell zusammengestellte Arzneimittelblister
UWG § 4 Nr. 11; AMPreisV § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7; AMG § 78 Abs. 3 Satz 1
Halbsatz 1; GG Art. 12 Abs. 1

Leitsätze des BGH:


a) Die Bestimmung des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 AMPreisV, nach der für verschreibungspflichtige Arzneimittel keine Preisbindung gemäß § 78 Abs. 1 und 2 Satz 2 AMG in Verbindung mit den Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung bei der Abgabe von aus Fertigarzneimitteln entnommenen Teilmengen besteht, wenn deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleibt, ist nicht im Hinblick auf ihre Entstehungsgeschichte dahingehend einschränkend auszulegen, dass eine ärztliche Verordnung für patientenindividuell zusammengestellte Blister und für die Entnahme von Teilmengen vorliegen muss.

b) Die in § 78 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 AMG geregelte Pflicht des pharmazeutischen Unternehmers zur Sicherstellung eines einheitlichen Abgabepreises dient der Gewährleistung einheitlicher Apothekenabgabepreise für preisgebundene Arzneimittel gemäß § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG und besteht nicht, wenn die Preise und Preisspannen der Arzneimittelpreisverordnung nach § 1 Abs. 3 oder 4 AMPreisV nicht eingehalten werden müssen.

BGH, Urteil vom 5. März 2015 - I ZR 185/13 - OLG Stuttgart - LG Ulm

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Schleswig: "Stoppt Durchfall" unzulässige Werbung für Medikament, wenn Durchfall nicht binnen weniger Stunden endet

OLG Schleswig
Urteil vom 30.01.2014
6 U 15/13


Das OLG Schleswig hat zutreffend entschieden, dass eine unzulässige Werbung für ein Medikament vorliegt, wenn dieses mit dem Slogan "Stoppt Durchfall" beworben wird und die Erkrankung durch das Medikament nicht binnen weniger Stunden gestoppt wird. Der Hersteller verwendet nunmehr den Slogan "Bekämpft Durchfall".


Die Pressemitteilung des OLG Schleswig:

"Die Werbung für ein Medikament gegen Durchfall mit der Anpreisung "L. stoppt Durchfall" ist unzulässig, wenn das Medikament den Durchfall nicht binnen weniger Stunden beendet.

Der für Wettbewerbssachen zuständige 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes untersagte in einem vor kurzem veröffentlichten Urteil die Verwendung des Slogans.

Zum Sachverhalt: Die Beklagte ist ein Arzneimittelanbieter. Sie vertreibt in Deutschland unter anderem das Präparat L., dessen Wirkstoff aus gefriergetrockneten Milchsäurebakterien besteht. Sie warb für das Medikament unter anderem mit den Angaben "L. stoppt Durchfall". In ihrer Werbung nahm sie Bezug auf eine wissenschaftliche Studie, aus der hervorging, dass die Durchfalldauer sich bei einer Behandlung mit L. im Mittel um 1,3 Tage auf knapp zwei Tage verringerte im Vergleich zu einer Gruppe die Placebos erhalten hatte.

Der klagende Verein, der den Zweck hat, die lautere Werbung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens zu wahren, mahnte die Beklagte wegen irreführender Werbung ab, weil nicht erwiesen sei, dass das Medikament den Durchfall stoppe, also der Erfolg schnell, sofort und eindeutig auftrete. Die Beklagte wies die Abmahnung zurück. Aus ihrer Sicht begründet der Werbeslogan bei dem Adressaten nur die Erwartung, dass der Durchfall binnen weniger Stunden "spürbar gelindert" sei Daraufhin klagte der Verein auf Unterlassung der Werbung.

Aus den Gründen: Die Werbeaussage "L. stoppt Durchfall" ist irreführend und stellt damit eine unzulässige geschäftliche Handlung nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dar. Der Slogan begründet in dem Adressaten die - unstreitig enttäuschte - Erwartung, dass der Durchfall binnen weniger Stunden (jedenfalls nicht erst nach 2 Tagen) vollständig beendet sei, das heißt, dass schon dann jegliche Symptome verschwunden seien. Wenn der Durchfall binnen weniger Stunden nicht vollständig beendet, sondern nur spürbar gelindert ist, wird diese Erwartung nicht erfüllt. Das Gericht folgt nicht der Argumentation der Beklagten, dass der Begriff "Stoppen" lediglich den Beginn eines Vorgangs bezeichnet. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch "stoppt" beispielsweise ein Auto nicht schon dann an einer Ampel, wenn es immer langsamer wird, während es an der Ampel vorbeifährt, sondern nur dann, wenn es schon an der Ampel wirklich stehen bleibt.

Auch wenn die Beklagte zwischenzeitlich in ihrer Internetwerbung den Slogan "L. stoppt Durchfall" durch den Slogan "L. bekämpft Durchfall" ersetzt hat, entfällt hierdurch nicht die Wiederholungsgefahr (die Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch ist). Zumal sie im Printbereich noch mit den ursprünglichen Slogans wirbt.

(Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 30.01.2014, Aktenzeichen 6 U 15/13)"



BGH: Angaben mit Werbecharakter auf der Umhüllung eines Arzneimittels sind unzulässig auch wenn sie ablösbar angebracht sind - Voltaren

BGH
Urteil vom 13.12.2012
I ZR 161/11
Voltaren
UWG § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11; AMG § 10 Abs. 1 Satz 1 und 5; Richtlinie 2001/83/EG
Art. 1 Nr. 23 bis 25, Art. 54, 56, 62 Halbs. 1 und 2; GG Art. 103 Abs. 2


Leitsätz des BGH:

a) Die in § 10 AMG enthaltenen Bestimmungen stellen Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar, deren Verletzung geeignet ist, die Interessen der Verbraucher spürbar im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG zu beeinträchtigen.

b) Auf der äußeren Umhüllung eines Arzneimittels angebrachte Angaben, die Werbecharakter haben können, sind unabhängig davon unzulässig, ob sie dort unauslöschlich aufgeführt oder nur - etwa mit Klebepunkten - ablösbar angebracht sind und ob sie den Eindruck erwecken, dass sie mit der übrigen Etikettierung eine Einheit bilden.

c) Das in Art. 103 Abs. 2 GG statuierte Bestimmtheitsgebot schlägt zwar dann auf die wettbewerbsrechtliche Beurteilung durch, wenn die Marktverhaltensregelung, auf die wettbewerbsrechtliche Ansprüche gemäß § 4 Nr. 11 UWG gestützt werden, selbst eine Vorschrift des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts ist, nicht aber dann, wenn die Einhaltung der Marktverhaltensregelung auch straf- oder bußgeldbewehrt ist (im Anschluss an BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Juli 1992 - 1 BvR 303/90, NJW 1993, 1969).

BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 161/11 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Keine Eigenherstellung eines Arzneimittels durch einen Apotheker, wenn dieser nur Handlanger des Herstellers eines Wirk- oder Trägerstoffes ist

BGH
Urteil vom 09.11.2010
I ZR 107/09
Handlanger
UWG §§ 3, 4 Nr. 11; AMG § 21 Abs. 2 Nr. 1


Leitsatz des BGH:
Die für ein Defekturarzneimittel im Sinne des § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG erforderliche Herstellung "im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes" setzt voraus, dass der Apotheker, soweit er dabei mit dem Hersteller eines Wirk- oder Trägerstoffs des Mittels zusammenarbeitet, nicht lediglich die Stellung eines Handlangers einnimmt.
BGH, Urteil vom 9. September 2010 - I ZR 107/09 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG München: Ein Arzneimittel darf den Zusatz "akut" nur tragen, wenn die Wirkung binnen einer Stunde einsetzt

Das LG München I hat in dem Verfahren 7 O 17092 /09 entschieden, dass ein Arzneimittel den Zusatz "akut" nur tragen darf, wenn die Wirkung binnen einer Stunde einsetzt.

In der Pressemitteilung des LG München I heißt es:

"Das Landgericht München I folgte nun der Argumentation des Wettbewerbsverbandes und verbot die Bezeichnung „akut“ für das fragliche Arzneimittel. Die durch die Werbung angesprochenen Verbraucher – so die Richter der 7. Zivilkammer – würden angesichts des Zusatzes „akut“ schnell Abhilfe erwarten. Als schnell sah die Kammer eine Wirkung innerhalb eines Zeitraums von 20 Minuten bis zu einer Stunde an. Der Beginn einer Beschwerdenbesserung nach einer Stunde widerspreche also den durch die Werbung geweckten Verbrauchererwartungen."


Die vollständige Pressemitteilung des LG München I finden Sie hier: