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OLG Hamburg: Verletzung der bekannten BOSS-Marke des Bekleidungsherstellers HUGO BOSS durch Aufdruck THE REAL BOSS bzw. I AM THE BOSS auf Hoodies und Jogginghosen

OLG Hamburg
Urteil vom 22.02.2023
5 U 28/22


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass eine Verletzung der bekannten BOSS-Marke des Bekleidungsherstellers HUGO BOSS durch Aufdrucke "THE REAL BOSS" bzw. "I AM THE BOSS" auf Hoodies und Jogginghosen vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht im Streitfall den zulässigen Verfügungsantrag aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der bekannten Unionsmarke „BOSS“, Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV, als begründet angesehen und einen unionsweiten Unterlassungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin bejaht. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ist keine abweichende Entscheidung gerechtfertigt.

a. Streitgegenstand ist im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren

- das Verbot,

- in der Europäischen Union

- im geschäftlichen Verkehr

- Bekleidung unter Verwendung der Bezeichnung „BOSS“ anzubieten, zu verkaufen, zu vertreiben, zu bewerben oder auf andere Weise zu benutzen bzw. von Dritten anbieten, verkaufen, vertreiben, bewerben oder auf andere Weise benutzen zu lassen, wenn dies wie nachfolgend eingeblendet geschieht:

[Abildung]

b. Es liegt - soweit im Berufungsverfahren von Belang - ein zulässiger Verfügungsantrag vor.

aa. Der Tenor zu Ziffer 1. der Beschlussverfügung des Landgerichts vom 08.10.2021 ist hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

aaa. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2022, 1336 Rn. 12 – dortmund.de). Eine hinreichende Bestimmtheit ist für gewöhnlich gegeben, wenn auf die konkrete Verletzungshandlung Bezug genommen wird und der Klageantrag zumindest unter Heranziehung des Klagevortrags unzweideutig erkennen lässt, in welchen Merkmalen des angegriffenen Verhaltens die Grundlage und der Anknüpfungspunkt für den Verstoß und damit das Unterlassungsgebot liegen soll (BGH GRUR 2022, 1336 Rn. 12 – dortmund.de).

bbb. Der Unterlassungsantrag/-tenor zu Ziffer 1. nimmt auf konkrete, eingeblendete Verletzungsformen Bezug und ist vor diesem Hintergrund hinreichend bestimmt.

Soweit die Beklagte in erster Instanz geltend gemacht hat, die Formulierung des begehrten Verbots, Bekleidung unter Verwendung der Bezeichnung „BOSS“ anzubieten etc., gehe über die tatsächliche Benutzungsform und den Kernbereich eines etwaigen Verbots hinaus, es gehe nicht um „BOSS“ in Alleinstellung, so ergibt sich hieraus kein unzulässiger Antrag. Denn wenn sich – wie hier – das Begehren gegen die konkrete Verletzungsform richtet, ist in dieser Verletzungsform der Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2020, 755 Rn. 27 – WarnWetter-App). Streitgegenstand ist hier daher nicht eine Verwendung der Bezeichnung „BOSS“ in Alleinstellung auf Bekleidungsstücken, sondern die Verwendung der konkret beanstandeten Zeichen „THE REAL BOSS“ und „I AM THE BOSS“ in den Verletzungsformen, wie durch die Bezugnahme im Tenor der Beschlussverfügung („wenn dies wie nachfolgend eingeblendet geschieht:“) zum Ausdruck gebracht. Sollte mit dem „insbesondere“-Antrag im Verfügungsantrag ursprünglich ein weitergehendes Verbot erstrebt worden sein, so ist dem – rechtskräftig – nicht entsprochen worden. Es kommt daher hier auf den Tenor der Beschlussverfügung zu Ziffer 1. an, der hinreichend bestimmt ist.

ccc. Die weitere Frage, ob der Antrag zu weit gefasst ist, berührt seine Zulässigkeit nicht (vgl. BGH NJW 2023, 288 Rn. 16 – DNS-Sperre). Es handelt sich insoweit um eine Frage der Begründetheit. Die Fragen, ob ein Anspruch auf ein unionsweites Verbot besteht und ob Dritthandlungen verboten werden können oder ob insoweit eine gesonderte Begehungsgefahr erforderlich ist, sind im Rahmen der Begründetheit zu klären.

bb. Zu Recht hat das Landgericht im Streitfall den Verfügungsgrund bejaht und die Vermutung gem. § 140 Abs. 3 MarkenG als nicht widerlegt angesehen. Das hiergegen gerichtete Berufungsvorbringen bleibt ohne Erfolg.

aaa. Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn das Begehren des Antragstellers dringlich ist und ihm nicht zugemutet werden kann, den Weg des Hauptsacheverfahrens einzuschlagen und in diesem auf den Erlass eines Vollstreckungstitels zu warten (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 68 – Telekom-T). Als besondere Form des Rechtsschutzinteresses und damit als Prozessvoraussetzung ist der Verfügungsgrund bzw. die objektive Dringlichkeit (Eilbedürftigkeit) der Sache für den Antragsteller von Amts wegen zu prüfen, maßgebender Zeitpunkt ist der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung. Es gilt vorliegend die Dringlichkeitsvermutung gem. § 140 Abs. 3 MarkenG, die auch bei einer Verletzung von Unionsmarken Anwendung findet. Zwar wird § 140 Abs. 3 MarkenG in § 125e Abs. 5 MarkenG nicht erwähnt. Die Anwendbarkeit ergibt sich aber aus Art. 129 Abs. 3 UMV (Gruber in BeckOK Markenrecht, Kur/v. Bomhard/Albrecht, 32. Ed., § 140 Rn. 31.5; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 68 – Telekom-T).

Der Verfügungsgrund kann entfallen, wenn der Verletzte nach konkreter und positiver Kenntnis der Verletzungshandlung und vor Antragstellung zu lange zugewartet und so gezeigt hat, dass ihm die Sache nicht dringlich ist (st. Rspr., BGH GRUR 2000, 151, 152 – Späte Urteilsbegründung). Hierbei kommt es nach der ständigen Rechtsprechung der Hamburger Gerichte nicht auf starre Fristen an, sondern es ist bei der Beurteilung der Frage, ob eine Partei das Verfahren mit dem nötigen Nachdruck verfolgt und damit ihr Interesse an einer dringlichen Rechtsdurchsetzung in einem Eilverfahren dokumentiert hat, eine Gesamtbetrachtung ihres vorprozessualen und prozessualen Verhaltens geboten (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 69 – Telekom-T). Der Antragsgegnerin obliegt die Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 70 – Telekom-T).

bbb. Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze ist die Dringlichkeitsvermutung im Streitfall nicht durch das Verhalten der Antragstellerin widerlegt. Weder durch die Einräumung der weiteren Frist noch durch den Nichtvollzug der Sequestrationsverfügung hat die Antragstellerin gezeigt, dass ihr die Verfolgung ihres Unterlassungsanspruchs nicht eilig ist.

Zutreffend hat das Landgericht zugrunde gelegt, dass von einer erstmaligen Kenntnis der Antragstellerin von den gegenständlichen Verletzungshandlungen Mitte September 2021 auszugehen ist. Die Antragstellerin ließ mit Anwaltsschreiben vom 16.09.2021 (Anlage AS 19) unter Fristsetzung zum 20.09.2021 abmahnen. Mit E-Mail vom 23.09.2021 (Anlage AS 20) forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin erneut zur Unterlassung auf und setzte eine Frist bis zum 30.09.2021. Mit Anwaltsschreiben vom 21.09.2021 (Anlage AS 21) ließ die Antragsgegnerin das Unterlassungsbegehren zurückweisen. Die Antragstellerin hat – nicht widerlegt – geltend gemacht, von diesem Anwaltsschreiben erst am 24.09.2021 Kenntnis erlangt zu haben. Mit weiterem Anwaltsschreiben vom 24.09.2021 (Anlage AS 22) stützte sich die Antragstellerin auf die weitere Unionsmarke „thisistherealboss“, UM Nr. 018010219, und setzte eine neue einheitliche Frist zur Erwiderung bis zum 29.09.2021. Am 04.10.2021 hat die Antragstellerin den Verfügungsantrag eingereicht. Bei dieser Sachlage und der zügigen Einreichung des Verfügungsantrags am 04.10.2021 ist in der Fristsetzung bis zum 30.09.2021 bzw. der Fristverlängerung bis zum 29.09.2021 nach Einführung einer weiteren Marke entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kein Umstand zu sehen, durch den die Antragstellerin gezeigt hätte, dass es ihr nicht eilig sei. Selbst wenn die Antragstellerin am 21.09.2021 / 24.09.2021 bereits gewusst hätte, dass die Antragsgegnerin in jedem Fall außergerichtlich keine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgeben werde, so wäre die Antragseinreichung am 04.10.2021 nicht dringlichkeitsschädlich erfolgt. Eine Frist nur von einer Woche bei einem Antrag – wie hier – auf Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 937 Abs. 2 ZPO), der eine besondere Dringlichkeit voraussetzt (vgl. Voß in Cepl/Voß, Prozesskommentar, 3. Aufl., § 937 Rn. 25), erscheint im Streitfall weder geboten noch angemessen.

Auch die fehlende Vollziehung des nicht mehr anhängigen Teils der Sequestrationsverfügung (Ziff. 2) steht der Dringlichkeit des Unterlassungsbegehrens (Ziff. 1) nicht entgegen. Eine unterbliebene Vollziehung kann zwar ein Anhaltspunkt für fehlende Eilbedürftigkeit sein. Maßgeblich sind aber immer die Umstände des Einzelfalls (OLG Frankfurt a.M. NJOZ 2009, 4291, 4293). Insoweit ist hier zu berücksichtigen, dass es sich um zwei getrennte Anträge handelt und die Unterlassungsverfügung rechtzeitig vollzogen worden ist. Zutreffend hat das Landgericht insoweit ausgeführt, dass der vorliegende Fall gleichbedeutend ist mit der Situation, dass die Antragstellerin von vornherein auf den Antrag zu Ziff. 2. verzichtet hätte. Zudem hat die Antragstellerin die teilweise fehlende Vollziehung unwidersprochen damit erklärt, dass sie sich nach Zustellung der einstweiligen Verfügung von deren Beachtung durch die Antragsgegnerin überzeugt habe. Aus der fehlenden Vollziehung des nicht mehr anhängigen Teils der Sequestrationsverfügung kann hier daher nicht geschlossen werden, dass es der Antragstellerin mit der Verfolgung ihres Unterlassungsbegehrens – nur darauf kommt es an – nicht eilig gewesen ist.

Schließlich führt auch das Unterlassen eines Vorgehens im Wege eines gerichtlichen Eilverfahrens gegen die Bezeichnungen „LITTLE BOSS“, „THE BABY BOSS“ und „LIKE A BOSS“ auf weiteren Bekleidungsstücken der Antragsgegnerin nicht zu einer Selbstwiderlegung im Streitfall. Die diesbezügliche Abmahnung erfolgte zeitlich nach der gegenständlichen Abmahnung und die Antragstellerin hat unwidersprochen glaubhaft gemacht (Anlage AS 33), Ende Oktober 2021 bei Überprüfungen des Onlineshops der Antragsgegnerin keine Produkte unter Verwendung des Zeichens „BOSS“ mehr gefunden zu haben. Im Hinblick auf den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Antragstellerin nicht vorzuwerfen, nicht auch ein gerichtliches Eilverfahren gegen andere, spätere Verletzungshandlungen eingeleitet zu haben. Der Dringlichkeit im Streitfall steht dies nicht entgegen.

cc. Ob bis zum Erlass der Beschlussverfügung eine Verletzung der prozessualen Waffengleichheit vorgelegen hat, weil – wie die Antragsgegnerin geltend macht – Abmahnung und Verfügungsantrag nicht kongruent gewesen seien, kann vorliegend offenbleiben. Denn selbst wenn eine Verletzung der Ansprüche auf rechtliches Gehör und prozessuale Waffengleichheit angenommen würde, so führt dies nicht zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung (vgl. OLG Köln GRUR 2021, 505 Rn. 50 ff. – Dairygold; Senat, Urteil vom 02.06.2022, 5 U 8/21, nicht veröffentlicht). Über diesen Punkt streiten die Parteien im Berufungsverfahren auch nicht mehr.

c. Der Verfügungsantrag ist auch begründet. Der Antragstellerin steht - wie das Landgericht im angegriffenen Urteil zu Recht angenommen hat - ein Verfügungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der bekannten Marke „BOSS“, Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV, zu. Diese landgerichtliche Bewertung ist auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens zutreffend.

aa. Nach Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV hat der Inhaber einer eingetragenen Unionsmarke das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist, unabhängig davon, ob es für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind oder denjenigen ähnlich oder nicht ähnlich sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Union bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Unionsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

bb. Die vorliegend hauptweise geltend gemachte Unionswortmarke „BOSS“ (UM 000049221) ist zugunsten der Antragstellerin mit einer Priorität vom 01.04.1996 seit dem 29.01.2009 u.a. für Waren der Klasse 25: Herren-, Damen- und Kinderbekleidung eingetragen.

cc. Die Marke steht in Kraft. Die von der Antragsgegnerin erhobene Einrede der Nichtbenutzung gem. Art. 127 Abs. 3, 18 UMV bleibt ohne Erfolg.

aaa. Die Einrede der Antragsgegnerin ist zulässig. Ein Beklagter bzw. hier Antragsgegner kann den Einwand des Art. 127 Abs. 3 UMV auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erheben (OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2020, 102 Rn. 30 - Batterie-Plagiat; Müller in Büscher/Kochendörfer, BeckOK UMV, 27. Ed., Art. 127 Rn. 18).

bbb. Der Nichtbenutzungseinwand gem. Art. 127 Abs. 3 UMV kann nur noch auf den Verfall wegen mangelnder Benutzung (Art. 58 Abs. 1 lit. a) UMV) gestützt werden (Müller in Büscher/Kochendörfer, BeckOK UMV, 27. Ed., Art. 127 Rn. 23). Dies macht die Antragsgegnerin vorliegend geltend.

ccc. Gem. Art. 18 UMV unterliegen eingetragene Unionsmarken dem sog. Benutzungszwang. Erforderlich ist eine ernsthafte Benutzung der Marke für die Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und es muss sich um eine Benutzung handeln, die der Hauptfunktion der Marke entspricht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität einer Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem ihm ermöglicht wird, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (EuGH GRUR 2013, 925 Rn. 36 - VOODOO; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 85 – Telekom-T).

(1) Vorliegend ist die Art und Weise der Benutzung der Verfügungsmarke „BOSS“, wie sie sich aus den Produktangeboten gem. Anlagen AS 13, AS 24 und AS 30 ergibt, unstreitig. Danach wurden über den Onlineshop auf der Internetseitewww.hugoboss.comBekleidungsstücke, etwa T-Shirts, unter anderem mit dem großflächigen Aufdruck „BOSS“ angeboten. Die Zeichenverwendung auf den Bekleidungsstücken ist dort als herkunftshinweisend und somit markenmäßig anzusehen. Hiergegen bringt die Berufung auch nichts vor.

(2) Soweit die Berufung rügt, es fehlten Feststellungen zum Umfang, zum Territorium und zur Dauer der Benutzung, so steht dieser Einwand einer rechtserhaltenden Benutzung der Verfügungsmarke „BOSS“ im Streitfall nicht entgegen.

Unter ernsthafter Benutzung ist eine „tatsächliche“ Benutzung zu verstehen, eine bloß „symbolische“ Benutzung genügt nicht (vgl. EuGH GRUR 2020, 1301 Rn. 32 – Ferrari/DU [testarossa]; Schmitz-Fohrmann in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., § 26 Rn. 219). Eine Marke muss für die Annahme der Ernsthaftigkeit ihrer Benutzung in einer üblichen und wirtschaftlich sinnvollen Art und Weise benutzt werden (BGH GRUR 2013, 725 Rn. 38 – Duff Beer). Wenn eine Marke tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent ist, liegt eine ernsthafte Benutzung vor (Bogatz in BeckOK Markenrecht, 32. Ed., § 26 MarkenG Rn. 75). Dem Senat, dessen Mitglieder zum von der Verfügungsmarke angesprochenen Verkehrskreis zählen, ist die Marke „BOSS“ auf Bekleidungsstücken in den zurückliegenden Jahren durchgängig auf dem Markt – so wie es sich u.a. aus den Anlagen AS 13, AS 24 und AS 30 ergibt – gegenübergetreten. Dieser Umstand ist vorliegend als allgemeinbekannt und deshalb offenkundig i.S.v. § 291 ZPO anzusehen. Offenkundig i.S.v. § 291 ZPO kann etwa die Tatsache sein, dass die Marke während eines längeren Zeitraums in weitem Umfang auf dem Markt erscheint und jedermann gegenübertritt (BGH GRUR 2014, 378 Rn. 27 – OTTO CAP; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 131 – Telekom-T). Dies ist im Hinblick auf die Verfügungsmarke „BOSS“ und die Nutzung für Bekleidungsstücke der Fall. Es handelt sich bei der Verfügungsmarke „BOSS“ um eine ernsthaft und markenmäßig vom HUGO BOSS-Konzern benutzte Marke.

Im Hinblick auf das Territorium der Benutzung gilt, dass von einer ernsthaften Benutzung einer Unionsmarke auch dann auszugehen ist, wenn ihre Benutzung auf das Hoheitsgebiet eines einzelnen Mitgliedstaates beschränkt ist (BGH GRUR 2013, 925 Rn. 38 – VOODOO). Die Benutzung der Unionsmarke ausschließlich in Deutschland würde eine ausreichende ernsthafte Benutzung darstellen (Fuhrmann in BeckOK Markenrecht, 32. Ed., Art. 18 Rn. 59). Vorliegend hat die Antragstellerin dargetan und mit den Anlagen AS 13, AS 24 und AS 30 (Auszügen aus dem Online-Shop) hinreichend glaubhaft gemacht, dass dieser Shop mit dem Produktangebot in einer Vielzahl von Ländern abrufbar und die Produkte bestellbar sind.

Gem. Art. 18 Abs. 2 UMV wird dem Markeninhaber die Benutzung durch Dritte zugerechnet, wenn er dieser Drittnutzung zugestimmt hat (Müller in BeckOK UMV, 27. Ed., Art. 18 Rn. 157). Hier liegt eine Nutzung im Konzernverbund vor. Gegen eine Drittnutzung mit Zustimmung bringt die Antragsgegnerin vorliegend auch nichts vor.

Rechtzeitig vor Ablauf einer fünfjährigen Schonfrist, gerechnet ab dem Tag der Eintragung, bzw. bei länger eingetragenen Marken vor Ablauf einer fünfjährigen Periode der ununterbrochenen Nichtbenutzung, muss die Marke zur Aufrechterhaltung des Markenschutzes im geschäftlichen Verkehr ernsthaft benutzt werden (Art. 18 Abs. 1 UMV). Die Unionsmarke „BOSS“ ist seit dem 29.01.2009 eingetragen und musste gem. Art. 18 Abs. 1 UMV vor dem 29.01.2014 rechtserhaltend benutzt worden sein. Die Antragstellerin hat hier unwidersprochen vorgetragen, bis zum Jahr 1997 ausschließlich Herrenmode und seit 1998 auch eine Damenkollektion etabliert zu haben. In den Folgejahren seien zu den Marken „BOSS“, „BOSS Orange“ und „BOSS Green“ eine Damenkollektion angefertigt worden (Anlage AS 12). Seit 2013 habe der HUGO BOSS-Konzern die deutsche Fußball-Nationalmannschaft „für einen eleganten Auftritt abseits des Spielfeldes“ ausgestattet (Anlage AS 12). 2012 habe die erste HUGO BOSS Fashion Show stattgefunden. Soweit die Auszüge aus den Internetseiten gem. Anlagen AS 13 und AS 24 aktuell sein (etwa aus dem Jahr 2021 stammen) sollten, so ist die Marke auf Bekleidungsstücken allgemeinbekannt dem Verkehr auch schon vor Januar 2014 umfangreich gegenübergetreten. Dies kann der Senat als angesprochener Verkehrskreis aus eigener Anschauung feststellen.

Auch für die Folgezeit und den Zeitraum vor Antragseinreichung lässt sich eine rechtserhaltende Benutzung der Verfügungsmarke „BOSS“ für Bekleidung feststellen, so dass die Einrede gem. Artt. 127 Abs. 3, Art. 58 Abs. 1 lit. a) UMV vorliegend erfolglos bleibt.

dd. Das Landgericht hat zu Recht eine Bekanntheit der Verfügungsmarke „BOSS“ bejaht bzw. als überwiegend wahrscheinlich angenommen.

aaa. Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV sieht einen erweiterten Schutz solcher Unionsmarken vor, die in der Union bekannt sind, sofern der Nutzende die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Unionsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Hintergrund für den erweiterten Schutz des Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV ist der Umstand, dass vor allem bekannten Marken ein eigener wirtschaftlicher Wert zukommt, der unabhängig von den Waren und Dienstleistungen besteht, für die sie eingetragen sind (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 130 – Telekom-T). Voraussetzung für den erweiterten Schutz einer Marke insbesondere gegen die Ausnutzung der Unterscheidungskraft und Wertschätzung ist zunächst das Vorliegen einer bekannten Marke, wobei die Bekanntheit im Gebiet eines einzigen Mitgliedstaates ausreichend sein kann (EuGH GRUR 2015, 1002 Rn. 19 - IRON & SMITH/UNILEVER; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 130 – Telekom-T).

bbb. Eine Marke ist bekannt, wenn sie einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist, ohne dass bestimmte Prozentsätze des Bekanntheitsgrades zu fordern sind (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 131 – Telekom-T). Erforderlich ist eine Bekanntheit als Kennzeichnungsmittel für bestimmte Waren oder Dienstleistungen (vgl. BGH GRUR 2004, 235, 238 - Davidoff II; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 131 – Telekom-T). Die Feststellung der Bekanntheit der Klagemarke obliegt im Wesentlichen dem Tatgericht. Auch die Tatsachen, aus denen sich die Bekanntheit einer Marke ergibt, können allgemein geläufig und deshalb offenkundig i.S.v. § 291 ZPO sein. Dazu rechnet auch, dass die Marke während eines längeren Zeitraums in weitem Umfang auf dem Markt erscheint und jedermann gegenübertritt (BGH GRUR 2020, 401 Rn. 21 – ÖKO-TEST I; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 131 – Telekom-T).

ccc. Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze ist die Verfügungsmarke „BOSS“ als Marke für Bekleidung jedenfalls im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bekannt i.S.v. Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV. Das hiergegen gerichtete Berufungsvorbringen bleibt ohne Erfolg. Die Mitglieder des Senats als angesprochener Verkehrskreis können feststellen, dass die Marke „BOSS“ jedenfalls in den letzten 20 Jahren in weitem Umfang auf dem Markt erschienen (stationärer und Online-Handel) und jedermann gegenübergetreten ist. Zudem hat die Antragstellerin umfangreiche Investitionen und Sponsoringaktivitäten des HUGO BOSS-Konzerns dargetan, denen die Antragsgegnerin nicht erheblich entgegengetreten ist. Die Präsenz der Marke „BOSS“ für Bekleidung über derartige Aktivitäten und die Verkaufsangebote im stationären und Online-Handel sind allgemeinbekannt und auch den Mitgliedern des Senats bekannt. Die Feststellungen, die die Berufung der Antragsgegnerin hier vermisst, sind das allgemeine Gegenübertreten und die Präsenz der Marke „BOSS“ im Bekleidungssektor, die der Senat aus eigener Anschauung jedenfalls für den Zeitraum der letzten 20 Jahre feststellen kann. Der erforderliche Grad an Bekanntheit beim maßgeblichen Publikum ist vorliegend überwiegend wahrscheinlich gegeben, wobei es – wie ausgeführt – nicht auf einen bestimmten Prozentsatz ankommt, sondern es genügt, wenn ein bedeutender Teil des maßgeblichen Publikums in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets, das dem Gebiet eines Mitgliedsstaates entsprechen kann, das Zeichen kennt, ohne dass ihm dessen Eintragung als Marke bekannt sein muss (vgl. BGH GRUR 2020, 401 Rn. 19 – ÖKO-TEST I). Dies ist hier der Fall.

ee. Ein gedankliches Inverbindungbringen der konkret angegriffenen Verletzungsformen mit der Verfügungsmarke „BOSS“ ist vorliegend entgegen dem Vorbringen der Berufung ebenfalls zu bejahen.

aaa. Der EuGH legt bei der Beurteilung des Bekanntheitsschutzes anstelle der Verwechslungsgefahr ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der gedanklichen Verknüpfung zu Grunde (EuGH GRUR 2009, 756 Rn. 36 - L’Oréal/Bellure). Es ist festzustellen, ob der Verkehr zwischen dem angegriffenen Zeichen und der bekannten Marke eine gedankliche Verknüpfung vornimmt bzw. ob jenes geeignet ist, die bekannte Marke in Erinnerung zu rufen (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 388; BPatG GRUR 2022, 1753 Rn. 21 – dOCUMENTA). Die Frage, ob eine gedankliche Verknüpfung zwischen zwei Kennzeichen stattfindet, ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falls zu beurteilen, zu denen der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen, die Art der fraglichen Waren und Dienstleistungen einschließlich des Grades ihrer Nähe, das Ausmaß der Bekanntheit der älteren Marke, ihre originäre oder durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft und (ohne dass dies erforderlich wäre) das Bestehen von Verwechslungsgefahr zählen (BGH GRUR 2020, 401 Rn. 28 – ÖKO-Test I). Bei fehlender Zeichenähnlichkeit kommt ein Anspruch nach Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV nicht in Betracht (BGH GRUR 2020, 401 Rn. 28 – ÖKO-Test I). Die Beurteilung der Frage, ob eine gedankliche Verknüpfung gegeben ist, obliegt dem Tatrichter (BGH GRUR 2020, 401 Rn. 28 – ÖKO-Test I). Es genügt ein geringerer Grad an Zeichenähnlichkeit, als er für die Verwechslungsgefahr erforderlich wäre, und eine herkunftshinweisende Zeichennutzung ist nicht zwingend erforderlich, wohl aber eine Benutzung, die geeignet ist, eine tatbestandsmäßige Beeinträchtigung der bekannten Marke hervorzurufen (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 133 – Telekom-T).

Die Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Zeichen ist dabei nach den für Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV geltenden Grundsätzen zu beurteilen, d.h. sie kann sich gleichermaßen aus Übereinstimmungen im Klang, im (Schrift)Bild oder in der Bedeutung ergeben, wobei es auch hier auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Marken ankommt. Im Rahmen des Bekanntheitsschutzes ist aber, anders als bei Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV, - wie ausgeführt - nicht erforderlich, dass eine Verwechslungsgefahr oder Herkunftstäuschung besteht (vgl. BPatG GRUR 2022, 1753 Rn. 22 – dOCUMENTA). Es ist vielmehr ausreichend, dass der Grad der Ähnlichkeit zwischen der bekannten Marke und dem angegriffenen Zeichen bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine gedankliche Verknüpfung zwischen den Zeichen bewirkt (vgl. BPatG GRUR 2022, 1753 Rn. 22 – dOCUMENTA).

bbb. Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze werden im Streitfall erhebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise eine gedankliche Verknüpfung zwischen der Verfügungsmarke „BOSS“ und den angegriffenen Zeichen „THE REAL BOSS“ und „I AM THE BOSS“ in folgenden Verwendungen:

[Abbildung]

herstellen. Die Verfügungsmarke ist - wie ausgeführt - eine im Bekleidungssektor bekannte Marke, die genutzt wird und dem Verkehr gegenübertritt wie sich etwa aus dem Anlagenkonvolut AS 24 ergibt. Es besteht vorliegend Warenidentität. An dieser Stelle kommt es zudem nicht auf eine Verwechslungsgefahr im Rechtssinne, sondern nur auf die bloße tatsächliche Verwechselbarkeit der Zeichen als solcher an, die im Einzelfall durchaus vorliegen kann (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 389). Eine gedankliche Verknüpfung scheidet aus, wenn der Verkehr ein mit der bekannten Marke übereinstimmendes Zeichenelement in der jüngeren Zeichenkombination nur als produktbeschreibende Angabe versteht (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 389). Entsprechendes ist bei einem Verkehrsverständnis als nur dekorativer Gebrauch anzunehmen. Indes steht es der Einstufung als markenverletzendem Gebrauch nicht entgegen, dass die fremden Marken auf dem Produkt des Dritten auch, aber nicht nur als Verzierung aufgefasst werden (vgl. A. Nordemann in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., § 14 Rn. 205 m.w.N.). Eine markenmäßige Benutzung i.S. des Bekanntheitsschutzes (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) ist gegeben, wenn der Verkehr eine gedankliche Verknüpfung mit der bekannten Marke vornehmen wird (BGH GRUR 2005, 583, 584 – Lila-Postkarte; OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2011, 170, 171 – Blechschilder). Dies ist auf den Bekanntheitsschutz einer Unionsmarke gem. Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV übertragbar.

Legt man dies zugrunde, so kommt es vorliegend im Rahmen des Bekanntheitsschutzes gem. Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV nicht entscheidend darauf an, ob der Verkehr in den angegriffenen Bezeichnungen auch eine Redewendung sieht, wenn sich eine gedankliche Verknüpfung dennoch – wie hier – feststellen lässt. Es sind die konkret angegriffenen Verletzungsformen zu beurteilen. Beim angegriffenen Gesamtzeichen: „THE REAL BOSS“ ist der Bestandteil „REAL BOSS“ etwas größer gehalten und wird vom Verkehr als „Das wahre BOSS“ oder „Der wahre Boss“ verstanden. Zu vergleichen sind „BOSS“ und „THE REAL BOSS“ in der konkreten Aufmachung auf dem Hoodie und der Jogginghose. Auf dem Hoodie findet sich der Bestandteil „BOSS“ allein in einer Zeile. Die Aufdrucke auf den Verletzungsformen befinden sich an den Stellen der Bekleidungsstücke, an denen der Verkehr den Aufdruck einer Marke erwartet. Zwar besteht klanglich und schriftbildlich Übereinstimmung lediglich im Bestandteil „BOSS“. Jedoch kommt dem Bestandteil „BOSS“ in „THE REAL BOSS“ eine selbständig kennzeichnende Stellung zu. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn der betreffende Bestandteil wie eine Marke in der Marke erscheint, was nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass der Verkehr ein Zeichen als einheitliche Kennzeichnung auffasst (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 9 Rn. 491). Ein solches Verständnis als Marke in der Marke ist bei „BOSS“ in „THE REAL BOSS“ jedenfalls bei einer Deutung gegeben („Das wahre BOSS“). Eine Zeichenähnlichkeit liegt daher zwischen „BOSS“ und „THE REAL BOSS“ vor. Eine absolute Zeichenunähnlichkeit, die die Antragsgegnerin geltend macht, ist hingegen nicht gegeben. Auch die Zeichen „BOSS“ und „I AM THE BOSS“ sind ähnlich und nicht absolut unähnlich. Im Bedeutungsgehalt treten beim angegriffenen Zeichen „I AM THE BOSS“ die Deutungen „Ich bin BOSS“ oder „Ich bin der Boss“ auf. Klanglich und schriftbildlich besteht Übereinstimmung im Bestandteil „BOSS“. Auch bei diesem Gesamtzeichen ist ein Verständnis von „BOSS“ als Marke in der Marke durchaus noch gegeben. Dies wiederum führt dazu, dass die Zeichen „BOSS“ und „I AM THE BOSS“ als ähnlich anzusehen sind.

Zudem spielt im Streitfall bei den angegriffenen Verwendungsformen eine Rolle, dass der Bestandteil „BOSS“ in den angegriffenen Verwendungsformen in Großbuchstaben ähnlich der Verwendung der Marke „BOSS“ auf Kleidungsstücken gehalten ist. Zwar trifft es zu, wie die Antragsgegnerin geltend macht, dass es bei einer Wortmarke im Hinblick auf den Schutzbereich nicht auf die Groß- und Kleinschreibung ankommt. Indes geht es hier um die Frage einer gedanklichen Verknüpfung, für die die Gestaltung der angegriffenen Zeichen sehr wohl eine Rolle spielen kann.

Weiter handelt es sich um plakative und herausgestellte Schriftzüge. Die Gesamtgestaltung auf den angegriffenen Bekleidungsstücken ist nicht derart gewählt, dass der Blick vom Zeichenbestandteil „BOSS“ abgelenkt worden wäre.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände ist davon auszugehen, dass erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs die Aufmachung der angegriffenen Kennzeichen mit der Verfügungsmarke gedanklich verknüpfen. Das Landgericht hat die erforderliche gedankliche Verknüpfung daher im Streitfall zu Recht bejaht.

Dass die Antragstellerin, wie die Antragsgegnerin geltend macht, selbst keine Slogans verwende, ist nicht erheblich. Denn - wie ausgeführt - ergibt sich im Streitfall aus den konkret angegriffenen Gestaltungen eine Anspielung auf die im Bekleidungssektor bekannte „BOSS“-Marke.

ff. Das Landgericht ist auch zu Recht vom Vorliegen eines Beeinträchtigungstatbestandes ausgegangen. Im Streitfall ist eine unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft (sog. Aufmerksamkeitsausbeutung) der bekannten Verfügungsmarke „BOSS“ durch die angegriffenen Zeichenverwendungen zu bejahen.

aaa. Im Ausgangspunkt ist der Einwand der Berufung der Antragsgegnerin zwar zutreffend, dass es neben der gedanklichen Verknüpfung des Kollisionszeichens mit der bekannten Marke des Vorliegens eines Beeinträchtigungstatbestandes i.S.v. Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV bedarf. Es trifft weiter zu, dass die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für das Vorliegen eines Beeinträchtigungstatbestandes des Bekanntheitsschutzes – hier Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV – beim Markeninhaber liegt (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 390). Es muss vom Gericht konkret festgestellt werden, dass eine der genannten Beeinträchtigungen der Marke vorliegt. Es reicht nicht aus, dass der Verkehr überhaupt eine gedankliche Verknüpfung des angegriffenen Zeichens mit der bekannten Marke vornimmt (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 390).

bbb. Jedoch lässt sich im Streitfall das Vorliegen eines Beeinträchtigungstatbestandes feststellen.

(1) Die Frage, ob durch die Benutzung des angegriffenen Zeichens die Unterscheidungskraft einer Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt wird, ist anhand einer umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände zu beurteilen, zu denen das Ausmaß der Bekanntheit und der Grad der Unterscheidungskraft der Marke, der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sowie die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen und der Grad ihrer Nähe gehören (BGH GRUR 2019, 165 Rn. 22 – keine-vorwerk-vertretung). Eine Ausnutzung oder Beeinträchtigung liegt umso eher vor, je größer die Unterscheidungskraft und die Wertschätzung der Marke sind. Je unmittelbarer und stärker die Marke von dem Zeichen in Erinnerung gerufen wird, desto größer ist die Gefahr, dass die gegenwärtige oder künftige Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt (BGH GRUR 2020, 405 Rn. 57 – ÖKO-TEST II).

(2) Aus einer – wie hier – blickfangmäßigen Verwendung / Herausstellung des Zeichen(-bestandteil)s „BOSS“ in den konkreten Verwendungen kann auf eine bewusste Aufmerksamkeitserregung auch im Hinblick auf „BOSS“ geschlossen werden (vgl. hierzu OLG Köln GRUR-RR 2019, 466 Rn. 26). Mit dieser bewussten Aufmerksamkeitserregung hat sich die Antragsgegnerin die Werbe- und Kommunikationsfunktion der bekannten Verfügungsmarke „BOSS“ zu eigen gemacht und sich in deren Sogwirkung begeben, um von dem fremden guten Ruf zugunsten des eigenen Absatzes zu profitieren (vgl. OLG Köln GRUR-RR 2019, 466 Rn. 26). Auch ohne gedankliche Partizipation an etwaigen mit der Marke verbundenen Gütevorstellungen kann eine Ausnutzung der Unterscheidungskraft in der Weise erfolgen, dass sich der Verletzer den Aufmerksamkeitswert der Marke zunutze macht (sog. Aufmerksamkeitsausbeutung vgl. BGH, NJW 2005, 2856, 2857 – Lila Postkarte). Durch die Verwendung der bekannten Marke kann ein Kommunikationsvorsprung erreicht werden, der unabhängig von einer Ausnutzung (auch) der Wertschätzung die Unterscheidungskraft ausnutzt (Nordemann-Schiffel in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., § 14 Rn. 1391 m.w.N.). So liegt der Fall bei den konkret angegriffenen Verwendungen auch hier.

Sodann ist dem Tatbestandsmerkmal des Ausnutzens der Unterscheidungskraft die Unlauterkeit immanent, wenn die Marke in identischer oder ähnlicher Form benutzt wird (vgl. BGH GRUR 2005, 583 Rn. 22 – Lila-Postkarte; OLG Köln GRUR-RR 2019, 466 Rn. 26; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 143 – Telekom-T; Senat GRUR-RS 2023, 831 Rn. 136). So liegt der Fall auch hier. Die Antragsgegnerin nutzt der bekannten Verfügungsmarke „BOSS“ ähnliche (Gesamt-)Zeichen für ihre Bekleidung und begibt sich hierdurch – ohne Gegenleistung oder wirtschaftliche Anstrengungen zum Image der bekannten Marke erbracht zu haben – in den Sog der geschützten bekannten Bekleidungsmarke „BOSS“.

ccc. Offenbleiben kann im Streitfall, ob daneben eine Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft und eine sog. Verwässerung der Verfügungsmarke „BOSS“ durch die angegriffenen Verwendungen anzunehmen ist.

Der Nachweis, dass die Benutzung der jüngeren Marke die Unterscheidungskraft der älteren Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen würde, setzt voraus, dass dargetan wird, dass sich das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers der Waren oder Dienstleistungen, für die die ältere Marke eingetragen ist, in Folge der Benutzung der jüngeren Marke geändert hat oder dass die ernsthafte Gefahr einer künftigen Änderung dieses Verhaltens besteht (EuGH GRUR 2009, 56 Rn. 77 - Intel Corporation/CPM United Kingdom; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 138 – Telekom-T). Die Anforderungen an die (potentielle) Änderung des Verbraucherverhaltens sind nach jüngster Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht hoch; die Gefahr, dass eine Marke einen Bedeutungsverlust erleidet und damit einhergehend für den Verkehr von abnehmender Relevanz ist, ist für eine solche Annahme bereits ausreichend (vgl. BGH GRUR 2020, 401 Rn. 47 - ÖKO-​TEST I; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 138 – Telekom-T). Leidet das Ansehen der Marke, so folgt hieraus ohne Weiteres eine hinreichende Gefahr, dass Verbraucher sich bei ihrer Kaufentscheidung in abnehmendem Maße vom Logo der Klägerin beeinflussen lassen (BGH GRUR 2020, 401 Rn. 47 - ÖKO-​TEST I). Ob vorliegend durch die angegriffenen Zeichennutzungen ein Ansehensverlust der Verfügungsmarke zu befürchten ist, kann jedoch offenbleiben, da – wie ausgeführt – eine Ausnutzung der Unterscheidungskraft der Verfügungsmarke durch die konkreten Verwendungen festgestellt werden kann.

gg. Rechtsfolge des Vorliegens des Verletzungstatbestandes des Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ein unionsweites Verbot.

aaa. Grundsätzlich muss sich das von einem Unionsmarkengericht ausgesprochene Verbot territorial auf das gesamte Gebiet der Union erstrecken, um einen einheitlichen Schutz der Unionsmarke zu garantieren (EuGH GRUR 2016, 1166 Rn. 30 – combit Software GmbH/Commit Business Solutions Ltd). Der Unterlassungsanspruch aus der Verletzung einer Unionsmarke besteht daher grundsätzlich unionsweit (Grüger in BeckOK Markenrecht, 32. Ed., Art. 130 UMV Rn. 4). Dies folgt aus dem Prinzip der Einheitlichkeit der Unionsmarke nach Art. 1 Abs. 2 UMV, wonach sich die Wirkungen der Unionsmarke auf die gesamte Gemeinschaft erstrecken, und aus der einheitlichen Zuständigkeit der Unionsmarkengerichte (vgl. BGH GRUR 2008, 254 Rn. 39 – THE HOME STORE; vgl. zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster BGH GRUR 2012, 512 Rn. 49 – Kinderwagen). Die territoriale Reichweite dieses Verbot beschränkt sich nicht auf das Gebiet des Mitgliedstaates, für den das Unionsmarkengericht die Verletzungshandlung positiv festgestellt hat, oder auf das Gebiet derjenigen Mitgliedstaaten, die zu dieser Feststellung Anlass gegeben haben. Eine Verletzungshandlung, die in einem Mitgliedstaat begangen wird, begründet in der Regel eine Begehungsgefahr für das gesamte Gebiet der Europäischen Union (BGH GRUR 2008, 254 Rn. 39 – THE HOME STORE).

bbb. Soweit die Berufung geltend macht, es sei für einen unionsweiten Unterlassungsanspruch erforderlich, dass ein wirtschaftlich nicht unerheblicher Teil des Verkehrs im Kollisionsgebiet die bekannte Marke kenne und das Kollisionszeichen mit ihr gedanklich verknüpfe, so ergibt sich hieraus keine Beschränkung der territorialen Reichweite des Unterlassungsanspruchs. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist es für den Bekanntheitsschutz ausreichend, dass diese Marke in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets bekannt ist, wobei dieser Teil gegebenenfalls unter anderem dem Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats entsprechen kann. Ist diese Voraussetzung erfüllt, so ist davon auszugehen, dass die fragliche Unionsmarke in der gesamten Union bekannt ist (EuGH GRUR 2019, 621 Rn. 50 – ÖKO-Test Verlag/Dr. Liebe). Es kann daher nicht mehr gefordert werden, dass die bekannte Marke auch im Kollisionsgebiet im rechtsbegründenden Sinne bekannt ist, wie dies früher verlangt worden ist (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 377 zur früheren Rspr. des BGH GRUR 2013, 1239 Rn. 67 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion). Folglich kann der Schutz aus einer bekannten Unionsmarke entweder in der gesamten Europäischen Union oder gar nicht beansprucht werden kann (EuGH GRUR 2017, 1132 Rn. 52 – Ornua/T&S (KERRYGOLD); Nordemann-Schiffel in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., § 14 Rn. 1322). Da hier ein Anspruch aus Bekanntheitsschutz der Unionsmarke „BOSS“ besteht, kann ein Verbot für das gesamte Gebiet der Europäischen Union beansprucht werden.

hh. Es besteht entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch eine Begehungsgefahr hinsichtlich der im Tenor formulierten Dritthandlungen („bzw. von Dritten anbieten, verkaufen, vertreiben, bewerben oder auf andere Weise benutzen zu lassen“).

aaa. Ist ein markenrechtlicher Verletzungsfall festgestellt, erstreckt sich der Unterlassungsanspruch eines Klägers auf alle markenmäßigen Benutzungshandlungen des angegriffenen Zeichens (BGH GRUR 2018, 417 Rn. 56 – Resistograph). Das Charakteristische der Verletzungshandlung liegt markenrechtlich betrachtet in der Benutzung des verletzenden Zeichens (Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 527). Durch welche der – in § 14 Abs. 3 MarkenG (bzw. Art. 9 Abs. 3 UMV) ohnehin nur beispielhaft aufgeführten – Handlungsmodalitäten diese Benutzung erfolgt, hat auf den Kern der Verletzungshandlung keinen Einfluss (Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 527). Der Unterlassungsanspruch erstreckt sich auf alle Handlungsmodalitäten, auch wenn bisher nicht alle verwirklicht worden sind (BGH GRUR 2016, 197 Rn. 47 – Bounty; Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 527).

bbb. Hier hat die Antragsgegnerin eine Begehungsgefahr hinsichtlich der konkret gegenständlichen Verwendungsformen begründet. Hinsichtlich dieser konkreten Verwendungsformen erstrecken sich die Begehungsgefahr und das Verbot auf alle beispielhaft in § 14 Abs. 3 MarkenG (bzw. Art. 9 Abs. 3 UMV) genannten Verwertungshandlungen, sofern nicht nach den Umständen des Einzelfalls durchgreifende rechtliche Erwägungen für die Herausnahme einzelner Verletzungshandlungen sprechen (BGH GRUR 2006, 421 Rn. 42 – Markenparfümverkäufe; Eckhartt in BeckOK Markenrecht, 32. Ed., § 14 Rn. 634). Letzteres ist hier nicht der Fall.

Wenn die Antragsgegnerin die entsprechenden Handlungen durch Dritte ausführen lassen würde, so läge auch dies in ihrer täterschaftlichen Verantwortlichkeit. Eine Begehungsgefahr kann insoweit im Streitfall nicht verneint werden.

ii. Auf einen Anspruch aus Verwechslungsgefahr (Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV) und auf Ansprüche aus den hilfsweise verfolgten Marken kommt es dann nicht mehr an.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Aufdruck "BLESSED" auf einem Hoodie keine Markenrechtsverletzung - kein Herkunftshinweis auf Markeninhaber

OLG Frankfurt
Urteil vom 02.06.2022
6 U 40/22


Das OLG Frankfurt hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass der Aufdruck "BLESSED" auf einem Hoodie keine Markenrechtsverletzung darstellt, da dieser nicht als Herkunftshinweis auf den Markeninhaber verstanden wird.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
"Blessed" Schriftzug auf Hoodie
Schriftzug „BLESSED“ auf Vorderseite eines Hoodies wird vom Verkehr als dekoratives Element und nicht als Herkunftshinweis verstanden.

Lesedauer:3 Minuten
Wörter auf Vorder- oder Rückseite eines Kleidungsstückes werden vom Verkehr nicht grundsätzlich als Herkunftshinweis verstanden. Insbesondere Wörter der deutschen Sprache, einer geläufigen Fremdsprache oder sog. Fun-Sprüche können auch lediglich als dekorative Elemente aufgefasst werden. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichter Entscheidung die Beschwerde gegen die Versagung eines markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs gegen die Verwendung des Wortes „BLESSED“ auf der Vorderseite eines Hoodies zurückgewiesen.

Die Parteien streiten über einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch. Der Kläger ist Gastronom in Frankfurt am Main und Inhaber der Wort-Bildmarke #Blessed, die als weißer Schriftzug auf weißem Grund u.a. für Bekleidungsstücke eingetragen ist.

Die Beklagte ist eine weltweit tätige Sportartikelherstellerin. Sie arbeitet mit so genannten Markenbotschaftern zusammen. Dazu gehört ein brasilianischer Fußballer, der in seinem Nacken ein Tattoo mit dem Schriftzug „Blessed“ trägt. In diesem Zusammenhang brachte die Beklagte eine viel beachtete Lifestyle-Kollektion auf den Markt. Auf der Vorderseite des zu dieser Kollektion zählenden Hoodies steht in großer gelb-schwarzer Schrift „BLESSED“; das Kleidungsstück weist zudem auf Marken der Beklagten hin.

Der Kläger nimmt die Beklagte im Eilverfahren aus Markenrecht auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht hatte einen Unterlassungsanspruch abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Benutzung des Wortes „BLESSED“ beeinträchtige nicht die Markenrechte des Klägers. Der Schriftzug sei hier nicht markenmäßig, sondern dekorativ zu rein beschreibenden Zwecken benutzt worden. Der Hoody sei Teil einer Sportkollektion der Beklagten, die diese im Zusammenhang mit der Verpflichtung des brasilianischen Fußballers herausgebraucht habe. Das englische Wort bedeute „gesegnet“. Der eigene Markenname der Beklagten sei zudem an mehreren Stellen des Kleidungsstücks erkennbar. Schließlich wisse der Verbraucher, dass auf der Vorderseite von Kleidungsstücken Sprüche oder bekenntnishafte Aussagen aufgedruckt würden.

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 02.06.2022, Az. 6 U 40/22
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 25.01.2022, Az. 3/6 O 47/21)




LG Stuttgart: Keine markenmäßge Verwendung und keine Markenrechtsverletzung durch Aufdruck eines Sprüchemotivs auf T-Shirt

LG Stuttgart
Urteil vom 06.07.2021
17 O 354/20


Das LG Stuttgart hat entschieden, dass keine markenmäßge Verwendung und keine Markenrechtsverletzung durch Aufdruck eines Sprüchemotivs (hier: "Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten !") auf einem T-Shirt vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Eine markenrechtliche Verletzungshandlung setzt voraus, dass der Verletzer die Marke in einer Art und Weise benutzt, dass hierdurch eine der geschützten Funktionen der Marke beeinträchtigt werden kann. Zu diesen Funktionen gehören neben der Hauptfunktion, der Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) auch andere Funktionen wie unter anderem die Gewährleistung der Qualität der mit ihr gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion (vgl. EuGH GRUR 2009, 756, Rn. 58, L'Oreal, beck-online).

Nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine beeinträchtigende Benutzung des Zeichens vor, wenn es durch den Dritten markenmäßig oder - was dem entspricht - als Marke verwendet wird und diese Verwendung die Funktionen der Marke und insbesondere ihre wesentliche Funktion, den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (vgl. BGH MMR 2011, 608, 609, beck-online; OLG Hamburg Hinweisbeschluss v. 3. 2. 2021 - 3 U 9/19, BeckRS 2021, 11906 Rn. 39, beck-online, m. w. N.).

Dabei kommt es darauf an, ob der angesprochene Verkehr aufgrund der ihm objektiv entgegentretenden Umstände die Benutzung des Kennzeichens zumindest auch als Unterscheidungszeichen für die Ware oder Dienstleistung im Sinne eines Herkunftshinweises ansieht (vgl. BGH, Urteil vom 18. 10. 2007 -1 ZR 162/04 -, Rn. 10/11, AKZENTA, juris; BGH, Urteil vom 13. 6. 2002 -1 ZR 312/99 -, Rn. 22, SYLT-Kuh, juris; BGH, Urteil vom 18. 5. 1995 - l ZR 99/93 -, Rn. 25, Montana, juris). Bei der Beurteilung, ob der Verkehr eine Bezeichnung als Herkunftshinweis versteht und in der konkret in Rede stehenden Verwendung eines Zeichens einen Herkunftshinweis sieht, ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor abzustellen, insbesondere die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden (BGH, Urteil vom 7. 3. 2019 - 1 ZR 195/17 - Rn. 42, SAM, juris). Von einer kennzeichenmäßigen Verwendung ist auszugehen, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs in einem Zeichen den Hinweis auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen sieht (BGH, GRUR 2009, 484, Rn. 61, METROBUS, beck-online).

Auch die Bewertung der Frage, ob der Verkehr ein auf der Vorderseite eines Bekleidungsstückes großflächig angebrachtes Sprüchemotiv als produktbezogenen Hinweis auf die Herkunft oder als bloßes dekoratives Element auffasst, hängt unter anderem von der Art der Platzierung des Aufdrucks und den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab (KG Beschl. v. 7. 6. 2011 - 5 W 127/11, BeckRS 2011, 16729, beck-online). Denn anders als bei eingenähten Etiketten auf der Innenseite von Bekleidungsstücken geht der Verkehr bei Bildern, Motiven, Symbolen und Wörtern auf der Vorderseite von Bekleidungsstücken nicht generell davon aus, es handele sich um einen Herkunftshinweis (BGH, GRUR 2018, 932, Rn. 18, #darferdas?- BGH GRUR 2010. 838. Rn. 20. DDR-Logo, beck-online).

1. Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen stellt der Aufdruck auf den T-Shirts der Beklagten keine kennzeichenmäßige Verwendung der Klagemarke dar. Der Verkehr wird in dem Aufdruck ein rein dekoratives Element und keinen Herkunftshinweis verstehen. Der Inhalt des Aufdrucks ist für Jedermann verständlich und aus der Sicht eines Betrachters darauf angelegt, eine aus der Sicht des Trägers originelle oder humorvolle Botschaft zu vermitteln. Hierfür spricht, dass der Spruch großflächig aufgedruckt ist und darüber hinaus keinen Hinweis auf einen Hersteller oder vermeintlichen Autor des Textes enthält. Die Wirkung des Shirts ist ausschließlich auf die Vermittlung der hinter dem Spruch stehenden Botschaft ausgerichtet. Die Frage, ob und wer als Erfinder hinter diesem Spruch steht, spielt dabei keine Rolle. Nicht zuletzt verwendet auch die Klägerseite das der Klagemarke entsprechende Sprüchemotiv mit der Angabe des Klägers als Autors dieses Spruches.
Auch hieran zeigt sich, dass alleine die Abbildung des Spruches keinen Schluss auf die markenrechtliche Herkunft oder den Autor des Spruches zulässt.

2. Anders als der Kläger meint, liegt auch keine Beeinträchtigung der Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion der Klagemarke vor. Eine rein dekorative Nutzung einer Marke, wie sie vorliegend erfolgt ist, stellt auch nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann eine rechtsverletzende Markennutzung dar, wenn die betroffenen Verkehrskreise eine gedankliche Verknüpfung mit einer Marke herstellen, die bekannt ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 58, Rn. 41, Adidas/Salomon, beck-online; BeckOK MarkenR/Mielke, 25. Ed. 1. 4. 2021, MarkenG § 14 Rn. 541). Fasst der Verkehr das Verletzungszeichen nur als Verzierung auf, wird keine der o. g. geschützten Markenfunktionen beeinträchtigt (EuGH a. a. O.). Letzteres ist hier der Fall. Das beanstandete Sprüchemotiv wird, wie bereits dargelegt, ausschließlich als dekoratives Element zur Mitteilung einer inhaltlichen Botschaft genutzt. Der Verkehr stellt dabei keinen, auch nur mittelbarer Zusammenhang
mit einer Marke her. Darüber hinaus handelt es sich bei der Klagemarke auch nicht um eine bekannte Marke, so dass bereits aus diesem Grund eine Verletzung der Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion ausscheidet.

Die Klage war daher mangels einer Markenverletzung vollumfänglich abzuweisen.


OLG Hamburg: Keine markenmäßige Benutzung durch Wortfolge "ALLET JUTE" auf Stoffbeutel - keine Verletzung einer Unionsmarke für Taschen

OLG Hamburg
Beschluss vom 03.02.2021
3 U 9/19


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass keine markenmäßige Benutzung durch einen Aufdruck der Wortfolge "ALLET JUTE" auf einem Stoffbeutel vorliegt und daher keine Verletzung der gleichlautenden Unionsmarke für Taschen gegeben ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die negative Feststellungsklage ist weiterhin zulässig. Das Feststellungsinteresse der Klägerin ist durch die zwischenzeitlich vor dem Landgericht Berlin erhobene Leistungsklage der Beklagten (Az.:15 O 618/19) nicht entfallen.

Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO muss für eine negative Feststellungklage ein besonderes Rechtsschutzinteresse (Feststellungsinteresse) bestehen. Das rechtliche Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist in der Regel gegeben, wenn der Beklagte eines Anspruchs gegen den Kläger berühmt (BGH, NJW 2017, 2340, Rnrn 13, 15).

Ist eine negative Feststellungsklage rechtshängig und erhebt der Beklagte der Feststellungsklage seinerseits Leistungsklage, so sperrt die negative Feststellungsklage die Leistungsklage nicht, da das Rechtsschutzziel der Leistungsklage über den Streitgegenstand der Feststellungsklage hinausgeht. Grundsätzlich kann jedoch wegen des Vorrangs der Leistungsklage das Rechtschutzinteresse hinsichtlich der Feststellungsklage entfallen.

Eine negative Feststellungsklage wird mangels Feststellungsinteresse aber erst dann unzulässig, wenn eine später erhobene Leistungsklage umgekehrten Rubrums nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann. Diese Lage tritt gemäß § 269 Abs. 1 ZPO ein, sobald der Gegner der Leistungsklage zur Hauptsache verhandelt hat, aber auch dann, wenn der Kläger der Leistungsklage einseitig auf das Recht zur Klagrücknahme verzichtet hat (BGH, BeckRS 2010, 20763 MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 256 Rn. 66). Etwas anderes gilt, wenn der Feststellungsrechtstreit zu diesem Zeitpunkt bereits entscheidungsreif oder im Wesentlichen zur Entscheidungsreife fortgeschritten und die Leistungsklage noch nicht entscheidungsreif ist (BGH, NJW 1973, 1500, 1501; BGH, NJW 1987, 2680, 2681 – Parallelverfahren MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 256 Rn. 66).

Dass vor dem Landgericht Berlin bereits über die Leistungsklage verhandelt worden wäre oder der dortige Kläger auf das Recht zur Klagrücknahme verzichtet hätte, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Anhaltspunkte dafür, dass der vor dem Landgericht Berlin geführte Rechtsstreit entscheidungsreif wäre, bestehen nicht. Demgegenüber ist der vorliegend in der Berufungsinstanz geführte Feststellungsrechtstreit nahezu entscheidungsreif.

II. Die negative Feststellungsklage ist auch begründet.

Der Beklagten steht der gegen die Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von € 1.430,38 nicht nach §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB i.V.m. Artt. 9. Abs. 2 lit. a) bzw. b), 101 Abs. 2, 102 Abs. 1 S. 1 VO (EU) Nr. 2015/2424 (nachfolgend: UMV a.F.) zu.

1. Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist das zum Zeitpunkt der Abmahnung geltende Recht maßgeblich (BGH, GRUR-RS 2019, 357, Rn. 8 – Slim fit Hose SAM; BGH, GRUR 2016, 803, Rn. 14 – Armbanduhr; BGH, GRUR 2019, 754, Rn. 12 – Prämiensparverträge). Die Berechtigung der mit Schreiben vom 5. Oktober 2016 ausgesprochenen Abmahnung wegen der Verletzung der Unionsmarke „Allet Jute“ (Anlage K 5) ist mithin nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden unionsmarkenrechtlichen Regelungen der Artt. 9. Abs. 2 lit. a) bzw. b), 101 Abs. 2, 102 Abs. 1 S. 1 VO (EU) Nr. 2015/2424 (nachfolgend: UMV a.F.) sowie den §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB zu beurteilen.

2. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) kann der Inhaber einer Marke der Benutzung eines mit dieser Marke identischen Zeichens für Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, nur widersprechen, wenn diese Benutzung eine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann. Zu den Funktionen der Marke gehören neben der Hauptfunktion, der Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung, auch ihre anderen Funktionen wie unter anderem die Gewährleistung der Qualität der mit ihr gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion (vgl. EuGH, GRUR 2009, 756, Rn. 58 – L'Oréal u. a.; EuGH, GRUR 2010, 445, Rn. 76 f. – Google France und Google; EuGH, GRUR 2010, 841, Rn. 29 f. – Portakabin). Kann die Benutzung des mit der Marke identischen Zeichens keine der Funktionen der Marke beeinträchtigen, kann der Markeninhaber ihr auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 1 lit. a) MarkenRL a.F. nicht widersprechen (EuGH, GRUR 2010, 841, Rn. 29 – Portakabin). Die Benutzung zu rein beschreibenden Zwecken verwirklicht keinen der Verletzungstatbestände des Art. 5 Abs. 1 MarkenRL a.F. (EuGH, GRUR 2003, 55, Rn. 54 – Arsenal Football Club), genauso wenig wie eine Verwendung, bei der es ausgeschlossen ist, dass die benutzte Marke im Verkehr als betriebliches Herkunftszeichen aufgefasst wird (EuGH, GRUR 2002, 692, Rn. 17 – Hölterhoff; BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 21 – Slim fit Hose SAM). In der Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass bestimmte Arten der Benutzung zu rein beschreibenden Zwecken keine Verletzung der Marke darstellen (EuGH, GRUR 2002, 692, Rn. 16 – Hölterhoff). Die Prüfung, ob im Einzelfall die Benutzung eines mit einer Marke identischen Zeichens eine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann, obliegt den Gerichten der Mitgliedstaaten (EuGH, GRUR 2009, 756, Rn. 63 – L'Oréal u. a.).

Nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine beeinträchtigende Benutzung des Zeichens vor, wenn es durch den Dritten markenmäßig oder – was dem entspricht – als Marke verwendet wird und diese Verwendung die Funktionen der Marke und insbesondere ihre wesentliche Funktion, den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (BGH, GRUR 2013, 1239, Rn. 20 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; BGH, GRUR 2015, 1201, Rn. 68 – Sparkassen-Rot/Santander-Rot; BGH, GRUR 2018, 924, Rn. 25 – ORTLIEB I; BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 22 – Slim Fit Hose SAM).

Für die Annahme der kennzeichenmäßigen Verwendung eines Zeichens genügt es nicht, dass das Zeichen originär unterscheidungskräftig ist und die konkrete Verwendung nicht glatt beschreibend erfolgt. Die Tatsache, dass ein Zeichen vom angesprochenen Verkehr als Herkunftshinweis für die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen und damit als Marke erkannt wird, muss anhand der Umstände des Einzelfalls positiv festgestellt werden. (BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 28 – Slim fit Hose SAM). Bei der Beurteilung, ob der Verkehr eine Bezeichnung als Herkunftshinweis versteht und in der konkret in Rede stehenden Verwendung eines Zeichens einen Herkunftshinweis sieht, ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor abzustellen, insbesondere die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden (BGH, GRUR 2004, 865, 866, juris-Rn. 33 – Mustang; BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 26 – Slim fit Hose SAM). Die Verkehrsauffassung wird auch durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt (EuGH, GRUR 2008, 698, Rn. 64 – O2Holdings und O2[UK]; BGH, GRUR 2002, 809, 811, juris-Rnrn. 37 bis 39 – FRÜHSTÜCKS-DRINK I; BGH, GRUR 2010, 838, Rn. 20 – DDR-Logo; BGH, GRUR 2012, 1040, Rn. 19 – pjur/pure; BGH, GRUR 2017, 520, Rn. 26 – MICRO COTTON).

Von einer kennzeichenmäßigen Verwendung ist auszugehen, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs in einem Zeichen den Hinweis auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen sieht (BGH, GRUR 2009, 484, Rn. 61 – METROBUS; BGH, GRUR 2019, 1289, Rn. 20 ff. – Damen Hose MO). Diese Beurteilung obliegt im Wesentlichen dem Tatgericht (BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 23 – Slim fit Hose SAM m.w.N.; BGH, GRUR 2019, 1289, Rn. 22 – Damen Hose MO).

3. Dies zugrunde gelegt kann vorliegend ausgeschlossen werden, dass der angesprochene Verkehr die auf den Stoffbeuteln verwendete Angabe „ALLET JUTE“ als Herkunftshinweis auffasst oder dass durch diese Angabe eine der weiteren Funktionen der Marke beeinträchtigt wird.

a) Für die Beurteilung der Verkehrsauffassung ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Das Angebot der Klägerin wendet sich an potenzielle Erwerber und Verwender von Stoffbeuteln der streitgegenständlichen Art, mithin an den allgemeinen Verkehr. Zu diesem Personenkreis gehören auch die Mitglieder des erkennenden Senats, so dass der Senat die Auffassung dieses Verkehrskreises aus eigener Sachkunde beurteilen kann.

aa) Maßgeblich für das Verständnis der streitgegenständlichen Angabe sind die Kennzeichnungsgewohnheiten im streitgegenständliche Warenbereich, d.h. im Bereich von Stoffbeuteln.

(1) Mit der Beklagten ist davon auszugehen, dass der streitgegenständliche Aufdruck nicht rein beschreibend verwendet wird. Zwar erkennt der Verkehr, dass mit der Angabe „ALLET JUTE“ auf das Offensichtliche, nämlich darauf hingewiesen bzw. angespielt wird, dass es sich bei dem angebotenen Produkt um einen sog. „Jutebeutel“ handelt. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei dem verwendeten Material des Stoffbeutels um Baumwolle und eben gerade nicht um Jute handelt bzw. bei diesem Beutel nicht „Allet (aus) Jute“ besteht. Denn die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass solche Stoffbeutel umgangssprachlich als „Jutebeutel“ bezeichnet werden, und zwar auch dann, wenn sie nicht aus Jute hergestellt worden sind. Die streitgegenständliche Angabe hat mithin im Hinblick auf die Art des Beutels beschreibenden Anklang, erweist sich jedoch nicht als rein beschreibend.

(2) Entgegen der Ansicht der Beklagten kann aber gleichwohl nicht festgestellt werden, dass die Klägerin die Angabe „ALLET JUTE“ – nach dem Verständnis des angesprochenen Verkehrs – markenmäßig verwendet hätte.

Denn wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, wird die Angabe vom angesprochenen Verkehr nicht als Herkunftshinweis, sondern als inhaltliche Aussage, als witziges Statement, mit dem sowohl auf die Art des Produkts (Jutebeutel) angespielt als auch ein kurzes positives Motto propagiert wird. Darin liegt gerade der Witz der Angabe bzw. der Pfiff des so gestalteten Produkts. Dies gilt auch bei Berücksichtigung der maßgeblichen Kennzeichnungsgewohnheiten.

(2.1) Entgegen der Ansicht der Beklagten kann vorliegend nicht auf die Kennzeichnungsgewohnheiten im Bekleidungssektor und die dazu vorliegende Rechtsprechung zur markenmäßigen Verwendung von Aufdrucken auf Bekleidungsstücken abgestellt werden.

Gegenstand dieser Rechtsprechung war u.a. die Verwendung von Aufdrucken auf der Brust- und/oder Rückseite von T-Shirts und Sweatshirts (vgl. BGH, GRUR-RR 2016, 118, Rn. 5 ff. – Tussi ATTACK; OLG Hamburg, Urteil vom 14.08.2002, 5 U 195/02, Rn. 9 – Angel; OLG Hamburg, Urteil vom 20.02.2002, 5 U 187/01, Rn. 5 – Zicke II; OLG Hamburg, Urteil vom 30.01.2002, 5 U 160/01, Rn. 5 – Zicke I). Ob der Verkehr ein auf einem Bekleidungsstück angebrachtes Zeichen als Hinweis auf die Herkunft des Bekleidungsstücks oder als bloßes dekoratives Element auffasst, kann danach je nach der Art und der Platzierung des Zeichens variieren. Dagegen ist davon auszugehen, dass der Verkehr in Zeichen, die sich auf eingenähten Etiketten auf der Innenseite von Bekleidungsstücken befinden, regelmäßig einen Herkunftshinweis sehen wird (BGH, GRUR 2018, 932, Rn. 18 – #darferdas?). Erforderlich ist in jedem Einzelfall die Feststellung, dass der angesprochene Verkehr in der konkret in Rede stehenden Art der Verwendung einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller des in Rede stehenden Kleidungsstücks erblickt (BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 26 – Slim fit Hose SAM).

Die für einen Teil der Bekleidungsbranche festgestellte Praxis der Markenverwendung und das dadurch geprägte Verkehrsverständnis ermöglichen jedoch keine tragfähigen Rückschlüsse auf die Kennzeichnungsgewohnheiten und das darauf beruhende Verkehrsverständnis in anderen Branchen, insbesondere nicht im Bereich von Stoffbeuteln der streitgegenständlichen Art. (2.2)

Die Beklagte hat im Hinblick auf die Kennzeichnungsgewohnheiten weiter vorgetragen, dass es üblich sei, Marken auf Taschen und Beuteln anzubringen. Dies gelte beispielsweise bei Einkaufsbeuteln und –tüten des Einzelhandels, die regelmäßig mit Markenzeichen versehen seien.

Dieser Vortrag ist nicht geeignet darzulegen, das der angesprochene Verkehr auch die hier streitgegenständliche Angabe „ALLET JUTE“ als Herkunftshinweis und damit als Marke versteht. Der allgemein gehaltene Vortrag zu Verwendung von Marken auf Taschen und Beuteln ist schon nicht hinreichend konkret, um die von der Beklagten gezogenen Schlüsse auf das Verkehrsverständnis bezüglich der hier streitgegenständlichen Angabe zu ermöglichen. Auch der Vortrag zur Verwendung von Marken auf den Einkaufsbeuteln und Einkaufstüten des Einzelhandels ist insoweit unergiebig. Zwar mögen in diesem Rahmen Produkt- und Handelsmarken sowie auch die Unternehmenskennzeichen der jeweiligen Anbieter Verwendung finden. Vorliegend handelt es sich jedoch ganz offensichtlich nicht um diese Art Kennzeichen. Dass der Verkehr auch im Hinblick auf solche Angaben daran gewöhnt wäre, in den auf den Beuteln angebrachten Angaben einen Herkunftshinweis zu sehen, ist weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Mithin kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin die Angabe „ALLET JUTE“ – nach dem Verständnis des angesprochenen Verkehrs – markenmäßig verwendet hätte.

4. Da es mangels markenmäßiger Verwendung der Angabe „ALLET JUTE“ an einer Verletzung der Unionsmarke „Allet Jute“ fehlt, steht der Beklagten der gegen die Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von € 1.430,38 nicht zu. Das Landgericht hat der negativen Feststellungsklage somit zu Recht entsprochen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist unbegründet und ist daher nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand zurückzuweisen.

III. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die von der Beklagten geltend gemachten Abmahnkosten von € 1.430,38 jedenfalls überhöht sind. Zwar dürfte der von der Beklagten mit € 25.000,00 angesetzte Streitwert angemessen sein. Es kann jedoch lediglich eine 1,3 Gebühr in Ansatz gebracht werde. Auf dieser Grundlage ergeben sich lediglich Abmahnkosten in Höhe von insgesamt € 1.242,84, so dass das Verlangen der Beklagten, selbst wenn eine Verletzung ihrer Markenrechte – wie nicht – vorläge, um € 188,54 überhöht wäre."


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LG Hamburg: Art. 2 InfoSoc-RL gilt nicht für Lichtbilder im Sinne von § 72 UrhG und Ausschnitte aus Lichtbildwerken die allein keinen Werkscharakter aufweisen

LG Hamburg
Urteil vom 22.05.2020
308 S 6/18


Das LG Hamburg hat entscheiden, dass Art. 2 InfoSoc-RL gilt nicht für Lichtbilder im Sinne von § 72 UrhG und Ausschnitte aus Lichtbildwerken die allein keinen Werkscharakter aufweisen.

Das Gericht hat die Revision zum BGH zugelassen.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehen die von ihr geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Sie folgen insbesondere nicht aus §§ 97 ff. UrhG. Der Beklagte hat die ausschließlichen Nutzungsrechte der Klägerin an der streitgegenständlichen Fotografie nicht verletzt.

a) Es liegt keine rechtswidrige Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG vor.

aa) Die von der Klägerin als Klagemuster angeführte Fotografie genießt Schutz als Lichtbildwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG. Die sorgsam gestaltete Bildkomposition, die insbesondere in dem gewählten Bildausschnitt und der offensichtlich gezielt eingesetzten Verteilung von Schärfe im Bildvordergrund und Unschärfe im Bildhintergrund ihren Ausdruck gefunden hat, bringt ein für die Eröffnung von Werkschutz ausreichendes Maß an persönlicher geistiger Schöpfung zum Ausdruck.

Zudem kann sich eine Vervielfältigungshandlung im Sinne des § 16 UrhG auch auf einzelne Teile eines Werkes beschränken, sofern der betreffende Werkteil auch für sich genommen urheberrechtlich schutzfähig ist (Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 16, Rn. 9). Letzteres ist vorliegend der Fall. Zwar hat das Amtsgericht zu Recht ausgeführt, dass dem fraglichen Bildausschnitt – der aus dem Bildhintergrund herausgelösten Abbildung des Soldaten – für sich genommen kein Werkschutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG zugebilligt werden kann. Die Abbildung des Soldaten weist für sich genommen weder im Hinblick auf das Motiv noch bezüglich des Blickwinkels, der Verteilung von Licht und Schatten, des Zusammenspiels von Schärfen und Unschärfen oder sonstigen gestalterischen Elementen Besonderheiten auf, in denen ein besonderer schöpferischer Gehalt zum Ausdruck kommt. Der fragliche Bildausschnitt genießt jedoch Lichtbildschutz nach § 72 UrhG, denn nach dieser Vorschrift sind auch kleinste Teile eines Fotos urheberrechtlich schutzfähig. Auf eine hinreichende Individualität kommt es insoweit nicht an, es genügt allein die rein technische Leistung (Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 72, Rn. 15).

Das Amtsgericht hat ebenfalls zu Recht festgestellt, dass die angegriffene Gestaltung des Beklagten als freie Benutzung im Sinne des § 24 UrhG zulässig ist. Bei der Prüfung, ob eine Bearbeitung i.S.v. § 23 UrhG oder eine freie Benutzung nach § 24 UrhG vorliegt, kommt es auf die Übereinstimmung im Bereich der objektiven Merkmale an, durch die die schöpferische Eigentümlichkeit des Originals bestimmt wird. Es ist deshalb durch Vergleich der sich gegenüberstehenden Werke zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eigenschöpferische Züge des älteren Werkes übernommen worden sind. Maßgebend dabei ist ein Vergleich des jeweiligen Gesamteindrucks der Gestaltungen, in dessen Rahmen sämtliche übernommenen schöpferischen Züge in einer Gesamtschau zu berücksichtigen sind (BGH GRUR 2016, 1157, Rn. 21 – auf fett getrimmt; BGH, GRUR 2015, 1189, Rn. 41, 72 – Goldrapper; BGH, GRUR 2014, 258, Rn. 40 - Pippi-Langstrumpf-Kostüm I). Beschränkt sich die Vervielfältigung auf einen Teil des Werkes, ist bei dieser Prüfung nicht das gesamte Werk, sondern allein der vervielfältigte Teil des Werkes der neuen Gestaltung gegenüberzustellen (BGH, GRUR 2017, 390, Rn. 46 - East Side Gallery). Für die Abgrenzung zwischen einer (unfreien) Bearbeitung i.S.d. § 23 UrhG und einem in freier Benutzung geschaffenen Werk gem. § 24 UrhG, das ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werks veröffentlicht und verwertet werden darf, kommt es auf den Abstand an, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes hält. Von einer freien Benutzung im Sinne dieser Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere dann auszugehen, wenn für ein neues Werk zwar eigenpersönliche Züge eines geschützten älteren Werkes übernommen werden, diese aber angesichts der Eigenart des neuen Werkes in der Weise verblassen, dass die Benutzung des älteren Werkes durch das neuere nur noch als Anregung zu einem neuen, selbstständigen Werkschaffen erscheint (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 28.07.2016 – I ZR 9/15, GRUR 2016, 1157, Rn. 19 ff. – Auf fett getrimmt). Darauf kommt es vorliegend allerdings bereits nicht an, da nach den obigen Ausführungen der in Rede stehende Ausschnitt des Klagemusters schon keine eigenpersönlichen Züge aufweist, die einen eigenständigen Werkschutz begründen könnten. Vielmehr kann sich die Klägerin insoweit – wie bereits ausgeführt – nur auf den Lichtbildschutz des § 72 UrhG berufen. Wird eine auf einem bloßen Lichtbild abgebildete Person abgemalt, liegt angesichts des geringen Schutzumfanges des § 72 UrhG regelmäßig eine freie Benutzung im Sinne des § 24 UrhG vor, denn die fotografierte Person hat der Fotograf nicht geschaffen, sodass er an deren Umrissen und Gestalt grundsätzlich keine Rechte besitzt (so: Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 72, Rn. 17, i.V.m. § 24, Rn. 36, unter Berufung auf HansOLG, Urt. v. 12.10.1995 – 3 U 140/95, ZUM 1996, 315, 316 f. – Big Nudes). Eine andere Beurteilung kann insoweit allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn außer der fotografierten Person auch die besonderen Gestaltungsmittel der Fotografie (Licht und Schatten, Grautöne, Schärfen und Unschärfen etc.) und die ggf. individuelle Auswahl und Anordnung des Motivs (Gruppierung von mehreren Personen, Wahl des Blickwinkels etc.) in der Zeichnung wiederkehren (Schulze, a.a.O.). Dies ist vorliegend jedoch schon deshalb nicht der Fall, weil, wie bereits ausgeführt, die streitgegenständliche Fotoaufnahme des aus dem Bildhintergrund herausgelösten Soldaten keine derartigen besonderen Gestaltungsmittel aufweist. Hinzu kommt, dass der Beklagte durch die Art und Weise seiner „Übersetzung“ des Fotos in eine sehr kontrastreiche Schwarz-Weiß-Zeichnung mit eher geringer Detailgenauigkeit gegenüber der Abbildung des Soldaten im Klagemuster eine erhebliche Abstrahierung und Entpersonalisierung herbeigeführt und zudem durch die Hinzufügung des Textelementes („Und ob ich schon wanderte...“) auch einen neuen Assoziationsansatz geschaffen hat, wodurch sich sein Motiv im Ergebnis noch weiter von der Ausgangsabbildung entfernt hat.

bb) Die Regelungen der InfoSoc-Richtlinie stehen diesem Ergebnis nicht entgegen.

Zwar darf nach der Rechtsprechung des EuGH ein Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht keine Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die Vervielfältigungsrechte gemäß Art. 2 InfoSoc-RL vorsehen, die nicht in Art. 5 dieser Richtlinie vorgesehen sind (so in Bezug auf das Recht des Tonträgerherstellers gemäß Art. 2 lit. c) der InfoSoc-Richtlinie: EuGH Urt. v. 29.07.2019 – C-476/17, BeckRS 2019, 15823, Rn. 65 – Sampling als unerlaubte Vervielfältigung).

Die vorliegend erfolgte Übernahme der aus dem Bildhintergrund herausgelösten Figur des Soldaten fällt jedoch schon gar nicht in den Schutzbereich des Art. 2 InfoSoc-RL. Zwar betrifft das Vervielfältigungsrecht nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 2 InfoSoc-RL auch Vervielfältigungen von Teilen des jeweiligen (Gesamt-)Schutzgegenstands. Dies gilt auch für Werke, da dem Richtlinienrecht insoweit nichts Gegenteiliges zu entnehmen ist. Die vervielfältigten Teile müssen dann jedoch Elemente enthalten, die die eigene geistige Schöpfung des Urhebers zum Ausdruck bringen (vgl. EuGH, EuZW 2009, 655, Rn. 39 - Infopaq; Leenen, in: Wandtke/Bullinger, InfoSoc-RL, 5. Aufl., Art. 2, Rn. 10 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr enthält – wie bereits ausgeführt – die aus dem Bildhintergrund herausgelösten Figur des Soldaten gerade keine eigenschöpferischen Elemente und kann daher keinen Werkschutz, sondern nur den Lichtbildschutz des § 72 UrhG in Anspruch nehmen.

In Art. 2 lit. b)-e) InfoSoc-RL wird das Vervielfältigungsrecht zwar über den Werkschutz hinaus auch auf weitere Schutzgegenstände erstreckt, nämlich auf:


- Aufzeichnungen der Darbietungen ausübender Künstler (lit. b),

- von Tonträgerherstellern hergestellte Tonträger (lit. c),

- Originale und Vervielfältigungsstücke von Filmen (lit. d) und

- Sendungsaufzeichnungen von Sendeunternehmen (lit. e).

Lichtbilder im Sinne des § 72 UrhG sind in diesem Schutzkatalog aber gerade nicht aufgeführt. Darin liegt zugleich der wesentliche Unterschied zum Sachverhalt der oben zitierten Sampling-Entscheidung des EuGH, denn im dortigen Fall unterfiel auch noch das streitgegenständliche Audiofragment dem unmittelbaren Schutz der InfoSoc-RL, nämlich als Teil einer Tonträgeraufnahme im Sinne des Art. 2 lit. c) InfoSoc-RL.

Eine Übertragung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf reine Lichtbilder ist auch nicht deshalb vorzunehmen, weil Lichtbilder nach § 72 Abs. 1 UrhG „in entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Teils 1“ geschützt werden. Zwar bringt der Gesetzgeber hierdurch zum Ausdruck, dass der Schutz von Lichtbildwerken und von Lichtbildern – bis auf die in § 72 Abs. 2 und Abs. 3 UrhG enthaltenen Besonderheiten – weitgehend übereinstimmend geregelt werden soll. Dass sich eine in Bezug auf Lichtbildwerke notwendige richtlinienkonforme Auslegung des § 24 UrhG auch auf Lichtbilder erstreckt, folgt hieraus aber nicht. Da der deutsche Gesetzgeber bei den Regelungen zu Lichtbildern nicht die Vorgaben der genannten Richtlinien beachten muss, ist ohne eine Gesetzesänderung nicht davon auszugehen, dass europarechtlich erforderliche Beschränkungen des Anwendungsbereichs des § 24 UrhG auch für Lichtbilder gelten.

b) Aus den gleichen Gründen sind vorliegend auch eine rechtswidrige Verbreitung (§ 17 UrhG) und ein rechtswidriges öffentliches Zugänglichmachen (§ 19a UrhG) durch den Beklagten zu verneinen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Revisionszulassung beruht auf § 543 ZPO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Fragen, ob sich der Schutzbereich des Art. 2 InfoSoc-RL auch auf bloße Fragmente aus Lichtbildwerken erstreckt, die für sich genommen nur Schutz gemäß § 72 UrhG beanspruchen können, und wie sich dies auf die Anwendbarkeit des § 24 UrhG auswirkt, können sich in einer Vielzahl weiterer Fälle stellen, sind höchstrichterlich aber noch nicht geklärt.



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