Skip to content

OLG Hamm: Für karitative Tätigkeit der evangelischen Kirche (hier: Betrieb eines Krankenhauses) gilt kirchliches Datenschutzrecht und nicht die DSGVO

OLG Hamm
Beschluss vom 23.09.2022
26 W 6/22


Das OLG Hamm hat entschieden, dass für die karitative Tätigkeit der evangelischen Kirche (hier: Betrieb eines Krankenhauses) gilt kirchliches Datenschutzrecht und nicht die DSGVO.

Aus den Entscheidungsgründen:
(3) In der Sache selbst hat das Landgericht mit zutreffender und ausführlicher Begründung - welcher sich der Senat anschließt - dargelegt, dass der Klägerin gegen die Beklagte keine Ansprüche gem. Art. 15, 82 DS-GVO zugestehen, da die DS-GVO vorliegend nicht anwendbar ist. Auf die entsprechenden Ausführungen wird insoweit vorab Bezug genommen.

Gem. Art. 91 DS-GVO dürfen, wenn eine Kirche oder eine religiöse Vereinigung oder Gemeinschaft in einem Mitgliedstaat zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung umfassende Regeln zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung anwendet, diese Regeln weiter angewandt werden, sofern sie mit dieser Verordnung in Einklang gebracht werden.

Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, folgt hieraus, dass die kirchenrechtlichen Datenschutzregeln vorrangig anwendbar sind, wenn sie mit der DS-GVO in Einklang gebracht werden können und bereits vor Inkrafttreten der DS-GVO bestanden. Dies ist bei dem DSG-EKD der Fall (vgl. BeckOK DatenschutzR/Mundil, 41. Ed. 1.11.2021, DS-GVO Art. 91 Rn. 18a; Gola DS-GVO/Gola, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 91 Rn. 11). Die Beklagte als Trägerin von diakonischen Krankenhäusern fällt aufgrund ihres Bezugs zur Evangelischen Kirche unter das Merkmal „Kirche“, auch wenn es sich bei ihr um eine selbständige, privatrechtlich (nämlich als GmbH) organisierte Einrichtung der Kirche handelt.

Der Senat schließt sich hierbei der Ansicht des Landgerichts an, dass von den zahlreichen vertretenen Auffassungen (vgl. nur: Preuß ZD 2015, 217, 222) vorliegend mit der differenzierenden Ansicht darauf abzustellen ist, ob es sich bei der Tätigkeit der Beklagten um eine solche aus dem Kernbereich der Kirche handelt, was vorliegend zu bejahen ist. Hierfür spricht, dass sich zunächst aus Art. 91 DS-GVO selbst keine Einschränkung ableiten lässt. Der Anwendungsbereich ist entsprechend weit auszulegen (BeckOK DatenschutzR/Mundil, 41. Ed. 1.11.2021, DS-GVO Art. 91 Rn. 15). Dementsprechend wird vertreten, dass auch Tätigkeiten von Religionsgemeinschaften von Art. 17 Abs. 1 AEUV umfasst sind, wenn auch nur in sehr restriktivem Maße. Eine typische Tätigkeit von Religionsgemeinschaften ist bspw. der Betrieb von karitativen Krankenhäusern. Träger dieser kirchlichen Krankenhäuser ist jedoch zumeist eine GmbH. Folglich handelt es sich um privatrechtliche Einrichtungen einer Religionsgemeinschaft. Es lässt sich demnach vertreten, dass auch privatrechtliche Einrichtungen von Religionsgemeinschaften in den Schutzbereich des Art. 17 AEUV fallen und damit auch nach Art. 91 vom Anwendungsbereich der DS-GVO ausgenommen und dem kirchlichen Datenschutz unterstellt sind (vgl. Paal/Pauly/Pauly, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 91 Rn. 10).

Der vorliegende karitative Betrieb des Krankenhauses der Beklagten unterliegt nicht dem Anwendungsbereich der DS-GVO. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist hierbei zu berücksichtigen, ob nach kirchlichem Selbstverständnis durch den Betrieb des Krankenhauses eine dem religiösen Auftrag der Kirche entsprechende und dem Zweck kirchlicher Fürsorge gegenüber den Menschen dienende Aufgabe erfüllt werden soll. Dabei ist nicht nur dann der Kernbereich kirchlicher Aufgaben betroffen, wenn es um direkte Seelsorge geht. Entscheidend ist, ob die Kirche mit der Einrichtung ihren Aufgaben gerecht werden will. Hierzu gehören nach dem Selbstbild der Kirche insbesondere auch karitative und fürsorgliche Aufgaben, wozu nicht nur ehrenamtliche bzw. unentgeltliche Betreuungsaufgaben zählen, sondern auch der notwendigerweise wirtschaftliche Betrieb von Betreuungsangeboten für hilfsbedürftige Menschen, wie z.B. von Kindergärten, Alten- und Pflegeheimen und Krankenhäusern. Dies ist vorliegend der Fall. Zutreffend hat das Landgericht insoweit auch darauf verwiesen, dass sich der karitative Aspekt der kirchlichen Trägerschaft auch aus den eigenen Ausführungen der Beklagten auf ihrer Krankenhaus-Homepage ergibt. Dort wird unter der Rubrik „über uns“ die persönliche Zuwendung als eine ihrer besonderen Stärken bezeichnet, wobei sich aus dem grundlegenden christlichen Selbstverständnis – dem Dienst am Menschen – die hohe Qualität von Pflege und Medizin ableite. Als evangelische Einrichtung sei das Unternehmen fest in einem christlichen Weltbild verankert.

4) Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss von 14.01.2021 – 1 BvR 2853/19, NJW 2021, 1005) der Ansicht ist, die vorliegende Rechtsfrage sei von grundsätzlicher Bedeutung für das vollvereinheitliche europäische Datenschutzrecht und bedürfe damit letztlich einer Klärung durch den Europäischen Gerichtshof, hält der Senat eine Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht für geboten. Im dortigen Fall ging es um die Auslegung des Schadensbegriffs aus Art. 82 I DS-GVO. Vorliegend ist die DS-GVO jedoch bereits aufgrund tatsächlicher Umstände nicht anwendbar.

5) Schließlich hat das Landgericht auch zutreffend ausgeführt, dass das Begehren der Klägerin auch nicht als ein Auskunftsbegehren nach § 19 DSG-EKD ausgelegt werden konnte. Zum einen steht dem bereits der Wortlaut der Anträge entgegen, in denen sie ihr Begehren nur auf die DS-GVO stützt, zum anderen hat die Klägerin deutlich gemacht, dass sie eine Auskunft nach dem DSG-EKD ausdrücklich nicht begehrt.

Entsprechend war der Klägerin mangels Erfolgsaussicht die begehrte weitere Prozesskostenhilfe zu verweigern.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



VG Hannover: Selbstständige Evangelisch-lutherische Kirche unterliegt den Vorgaben der DSGVO und der Aufsicht durch Landesdatenschutzbehörde

VG Hannover
Urteil vom 30.11.2022
10 A 1195/21


Das VG Hannover hat entschieden, dass die Selbstständige Evangelisch-lutherische Kirche den Vorgaben der DSGVO und der Aufsicht durch die Landesdatenschutzbehörde unterliegt.

SELK unterliegt der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und der Aufsicht durch die Nds. Landesdatenschutzbeauftragte

10. KAMMER WEIST KLAGE EINER KIRCHE GEGEN LANDESBEAUFTRAGTE FÜR DEN DATENSCHUTZ NIEDERSACHSEN AB

Die 10. Kammer hat auf die mündliche Verhandlung vom heutigen Tage die auf die Feststellung gerichtete Klage, dass die Klägerin zum einen nicht der Datenschutzgrundverordnung unterfalle, sondern eigene Datenschutzvorschriften erlassen dürfe, und zum anderen nicht der Aufsicht durch die Landesdatenschutzbeauftragte in Niedersachsen unterliege, abgewiesen.

Die Klägerin ist eine Kirche in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Bundesweit gehören ihr 150 Kirchengemeinden mit ca. 32.000 Mitgliedern an.

Bereits 1993 setzte sie die "Richtlinie über den Datenschutz in der Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche" mit Teilregelungen zum Datenschutz in Kraft. 2018 beschloss die Klägerin eine neue Richtlinie, die im Wesentlichen dem Kirchengesetz über den Datenschutz der Evangelischen Kirche in Deutschland entspricht.

In der Folgezeit kam es zu Meinungsverschiedenheiten über die Anwendbarkeit der eigenen Datenschutzregeln und die Datenschutzaufsicht zwischen den Beteiligten, infolge derer die Klägerin Feststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht erhob.

Die Klägerin begründete ihre Klage damit, dass sie aufgrund von Art. 91 Abs. 1 DSGVO berechtigt sei, eigene Datenschutzvorschriften in Kraft zu setzen und daher nicht der Anwendung der DSGVO unterliege. Infolgedessen sei sie nach Art. 91 Abs. 2 DSGVO berechtigt, eine eigene Aufsichtsbehörde einzurichten. Die Landesdatenschutzbeauftragte sei nicht zur Aufsicht berechtigt.

Das Gericht ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Die Voraussetzungen der Vorschrift seien nicht gegeben. Die Klägerin habe zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der DSGVO, auf den es maßgeblich ankomme, lediglich rudimentäre Regelungen zum Datenschutz in Kraft gehabt, die die Anforderungen an umfassende Datenschutzvorschriften i.S.d. Art. 91 Abs. 1 DSGVO nicht erfüllten. Art. 91 Abs. 1 DSGVO sei als Bestandsvorschrift ausgestaltet. Angesichts des klaren Wortlaut und des Sinns und Zwecks der Norm sei sie auch abschließend zu verstehen. Darin liege kein Verstoß gegen Unionsrecht. Der EuGH habe in ständiger Rechtsprechung deutlich gemacht, dass die Anwendung der Vorschriften des Unionsrechts über den Datenschutz keinen Eingriff in die organisatorische Autonomie der Religionsgemeinschaften, Art. 17 AEUV, darstelle. Soweit die Klägerin aber bereits nach Art. 91 Abs. 1 DSGVO nicht berechtigt sei, eigene Datenschutzregeln weiter anzuwenden, sei sie nach Art. 91 Abs. 2 DSGVO auch nicht berechtigt, eine eigene Aufsichtsbehörde einzurichten. Sie unterfalle damit der Aufsicht der Beklagten.

Gegen das Urteil kann vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg binnen eines Monats nach Vorliegen der vollständigen Entscheidungsgründe die Zulassung der Berufung beantragt werden.

Urteil vom 30.11.2022 - Az. 10 A 1195/21



Neue Regeln für Verwertungsgesellschaften - Verwertungsgesellschaftengesetz tritt am 01.06.2016 in Kraft

Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/26/EU über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt sowie zur Änderung des Verfahrens betreffend die Geräte- und Speichermedienvergütung (VG-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) wurde heute im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

Das Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) tritt am 1. Juni 2016 in Kraft.

Die Pressemitteilung des DPMA:

Das Verwertungsgesellschaftengesetz tritt am 1. Juni 2016 in Kraft - Neue Rechtsgrundlage für die Aufsicht über Verwertungsgesellschaften durch das DPMA

München. Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) ist seit mehr als 50 Jahren die Aufsichtsbehörde über Verwertungsgesellschaften in Deutschland. Ab morgen stützt das DPMA diese Tätigkeit auf das neue "Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten durch Verwertungsgesellschaften (Verwertungsgesellschaftengesetz - VGG)". Das Gesetz ist am 31. Mai 2016 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I S. 1190) verkündet worden. Zeitgleich mit dem Inkrafttreten des VGG wird das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz aus dem Jahr 1965 aufgehoben.

Cornelia Rudloff-Schäffer, Präsidentin des DPMA: "Das heute verkündete Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) erweitert unsere Aufgaben und Befugnisse, und die Verwertungsgesellschaften müssen umfassendere Informations- und Transparenzpflichten erfüllen. Wir freuen uns auch auf den künftigen Austausch mit anderen nationalen Aufsichtsbehörden, der einer der wesentlichen Bausteine der erweiterten Zusammenarbeit in Europa sein wird."

Der Bundestag hat mit dem VGG die "Richtlinie 2014/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt" (VG-Richtlinie) in deutsches Recht umgesetzt. Das VGG regelt die Rechte und Pflichten der Verwertungsgesellschaften, der Rechtsinhaber (z.B. Urheber und ausübende Künstler) und der Nutzer (z.B. Sendeunternehmen) detailliert, beispielsweise bei der Mitwirkung der Wahrnehmungsberechtigten in der Verwertungsgesellschaft. Neu sind Regelungen für die gebietsübergreifende Vergabe von Online-Rechten an Musikwerken durch Verwertungsgesellschaften.

Das DPMA als Aufsichtsbehörde des Bundes hat darauf zu achten, dass die Verwertungsgesellschaften ihren gesetzlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß nachkommen. Von der Aufsicht umfasst sind jetzt auch weitere Organisationen - die so genannten abhängigen und unabhängigen Verwertungseinrichtungen. Mit den Aufsichtsbehörden anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union arbeitet das DPMA künftig zusammen und tauscht Informationen aus.


BVerfG: ZDF-Staatsvertrag in Teilen verfassungswidrig - Gebot der Staatsferne - Einfluss der Politik muss verringert werden

BVerfG
Urteil vom 25.03.2014
1 BvF 1/11
1 BvF 4/11


Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der ZDF-Staatsvertrag in Teilen verfassungswidrig ist. Aus dem Gebot der Staatsferne folgt, dass der Einfluss der Politik auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verringert werden muss.

Leitsätze des BVerfGs:

1. Die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG am Gebot der Vielfaltsicherung auszurichten. Danach sind Personen mit möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens einzubeziehen.

a) Der Gesetzgeber hat dafür zu sorgen, dass bei der Bestellung der Mitglieder dieser Gremien möglichst unterschiedliche Gruppen und dabei neben großen, das öffentliche Leben bestimmenden Verbänden untereinander wechselnd auch kleinere Gruppierungen Berücksichtigung finden und auch nicht kohärent organisierte Perspektiven abgebildet werden.

b) Zur Vielfaltsicherung kann der Gesetzgeber neben Mitgliedern, die von gesellschaftlichen Gruppen entsandt werden, auch Angehörige der verschiedenen staatlichen Ebenen einbeziehen.

2. Die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss als Ausdruck des Gebots der Vielfaltsicherung dem Gebot der Staatsferne genügen. Danach ist der Einfluss der staatlichen und staatsnahen Mitglieder in den Aufsichtsgremien konsequent zu begrenzen.

a) Der Anteil der staatlichen und staatsnahen Mitglieder darf insgesamt ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen.

b) Für die weiteren Mitglieder ist die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konsequent staatsfern auszugestalten. Vertreter der Exekutive dürfen auf die Auswahl der staatsfernen Mitglieder keinen bestimmenden Einfluss haben; der Gesetzgeber hat für sie Inkompatibilitätsregelungen zu schaffen, die ihre Staatsferne in persönlicher Hinsicht gewährleisten.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: