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EuGH-Generalanwalt: Haftung und Höhe des Schadensersatzes nach Art. 82 DGVO richten sich nicht nach dem Grad des Verschuldens des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 25.05.2023
C‑667/21


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass sich Haftung und Höhe des Schadensersatzes nach Art. 82 DGVO nicht nach dem Grad des Verschuldens des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters richten.

Ergebnis des EuGH-Generalanwalts:
Art. 9 Abs. 2 Buchst. h und Abs. 3 sowie Art. 82 Abs. 1 und 3 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung),

sind dahin auszulegen, dass

es einem Medizinischen Dienst einer Krankenkasse nicht untersagt ist, Gesundheitsdaten seines Arbeitnehmers, die Voraussetzung für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit dieses Arbeitnehmers sind, zu verarbeiten.

Sie lassen eine Ausnahme vom Verbot der Verarbeitung personenbezogener Gesundheitsdaten zu, wenn diese Verarbeitung zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers erforderlich ist; dabei sind die in Art. 5 genannten Grundsätze sowie eine der in Art. 6 der Verordnung 2016/679 genannten Bedingungen für die Rechtmäßigkeit einzuhalten.

Der Grad des Verschuldens des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters ist weder für deren Haftung noch für die Bemessung der Höhe des nach Art. 82 Abs. 1 der Verordnung 2016/679 zu ersetzenden immateriellen Schadens von Bedeutung.

Die Beteiligung der betroffenen Person an dem Umstand, aus dem sich die Verpflichtung zum Schadenersatz ergibt, kann je nach Lage des Falles zu einer Befreiung des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters von der Haftung gemäß Art. 82 Abs. 3 der Verordnung 2016/679 führen.

Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:


EuGH: Fehlende Vereinbarung nach Art. 26 DSGVO und fehlendes Verarbeitungsverzeichnis nach Art. 30 DSGVO führt nicht zur Unrechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten

EuGH
Urteil vom 04.05.2023
C‑60/22


Der EuGH hat entschieden, dass eine fehlende Vereinbarung nach Art. 26 DSGVO und ein fehlendes Verarbeitungsverzeichnis nach Art. 30 DSGVO nicht zur Unrechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten führt.

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 17 Abs. 1 Buchst. d und Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung)

sind dahin auszulegen, dass

der Verstoß eines Verantwortlichen gegen die Pflichten aus den Art. 26 und 30 dieser Verordnung über den Abschluss einer Vereinbarung zur Festlegung der gemeinsamen Verantwortung für die Verarbeitung bzw. das Führen eines Verzeichnisses von Verarbeitungstätigkeiten keine unrechtmäßige Verarbeitung darstellt, die der betroffenen Person ein Recht auf Löschung oder auf Einschränkung der Verarbeitung verleiht, weil dieser Verstoß als solcher nicht bedeutet, dass der Verantwortliche gegen den Grundsatz der „Rechenschaftspflicht“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Verordnung verstößt.

2. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass dann, wenn ein für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortlicher gegen seine Pflichten aus den Art. 26 oder 30 der Verordnung 2016/679 verstoßen hat, die Einwilligung der betroffenen Person keine Voraussetzung dafür darstellt, dass die Berücksichtigung dieser Daten durch ein nationales Gericht rechtmäßig ist.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Vorlagebeschluss liegt im Volltext vor - BAG legt EuGH Fragen zur Auslegung von Art. 82 DSGVO und Art. 88 DGSVO vor

BAG
Beschluss vom 22.09.2022
8 AZR 209/21


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BAG legt EuGH Fragen zur Auslegung von Art. 82 DSGVO und Art. 88 DGSVO vor - Immaterieller Schadensersatz bei Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses" über die Entscheidung berichtet.

Tenor der Entscheidung:

I. Der Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über die Fragen ersucht:

1. Ist eine nach Art. 88 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden DSGVO) erlassene nationale Rechtsvorschrift – wie etwa § 26 Abs. 4 Bundesdatenschutzgesetz, im Folgenden BDSG -, in der bestimmt ist, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten – einschließlich besonderer Kategorien personenbezogener Daten – von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses auf der Grundlage von Kollektivvereinbarungen unter Beachtung von Art. 88 Abs. 2 DSGVO zulässig ist, dahin auszulegen, dass stets auch die sonstigen Vorgaben der DSGVO – wie etwa Art. 5, Art. 6 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO – einzuhalten sind?

2. Sofern die Frage zu 1. bejaht wird:

Darf eine nach Art. 88 Abs. 1 DSGVO erlassene nationale Rechtsvorschrift – wie § 26 Abs. 4 BDSG – dahin ausgelegt werden, dass den Parteien einer Kollektivvereinbarung (hier den Parteien einer Betriebsvereinbarung) bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung im Sinne der Art. 5, Art. 6 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO ein Spielraum zusteht, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist?

3. Sofern die Frage zu 2. bejaht wird:

Worauf darf in einem solchen Fall die gerichtliche Kontrolle beschränkt werden?

4. Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen, dass Personen ein Recht auf Ersatz des immateriellen Schadens bereits dann haben, wenn ihre personenbezogenen Daten entgegen den Vorgaben der DSGVO verarbeitet wurden oder setzt der Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens darüber hinaus voraus, dass die betroffene Person einen von ihr erlittenen immateriellen Schaden – von einigem Gewicht – darlegt?

5. Hat Art. 82 Abs. 1 DSGVO spezial- bzw. generalpräventiven Charakter und muss dies bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO zulasten des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters berücksichtigt werden?

6. Kommt es bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO auf den Grad des Verschuldens des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters an? Insbesondere, darf ein nicht vorliegendes oder geringes Verschulden auf Seiten des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters zu dessen Gunsten berücksichtigt werden?

II. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Internet World Business-Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann - "DSGVO-Konform: So vermeiden Sie die größten Datenfallen"

In Ausgabe 9/22, S. 54-55 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel "DSGVO-Konform: So vermeiden Sie die größten Datenfallen" zum datenschutzkonformen Umgang mit Kundendaten.

BAG legt EuGH Fragen zur Auslegung von Art. 82 DSGVO und Art. 88 DGSVO vor - Immaterieller Schadensersatz bei Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses

BAG
Beschluss vom 22.09.2022
8 AZR 209/21


Der BAG hat dem EuGH Fragen zur Auslegung von Art. 82 DSGVO und Art. 88 DSGVO zur Entscheidung vorgelegt. Es geht dabei um die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses und möglichen Ansprüchen auf immateriellen Schadensersatz.

Die Vorlagefragen:

I. Der Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über die Fragen ersucht:

1. Ist eine nach Art. 88 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden DSGVO) erlassene nationale Rechtsvorschrift – wie etwa § 26 Abs. 4 Bundesdatenschutzgesetz, im Folgenden BDSG – in der bestimmt ist, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten – einschließlich besonderer Kategorien personenbezogener Daten – von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses auf der Grundlage von Kollektivvereinbarungen unter Beachtung von Art. 88 Abs. 2 DSGVO zulässig ist, dahin auszulegen, dass stets auch die sonstigen Vorgaben der DSGVO – wie etwa Art. 5, Art. 6 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO – einzuhalten sind?

2. Sofern die Frage zu 1. bejaht wird:
Darf eine nach Art. 88 Abs. 1 DSGVO erlassene nationale Rechtsvorschrift – wie § 26 Abs. 4 BDSG – dahin ausgelegt werden, dass den Parteien einer Kollektivvereinbarung (hier den Parteien einer Betriebsvereinbarung) bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung im Sinne der Art. 5, Art. 6 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO ein Spielraum zusteht, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist?

3. Sofern die Frage zu 2. bejaht wird:
Worauf darf in einem solchen Fall die gerichtliche Kontrolle beschränkt werden?

4. Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen, dass Personen ein Recht auf Ersatz des immateriellen Schadens bereits dann haben, wenn ihre personenbezogenen Daten entgegen den Vorgaben der DSGVO verarbeitet wurden oder setzt der Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens darüber hinaus voraus, dass die betroffene Person einen von ihr erlittenen immateriellen Schaden – von einigem Gewicht – darlegt?

5. Hat Art. 82 Abs. 1 DSGVO spezial- bzw. generalpräventiven Charakter und muss dies bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO zulasten des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters berücksichtig werden?

6. Kommt es bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO auf den Grad des Verschuldens des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters an? Insbesondere, darf ein nicht vorliegendes oder geringes Verschulden auf Seiten des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters zu dessen Gunsten berücksichtigt werden?

II. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.



OLG Karlsruhe: US-Cloud-Anbieter bzw. deren europäische Tochterunternehmen sind nicht generell wegen fehlender DSGVO-Konformität von Vergabeverfahren auszuschließen

OLG Karlsruhe
Beschluss vom 07.09.2022
15 Verg 8/22


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass US-Cloud-Anbieter bzw. deren europäische Tochterunternehmen nicht generell wegen fehlender DSGVO-Konformität von Vergabeverfahren auszuschließen sind.

Aus den Entscheidungsgründen:
b) Das Angebot der Beigeladenen ist auch nicht auszuschließen, weil ihr Angebot von den Anforderungen der Antragsgegnerinnen an Datenschutz und IT-Sicherheit abweicht.

aa) Der öffentliche Auftraggeber darf ohne Widerspruch zu § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Bieter seine vertraglichen Zusagen erfüllen wird (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.08.2018, Verg 23/18, juris Rn. 71; KG, Beschluss vom 21.11.2014, Verg 22/13, juris, Rn. 36). Erst wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dies zweifelhaft ist, ist der öffentliche Auftraggeber gehalten, durch Einholung ergänzender Informationen die Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens beziehungsweise die hinreichende Leistungsfähigkeit des Bieters zu prüfen (OLG Düsseldorf, a.a.O.; KG, a.a.O.; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 16.06.201, 11 Verg 3/15, juris, Rn. 82; OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.11.2012, Verg W 10/12, juris Rn. 21).

bb) Die Vergabeunterlagen verlangten die softwaretechnische Einhaltung des beigefügten DS-GVO-Vertragsentwurfs (4.1.1. lit. c der Vergabeunterlagen). Weiter heißt es, „die Einzelheiten ergeben sich aus dem Leistungsverzeichnis und dem Lastenheft der Vergabeunterlagen.“ Im Lastenheft heißt es unter 2.8 „Erfüllung der Anforderungen aus der DS-GVO und dem BDSG, insbesondere

- Erfüllung der datenschutzrechtlichen Grundsätze, Art. 5, 25 DS-GVO (insbesondere Datenminimierung, Datenschutz durch Technikgestaltung, Datenschutz durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen)

- Umsetzung ausreichender technischer und organisatorischer Maßnahmen (Art. 32 DS-GVO) oder anderer geeigneter Garantien (z.B. Zertifizierung nach Art. 42 DS-GVO); Möglichkeit zur Vorortprüfung des Auftragnehmers muss gegeben sein.“

Im Lastenheft weisen die Antragsgegnerinnen darauf hin, dass die Anforderungen an die Leistungen als zum Ausschluss führende A-Kriterien und bewertungsrelevante B-Kriterien ausgestaltet sind. Danach ist allein die softwaretechnische Einhaltung des DS-GVO-Vertragsentwurfs Ausschlusskriterium (Lastenheft lfd. Nr. 19), während die DS-GVO konformen softwaretechnischen Möglichkeiten zur Berechtigungssteuerung (Lastenheft lfd. Nr. 20) und die Vorgabe, wonach die Daten ausschließlich in einem EU-/EWR-Rechenzentrum verarbeitet werden, bei dem kein Subdienstleister / Konzernunternehmen in Drittstaaten ansässig ist (Lastenheft lfd. Nr. 21), als B-Kriterien ausgestaltet.

Durch die Unterzeichnung der von den Antragsgegnerinnen vorgegebenen DS-GVO-Verträgen hat die Beigeladene erklärt, die gemachten Vorgaben einzuhalten. Sie hat zudem ihre Leistungen beim Einsatz von Dienstleistern und im Bereich von Datenschutz und IT-Sicherheit im Angebot im Einzelnen näher beschrieben und hierbei ein klares und eindeutiges Leistungsversprechen abgegeben. Sie hat in diesem Zuge zugesichert, dass personenbezogene Gesundheitsdaten ausschließlich an die A. S.à.r.l., L., übermittelt werden und auch zu ihrer Verarbeitung die EU nicht verlassen, sondern nur in Deutschland verarbeitet werden. Zudem hat die Beigeladene erklärt, dass die A. S.à.r.l., L. ihr gegenüber zugesichert habe, dass alle Daten der Beigeladenen in Deutschland verarbeitet werden und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zudem bestätigt, dass sie bis zur Angebotsverwirklichung sämtliche intern notwendigen Verträge mit A. schließen wird, die ihre Zusagen, wie sie im Angebot gemacht werden, umsetzen. Im Sinne einer solchen bindenden Zusicherung haben die Antragsgegnerinnen die Erklärungen der Beigeladenen in den Vergabeunterlagen auch verstanden. Auf dieses Leistungsversprechen dürfen die Antragsgegnerinnen vertrauen.

(1) Zweifel mussten die Antragsgegnerinnen nicht deshalb haben, weil A. Verträge im Allgemeinen unter Einbeziehung der A. DPA abschließt. Die A. DPA waren nicht Gegenstand des Angebots der Beigeladenen. Die Verträge mit A. waren nach den Vergabeunterlagen nicht vorzulegen und lagen dem Angebot auch nicht bei. Folglich bestand für die Antragsgegnerinnen keine Veranlassung, an den im Leistungsversprechen gemachten Zusicherungen zu zweifeln, weil die A. DPA möglicherweise datenschutzrechtliche Defizite aufweisen könnten, wie dies die Vergabekammer aufgezeigt hat oder weil deren Formulierung als dreiseitige Vereinbarung, in die auch die A. Inc., USA, einbezogen ist, Zweifel an der Einhaltung der DS-GVO begründen könnten. Aufgrund des im Angebot beschriebenen Leistungsversprechens und den abgegebenen Garantien in Bezug auf die konkrete Auftragsdurchführung können die Antragsgegnerinnen davon ausgehen, dass die Beigeladene sich hieran hält und ihre Verträge mit A. entsprechend gestaltet, ungeachtet etwaiger Bestimmungen in den als AGB ausgestalteten A. DPA. Die Beigeladene hat folglich dafür Sorge zu tragen, dass sie ihre Leistung entsprechend der abgegebenen Garantien umsetzt und durchführt.

(2) Anders als die Antragstellerin meint, musste nicht allein die Tatsache, dass die A. S.à.r.l ein Tochterunternehmen eines US-amerikanischen Konzerns ist, die Antragsgegnerinnen an der Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens zweifeln lassen. Die Antragsgegnerinnen mussten nicht davon ausgehen, dass es aufgrund der Konzernbindung zu rechts- und vertragswidrigen Weisungen an das Tochterunternehmen kommen wird bzw. das europäische Tochterunternehmen durch seine Geschäftsführer gesetzeswidrigen Anweisungen der US-amerikanischen Muttergesellschaft Folge leisten wird.

(3) Die erstmals am Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Vergabesenat von der Antragstellerin erhobene Rüge, die Beigeladene setze C. ein, wobei von A. Daten in die USA übertragen würden, auch werde die IP-Adresse in die USA übertragen, was die Beigeladene bestritten hat, ist wegen des im Vergabenachprüfungsverfahren im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit an einer raschen Auftragsvergabe geltenden Beschleunigungsgrundsatzes unbeachtlich. Weshalb die Antragstellerin dies nicht hätte früher rügen können, hat sie nicht nachvollziehbar erklärt. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Recherche besonders aufwendig war, denn es genügte eine Eingabe in die R.-APP, um diese Informationen zu erhalten, wie die Antragstellerin erklärt hat. Der behauptete Verstoß gegen die DS-GVO wegen einer Datenübermittlung in die USA war bereits Kernargument des Rügeschreibens der Antragstellerin vom 09.05.2022.

Selbst wenn man den Vortrag als zulässig erachten würde, wird das Leistungsversprechen der Beigeladenen damit nicht in Zweifel gezogen. Denn daraus lässt sich nicht schließen, dass die Verwendung von C. und die Übermittlung der IP-Adresse in die USA Teil der den Antragsgegnerinnen angebotenen Leistung ist.

(4) Da die Antragsgegnerinnen folglich nicht davon ausgehen mussten, dass die personenbezogenen Gesundheitsdaten von der Beigeladenen im Rahmen der Vertragserfüllung in ein Drittland übermittelt werden, bedurfte es der Durchführung eines Transfer Impact Assessments nicht. Dessen Fehlen stellt keine Abweichung von den Ausschreibungsbedingungen dar.

(5) Im Hinblick auf das Versprechen der Beigeladenen, dass die Daten ausschließlich in Deutschland verarbeitet werden, kommt es nicht darauf an, ob die Beigeladene begleitende organisatorische und technische Maßnahmen, insbesondere auch im Hinblick auf eine sichere Verschlüsselung, zusagte, die erforderlich sind, damit die Übermittlung von Daten in die USA im Einklang mit den Bestimmungen der DS-GVO steht.

Allerdings weist der Senat darauf hin, dass die Vergabekammer, die einen anderen rechtlichen Ansatz wählte und für die es daher für die Einhaltung der DS-GVO unter anderem auf eine effiziente Verschlüsselungstechnik ankam, die von der Beigeladenen als geheimhaltungsbedürftig gekennzeichneten Angaben nicht hätte unberücksichtigt lassen dürfen. In Fällen, in denen eine Weitergabe von Informationen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen eines der Beteiligten unterbleiben muss, ist dem vielmehr durch eine entsprechende Verfahrensgestaltung (wegen der Einzelheiten: BGH, Beschluss vom 31.01.2017, X ZB 10/16, juris) Rechnung zu tragen.

c) Die Antragsgegnerinnen haben nicht gegen ihre Aufklärungspflicht nach § 60 Abs. 1 VgV verstoßen. Sie haben, weil die Beigeladene im zurückversetzten Verfahren teilweise erheblich günstigere Preise anbot als im ursprünglichen Vergabeverfahren, die Preise aufgeklärt. Die Preisprüfung erstreckt sich darauf, ob der angebotene Gesamtpreis im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich oder unangemessen niedrig ist und zur Leistung in einem Missverhältnis steht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06. 2016, VII-Verg 57/15, juris). Eine darauf gerichtete Preisprüfung haben die Antragsgegnerinnen vorgenommen. Die Erklärungen der Beigeladenen und die hierzu vorgelegten Unterlagen haben die Antragsgegnerinnen als zufriedenstellend bewertet und dies in den Vergabeunterlagen nachvollziehbar dargestellt und dokumentiert. Ergänzend wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen der Vergabekammer Bezug genommen. Folglich ist das Angebot der Beigeladenen nicht nach § 60 Abs. 3 VgV von der Wertung auszuschließen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LfD Niedersachsen: 1,1 Millionen Euro Bußgeld gegen Volkswagen wegen Verstößen gegen DSGVO bei Forschungsfahrten für Fahrassistenzsystem

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz (LfD) Niedersachsen hat gegen die Volkswagen AG ein Bußgeld in Höhe von 1,1 Millionen Euro wegen Verstößen gegen die DSGVO im Zusammenhang mit Forschungsfahrten für ein Fahrassistenzsystem verhängt.

Die Pressemitteilung der Datenschutzbehörde:

1,1 Millionen Euro Bußgeld gegen Volkswagen - DATENSCHUTZVERSTÖSSE IM RAHMEN VON FORSCHUNGSFAHRTEN

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz (LfD) Niedersachsen hat gegen die Volkswagen Aktiengesellschaft eine Geldbuße nach Art. 83 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) in Höhe von 1,1 Millionen Euro festgesetzt. Grund sind Datenschutzverstöße in Zusammenhang mit dem Einsatz eines Dienstleisters bei Forschungsfahrten für ein Fahrassistenzsystem zur Vermeidung von Verkehrsunfällen. Das Unternehmen hat umfassend mit der LfD Niedersachsen kooperiert und den Bußgeldbescheid akzeptiert.

Ein Erprobungsfahrzeug des Unternehmens wurde im Jahr 2019 durch die österreichische Polizei bei Salzburg für eine Verkehrskontrolle angehalten. Den Polizeibediensteten waren am Fahrzeug ungewöhnliche Anbauten aufgefallen, die sich noch vor Ort als Kameras herausstellten. Das Fahrzeug wurde eingesetzt, um die Funktionsfähigkeit eines Fahrassistenzsystems zur Vermeidung von Verkehrsunfällen zu testen und zu trainieren. Unter anderem zur Fehleranalyse wurde das Verkehrsgeschehen um das Fahrzeug herum aufgezeichnet.

Am Fahrzeug fehlten aufgrund eines Versehens Magnetschilder mit einem Kamerasymbol und den weiteren vorgeschriebenen Informationen für die datenschutzrechtlich Betroffenen, in diesem Fall die anderen Verkehrsteilnehmenden. Diese müssen laut Artikel 13 DS-GVO bei einer Datenverarbeitung unter anderem darüber aufgeklärt werden, wer die Verarbeitung zu welchem Zweck durchführt und wie lange die Daten gespeichert werden. Bei der weiteren Prüfung wurde zudem festgestellt, dass Volkswagen keinen Auftragsverarbeitungsvertrag mit dem Unternehmen abgeschlossen hatte, das die Fahrten durchführte. Dieser wäre nach Artikel 28 DS-GVO erforderlich gewesen. Weiterhin war keine Datenschutz-Folgenabschätzung nach Artikel 35 DS-GVO durchgeführt worden, mit der vor Beginn einer solchen Verarbeitung mögliche Risiken und deren Eindämmung bewertet werden müssen. Schließlich fehlte eine Erläuterung der technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen im Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten, was einen Verstoß gegen die Dokumentationspflichten nach Artikel 30 DS-GVO darstellte.

Diese vier Verstöße mit jeweils niedrigem Schweregrad, von denen keiner weiterhin andauert, sind Gegenstand des Bußgeldbescheides. Volkswagen hat die Mängel, die in keinem Bezug zu Serienfahrzeugen stehen, im Rahmen des vorangegangenen Prüfverfahrens unverzüglich abgestellt.

„Die eigentlichen Forschungsfahrten waren datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden“, sagt die Landesdatenschutzbeauftragte Barbara Thiel. „Gegen die dabei anfallende Erhebung und Weiterverarbeitung personenbezogener Daten bestehen von unserer Seite keine Bedenken.“ Berücksichtigt wurde dabei insbesondere, dass die Verarbeitung dazu dient, ein Fahrassistenzsystem zur Verhinderung von Unfällen zu optimieren und so die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen.

Aufgrund der grenzüberschreitenden Verarbeitung personenbezogener Daten beteiligte die LfD vor Erlass des Bußgeldbescheides andere betroffene europäische Datenschutzaufsichtsbehörden im Kooperationsverfahren nach Artikel 60 DS-GVO.



EU-Kommission: Angemessenheitsbeschlüsse zur Übermittlung personenbezogener Daten nach der DSGVO in das Vereinigte Königreich und zum Datenschutz bei der Strafverfolgung

Die EU-Kommission hat die Angemessenheitsbeschlüsse zur Übermittlung personenbezogener Daten nach der DSGVO in das Vereinigte Königreich und zum Datenschutz bei der Strafverfolgung angenommen:

Durchführungsbeschluss zur Angemessenheit des Schutzes personenbezogener Daten durch das Vereinigte Königreich – Datenschutz-Grundverordnung

Durchführungsbeschluss zur Angemessenheit des Schutzes personenbezogener Daten durch das Vereinigte Königreich – Polizeirichtlinie

Die Pressemitteilung der EU-Kommission:

Datenschutz: Kommission nimmt Angemessenheitsbeschlüsse zum Vereinigten Königreich an

Die Kommission hat heute zwei Angemessenheitsbeschlüsse zum Vereinigten Königreich angenommen - einen im Rahmen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und einen im Rahmen der Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung. Beide Beschlüsse treten heute in Kraft. Personenbezogene Daten können nun ungehindert aus der Europäischen Union in das Vereinigte Königreich fließen, wo für sie dort ein Schutzniveau gilt, das dem nach dem EU-Recht garantierten Schutzniveau der Sache nach gleichwertig ist Die beiden Angemessenheitsbeschlüsse erleichtern zudem die ordnungsgemäße Umsetzung des Handels- und Kooperationsabkommens zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich, welches den Austausch personenbezogener Daten (beispielsweise im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit) vorsieht. Datenübermittlungen für die vom Vereinigten Königreich praktizierte Einwanderungskontrolle sind vom sachlichen Geltungsbereich des im Rahmen der DSGVO angenommenen Angemessenheitsbeschlusses ausgenommen. Beide Angemessenheitsbeschlüsse enthalten starke Garantien für den Fall etwaiger künftiger Abweichungen, darunter eine Verfallsklausel, durch die ihre jeweilige Geltungsdauer auf vier Jahre begrenzt wird.

Věra Jourová (Vizepräsidentin für Werte und Transparenz) erklärte dazu: „Das Vereinigte Königreich ist zwar aus der EU ausgetreten, aber seine rechtlichen Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten sind noch die alten. Aus diesem Grund haben wir heute diese beiden Angemessenheitsbeschlüsse angenommen. Zugleich haben wir die Bedenken, die vom Parlament, von den Mitgliedstaaten und vom Europäischen Datenschutzausschuss unter anderem hinsichtlich möglicher künftiger Abweichungen von unseren Standards im Datenschutzrahmen des Vereinigten Königreichs geäußert worden sind, sehr aufmerksam zur Kenntnis genommen. Es geht hier um ein Grundrecht der EU-Bürgerinnen und -Bürger, das wir schützen müssen. Aus diesem Grund haben wir umfangreiche Garantien vorgesehen, und falls sich auf Seiten des Vereinigten Königreichs die Gegebenheiten ändern, werden wir sofort eingreifen.“

Didier Reynders (Kommissar für Justiz) fügte hinzu: „Nach monatelanger sorgfältiger Prüfung können wir den EU-Bürgerinnen und -Bürgern heute die Gewissheit geben, dass ihre personenbezogenen Daten bei Übermittlungen in das Vereinigte Königreich geschützt sind. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil unserer neuen Beziehungen zum Vereinigten Königreich. Er ist wichtig für einen reibungslosen Handel und eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung. Die Kommission wird eng verfolgen, wie sich das System des Vereinigten Königreichs künftig entwickelt. Um dies zu ermöglichen und gegebenenfalls eingreifen zu können, haben wir unsere Beschlüsse verstärkt. Die EU hat die höchsten Standards auf dem Gebiet des Schutzes personenbezogener Daten, und diese dürfen nicht beeinträchtigt werden, wenn personenbezogene Daten ins Ausland übermittelt werden.“

Wichtigste Elemente der Angemessenheitsbeschlüsse

Das Datenschutzsystem des Vereinigten Königreichs basiert weiterhin auf denselben Regeln, die galten, als das Vereinigte Königreich noch Mitgliedstaat der EU war. Das Vereinigte Königreich hat die Grundsätze, Rechte und Pflichten der DSGVO und der Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung vollumfänglich in sein heutiges, seit dem Brexit geltendes Rechtssystem übernommen.
In Bezug auf den Zugriff auf personenbezogene Daten durch Behörden im Vereinigten Königreich (insbesondere aus Gründen der nationalen Sicherheit) sieht das System des Vereinigten Königreichs starke Garantien vor. Insbesondere die Datenerhebungen durch Nachrichtendienste unterliegen der vorherigen Genehmigung durch ein unabhängiges Rechtsorgan. Alle Maßnahmen müssen notwendig und im Hinblick auf das verfolgte Ziel verhältnismäßig sein. Wer sich unrechtmäßiger Überwachungsmaßnahmen ausgesetzt sieht, kann Klage beim Investigatory Powers Tribunal (Gericht für Ermittlungsbefugnisse) einreichen. Das Vereinigte Königreich unterliegt zudem der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Übereinkommen des Europarats zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten, dem einzigen verbindlichen internationalen Übereinkommen auf dem Gebiet des Datenschutzes. Diese völkerrechtlichen Verpflichtungen sind ein wesentlicher Bestandteil des in den beiden Angemessenheitsbeschlüssen bewerteten Rechtsrahmens.
Die Angemessenheitsbeschlüsse enthalten erstmals eine Verfallsklausel, durch die ihre Geltungsdauer strikt begrenzt wird: Beide Beschlüsse laufen vier Jahre nach ihrem Inkrafttreten aus. Danach könnten sie erneuert werden, falls das Vereinigte Königreich weiterhin ein angemessenes Datenschutzniveau sicherstellt. Während dieser vier Jahre wird die Kommission die Rechtslage im Vereinigten Königreich weiterhin im Blick behalten und jederzeit eingreifen können, falls das Vereinigte Königreich von dem derzeit bestehenden Datenschutzniveau abweicht. Sollte die Kommission beschließen, die Angemessenheitsbeschlüsse zu erneuern, würde der Annahmeprozess erneut eingeleitet.
Datenübermittlungen für die vom Vereinigten Königreich praktizierte Einwanderungskontrolle sind vom sachlichen Geltungsbereich des im Rahmen der DSGVO angenommenen Angemessenheitsbeschlusses ausgenommen, um einer unlängst ergangenen Entscheidung des Berufungsgerichts von England und Wales über die Gültigkeit und die Auslegung bestimmter Einschränkungen der Datenschutzrechte in diesem Bereich Rechnung zu tragen. Sobald diese Situation nach dem Recht des Vereinigten Königreichs geklärt ist, wird die Kommission die Notwendigkeit dieses Ausschlusses neu prüfen.
Hintergrund

Die Kommission hat am 19. Februar zwei Entwürfe von Angemessenheitsbeschlüssen veröffentlicht und das Verfahren zu ihrer Annahme eingeleitet. In den vergangenen Monaten hat die Kommission die Rechtsvorschriften und die Praktiken des Vereinigten Königreichs auf dem Gebiet des Schutzes personenbezogener Daten einschließlich der Bestimmungen über den Datenzugriff von Behörden im Vereinigten Königreich gründlich bewertet. Die Kommission stand in engem Kontakt mit dem Europäischen Datenschutzausschuss, der seine einschlägige Stellungnahme am 13. April abgegeben hat, mit dem Europäischen Parlament und mit den Mitgliedstaaten. Nach dieser gründlichen Prüfung holte die Europäische Kommission im Rahmen des sogenannten Ausschussverfahrens die Zustimmung der Vertreter der Mitgliedstaaten zu den beiden Angemessenheitsbeschlüssen ein. Die heute erfolgte, an die Zustimmung der Vertreter der Mitgliedstaaten anschließende Annahme der Beschlüsse war der letzte Schritt dieses Verfahrens. Die beiden Angemessenheitsbeschlüsse treten heute in Kraft.

Das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich enthält eine Selbstverpflichtung der EU und des Vereinigten Königreichs zur Aufrechterhaltung hoher Datenschutzstandards. Das Abkommen sieht zudem vor, dass jede im Zuge seiner Umsetzung durchzuführende Datenübermittlung im Einklang mit den maßgeblichen Datenschutzvorschriften der übermittelnden Vertragspartei (im Falle der EU sind dies die DSGVO und die Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung) stehen müssen. Die Annahme der beiden einseitigen und eigenständigen Angemessenheitsbeschlüsse ist eine wichtige Maßnahme zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Anwendung und des reibungslosen Funktionierens des Abkommens. Das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich sieht ferner eine bedingte Übergangsregelung vor, in deren Rahmen Daten ungehindert aus der EU in das Vereinigte Königreich übermittelt werden können. Der Übergangszeitraum endet am 30. Juni 2021.



EuGH: Nationale Datenschutzbehörden dürfen bei DSGVO-Verstößen im Zusammenhang mit grenzüberschreitender Datenverarbeitung auch tätig werden wenn sie nicht federführend sind

EuGH
Urteil vom 15.06.2021
C‑645/19
Facebook Ireland Ltd, Facebook Inc., Facebook Belgium BVBA
gegen
Gegevensbeschermingsautoriteit


Der EuGH hat entschieden, dass die nationalen Datenschutzbehörden bei DSGVO-Verstößen im Zusammenhang mit grenzüberschreitender Datenverarbeitung auch dann tätig werden dürfen, wenn sie nicht federführend zuständig sind.

Tenor der Entscheidung:

1. Art. 55 Abs. 1 und die Art. 56 bis 58 sowie 60 bis 66 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) sind in Verbindung mit den Art. 7, 8 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass eine Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaats, die nach den zur Durchführung von Art. 58 Abs. 5 der Verordnung erlassenen nationalen Rechtsvorschriften befugt ist, vermeintliche Verstöße gegen die Verordnung einem Gericht dieses Mitgliedstaats zur Kenntnis zu bringen und gegebenenfalls die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zu betreiben, von dieser Befugnis, wenn eine grenzüberschreitende Datenverarbeitung in Rede steht, Gebrauch machen darf, obgleich sie für diese Datenverarbeitung nicht die „zuständige federführende Aufsichtsbehörde“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 der Verordnung ist, sofern es sich um einen der Fälle handelt, in denen die Verordnung 2016/679 der Aufsichtsbehörde eine Zuständigkeit einräumt, einen Beschluss zu erlassen, mit dem festgestellt wird, dass die fragliche Verarbeitung gegen die Vorschriften der Verordnung verstößt, und die in der Verordnung vorgesehen Verfahren der Zusammenarbeit und der Kohärenz eingehalten werden.

2. Art. 58 Abs. 5 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass die Ausübung der einer Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaats, die nicht die federführende Aufsichtsbehörde ist, nach dieser Vorschrift zustehenden Befugnis zur Klageerhebung bei einer grenzüberschreitenden Verarbeitung personenbezogener Daten nicht voraussetzt, dass der für die grenzüberschreitende Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter, gegen den die Klage erhoben wird, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der fraglichen Aufsichtsbehörde eine Hauptniederlassung oder eine andere Niederlassung hat.

3. Art. 58 Abs. 5 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass die einer Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaats, die nicht die federführende Aufsichtsbehörde ist, nach dieser Vorschrift zustehende Befugnis, vermeintliche Verstöße gegen die Verordnung einem Gericht dieses Mitgliedstaats zur Kenntnis zu bringen und gegebenenfalls die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zu betreiben, sowohl gegenüber der Hauptniederlassung des Verantwortlichen, die sich in dem Mitgliedstaat der Aufsichtsbehörde befindet, als auch gegenüber einer anderen Niederlassung des Verantwortlichen ausgeübt werden kann, sofern Gegenstand der Klage eine Datenverarbeitung ist, die im Rahmen der Tätigkeiten der Niederlassung erfolgt, und die genannte Behörde nach den Ausführungen zu Vorlagefrage 1 dafür zuständig ist, die Befugnis auszuüben.

4. Art. 58 Abs. 5 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass, wenn eine Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaats, die nicht die „federführende Aufsichtsbehörde“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 der Verordnung ist, vor dem 25. Mai 2018, also bevor die Verordnung galt, wegen einer grenzüberschreitenden Verarbeitung personenbezogener Daten eine Klage erhoben hat, diese Klage unionsrechtlich auf der Grundlage der Vorschriften der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr aufrechterhalten werden kann, die für Verstöße gegen die in ihr enthaltenen Vorschriften, die bis zu dem Zeitpunkt begangen worden sind, zu dem die Richtlinie aufgehoben wurde, weiter gilt. Darüber hinaus kann eine solche Klage von der Aufsichtsbehörde auf der Grundlage von Art. 58 Abs. 5 der Verordnung 2016/679 wegen nach diesem Zeitpunkt begangener Verstöße erhoben werden, sofern es sich um einen der Fälle handelt, in denen die Verordnung einer Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaats, die nicht die „federführende Aufsichtsbehörde“ ist, ausnahmsweise die Befugnis verleiht, einen Beschluss zu erlassen, mit dem festgestellt wird, dass die betreffende Datenverarbeitung gegen die in der Verordnung enthaltenen Vorschriften über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten verstößt, und die in der Verordnung vorgesehenen Verfahren der Zusammenarbeit und der Kohärenz eingehalten werden, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

5. Art. 58 Abs. 5 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass die Vorschrift unmittelbare Wirkung hat, so dass eine nationale Aufsichtsbehörde sich auf sie berufen kann, um gegen Private eine Klage zu erheben oder ein entsprechendes Verfahren fortzuführen, auch wenn die Vorschrift in der Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats nicht speziell umgesetzt worden ist.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Die Pressemitteilung des EuGH:

Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO): Der Gerichtshof erläutert die Voraussetzungen für die Ausübung der Befugnisse der nationalen Aufsichtsbehörden bei der grenzüberschreitenden Datenverarbeitung

Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine nationale Aufsichtsbehörde ihre Befugnis, vermeintliche Verstöße gegen die DSGVO vor einem Gericht eines Mitgliedstaats geltend zu machen, ausüben, auch wenn sie in Bezug auf diese Verarbeitung nicht die federführende Behörde ist

"EuGH: Nationale Datenschutzbehörden dürfen bei DSGVO-Verstößen im Zusammenhang mit grenzüberschreitender Datenverarbeitung auch tätig werden wenn sie nicht federführend sind" vollständig lesen

EU-Kommission: Neue Standardvertragsklauseln für Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer und zwischen Verantwortlichen und Auftragsverarbeitern angenommen - scc

Die EU-Kommission hat die neuen Standardvertragsklauseln angenommen. Ob diese den strengen rechtliche Anforderungen genügen, ist nach wie vor sehr fraglich.

DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DER KOMMISSION über Standardvertragsklauseln für die Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer gemäß der Verordnung (EU) 2016/679

Anhang des DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DER KOMMISSION über Standardvertragsklauseln für die Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer gemäß der Verordnung (EU) 2016/679

DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DER KOMMISSION über Standardvertragsklauseln zwischen Verantwortlichen und Auftragsverarbeitern gemäß Artikel 28(7) DS-GVO und Artikel 29(7) der Verordnung (EU) 2018/1725

Anhang des DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DER KOMMISSION über Standardvertragsklauseln zwischen Verantwortlichen und Auftragsverarbeitern gemäß Artikel 28 (7) DS-GVO und Artikel 29(7) der Verordnung (EU) 2018/1725

Die Pressemitteilung des EU-Kommission:

European Commission adopts new tools for safe exchanges of personal data

Today, the European Commission adopted two sets of standard contractual clauses, one for use between controllers and processors and one for the transfer of personal data to third countries. They reflect new requirements under the General Data Protection Regulation (GDPR) and take into account the Schrems II judgement of the Court of Justice, ensuring a high level of data protection for citizens. These new tools will offer more legal predictability to European businesses and help, in particular, SMEs to ensure compliance with requirements for safe data transfers, while allowing data to move freely across borders, without legal barriers.

The new standard contractual clauses take into account the joint opinion of the European Data Protection Board and the European Data Protection Supervisor, feedback from stakeholders during a broad public consultation and the opinion of Member States' representatives.

Vice-President for Values and Transparency, Vera Jourová said: “In Europe, we want to remain open and allow data to flow, provided that the protection flows with it. The modernised Standard Contractual Clauses will help to achieve this objective: they offer businesses a useful tool to ensure they comply with data protection laws, both for their activities within the EU and for international transfers. This is a needed solution in the interconnected digital world where transferring data takes a click or two.”

Commissioner for Justice, Didier Reynders, said: “In our modern digital world, it is important that data can be shared with the necessary protection - inside and outside the EU. With these reinforced clauses, we are giving more safety and legal certainty to companies for data transfers. After the Schrems II ruling, it was our duty and priority to come up with user-friendly tools, which companies can fully rely on. This package will significantly help companies to comply with the GDPR.”

Main Innovations

The standard contractual clauses published today reflect new requirements under the General Data Protection Regulation and address the realities faced by modern business. Thanks to their standardisation and pre-approval, the SCCs provide companies with an easy-to-implement template. Companies know that when they use this template they meet data protection requirements.

Main innovations of the new standard contractual clauses:

Update in line with the General Data Protection Regulation (GDPR);

One single entry-point covering a broad range of transfer scenarios, instead of separate sets of clauses;
More flexibility for complex processing chains, through a ‘modular approach' and by offering the possibility for more than two parties to join and use the clauses;
Practical toolbox to comply with the Schrems II judgment; i.e. an overview of the different steps companies have to take to comply with the Schrems II judgment as well as examples of possible ‘supplementary measures', such as encryption, that companies may take if necessary
For controllers and processors that are currently using previous sets of standard contractual clauses, a transition period of 18 months is provided.

These standard contractual clauses are adopted at a moment where a number of regional organisations and third countries are developing or have issued their own standard contractual clauses on the basis of converging principles. The Commission will intensify its cooperation with these international partners to further facilitate data transfers between different regions of the world.

Background

The General Data Protection Regulation (GDPR) entered into force on 24 May 2016 and became applicable on 25 May 2018. The standard contractual clauses are standardised and pre-approved model data protection clauses that can be incorporated into contractual arrangements on a voluntary basis, providing an easy-to-implement tool to comply with data protection requirements.

The Commission can adopt standard contractual clauses for the relationship between controllers and processors, as a tool to help to demonstrate compliance with the GDPR. In addition, the Commission can adopt standard contractual clauses providing data protection safeguards for data to be transferred internationally.

On July 16, 2020, the Court of Justice confirmed the validity of the EU Standard Contractual Clauses for the transfer of personal data to processors outside the EU/EEA ("SCCs"), while invalidating the EU–U.S. Privacy Shield. Thus, the Court has ruled that international data flows under the European Union's comprehensive data protection regime, the General Data Protection Regulation (GDPR), can continue to be based on EU Standard Contractual Clauses, while also further clarifying the conditions under which they can be used.


LAG Baden-Württemberg: Keine Geldentschädigung nach Art. 82 DSGVO für Verstoß gegen DSGVO durch Datenübermittlung in USA ohne konkreten Schaden

LAG Baden-Württemberg
Urteil vom 25.2.2021
17 Sa 37/20


Das LAG Baden-Württemberg hat entschieden, dass einem Betroffenen keine Geldentschädigung nach Art. 82 DSGVO für den Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO durch Datenübermittlung in die USA oder ein anderes Drittland zusteht, sofern kein konkreter Schaden entstanden ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
III. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz des von ihm geltend gemachten immateriellen Schadens im Zusammenhang mit der Datenübermittlung und weitergehenden Verarbeitung von personenbezogenen Daten an bzw. bei der Konzernmutter der Beklagten in den USA nach Art. 82 DSGVO zu.

1. Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsdatenverarbeiter. Jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche haftet für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht wurde, Art. 82 Abs. 2 Satz 1 DSGVO. Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter wird von der Haftung gemäß Absatz 2 befreit, wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist, Art. 82 Abs. 3 DSGVO. Art. 82 DSGVO normiert damit einen Schadensersatzanspruch zugunsten der von der Datenverarbeitung betroffenen Person gegen die für die Datenverarbeitung verantwortlichen Stelle für den Fall, dass die Datenverarbeitung gegen Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung verstößt (vgl. EU-ArbR/Franzen 3. Aufl. Art. 82 DSGVO Rn. 1).

2. Die Voraussetzungen für eine Schadensersatzverpflichtung in Bezug auf einen dem Kläger zugefügten immateriellen Schaden liegen danach nicht vor. Dem Kläger oblag es dabei darzulegen, dass die Beklagte als in Anspruch genommene Person als Verantwortlicher (oder Auftragsdatenverarbeiter) an der Datenverarbeitung beteiligt war, dass die Datenverarbeitung gegen Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung oder anderer relevanter mitgliedstaatlicher Bestimmungen verstoßen hat, und dass dieser Verstoß kausal war für einen Schaden welcher der betroffenen Person entstanden ist (vgl. EU-ArbR/Franzen Art. 82 DSGVO Rn. 15). Dies ist ihm nicht gelungen.

a) Der Kläger ist nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO Anspruchsberechtigter. Die DSGVO enthält nach Art. 1 Abs. 1 Vorschriften zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Verkehr solcher Daten. Was „personenbezogene Daten“ im Sinne der Verordnung sind, bestimmt Art. 4 Abs. 1 DSGVO mit allen Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Anspruchsberechtigt sind damit natürliche Personen, wobei Art. 82 Abs. 1 DSGVO ausdrücklich von „jeder Person“ spricht. Nachdem personenbezogene Daten des Klägers unstreitig verarbeitet wurden, er also sogar die „betroffene Person“ iSv. Art. 4 Nr. 1 DSGVO ist, gehört der Kläger in jedem Fall zum anspruchsberechtigten Personenkreis.

b) Die Beklagte ist mögliches Haftungssubjekt des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs. Nach Art. 82 Abs. 2 Satz 1 DSGVO ist Haftungssubjekt jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche. Verantwortlicher ist nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Die Beklagte als juristische Person und Arbeitgeberin verarbeitet personenbezogene Daten der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer und entscheidet (ob, wofür und wieweit der Datenverarbeitung; vgl. Hartung in: Kühling/Buchner DSGVO 3. Aufl. Art. 4 Nr. 7 Rn. 13) - ggf. mitbestimmt - über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten; ihr sind die datenschutzrechtlichen Handlungen innerhalb ihrer Organisation zuzurechnen, weshalb sie Verantwortliche nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO ist.

[...]

e) Gleichwohl steht dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz des von ihm geltend gemachten immateriellen Schadens deshalb nicht zu, weil der vom Kläger geltend gemachte Schaden nicht dem festgestellten Verordnungsverstoß zugeordnet werden kann bzw. tatsächlich nicht eingetreten ist, dh. nicht „erlitten“ wurde.

aa) Der Verstoß muss für den Schaden kausal sein. Der Schaden muss gerade durch den Rechtsverstoß entstanden sein. Es genügt nicht, dass der Schaden durch eine Verarbeitung entstanden ist, in deren Rahmen es (irgendwann) zu einem Rechtsverstoß gekommen ist. Wenn der Schaden „wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung“ entstanden sein muss, kann nicht davon ausgegangen werden, dass bspw. ein Rechtsverstoß bei einer Datenverarbeitung vor dem Geltungszeitpunkt der DSGVO die fortgesetzte Datenverarbeitung „infiziert“ und zu einem Schadensersatzanspruch führt (vgl. Bergt in: Kühling/Buchner Art. 82 DSGVO Rn. 42). Allenfalls dann, wenn durch den Verstoß die gesamte Datenverarbeitung rechtswidrig wird, kann angenommen werden, dass es keiner Zuordnung des Schadens zu einem konkreten Verordnungsverstoß bedarf (vgl. Bergt in: Kühling/Buchner Art. 82 DSGVO aaO). Zudem ist auch unionsrechtlich anerkannt, dass die Kausalitätsprüfung verhindern soll, dass es zu einer uferlosen Schadensersatzpflicht für alle möglichen, noch so entfernten Schäden kommt, für die ein rechtswidriges Verhalten eine Ursache iSe „conditio sine qua non“ gesetzt hat (vgl. zu einer kartellrechtlichen Fragestellung: Kokott Schlussanträge in der Rechtssache - C-557/12 - Rn. 33, 30. Januar 2014, juris). Eine alleinige Kausalität ist aber nicht gefordert, es genügt eine Mitursächlichkeit des Verstoßes für den Schaden, wobei ein hinreichend unmittelbarer Zusammenhang zu fordern ist (vgl. Bergt in: Kühling/Buchner Art. 82 DSGVO Rn. 44 f.) und der Schaden muss für den Schädiger vorhersehbar gewesen sein (vgl. Bergt in: Kühling/Buchner Art. 82 DSGVO Rn. 45).

bb) Danach hat der Kläger keinen durch die Beklagte infolge eines Verordnungsverstoßes verursachten immateriellen Schaden erlitten.

(1) Kein Anknüpfungspunkt für den Schaden können (überschießende) Datenübermittlungen (Datentransfer auf die Sharepoint-Seite der Konzernmutter) sein, denn diese Datenübermittlung hat stattgefunden als die DSGVO noch nicht in Geltung war. Insoweit ist es völlig unerheblich, wie sich das Datenschutzniveau in den USA gestaltet, da jedenfalls die Beklagte nicht für die Datenübermittlung in die USA nach der DSGVO in Anspruch genommen werden kann. Die Beklagte hat nicht gegen die Art. 44 ff. DSGVO verstoßen. Jedwede Begründung eines Schadens mit der Datenübermittlung in die USA (bspw. Zugriffsmöglichkeiten von Behörden oder Dritten in den USA bzw. eine diesbezügliche Unsicherheit) kann einem DSGVO-Verstoß nicht zugeordnet werden. Die Beklagte hat nicht gegen Vorschriften des Kapitels V der DSGVO verstoßen.

(2) Ebenso wenig kann Anknüpfungspunkt der Umstand sein, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Geltungsbeginns der DSGVO (25. Mai 2018) als Verantwortliche personenbezogene Daten bei der Konzernmutter als Auftragsverarbeiterin hat speichern lassen. Die Auftragsdatenverarbeitung erfolgte auf einer ausreichenden vertraglichen Grundlage iSd. Art. 46 Abs. 2 Buchst. c, Abs. 5 DSGVO, welche zudem auch den Anforderungen für eine Auftragsdatenverarbeitung nach Art. 28 DSGVO gerecht wurde. Die Beklagte hat nicht gegen Art. 28 DSGVO verstoßen. Daher kann die behauptete permanente Unsicherheit, dass „unbefugte Dritte“ auf Daten des Klägers Zugriff nehmen, nicht einem Verstoß gegen die DSGVO zugeordnet werden. Die Beklagte hat alle Erfordernisse der DSGVO eingehalten, um eine sichere Auftragsdatenverarbeitung bei ihrer Konzernmutter zu gewährleisten. Dem Kläger wiederum standen bzw. stehen im Verhältnis zur auftragsverarbeitenden Konzernmutter alle Rechte, wie sie nach der DSGVO gegenüber der Beklagten bestehen, zu.

(3) Der einzige Verstoß, welcher der Beklagten vorzuhalten ist, ist die überschießende Datenverarbeitung in Workday vor Einführung von Workday (durch die BV Workday vom 23. Januar 2019), wobei sich diese Datenverarbeitung in Workday auf Daten bezieht, welche die Beklagte rechtmäßig in SAP - auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung zur Nutzung von SAP - bzw. sonst rechtmäßig nach § 26 BDSG zu anderen Zwecken verarbeitete. Die Datenverarbeitung in Workday war nur deshalb nicht rechtmäßig, weil Workday bis zur Einführung nicht produktiv genutzt wurde und es deshalb an der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung iSv. § 26 Abs. 1 BDSG bzw. noch an einer Betriebsvereinbarung zur Einführung fehlte. Die Beklagte bedurfte daher der Duldungs-BV als Rechtsgrundlage, um die nach § 26 Abs. 1 BDSG nicht erforderliche Datenverarbeitung nach § 26 Abs. 4 BDSG zu den normierten Testzwecken zu legitimieren. Die Duldungs-BV berechtigte zur Datenverarbeitung der in der Anlage 2 genannten Datenkategorien in dem durch die Betriebsvereinbarung normierten Umfang (§§ 2, 3 Duldungs-BV). Allerdings berechtigte auch die Duldungs-BV nicht dazu, Daten, die nicht in der Anlage 2 genannt sind, zu verarbeiten (betrifft insb. Jahresgehalt, Monatsgehalt, den Umfang leistungsabhängiger Vergütung, die private Wohnanschrift des Klägers, dessen Geburtsdatum, Alter, Familienstand, die Sozialversicherungsnummer und die Steuer-ID des Klägers). Diese Daten wiederum durfte die Beklagte aber - unstreitig - außerhalb der Plattform Workday, insb. in SAP zu anderen Zwecken verarbeiten, da die Verarbeitung dieser Daten nach § 26 Abs. 1 BDSG zur Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Einen „erlittenen“ Schaden, der allein auf der überschießenden Datenverarbeitung in Workday oder für (Test-)Zwecke von Workday - bei gleichzeitig rechtmäßiger Datenverarbeitung in SAP zu anderen Zwecken - fußt, macht der Kläger nicht geltend und ein solcher „Schaden“ ist auch nicht ersichtlich (die Duldungs-BV schließt insb. eine Nutzung/Verwertung der zu Testzwecken verarbeiteten Daten für Zwecke der Durchführung des Arbeitsverhältnisses gerade aus), vielmehr liegt insoweit nur ein Verordnungsverstoß ohne zuordenbaren Schaden vor. Eine Nutzung der überschießend gespeicherten Daten für andere als die normierten Testzwecke gem. Duldungs-BV ist nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass Jahresgehalt, Monatsgehalt, den Umfang leistungsabhängiger Vergütung, die private Wohnanschrift des Klägers, dessen Geburtsdatum, Alter, Familienstand, die Sozialversicherungsnummer und die Steuer-ID des Klägers auch in Workday gespeichert und zu Testzwecken verarbeitet wurden, löst nach Auffassung der Kammer keinen Schaden aus. Auch der Kläger behauptet einen solchen nicht. Die Speicherung der Daten in Workday bei der Konzernmutter stellt keinen Datenabfluss dar, sondern erfolgte auf der Grundlage einer rechtmäßigen Auftragsverarbeitung nach Art. 28 DSGVO. Auch wenn die Daten in Workday überschießend im Rahmen einer Auftragsdatenverarbeitung verarbeitet wurden, so hat die Beklagte doch alle Erfordernisse der DSGVO eingehalten, die Sicherheit der Daten bei der Konzernmutter sicherzustellen. Soweit der Kläger darüber spekuliert, dass es die Daten unbefugt nach Speicherung in Workday hätten verwendet werden könnten, fehlt es an jedem tatsächlichen Anhaltspunkt hierfür, vor allem aber an einem zuordenbaren Verordnungsverstoß („wegen“). Vielmehr ergibt sich aus den vertraglichen Garantien iSv. Art. 28 DSGVO, die es auch einschließen, dass sämtliche Konzernunternehmen die Bestimmungen des GDPA einzuhalten haben (insb. auch: D. Corporation Global Data Protection Agreement Protocol and Power of Attorney) und damit auch der Ausschluss von Missbrauch durch Konzerngesellschaften. Jedenfalls hat die Beklagte sich verordnungskonform verhalten, um jedweden Missbrauch auszuschließen. In diesem Zusammenhang ist auch ein Kontrollverlust nicht ersichtlich, da die mit der Konzernmutter getroffenen Vereinbarungen gerade sicherstellen, dass dem Kläger alle Rechte, die er gegenüber der Beklagten hat, auch im Rahmen der Auftragsverarbeitung zustehen. Der Kläger konnte daher seine Daten insb. auch löschen lassen, was die Beklagte auch tatsächlich im Verlaufe des Rechtsstreits bzgl. der nach der BV Workday in Workday nicht zu speichernden Daten - trotz Auftragsverarbeitung - veranlasst hat. Der Kläger macht einen verordnungswidrigen Zustand mit Abschluss der BV Workday und BV IT auch nicht geltend; mit anderen Worten: der Kläger war tatsächlich in der Lage, seine überschießend übermittelten Daten löschen zu lassen und konnte sie insoweit kontrollieren. Dabei kann auch nicht davon ausgegangen werden, der tatsächliche Verordnungsverstoß (im Verhältnis zur Duldungs-BV überschießende Datenspeicherung in Workday) habe den gesamten Datenverarbeitungsvorgang „infiziert“, so dass die Beklagte für jeden Schaden in Anspruch genommen werden könnte. Dergleichen könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn jede Datenverarbeitung von personenbezogenen Daten des Klägers in Workday verordnungswidrig gewesen wäre. Infolge der Regelungen der Duldungs-BV durfte die Beklagte allerdings diejenigen Datenkategorien der Anlage 2 und damit auch die entsprechenden personenbezogenen Daten des Klägers verarbeiten. Es verbleibt damit dabei, dass die gegenüber der Anlage 2 der Duldungs-BV überschießende Datenverarbeitung von ansonsten rechtmäßig verarbeiteten Daten zu anderen (Test-)Zwecken beim Kläger keinen Schaden ausgelöst hat, der einem der Beklagten zurechenbaren Verordnungsverstoß zugeordnet werden könnte. Bloße Befürchtungen, ein Schaden könnte eintreten, stellen keinen Schaden dar.

(4) Ob dem Kläger ein Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO deshalb zusteht, weil die Beklagte ggf. gegen Bestimmungen der DSGVO bei der Auskunftserteilung verstoßen hat (vgl. dazu etwa: ArbG Neumünster 11. August 2020 - 1 Ca 247 c/20 - Rn. 36 ff., ReckRS 2020, 29998; ArbG Düsseldorf 5. März 2020 - 9 Ca 6557/18 - Rn
. 94 ff., NZA-RR 2020, 409), hatte die Berufungskammer nicht zu entscheiden.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH-Generalanwalt: Nationale Datenschutzbehörde kann bei DSGVO-Verstoß im Zusammenhang mit grenzüberschreitender Datenverarbeitung tätig werden auch wenn sie nicht federführend zuständig ist

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 13.01.2021
C-645/19
Facebook Ireland Limited, Facebook Inc., Facebook Belgium BVBA / Gegevensbeschermingsautoriteit


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass die nationalen Datenschutzbehörden bei DSGVO-Verstößen im Zusammenhang mit grenzüberschreitender Datenverarbeitung tätig werden können auch wenn sie nicht federführend zuständig sind.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Generalanwalt Bobek: Die Datenschutzbehörde des Staates, in dem sich die Hauptniederlassung eines Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters in der EU befindet, hat eine allgemeine Zuständigkeit, um gerichtliche Verfahren wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung in Bezug auf grenzüberschreitende Datenverarbeitung einzuleiten

Die anderen betroffenen nationalen Datenschutzbehörden seien gleichwohl befugt, in Situationen, in denen es ihnen die Datenschutz-Grundverordnung spezifisch gestatte, derartige Verfahren inihren jeweiligen Mitgliedstaaten einzuleiten

Im September 2015 leitete die belgische Datenschutzbehörde vor den belgischen Gerichten ein Verfahren gegen mehrere Unternehmen der Facebook-Gruppe (im Folgenden: Facebook) ein, nämlich gegen Facebook Inc., Facebook Ireland Ltd, das die Hauptniederlassung der Gruppe in der EU ist, und Facebook Belgium BVBA (im Folgenden: Facebook Belgium). In diesem Verfahren beantragte die Datenschutzbehörde, Facebook zu verpflichten, bei in Belgien ansässigen Internetnutzern, wenn sie hierein nicht eingewilligt haben, das Platzieren von bestimmten Cookies auf dem Gerät, das diese Personen verwenden, wenn sie auf eine Website der Domain Facebook.com oder auf eine Website eines Dritten gelangen, zu unterlassen sowie die
übermäßige Erhebung von Daten durch Social Plugins und Pixels auf Websites Dritter zu unterlassen. Ferner beantragte die genannte Behörde, alle personenbezogenen Daten, die mittels Cookies und Social Plugins über jeden in Belgien ansässigen Internetnutzer erlangt worden sind, zu vernichten.

Das fragliche Verfahren ist derzeit beim Hof van beroep te Brussel (Berufungsgericht Brüssel, Belgien) anhängig, betrifft aber nur noch Facebook Belgium, nachdem das genannte Gericht zuvor befunden hat, für Klagen gegen Facebook Inc. und Facebook Ireland Ltd nicht zuständig zu sein. In diesem Zusammenhang trägt Facebook Belgium vor, dass die belgische Datenschutzbehörde ab dem Zeitpunkt, zu dem die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) 1 anwendbar geworden sei, die Zuständigkeit dafür verloren habe, das fragliche Gerichtsverfahren gegen Facebook weiter zu betreiben. Nach der DSGVO sei lediglich die Datenschutzbehörde desjenigen Staates, in dem sich die Hauptniederlassung von Facebook in der EU befinde (die sogenannte „federführende“ Datenschutzbehörde in der EU für Facebook), nämlich die Irish Data Protection Commission, befugt, wegen Verstößen gegen die DSGVO im Zusammenhang mit grenzüberschreitender Datenverarbeitung ein gerichtliches Verfahren gegen Facebook zu betreiben.

Unter diesen Umständen möchte der Hof van beroep te Brussel vom Gerichtshof wissen, ob die DSGVO tatsächlich andere Datenschutzbehörden als die federführende daran hindert, in ihrem jeweiligen Mitgliedstaat gerichtliche Verfahren wegen Verstößen gegen die Vorschriften der DSGVO in Bezug auf grenzüberschreitende Datenverarbeitung zu betreiben.

In seinen Schlussanträgen vom heutigen Tag vertritt Generalanwalt Michal Bobek erstens die Auffassung, dass sich aus dem Wortlaut der DSGVO ergebe, dass die federführende Datenschutzbehörde für grenzüberschreitende Datenverarbeitung eine allgemeine Zuständigkeit habe, wozu auch die Einleitung gerichtlicher Verfahren wegen Verstößen gegen die DSGVO gehöre; folglich seien die diesbezüglichen Handlungsbefugnisse der übrigen betroffenen Datenschutzbehörden weniger umfassend.

In Bezug darauf, dass die DSGVO jeder Datenschutzbehörde die Befugnis verleiht, gerichtliche Verfahren gegen mögliche Verstöße einzuleiten, die ihr Hoheitsgebiet betreffen, führt der Generalanwalt aus, dass diese Befugnis ausdrücklich beschränkt sei, soweit es um grenzüberschreitende Datenverarbeitung gehe, gerade um der federführenden Datenschutzbehörde zu ermöglichen, insoweit ihre Aufgaben wahrzunehmen.

Zweitens erinnert der Generalanwalt daran, dass der Grund, weswegen mit der DSGVO der sogenannte „One-Stop-Shop“-Mechanismus eingeführt worden sei, wodurch der federführenden Datenschutzbehörde eine bedeutende Rolle zugewiesen worden sei und zur Beteiligung anderer Datenschutzbehörden Kooperationsmechanismen geschaffen worden seien, gerade darin bestanden habe, bestimmten Unzulänglichkeiten abzuhelfen, die sich aus den früheren Rechtsvorschriften ergeben hätten.

Wirtschaftsteilnehmer hätten nämlich die verschiedenennationalen Regelwerke einhalten müssen, mit denen diese Rechtsvorschriften umgesetzt wordenseien, und zugleich mit allen nationalen Datenschutzbehörden in Verbindung treten müssen. Dies habe sich für die Wirtschaftsteilnehmer als kostspielig, belastend und zeitaufwändig erwiesen, und für sie und ihre Kunden hätten sich daraus unvermeidlicherweise Unsicherheiten und Konflikte ergeben.

Drittens betont der Generalanwalt, dass die federführende Datenschutzbehörde bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nicht als alleinige Stelle zur Durchsetzung der DSGVO angesehen werden könne und im Einklang mit den einschlägigen Vorschriften und Fristen, die sich aus der DSGVO ergäben, eng mit den anderen betroffenen Datenschutzbehörden zusammenarbeiten müsse, deren Beiträge auf diesem Gebiet äußerst wichtig seien.

Viertens hebt der Generalanwalt hervor, dass nationale Datenschutzbehörden, selbst wenn sie nicht als federführende Behörde fungierten, gleichwohl unter bestimmten Umständen vor den Gerichten ihres jeweiligen Mitgliedstaats Verfahren wegen grenzüberschreitender Verarbeitung einleiten könnten. Dies sei insbesondere möglich, wenn die nationalen Datenschutzbehörden i) außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs der DSGVO tätig würden, ii) sie Untersuchungen
zu grenzüberschreitender Datenverarbeitung anstellten, die durch Behörden, im öffentlichen Interesse, in Ausübung öffentlicher Gewalt oder durch Verantwortliche erfolge, die keine Niederlassung in der Union hätten, iii) bei Dringlichkeit Maßnahmen ergriffen oder iv) tätig würden, nachdem die federführende Datenschutzbehörde beschlossen habe, sich nicht selbst mit dem Fall zu befassen.

Demnach ist der Generalanwalt der Auffassung, dass die Datenschutzbehörde eines Mitgliedstaats nach den Bestimmungen der DSGVO befugt ist, vor einem Gericht ihres Staates ein Verfahren wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die DSGVO im Zusammenhang mit einer grenzüberschreitenden Datenverarbeitung einzuleiten, auch wenn sie nicht die federführende Datenschutzbehörde ist, der für die Einleitung solcher Verfahren eine allgemeine Befugnis verliehen worden ist, sofern die erstgenannte Datenschutzbehörde in Situationen tätig wird, in denen ihr die DSGVO spezifisch hierzu Befugnisse verleiht, und die in der DSGVO vorgesehenen entsprechenden Verfahren beachtet.

Den Volltext der Schlussanträge finden Sie hier:




OLG Frankfurt: Kein Urheberrechtsverstoß und kein Verstoß gegen DSGVO oder BDSG wenn Haftpflichtversicherer eingereichtes Schadensgutachten mit Lichtbildern an Unternehmen zur Prüfung weitergibt

OLG Frankfurt
Urteil vom 12.02.2019
11 U 114/17


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass weder ein Urheberrechtsverstoß noch Verstoß gegen die DSGVO oder das BDSG vorliegt, wenn ein Haftpflichtversicherer das bei ihm zur Schadensregulierung eingereichte Schadensgutachten mit Lichtbildern an ein Unternehmen zur Prüfung weitergibt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"2. Das Landgericht hat auch den mit ursprünglichen Klageantrag zu 3.) (Berufungsantrag zu 2.) geltend gemachten datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch im Ergebnis rechtsfehlerfrei abgewiesen, weil es an einer unzulässigen Verwendung der streitgegenständlichen Daten fehlt.

Der Kläger hat für den geltend gemachten Löschungsanspruch keine Anspruchsgrundlage. Er hat weder a.) nach dem aufgrund Art. 8 des DSAnpUG-EU bis zum 25.05.2018 geltende Bundesdatenschutzgesetz (im Folgenden "BDSG a.F.") noch b.) nach dem ab 25.05.2018 geltenden Datenschutzgesetz (im Folgenden "BDSG" bzw. "DSGVO" oder c.) aus dem Persönlichkeitsrecht nach §§ 823, 1004 BGB einen Anspruch auf Löschung seiner Daten.

a.) Der datenschutzrechtliche Löschungsanspruch ist nach keiner der in Betracht kommenden Alternativen des § 35 Abs. 2 Satz 2 BDSG a.F. begründet.

Für den Löschungsanspruch aus § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG a.F. fehlt es an einer unzulässigen Speicherung der Daten. Die Speicherung ist nach dem im Datenschutz geltenden Grundsatz des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt dann nicht unzulässig, wenn eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt ( Dix in Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 7. Aufl. 2011, § 35 Rn. 26; Wolff/Brink , Datenschutzrecht, § 35 Rn. 33). Dies ist vorliegend nach §§ 4 Abs. 1, 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG a.F. i.V.m. § 11 BDSG a.F. der Fall. Nach diesen Vorschriften darf die Beklagte und die für sie im Auftrag handelnde A GmbH die Daten des Beklagten für eigene Geschäftszwecke speichern, weil dies zur Wahrung ihrer berechtigten Interessen erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Klägers an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. Ein berechtigtes Interesse kann jedes von der Rechtsordnung gebilligtes Interesse sein, dass bei vernünftiger Erwägung durch die Sachlage gerechtfertigt ist ( Gola/Schomerus , BDSG, 12. Aufl. 2015, § 28 Rn. 24; Wolff/Brink, a.a.O., § 28 Rn. 59). Das berechtigte Interesse der Beklagten an der Verwendung der Daten des Beklagten besteht in dem sich aus § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG ergebenen Direktanspruch des geschädigten Klägers gegen die beklagte Haftpflichtversicherung. Als verpflichtete Aktiengesellschaft ist die Beklagte berechtigt und verpflichtet, die gegen sie geltend gemachten Ansprüche zu prüfen und die dazu übermittelten Daten zu speichern. Das Interesse des Klägers am Ausschluss oder Nutzung der Daten überwiegt nicht. Bei dieser Abwägungsentscheidung fällt zu Gunsten der Beklagten ins Gewicht, dass der Kläger die Schadensregulierung aufgrund selbst von ihm zur Verfügung gestellter Daten erwartet, bei denen es sich um wenig sensible Daten handelt. Das Recht der Beklagten zur Speicherung dieser Daten zu Kontrollzwecken umfasst gemäß § 11 BDSG a.F. auch das Recht, diese durch eine von ihr mit dieser Aufgabe betraute Stelle im Rahmen der Auftragsdatenverarbeitung vornehmen zu lassen. Entgegen der Ansicht des Klägers stehen § 28 BDSG a.F. und § 11 BDSG a.F. nicht zueinander in Widerspruch, sondern ermöglichen der Beklagten als i.S.v. § 3 Abs. 7 BDSG a.F. für die Daten verantwortliche Stelle, ihr nach Speicherungsrecht durch einen Auftragnehmer vornehmen zu lassen ( Petri in Simitis, a.a.O., § 11 Rn. 1; Spoerr in Wolff/Brink, a.a.O., § 11 Rn. 4). Wie das Landgericht richtig geurteilt hat ist ein derartiger Auftragnehmer nicht Dritter i.S.v. § 3 Abs. 8 Satz 3 BDSG a.F.

Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Beklagte bei der Speicherung zu Kontrollzwecken in zulässiger Weise als Auftragnehmer i.S.v. § 11 BDSG a.F. für die Beklagte handelt. Die gegen diese Entscheidung in der Berufungsbegründung angeführten Argumente überzeugen nicht. Die von der Beklagten vorgelegte Dokumentation belegt hinreichend, dass die A GmbH als Auftragnehmerin für die Beklagte handelt und dabei die in § 11 BDSG a.F. aufgestellten Voraussetzungen an eine Auftragsdatenverarbeitung erfüllt.

Dass die Beklagte Vertragspartnerin der mit der A GmbH am 15.02./01.03.2011 und am 16./29.09.2011 abgeschlossenen Verträgen zur Auftragsdatenverarbeitung ist, ergibt sich aus dem in der Berufungsinstanz vorgelegten chronologischen Handelsregisterauszug der Gesellschaft vom 03.08.2015. Aus diesem ist ersichtlich, dass die Beklagte am 09.08.2013 die Umfirmierung von C1 Versicherungs-Aktiengesellschaft AG in C Sachversicherungs AG beschloss und deshalb dieselbe Vertragspartnerin mit unterschiedlichen Namen ist. Auch wenn im Laufe des Prozesses lediglich einer der beiden Unterzeichnenden der Verträge auf Seiten der Beklagten namentlich benannt wurde, ist das Gericht davon überzeugt, dass diese zwischen der Beklagten und der A GmbH Geltung haben. Zum einen wurde diese Verträge unstreitig durch die erforderliche Anzahl von vertretungsberechtigten Personen unterschrieben von denen der zeichnende Leiter der Schadensabteilung E ausweislich des vorlegten Handelsregisterauszuges vom 13.09.2018 Gesamtprokura mit einem Vorstandsmitglied oder einem anderen Prokuristen verliehen worden ist. Zum anderen will die Beklagte nach ihrem Vortrag an diese Verträge gebunden sein. Selbst wenn sie zum Vertragsschluss durch einen nicht vertretungsberechtigten Vertreter ihres Unternehmens gezeichnet worden sein sollten, könnte die Beklagte diese jederzeit nach § 177 BGB genehmigen. Da der Rahmenvertrag in § 18 im Fall der Nichtkündigung eine automatische Verlängerung um jeweils 2 Jahre vorsieht, ist auch vom Bestehen eines schriftlichen Vertragsverhältnisses auszugehen ist.

Der von Klägerseite gegen den Beklagtenvortrag zur Parteiidentität der Vertragspartner erhobene Verspätungseinwand greift nicht durch, weil die Frage der Parteiidentität der C1 Versicherungs AG und der Beklagten einen Gesichtspunkt betreffen, der i.S.v. § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vom Landgericht Frankfurt am Main bei seinem Urteil erkennbar übersehen worden ist. Das Landgericht ist trotz der namentlichen Abweichung der unterzeichnenden Gesellschaft allein aufgrund der Vorlage der Anlage B 2 vom Bestehen der Datenschutzvereinbarung zwischen der Beklagten und der A GmbH ausgegangen. Dies wird von dem Kläger in seiner Berufungsbegründung zu Recht kritisiert, so dass die Frage der vertraglichen Bindung zwischen der Beklagten und der A GmbH gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht werden muss.

An der ausführlichen Subsumption des Vertragsverhältnisses unter die Tatbestandsvoraussetzungen des §§ 11 Abs. 2 BDSG a.F. und der dazu gegebenen Begründungen des Landgerichts ist nichts zu erinnern. Insbesondere hat das Landgericht zu Recht judiziert, dass die Berechtigung von A GmbH aus den Unterlagen anonymisierte Auswertungen herzustellen nicht zu beanstanden ist. Auch in der Berufungsbegründung werden hiergegen keine überzeugenden Argumente vorgebracht. Für einen Löschungsanspruch aus § 35 Abs. 1 Nr. 3 BDSG a.F. fehlt es an einer Zweckerfüllung. Die weitere Verarbeitung der Daten ist schon wegen des hiesigen Gerichtsprozesses notwendig. Die Daten sind zur Abwehr des geltend gemachten Schadensersatzanspruches notwendig ( Dix in Simitis, a.a.O., § 35 Rn. 38; Wolff/Brink , a.a.O. § 35 Rn. 39).

b.) Auch unter dem neuen Datenschutzregime ist der geltend gemachte Löschungsanspruch nicht begründet. Der Löschungsanspruch aus Art. 17 Abs. 1 Buchst. a DSGVO scheitert an dem in dessen Absatz 3 Buchst. c geregelten Ausnahmetatbestand. Danach gilt der Löschungsanspruch nicht, soweit die Verarbeitung zur "Verteidigung von Rechtsansprüchen" erforderlich ist. Dass diese erforderlich ist, zeigt hiesiger Rechtsstreit.

c.) Das Datenschutzgesetz hat als Spezialregelung den Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten abschließend geregelt. Daneben ist für eine Anwendung für einen auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht gestützten Unterlassungsanspruch kein Raum (BGH, Urt. v. 17.12.1985, Az. VI ZR 244/84, NJW 1986, 2505).

3. Das Landgericht hat auch die mit Klaganträgen zu 4.) und 5.) geltend gemachten und mit den Berufungsanträgen zu 3.) und 4.) weiter verfolgten Unterlassungs- und Entschädigungsansprüche rechtsfehlerfrei abgewiesen, weil es - wie festgestellt - an einer unzulässigen Verwendung der streitgegenständlichen Daten fehlt. Aus demselben Grund besteht auch kein Schadensersatzanspruch nach dem neuen Art. 82 DSGVO.

4. Im Ergebnis hat das Landgericht auch die mit den Berufungsanträgen zu 5.) und 6.) weiter verfolgten urheberrechtlichen Ansprüche zu Recht abgewiesen.

Zwar hat das Landgericht übersehen, dass der Kläger Lichtbildner der streitgegenständlichen Fotos ist und solcher Rechtsschutz nach § 72 UrhG genießt. Wie die Berufung zu Recht moniert, hat der Klägervertreter dies in der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2017 (Bl. 213 d. A.) vorgetragen. Dies wurde auch nicht bestritten.

Jedoch besteht kein Anspruch nach § 97 UrhG, weil es an einer widerrechtlichen Verletzung der Lichtbildrechte des Klägers fehlt.

§§ 15 Abs. 2 Nr. 2, 19 a UrhG ist nicht einschlägig, weil durch die streitgegenständlichen Handlungen nicht das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung betroffen ist. Insoweit unterscheidet sich die Fallgestaltung von denen, die der Bundesgerichtshof in seiner von der Klägerseite zitierten Rechtsprechung entschiedenen hat und bei denen die urhebergeschützten Fotos ins Internet eingestellt worden waren (BGH, Urt. v. 29.04.2010, I ZR 68/09 - Restwertbörse und Urt. v. 20.06.2013, I ZR 55/12 - Restwertbörse II ). Eine Einstellung der Daten in das öffentlich zugängliche Internet steht vorliegend nicht in Streit.

§§ 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 UrhG ist auch nicht einschlägig. Der Tatbestand der Verbreitung umfasst gemäß § 17 Abs. 1 UrhG das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in den Verkehr zu bringen. Es ist schon zweifelhaft, ob der Auftragsnehmer einer Auftragsdatenverwaltung i.S.d. § 11 BDSG überhaupt "Öffentlichkeit" im Sinne dieser Vorschrift sein kann. Die Verletzung dieses Verwertungsrecht scheitert jedenfalls am Erschöpfungsgrundsatz des § 17 Abs. 2 UrhG, nachdem der Kläger das Gutachten mit den Fotos der Beklagten selbst zur Verfügung gestellt hat.

Auch an einem Eingriff in das Vermietungsrecht des Klägers gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 UrhG fehlt es. Die Vorschrift setzt eine vorübergehende Gebrauchsüberlassung der geschützten Leistung zu Erwerbszwecken voraus. Eine zeitlich begrenzte Gebrauchsüberlassung ist anzunehmen, wenn der Gegenstand dem Kunden für eine bestimmte Zeit in der Weise zur freien Verfügung übergeben wird, dass ihm eine uneingeschränkte und wiederholbare Werknutzung ermöglicht wird. Der Begriff der "Werknutzung" verweist dabei auf den Zweck des Vermietrechts. Dieser liegt darin, den Berechtigten eine angemessene Beteiligung an den Nutzungen zu sichern, die aus der Verwertung ihrer Werke oder geschützten Leistungen gezogen werden (BGH, Urt. v. 07.06.2001, I ZR 21/99 - Kauf auf Probe ). Unter Anlegung dieser Maßstäbe beinhaltet die zweckgebundene Weitergabe des Gutachtens an die A GmbH keine Gebrauchsüberlassung im Sinne der Vorschrift. Zwar verfolgte die Beklagte damit mittelbar einen Erwerbszweck, weil sie durch die Kontrolle der Kostenpositionen die Erstattung überhöhter Reparaturkosten an den Geschädigten verhindern wollte. Der erstrebte Vorteil beruht jedoch nicht auf der Nutzung der Lichtbilder als der durch das Urheberrecht geschützten Leistung, sondern auf einer Überprüfung der Kalkulation. Er wäre in gleicher Weise eingetreten, wenn die Bekl. das Gutachten ohne die Lichtbilder übermittelt hätte (vgl. auch LG Berlin, Urt. v. 03.07.2012, 16 O 309/11).

Auch das Vervielfältigungsrecht des §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 UrhG ist nicht betroffen, weil die Speicherung nach § 1 Nr. 3 der Datenschutzvereinbarung nur die übermittelten Daten bzw. nach § 2 Nr. 7 der Datenschutzvereinbarung die anonymisierte Auswertung der Auswertung, aber nicht die streitgegenständlichen Fotos betrifft."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

KG Berlin: Diverse unzulässige Klauseln in Apple-Datenschutzrichtlinie - Verarbeitung und Weitergabe personenbezogener Daten

KG Berlin
Urteil vom 27.12.2018
23 U 196/13


Das KG Berlin hat bestätigt, dass die diverse Klauseln in der Apple-Datenschutzrichtlinie unzulässig waren. Insbesondere ging es um die Weitergabe personenbezogener Daten. Streitgegenständlich war die Apple-Datenschutzrichtlinie aus dem Jahr 2011.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Siehe zur Vorinstanz: LG Berlin: Apple unterliegt der Verbraucherzentrale - zahlreiche AGB-Klauseln zum Datenschutz unwirksam

LG Berlin: Apple unterliegt der Verbraucherzentrale - zahlreiche AGB-Klauseln zum Datenschutz unwirksam

LG Berlin
Urteil vom 30.04.2013
15 O 92/12


Das LG Berlin hat auf eine Klage der Verbraucherzentrale hin zahlreiche Klauseln zum Datenschutz in den AGB von Apple für unwirksam und wettbewerbswidrig erklärt. Auch wenn es den einen oder anderen Apple-Jünger schmerzt, ist das Ergebnis zutreffend und wenig überraschend. Es handelt sich dabei um keinen Einzelfall. Es ist zu begrüßen, dass die Verbraucherzentrale vermehrt gegen Großunternehmen vorgeht.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: