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LG Frankfurt: Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG gilt nur bei Handeln im elektronischen Rechtsverkehr oder in Telemedien

LG Frankfurt
Urteil vom 11.05.2021
3-06 O 14/21


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nur bei Handeln im elektronischen Rechtsverkehr oder in Telemedien gilt. Die Vorschrift ist nach Ansicht des Gerichts einschränkend auszulegen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, das angerufene Gericht ist gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 UWG örtlich zuständig.

Soweit der Verfügungskläger den mit dem Antrag Ziffer 1 geltend gemachten Anspruch auf die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts stützt, folgt die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts aus § 32 ZPO, weil der Internet-Beitrag bestimmungsgemäß im gesamten Bundesgebiet und damit auch im Bezirk des angerufenen Gerichts abrufbar ist und der Verfügungskläger aufgrund seiner - ausweislich seiner Homepage – bundesweit betriebenen Tätigkeit auch dort betroffen ist.

Das angerufene Gericht ist damit auch insoweit zuständig, als der Verfügungskläger seinen Anspruch auf Normen des UWG stützt. Wird bei Darlegung einer unerlaubten Handlung mit der hierauf gestützten Klage ein einheitlicher prozessualer Anspruch geltend gemacht, hat das insoweit örtlich zuständige Gericht den Rechtsstreit nicht nur unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung, sondern unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen und zu entscheiden (BGH NJW 2003, 828). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, da der Kläger denselben Streitgegenstand – den aus der Anlage LHR 9 ersichtlichen Beitrag - zur rechtlichen Überprüfung stellt.

Hinsichtlich des Antrags Ziffer 2, den der Verfügungskläger auf die Verletzungen von Normen des UWG stützt, ist das angerufene Gericht nach § 14 Abs. 2 S. 2 UWG ebenfalls örtlich zuständig. Danach ist neben dem Gericht, in dessen Bezirk der Anspruchsgegner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, auch dasjenige Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde. Der streitgegenständliche Beitrag des Verfügungsbeklagten wie aus der Anlage LHR 11 ersichtlich wurde von diesem auf der von ihm betriebenen Internetseite ... veröffentlicht. Daher war der Beitrag bundesweit und damit auch im Bezirk des angerufenen Gerichts abrufbar.

Die Einschränkung der Zuständigkeitsregelung in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG, wonach Satz 2 nicht gilt für Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien, greift im vorliegenden Fall nicht ein.

Die Vorschrift ist einer teleologischen Auslegung zugänglich. Ihrem Wortlaut fehlt es an der notwendigen Eindeutigkeit, wie die Doppelung der Begriffe „elektronischer Geschäftsverkehr“ und „Telemedien“ belegt.

Im Rahmen der Auslegung ist die Entstehungshistorie der Vorschrift heranzuziehen, wonach im Gesetzgebungsverfahren die zunächst geplante Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes aufgegeben wurde zugunsten einer Regelung, die den fliegenden Gerichtsstand auf typische Fälle rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen beschränken sollte, wie der Verletzung von Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet (vgl. Lerach, jurisPR-WettbR 3/2021). Daraus ist zu schließen, dass dem gesetzgeberischen Willen eine textliche Angleichung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG an die Regelung in § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG entsprach, die jedoch aufgrund eines redaktionellen Versehens unterblieben ist. Der Ausschlusstatbestand ist teleologisch dahingehend zu reduzieren, als dieser nur dann eingreift, wenn die betreffende Zuwiderhandlung tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Rechtsverkehr oder in Telemedien anknüpft (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 26.02.2021, Az. 38 O 19/21).

Eine solche an ein Handeln im elektronischen Rechtsverkehr oder in Telemedien anknüpfende Rechtsverletzung ist jedoch vorliegend nicht streitgegenständlich. Vielmehr macht der Verfügungskläger einen Verstoß geltend, der auf § 4 Nr. 1, 2 UWG gestützt wird. Bei einem solchen Verstoß fehlt es jedoch an einer Verletzung, die geeignet ist, ein hohes Missbrauchspotential und die Gefahr von Massenabmahnungen zu begründen wie es z.B. bei einer Verletzung von Informations- und Kennzeichnungspflichten der Fall ist.

Die Antragsfassung des Verfügungsklägers, wonach er die Unterlassung der Berichterstattungen in ihrer Gesamtheit unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform begehrt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Verbot ist umso „kleiner“, je umfangreicher die Textpassage ist, die Gegenstand der Verfügung wird, weil der Antragsgegner umso mehr Möglichkeiten hat, durch die Modifizierung von Formulierungen den Kernbereich des Verbots zu verlassen; dies gilt unabhängig davon, auf welche Anspruchsgrundlage der Unterlassungsantrag gestützt wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.01.2015, Az. 6 W 4/15, Tz. 15, zit. nach juris).

Der auf Unterlassung gerichtete Verfügungsanspruch Ziffer 1 ist wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus §§ 1004, 823 Abs. 1, 2 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 EMRK begründet.

Da bei Wettbewerbsverstößen die lauterkeitsrechtliche Regelung nach § 4 Nr. 1,2 UWG den deliktsrechtlichen Schutz nach §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB verdrängt, kommt ein deliktsrechtlicher Schutz dann in Betracht, wenn es an der Anwendbarkeit wettbewerbsrechtlicher Normen fehlt, so im Falle des Fehlens der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, Einl. UWG, Rn. 7.3). Dies ist vorliegend der Fall, so dass der Weg zum Eingreifen des deliktsrechtlichen Schutzes eröffnet ist.

Eine Anspruchsberechtigung des Verfügungsklägers als Mitbewerber des Verfügungsbeklagten im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ist nicht gegeben. Mitbewerber ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Dies ist dann anzunehmen, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann (BGH GRUR 2017, 918, Tz. 16 – Wettbewerbsbezug).

Der der Verfügungsbeklagte stellt sich jedoch durch seine „Beratung“ in Bezug auf die im Beitrag Anlage LHR 9 behandelte Zulässigkeit von AGB nicht in Wettbewerb zum Verfügungskläger, der als Rechtsanwalt tätig ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn eine konkrete Rechtsberatung stattfände und nicht nur über die im Beitrag thematisierten AGB allgemein berichtet würde. Gegenstand des Beitrags ist zunächst der Ausgang eines Rechtsstreits, in dem über die Zulässigkeit einer AGB-Klausel befunden wurde, die ein damaliger Mandant des Verfügungsklägers – bei dem diese AGB hätten käuflich erworben werden können - verwendet hatte. Unter der Überschrift „Was bedeutet das nun?“ rät der Verfügungsbeklagte, dass sich Verwender der AGB dringend an einen Anwalt ihres Vertrauens wenden sollten. Unter „Fazit & Meinung“ heißt es „Klar sollte sein, dass ihr eure AGB ändern müsst, jedenfalls dann, wenn ihr die Formulierungen verwendet“. Hier steht erkennbar die Berichterstattung über den Rechtsstreit und die nach Meinung des Verfügungsbeklagten bestehenden Folgen für Betroffene im Vordergrund, nicht aber ein konkreter Rechtsrat des Verfügungsbeklagten, so dass es an dem erforderlichen wettbewerblichen Bezug fehlt.

Auch an einem mittelbaren Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien fehlt es. Der streitgegenständliche Beitrag wäre dann als von dem Verfügungskläger als Mitbewerber angreifbare geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zu sehen, wenn sie in einem objektiven Zusammenhang mit der Förderung eines anderen Mitbewerbers des Verfügungsklägers stünde. Dabei ist weder ein Handeln zum Nachteil eines Mitbewerbers, noch eine Wettbewerbsförderungsabsicht erforderlich. Vielmehr muss die Handlung bei objektiver Betrachtung auf die Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen der Verbraucher (oder sonstiger Marktteilnehmer) gerichtet sein (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 39. Aufl. 2021, § 2 Rn. 48).

Im Fall der kritischen Medienberichterstattung über Unternehmer, wozu auch Beiträge auf Informationsseiten im Internet gehören, ist bei der Bejahung eines Drittabsatzförderungszusammenhangs – auch im Hinblick auf das Grundrecht der Pressefreiheit gemäß Art. 5 GG - Zurückhaltung geboten. Selbst eine unsachliche und überzogene Kritik lässt einen Schluss auf das Bestreben des Presseorgans, damit – jedenfalls auch – in den Wettbewerb zwischen dem kritisierten Unternehmen und dessen Konkurrenten einzugreifen, in der Regel nicht zu (OLG Frankfurt, Urteil vom 31.07.2014, Az. 6 U 74/14, BeckRS 2014, 21646, Tz. 9).

Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn die in einem redaktionellen Beitrag geübte Kritik sich als Mittel darstellt, den Wettbewerb eines Mitbewerbers zu fördern, was in der Regel nur dann anzunehmen ist, wenn sich der Redakteur dafür einen Vorteil versprechen oder gewähren lässt. Dafür gibt es indes keine Anhaltspunkte.

Zwar werden in dem Menüpunkt „..., der über der Überschrift des Beitrags zu sehen ist, Rechtsanwälte vorgestellt, die in den angesprochenen Rechtsgebieten tätig sind. Zudem besteht eine persönliche Verflechtung zwischen dem Verfügungsbeklagten und den begünstigten Mitbewerbern. Bei einer der unter „...“ genannten handelt es sich um die Rechtsanwältin ..., die Partnerin des Verfügungsklägers. Bei einem weiteren dort genannten Rechtsanwalt handelt es sich um den Prozessbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten, Rechtsanwalt ... Dies reicht jedoch nach Auffassung des Gerichts im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der Gesamtumstände nicht zur Annahme einer Drittabsatzförderung nicht aus. In dem Beitrag selbst werden die Namen der Anwälte nicht erwähnt, vielmehr rät der Verfügungsbeklagte, man solle sich an einen „Anwalt des Vertrauens“ wenden. Auch wird der Verbraucher in dem kleingedruckten Menüpunkt „...“ auf den ersten Blick keine Angaben zu im Bereich des E-Commerce tätigen Rechtsanwälte vermuten und deshalb primär dort nach Hilfe suchen.

Der streitgegenständliche Beitrag des Verfügungsbeklagten enthält Äußerungen, die eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Verfügungsklägers darstellen.

Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig ist, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH NJW 2016, 789, Rn. 20). Stehen sich als widerstreitende Interessen die Meinungs- bzw. Pressefreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht gegenüber, kommt es für die Zulässigkeit einer Äußerung maßgeblich darauf an, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handelt (OLG Frankfurt, GRUR-RS 2020, 31723 Rn. 39).

Die Abgrenzung zwischen einer Tatsachenbehauptung und einer Meinungsäußerung erfolgt danach, ob die konkrete Aussage greifbare, dem Beweis zugängliche Vorgänge zum Gegenstand hat. Enthält eine Äußerung eine Mischung von Tatsachen und Meinungen, so kommt es für die Anwendung des Art. 5 Abs. 1 GG darauf an, ob sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt wird. Im Falle einer solch engen Verknüpfung von Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung darf der Grundrechtsschutz nicht dadurch verkürzt werden, dass ein tatsächliches Element aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet wird oder durch die Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung ihr Sinn verfälscht wird (BGH GRUR 2016, 710 Rn. 23 – Im Immobiliensumpf).

Die Behauptung bewusst unwahrer Tatsachen oder solcher, deren Unwahrheit im Zeitpunkt der Äußerung bereits feststeht, ist von der Meinungs- und Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG nicht gedeckt, da an deren Verbreitung unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit regelmäßig kein schützenswertes Interesse besteht (BGH GRUR 2014, 693, Rn. 23 – Sächsische Korruptionsaffäre). Sonstige Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen dagegen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (BGH a.a.O.).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Düsseldorf hält an einschränkender Auslegung der Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG trotz anderer Ansicht des OLG Düsseldorf fest

LG Düsseldorf
Beschluss vom 26.02.2021
38 O 19/21

Das LG Düsseldorf hält an seiner einschränkenden Auslegung der Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG auf Wettbewerbsverstöße, die tatbestandlich ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder über Telemedien voraussetzen, trotz anderer Ansicht des OLG Düsseldorf (siehe dazu OLG Düsseldorf: Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht gegen den Wortlaut einschränkend auszulegen ) fest.

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist gemäß §§ 935, 940 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die örtliche Zuständigkeit des von der Antragstellerin angerufenen Gerichts nicht nur für die in Printmedien verbreitete Anzeigen- und die Fernsehwerbung, sondern darüber hinaus für die über ihre Internetpräsenz und das Portal youtube verbreitete Werbung gegeben.

1. Zur Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 2 und S. 3 Nr. 1 UWG wird zunächst auf die Erwägungen unter I 1 a sowie I 1 b aa des Beschlusses der Kammer vom 15. Januar 2021 verwiesen (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2021 – 38 O 3/21, WRP 2021, 395 = GRUR-RS 2021, 402 und bei juris [dort jeweils Rn. 3 bis 14; die Entscheidung kann außerdem kostenfrei unter nrwe.de abgerufen werden]; zur Unterrichtung der an dem Verfahren 38 O 3/21 nicht beteiligten Antragsgegnerin sind die in Bezug genommenen Passagen des Beschlusses vom 15. Januar im Anschluss an die Gründe dieses Beschlusses wiedergeben). An dem dort gefundenen Ergebnis – dass nämlich der den grundsätzlich nach § 14 Abs. 2 S. 2 UWG gegebenen fliegenden Gerichtsstand sperrende Ausschlusstatbestand des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG (nur) eingreift, wenn die betreffende Zuwiderhandlung tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpft (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2021, a.a.O.; zustimmend Lerach, jurisPR-WettbR 2/2021 Anm. 5; Spoenle, jurisPK-UWG, § 14 UWG [Stand: 8. Februar 2021] Rn. 51; für eine einschränkende Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG auch Wagner/Kefferpütz, WRP 2021, 151 [158 Rn. 36 f. und 159 Rn. 41] sowie – allerdings etwas weniger weitgehend – Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen, § 14 UWG Rn. 21; kritisch dagegen Omsels/Zott, WRP 2021, 278 [286 Fn. 79]) – hält die Kammer nach nochmaliger Überprüfung fest. Die gegen die vorgenommene teleologische Reduktion von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG vorgebrachten Bedenken (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Februar 2021 – 20 W 11/21, GRUR-RS 2021, 2043 [unter III]; Omsels/Zott, a.a.O.) greifen nicht durch und veranlassen die Kammer nicht, ihre Sichtweise zu ändern.

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a) Die teleologische Reduktion von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG überschreitet nicht die sich aus der von dem Oberlandesgericht Düsseldorf angesprochenen Entscheidung „Erfolgshonorar für Versicherungsberater“ ergebenden Grenzen zulässiger Gesetzesauslegung. Die Frage, wie die – dem UWG bis zum 1. Dezember 2020 unbekannte und im Gesetz nicht definierte – Wendung der „Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien“ (§ 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 UWG) zu verstehen ist und ob sie inhaltlich dieselben oder andere Sachverhalte erfasst als die – ebenfalls neu eingefügte und nicht definierte – Wendung der „im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangenen Verstöße[…] gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten“ (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 UWG) ist eine von Ansatzpunkt und Tragweite her vollkommen andere als die in der Entscheidung „Erfolgshonorar für Versicherungsberater“ vom Bundesgerichtshof beantwortete Frage, ob sich der (allein) das Berufsbild des Versicherungsberaters beschreibenden (und dabei die bisherige gesetzliche Regelung inhaltlich übernehmenden), seine Vergütung nicht regelnden Vorschrift des § 34d Abs. 2 S. 2 GewO (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 – I ZR 67/18 – Erfolgshonorar für Versicherungsberater [unter II 2 c ff (2) und (3)]) entnehmen lässt, dass der Versicherungsberater infolge des Inkrafttretens dieser – wie erwähnt keine inhaltliche Änderung bringenden – Vorschrift dem sich aus § 4 Abs. 1 S. 1 RDGEG ergebenden Verbot der Vereinbarung eines Erfolgshonorars künftig nicht mehr unterfällt. Jedenfalls ist anhand der in der Entscheidung „Erfolgshonorar für Versicherungsberater“ aufgezeigten Grenze zulässiger Gesetzesauslegung (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 – I ZR 67/18 – Erfolgshonorar für Versicherungsberater [unter II 2 c ff (4)]) nicht festzustellen, dass die von der Kammer vorgenommene (und von Teilen der Literatur für zutreffend gehaltene) Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 2 und S. 3 Nr. 1 UWG als krasse Missdeutung und damit als objektiv willkürlich im Sinne von unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar und naheliegend als auf sachfremden Erwägungen beruhend (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 2014 – 1 BvR 1925/13 [unter II 1]; BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – IX ZB 55/19 [unter II 3 b dd]) anzusehen sein könnte. Die Wortlautinterpretation ist nicht Grenze, sondern Ausgangspunkt der Auslegung (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2017 – IV ZR 551/15 [unter II 1 c bb]; s.a. EuGH, Urteil vom 11. Juni 2020 – C-786/18, ratiopharm GmbH/Novartis Consumer Health GmbH [Rn. 28 ff.]) und bei der Gesetzesauslegung ist zu berücksichtigen, ob eine strikt am Wortlaut orientierte Gesetzesanwendung zu sachgerechten Ergebnissen führt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2010 – III ZR 209/09 [unter II 3 b]).

b) Die Unterschiede in den Formulierungen von § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG einerseits und § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG andererseits stehen der an (in dem Beschluss der Kammer vom 15. Januar 2021 herausgearbeiteten) Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht entgegen, zumal es sich bei dieser Vorschrift – was das Oberlandesgericht Düsseldorf unberücksichtigt lässt – um einen Ausnahmetatbestand handelt dessen Zweck es ist, den in § 14 Abs. 2 S. 2 UWG grundsätzlich eröffneten fliegenden Gerichtsstand für bestimmte Fälle auszuschließen. Näher als die Annahme eines (möglicherweise vom Oberlandesgericht Düsseldorf im Gesetz erkannten) „Zweistufensystems“ (im Sinne einer bewusst zwischen verschiedenen Fallgruppen differenzierenden Lösung für die Regelung des Abmahnkostenersatzes einerseits und der örtlichen Zuständigkeit andererseits) liegt die Annahme eines Redaktionsversehens des Gesetzgebers (vgl. Lerach, a.a.O.), was aus den in dem Beschluss der Kammer vom 15. Januar 2021 angeführten Gesichtspunkten eine teleologische Reduktion des in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG enthaltenen Ausnahmetatbestandes angezeigt erscheinen lässt. Die für eine solche Auslegung sprechenden Argumente sind – jedenfalls durch die bisherige Diskussion – nicht widerlegt. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vertiefenden, die Zirkelschlüssigkeit der bislang geäußerten Kritik aufzeigenden und den Gang des Gesetzgebungsverfahrens nachzeichnenden Ausführungen der Antragstellerin unter IV 3 c ihrer Antragsschrift (S. 17 bis 20 = Bl. 18 bis 21 GA) Bezug genommen.

c) Die Kammer sieht keine Veranlassung, ihre Auffassung im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung aufzugeben. Die Diskussion darüber, wie die seit dem 2. Dezember 2020 geltende Regelung der örtlichen Zuständigkeit in § 14 Abs. 2 UWG auszulegen ist, steht noch an ihrem Anfang. Die Überzeugungskraft der Bedenken, die bislang gegen das in dem Beschluss der Kammer vom 15. Januar 2021 gefundene Ergebnis und die dafür gegebene Begründung vorgebracht worden sind, ist – jedenfalls aus Sicht der Kammer – gering und auf der anderen Seite sind Ergebnis und Begründung des Beschlusses der Kammer vom 15. Januar 2021 teils ausdrücklich zustimmend besprochen worden. Angesichts dessen erscheint es der Kammer, die ausschließlich mit Streitigkeiten aus den Bereichen des Wettbewerbs-, Kennzeichen- und Geschmacksmuster-/Designrecht befasst ist und auf deren Spruchpraxis sich die beteiligten Kreise vielfach einstellen, angezeigt, an ihrer eingeschlagenen Linie festzuhalten (freilich unter dem – letztlich für jede Rechtsanwendung geltenden – Vorbehalt sich eventuell aus dem Fortgang der Diskussion um die zutreffende Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG ergebender besserer Erkenntnisse).

d) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist schließlich nicht geeignet, ein schutzwürdiges Vertrauen der Rechtsunterworfenen dahin zu begründen, die Kammer werde nunmehr an ihrer – für den geneigten Leser ihres Beschlusses erkennbar nicht unüberlegt in den Raum geworfenen, sondern unter Heranziehung anerkannter Auslegungsgrundsätze und der Gesetzgebungsmaterialien entwickelten – Auffassung nicht länger festhalten. Selbst wenn man – hinausgehend über die sich aus §§ 31 BVerfGG, 322, 563 Abs. 2 ZPO ergebenden Bindungen an Urteile anderer Gerichte und dem sich aus den Rechtswerten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ergebenden Gebot, grundsätzlich an einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung festzuhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Oktober 1982 – GSZ 1/82, NJW 1983, 228 [unter II 1 b]) – eine dem deutschen Recht an sich fremde (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2002 – X ARZ 110/02 [unter III 2]) Präjudizienbindung von Instanzgerichten annehmen wollte, griffe diese nicht ein. Bei der von dem Oberlandesgericht Düsseldorf unter II 3 c und III seines Beschlusses vom 16. Februar 2021 geäußerten Kritik an Zustandekommen und Inhalt des von der Kammer am 15. Januar 2021 erlassenen Beschlusses handelt es sich um bloße obiter dicta, die als die Entscheidung nicht tragende Erwägungen schon vom Ansatz her keinerlei Bindungswirkung entfalten.

2. Aus dem zur Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG gefundenen Ergebnis ergibt sich, dass der nach §§ 937 Abs. 1, 943 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 14 Abs. 2 S. 2 UWG grundsätzlich für alle hier angegriffenen Werbemaßnahmen gegebene Gerichtsstand des Begehungsortes nicht gemäß § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG für das Bereithalten der beanstandeten Darstellung in der Internetpräsenz der Antragsgegnerin und die Verbreitung des Werbespots über youtube ausgeschlossen ist. Die Antragstellerin leitet die von ihr angenommene Unlauterkeit dieser Werbemaßnahmen aus Umständen her, die tatbestandlich nicht an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpfen. Bei dieser Sachlage greift der in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG geregelte Ausschlusstatbestand nicht ein.

II. Der Antrag ist aus den eingangs der Gründe genannten Vorschriften begründet.

1. Der (inhaltlich identisch über zwei verschiedene Kanäle verbreitete) Werbespot ist im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG irreführend.

a) Der in dem Spot verwandten Wendung „WIE WECHSELN OHNE DRAUFZAHLEN“ werden erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs mutmaßlich eine Sachaussage dahin entnehmen, dass bei einem Wechsel von einem anderen Anbieter hin zur Antragsgegnerin für den Verbraucher keine höheren Kosten anfallen, als dies bei einer Fortsetzung seines bisherigen Vertragsverhältnisses der Fall wäre. Der Annahme eines solchen Verkehrsverständnisses steht nicht entgegen, dass in dem Spot zunächst Werbefloskeln ohne greifbaren sachlichen Inhalt geäußert werden und (zunächst) kein konkretes Produkt benannt wird. Bereits mit der parallel zu der vorangehend genannten Wendung „WIE WECHSELN OHNE CHAOS“ gezeigten Verbindung eines Kabels mit dem WLAN-Kabelrouter der Antragsgegnerin beginnt die Werbung mit dem Aufbau eines Produktbezugs. Vor allem aber wird dem Zuschauer mit dem gegen Ende des Spots erwähnten Wechselservice der Antragsgegnerin ein naheliegender Bezugspunkt für das wenige Sekunden vorher mit der Wendung „ohne draufzahlen“ transportierte Kostenargument präsentiert.

b) Die so aufgebaute Vorstellung trifft nicht zu. Zum einen können je nach Dauer der überlappenden Vertragslaufzeiten monatlich fällig werdende Entgelte an alten wie neuen Anbieter (also gleichsam doppelt) zu entrichten sein. Überdies löst der Wechsel selbst Kosten in Form von „Bereitstellungsentgelt bzw. Aktivierungsgebühr“ und „Lieferpauschale“ aus. Diese fielen bei einem Verbleib bei dem bisherigen Anbieter nicht an, sind mit anderen Worten von dem Neukunden zusätzlich aufzuwenden (oder „drauf zu zahlen“).

2. Vergleichbares gilt für den in der Anzeige versprochenen „Schutz vor doppelten Kosten“.

a) Ungeachtet sich bei genauerer semantischer Analyse ergebender inhaltlicher Unschärfen der Wendung „doppelte Kosten“ wird der Betrachter der Anzeige ihr mutmaßlich die Verheißung entnehmen, ein Wechsel von seinem bisherigen Anbieter hin zu der Antragsgegnerin werde bei ihm finanziell nicht negativ zu Buche schlagen. „Doppelte Kosten“ werden in dem gegebenen Zusammenhang naheliegend als Mehrkosten verstanden, wie sie an sich bei einem Wechsel des Anbieters anfallen (können) und vor denen die Antragsgegnerin Neukunden mit ihrem Wechselservice bewahrt.

b) Die auf diese Weise bei erheblichen Teilen des Verkehrs hervorgerufene Vorstellung, bei einem Wechsel zu der Antragsgegnerin fielen keine Mehrkosten an, trifft aus den vorstehend unter II 1 b genannten Gründen nicht zu.

c) Der Fußnotenhinweis steht der Annahme einer Irreführung nicht entgegen. Mit ihm wird das Versprechen, „Schutz vor doppelten Kosten“ zu gewähren, teilweise zurückgenommen. Das geht über eine rechtlich zulässige Erläuterung, wie der Schutz gewährt wird, hinaus.

3. Schließlich ist die zum Abruf von der Internetpräsenz bereitgehaltene Darstellung irreführend. Mit den zur Bewerbung des Wechselservices gebrauchten Wendungen „ohne Risiko und doppelte Kosten“, „ohne doppelte Kosten“ und „keine doppelte Kosten“ wird nicht anders als bei der Anzeigenwerbung die Erwartung aufgebaut, ein Wechsel zu der Antragsgegnerin sei nicht mit Mehrkosten verbunden. Das trifft schon deshalb nicht zu, weil im Zusammenhang mit dem Wechsel einmalige Entgelte in Höhe von zusammen knapp € 80 anfallen. Das erschließt sich dem Betrachter der Seite selbst dann nicht, wenn er die von der Antragsgegnerin angesprochenen Erläuterungen weiter unten auf der Seite durchliest.

4. Den Bedenken, die von der Antragsgegnerin gegen die Fassung der von der Antragstellerin entworfenen Unterlassungserklärung erhobenen wurden und die auf die wortgleiche Antragstellung zu übertragen sind, kann nicht beigetreten werden.

a) Die Anträge zielen, wie aus der unmittelbaren Bezugnahme auf das beanstandete Verhalten deutlich wird (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – I ZR 190/10 – Neue Personenkraftwagen [unter II 1 c]; Urteil vom 7. April 2011 – I ZR 34/09 – Leistungspakete im Preisvergleich [unter II 1 b aa]; Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 99/08 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer [unter II 5]; Urteil vom 2. Juni 2005 – I ZR 252/02 – Aktivierungskosten II [unter II 1 a]), auf ein Verbot der konkreten Verletzungshandlungen ab.

b) Der Inhalt eines solchen, auf die konkrete Verletzungshandlung beschränkten Verbots, dem über Fortsetzungen oder identische Wiederholungen des beanstandeten Verhaltens hinaus solche im Kern gleichartigen Abwandlungen unterfallen, in denen das rechtlich Charakteristische der konkreten Verletzungshandlung noch zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2016 – I ZB 34/15 [unter III 4 a]; Beschluss vom 3. April 2014 – I ZB 42/11 – Reichweite des Unterlassungsgebots [unter II 2 a und b]; Urteil vom 19. Mai 2010 – I ZR 177/07 – Folienrollos [unter II 1 b]; Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 202/07 – Erinnerungswerbung im Internet [unter II 1 b dd]; Urteil vom 16. November 2006 – I ZR 191/03 – Telefonwerbung für „Individualverträge“ [unter II 1 b]; Urteil vom 4. September 2003 – I ZR 32/01 [unter II 2]; Urteil vom 7. Juni 2001 – I ZR 115/99 – Jubiläumsschnäppchen [unter II 1 a (1)]), richtet sich (sofern sich nicht im Einzelfall aus der Begründung des Anspruchsstellers ein anderes Ziel ergibt, was hier nicht der Fall ist) nicht nach abstrakten Umschreibungen in Antrag oder Tenor, sondern nach der konkreten Verletzungshandlung so, wie sie von dem Anspruchssteller vorgetragen bzw. dem Gericht festgestellt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 99/08 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer [unter II 5]; Urteil vom 2. Juni 2005 – I ZR 252/02 – Aktivierungskosten II [unter II 1 a]; s.a. Urteil vom 1. Februar 2018 – I ZR 82/17 – Gefäßgerüst [unter B II 1]; Urteil vom 7. April 2011 – I ZR 34/09 – Leistungspakete im Preisvergleich [unter II 1 b aa] sowie Urteil vom 23. Februar 2006 – I ZR 272/02 – Markenparfümverkäufe [unter A II 2 a und c] sowie Urteil vom 10. Januar 2019 – I ZR 267/15 – Cordoba II [unter B I 1 b bb (1)]).

Von daher braucht ein auf die konkrete Verletzungshandlung beschränkter Antrag keinerlei abstrakt formulierte Merkmale oder erläuternde Hinweise zu enthalten. Solche Zusätze mögen die Funktion haben, den Kreis der Varianten näher zu bestimmen, die von dem Verbot als kerngleiche Verletzungsformen erfasst sein sollen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 2005 – I ZR 252/02 – Aktivierungskosten II [unter II 1 a]; Urteil vom 19. Mai 2010 – I ZR 177/07 – Folienrollos [unter II 1 b]; Beschluss vom 3. April 2014 – I ZB 42/11 – Reichweite des Unterlassungsgebots [unter II 2 a]). Gleichwohl stellen sie sich, was die Beschreibung der konkreten Verletzungsform und des durch sie bestimmten Verbotsumfangs angeht, als ebenso unschädliche wie verzichtbare Überbestimmung dar (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2019 – I ZR 173/16 – ÖKO-TEST I [unter B I 2]; Urteil vom 30. Juli 2015 – I ZR 250/12 – Piadina-Rückruf [unter B I 3 b cc]; Urteil vom 25. Juni 2015 – I ZR 145/14 – Mobiler Buchhaltungsservice [unter II 2]; Urteil vom 10. Februar 2011 – I ZR 183/09 – Irische Butter [unter II 1 c]; Urteil vom 17. März 2011 – I ZR 81/09 – Original Kanchipur [unter II 1 a]), nämlich als – an sich überflüssige – Aufnahme von Begründungselementen in den Antrag bzw. Tenor (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 – I ZR 38/00 – Zugabenbündel [unter I 1 b (2)]).

c) Aus der nach alledem für die Bestimmung des Verbotsumfangs (allein) maßgeblichen Antragsbegründung und den von ihr in Bezug genommenen Anlagen K1 bis K4 ergibt sich (wie auch bereits aus der Abmahnung), in welchen Bestandteilen der angegriffenen Werbemaßnahmen die Antragstellerin jeweils die charakteristischen, die von ihr angenommene Verletzung des Irreführungsverbots begründenden Merkmale sieht. Ob diese Merkmale durch den abstrakten Antragsteil „dass der Wechsel zu Vodafone keine weiteren Kosten auslöse“ zutreffend zusammengefasst werden, ist für den Inhalt des Verbots bedeutungslos.

III. Über den Antrag kann im Einklang mit den – auch für das Lauterkeitsrecht geltenden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2020 – 1 BvR 1379/20 [unter II 1]) – Grundsätzen zur Wahrung der prozessualen Waffengleichheit im einstweiligen Verfügungsverfahren ohne vorherige gerichtliche Anhörung der Antragsgegnerin entschieden werden. Die Antragsgegnerin ist hinreichend in das Verfahren einbezogen worden, nachdem ihr die Antragstellerin mit ihrer Abmahnung im Vorfeld des Verfahrens Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat, die erhaltene Entgegnung mit dem Verfügungsantrag vollständig vorgelegt worden ist und die den Erlass der einstweiligen Verfügung rechtfertigenden, in der Antragsschrift vorgetragenen Tatsachen und erörterten rechtlichen Gesichtspunkte mit den in der Abmahnung erhobenen Beanstandungen inhaltlich deckungsgleich sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Dezember 2020 – 1 BvR 2740/20 [unter II 3 a aa bis cc]; Beschluss vom 30. Juli 2020 – 1 BvR 1422/20 [unter II 2 a]; Beschluss vom 3. Juni 2020 – 1 BvR 1246/20 [unter II 3 a cc und II 3 b aa]; Beschlüsse vom 30. September 2018 – 1 BvR 1783/17 und 1 BvR 2421/17 [jeweils unter II 2 b cc]; speziell zur notwendigen Deckungsgleichheit zwischen Abmahnung und Verfügungsantrag im Lauterkeitsrecht s. außerdem Beschluss vom 3. Dezember 2020 – 1 BvR 2575/20 [unter III 2 b bb]).

Nach diesen Grundsätzen nicht veranlasst ist auch eine Anhörung der Antragsgegnerin zu der Frage der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Soweit das Oberlandesgericht Düsseldorf (in einem weiteren obiter dictum) angemerkt hat, die Voraussetzungen für die Verfahrensweise der Kammer hätten ersichtlich nicht vorgelegen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Februar 2021 – 20 W 11/21, GRUR-RS 2021, 2043 [unter II 3 c]), hat es unberücksichtigt gelassen, dass die von ihm angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Presserecht ergangen sind. Für das Lauterkeitsrecht gilt demgegenüber, dass eine Identität der rechtlichen Begründung zwischen Abmahnung und Verfügungsantrag nicht erforderlich und eine Grenze erst dort zu ziehen ist, wo der gerichtliche Verfügungsantrag den im Rahmen der außergerichtlichen Abmahnung geltend gemachten Streitgegenstand verlässt oder weitere Streitgegenstände und Sachverhaltsumstände neu einführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Dezember 2020 – 1 BvR 2575/20 [unter III 2 b bb]; Beschluss vom 30. Juli 2020 – 1 BvR 1422/20 [unter II 2 b]; s.a. auch OLG Köln, Urteil vom 14. August 2020 – 6 U 4/20, GRUR-RS 2020, 39315 [unter II 1 a]). Dementsprechend lassen die nur im Verfügungsantrag enthaltenen bloßen Rechtsausführungen zur örtlichen Zuständigkeit keine Anhörung der Antragsgegnerin notwendig werden.


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OLG Düsseldorf: Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht gegen den Wortlaut einschränkend auszulegen

OLG Düsseldorf
Beschluss vom 16.02.2021
I-20 W 11/21


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht gegen den Wortlaut einschränkend auszulegen ist und daher nicht nur für Wettbewerbsverstöße gilt, die tatbestandlich ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder über Telemedien voraussetzen. Das OLG Düsseldorf hat damit die Vorinstanz (siehe dazu LG Düsseldorf. Beschluss vom 15.01.2021, 38 O 3/21) korrigiert.

Aus den Entscheidungsgründen:

"II. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg.

1. Der Senat entscheidet in der Besetzung des § 122 Abs. 1 GVG. Die Vorschrift des § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO gilt nicht, da der alleinentscheidende Vorsitzender einer Kammer für Handelssachen kein „Einzelrichter“ ist (Hamdorf, in Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl., § 568 Rn. 6).

2. Der Senat sieht von einer Vorlage an das Landgericht ab, da eine Abhilfe wegen Unstatthaftigkeit einer sofortigen Beschwerde (s. nachfolgend unter 3.) von vornherein unzulässig ist.

3. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unstatthaft.

a) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ergibt sich die Statthaftigkeit einer sofortigen Beschwerde nicht aus § 17a Abs. 4 S. 2 GVG. Zwar ist § 17a GVG auch im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich anzuwenden (Zimmermann, a.a.O., § 17a GVG Rn. 5 m.w.N.). Diese Vorschrift gilt jedoch im Zivilverfahren (anders in der Arbeitsgerichtsbarkeit - § 48 ArbGG – und Verwaltungsgerichtsbarkeit - § 83 VwGO, jedoch mit Ausschluss des Rechtsmittels der sofortigen Beschwerde) nicht für die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit.

b) Die Zivilprozessordnung sieht hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit eine andere Verfahrensweise vor. Hält das angerufene Gericht sich für unzuständig, verweist es entweder den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers nach § 281 ZPO an das zuständige Gericht oder weist die Klage mangels eines derartigen Antrages zurück. Hält das Gericht sich demgegenüber für zuständig, entscheidet es hierüber – wenn es kein Zwischenurteil nach § 280 ZPO erlässt, was in seinem Ermessen steht – in seiner Endentscheidung. Diese ist im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit – von der teilweise angenommenen Ausnahme von Willkür abgesehen– nach § 513 Abs. 2 ZPO nicht überprüfbar.

Bejaht das Landgericht bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in einer Beschlussverfügung seine örtliche Zuständigkeit, kann der Antragsgegner dies nur im Wege des Widerspruchs (§ 924 ZPO) angreifen; insoweit tritt der Widerspruch an die Stelle der Beschwerde (BGH NJW 2003, 1531; Drescher, a.a.O., § 924 Rn. 2). Wie auch allgemein hat das Landgericht seine in der Beschlussverfügung vertretene Auffassung sodann umfassend zu überprüfen und ist an diese nicht gebunden. Kommt es – abweichend von seiner in der Beschlussverfügung geäußerten Auffassung - zu dem Ergebnis, dass es unzuständig ist, hat es sodann entweder das Verfahren auf Antrag des Antragstellers an das zuständige Gericht zu verweisen oder bei Fehlen eines solchen Antrages seine Beschlussverfügung unter Abweisung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung aufzuheben (vgl. Schwippert, in: Teplitzky u.a., Großkommentar UWG, 2. Aufl., § 12 C Rn. 152; Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl., Rn. 266). Hält das Landgericht demgegenüber an seiner Auffassung zur Zuständigkeit fest, so ist dies im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 513 Abs. 2 ZPO vom Berufungsgericht im Allgemeinen nicht überprüfbar.

Unabhängig davon, ob das Landgericht mit seiner Entscheidung ein Gesuch der Antragsgegnerin im Sinne des § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO abgewiesen hat, gehen hier die Vorschriften über den Widerspruch vor.

c) Eine Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde ergibt sich auch nicht daraus, dass das Landgericht jedenfalls nach Aktenlage die Grundsätze über die prozessuale Waffengleichheit nicht beachtet hat.

Allerdings lagen entgegen der Auffassung des Landgerichts die Voraussetzungen, unter denen es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (s. zuletzt WRP 2021, 181; Beschluss vom 11.01.2021 – 1 BvR 2681/20) von einer Anhörung der Antragsgegnerin vor Erlass der Beschlussverfügung hätte absehen dürfen, ersichtlich nicht vor. Zwar hatte die Antragstellerin die Antragsgegnerin vorher abgemahnt und die Abmahnung sowie die Antwort der Antragsgegnerin hierauf dem Gericht vorgelegt. Der Antrag auf Erlass einer einstweilige Verfügung ging jedoch jedenfalls insoweit weit über die Abmahnung hinaus, als er umfangreiche Ausführungen zur Auslegung des § 14 Abs. 2 UWG n.F. umfasste. Dass die Antragsgegnerin in ihrer Schutzschrift auf § 14 Abs. 2 UWG n.F. hinwies, rechtfertigte diese Verfahrenshinweise nicht, da dieser Hinweis sehr kurz war und die Ausführungen der Antragstellerin nicht berücksichtigen konnte. Damit hatte die Antragstellerin ihren Antrag „sonst mit ergänzendem Vortrag begründet“ (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.2021 – 1 BvR 2681/20 Rdnr. 32 a.E.). Dadurch wurde es der Antragsgegnerin – anders als der Antragstellerin - verwehrt, ihre umfangreichen Ausführungen zur Auslegung des § 14 Abs. 2 UWG n.F. vor Erlass der sie belastendenden Beschlussverfügung zu Gehör zu bringen.

Diese prozessordnungswidrige Verfahrensweise führt aber nicht zur ausnahmsweisen Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde (Drescher, a.a.O., § 924 Rn. 2; vgl. auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Verfassungsbeschwerden wegen Verletzung der prozessualen Waffengleichheit, in denen eine sofortige Beschwerde als Rechtsbehelf nicht erwähnt wird).

III. Die Kammer wird im Falle eines Widerspruchs ihre Auffassung zur örtlichen Zuständigkeit hinsichtlich der Anträge zu 1.b), d) und e) überprüfen müssen. Gegen die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des – auf das vorliegende Verfahren im Hinblick auf seine Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs – anwendbaren § 14 Abs. 2 UWG n.F. bestehen erhebliche Bedenken.

Der Wortlaut enthält die vom Landgericht vorgenommene Einschränkung nicht. Diese lässt sich auch nicht mit Sinn und Zweck der Regelung rechtfertigen. Hintergrund der Änderung der Vorschrift über die örtliche Zuständigkeit waren vom Gesetzgeber angenommene Unzuträglichkeiten. Der Entwurf sah diese vor allem bei der Verfolgung lauterkeitsrechtlicher Verstöße im Internet (BT-Drs. 19/12094 S. 35), die eine Vielzahl von Gerichtsständen zur Folge habe. Die Bemerkung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 19/19/22238 S. 18) bezieht sich hierauf. Der Missstand wurde bei der Verfolgung im Internet begangener Verstöße gesehen; Einschränkungen auf bestimmte im Internet begangene Verstöße ergeben sich hieraus dagegen nicht.

Hinzu kommt der Vergleich mit der engeren Formulierung in § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG n.F. Dort findet sich die – in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG n.F. fehlende – Einschränkung „gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten“. Der Gesetzgeber hat dazu ausgeführt (BT-Drs. 19/12084 S. 32): „Es muss sich nicht um spezifische Informations- und Kennzeichnungspflichten im Online-Handel oder auf Webseiten handeln, sondern es ist ausreichend, dass die Verstöße in diesem Bereich auftreten.“ Als Beispiel nennt der Gesetzgeber Verstöße gegen die – nicht internetspezifische - Preisangabenverordnung. Bereits von daher lässt sich die vom Gesetzgeber für eine Bestimmung, die sogar eine ausdrückliche Einschränkung (Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet) enthält, abgelehnte weitere Einschränkung erst recht nicht auf eine Bestimmung übertragen, die eine solche Einschränkung nicht einmal ansatzweise enthält.

Eine teleologische Einschränkung verbietet sich auch deswegen, weil dem Gesetzgeber mögliche Einschränkungen vor Augen standen, er diese aber nicht übernommen hat. In § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG hat er eine (allerdings auch nur begrenzte) Einschränkung vorgenommen. Die GRUR hatte im Vorfeld Einschränkungen bei der Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes bei Verstößen gegen bestimmte Kennzeichnungs- und Informationspflichten vorgeschlagen (GRUR 2019, 59). Auch in der Sachverständigenanhörung am 23. Oktober 2019 vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages sind verschiedentlich in diese Richtung gehende Einschränkungen vorgeschlagen worden. Der Gesetzgeber hat jedoch in Kenntnis dieser Möglichkeiten eine Einschränkung gerade nicht vorgenommen. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass eine derartige Einschränkung gerade nicht gewollt war.

Die von der Antragstellerin angesprochenen Äußerungen des Abgeordneten Jung im Deutschen Bundestag (Plenarprotokoll 19/173) – auf die auch Wagner/Kefferpütz, WRP 2021, 151 Rn. 36 verweisen - lassen eine Beschränkung des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG n.F. auf internetspezifische Kennzeichenpflichten nicht erkennen; eine Beschränkung der Vorschrift auf die Verletzung von Informations- und Kennzeichnungspflichten, auf die er Bezug nimmt, hat – anders als in § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG – im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden und sind daher unmaßgeblich (vgl. BGH GRUR 2019, 970 – Erfolgshonorar für Versicherungsberater – Rn. 64 ff., 66).

Ob die Auffassung zutrifft, wonach die Vorschrift des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG n.F. nur dann eingreift, wenn die beanstandete Werbung nur in Telemedien erscheint (so Feddersen, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl.,§ 14 Rn. 21), bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls in den Fällen, in denen die angegriffenen Aussagen unterschiedlich sind und Gegenstand gesonderter Anträge sind, mithin unterschiedliche Streitgegenstände darstellen, bleibt es bei der Regel des § 260 ZPO, wonach mehrere Anträge bei demselben Gericht nur dann zusammen anhängig gemacht werden können, wenn dieses Gericht für sämtliche Ansprüche zuständig ist. Eine Zuständigkeit kann auch nicht auf einen Sachzusammenhang mit den übrigen Anträgen begründet werden. Die Vorschrift des § 260 ZPO lässt einen Sachzusammenhang hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit nicht ausreichen. Es fehlt auch an einem Bedürfnis dafür, da der allgemeine Gerichtsstand für sämtliche Anträge zur Verfügung steht; insoweit besteht auch kein Widerspruch dazu, dass zusammengehörige Beanstandungen möglichst in einem Verfahren geltend gemacht werden sollen.

Vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass die Gerichtsstände des § 14 Abs. 2 UWG n.F. entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht ausschließlich sind (so aber auch ohne nähere Begründung Feddersen, a.a.O., § 14 Rn. 7). Die Ausschließlichkeit der Gerichtsstände des § 14 UWG a.F. wurde aus den Worten „außerdem nur“ hergeleitet (Köhler/Feddersen, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 14 Rn. 1). Das Wort „nur“ fehlt bewusst in der Neufassung; der Gesetzgeber wollte damit ausdrücklich erreichen, dass die in Abs. 2 genannten Gerichtsstände nicht mehr ausschließlich und damit nunmehr einer Vereinbarung oder einer rügelosen Einlassung zugänglich sind (BT-Drs. 19/12084 S. 35); daran hat sich durch die von dem Regierungsentwurf abweichende Formulierung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages nichts geändert."

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LG Düsseldorf: Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG gegen den Wortlaut einschränkend auszulegen

LG Düsseldorf
Beschluss vom 15.01.2021
38 O 3/21


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG einschränkend auszulegen ist und nur für Wettbewerbsverstöße gelten soll, die tatbestandlich ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder über Telemedien voraussetzen. Die Ansicht des LG Düsseldorf gegen den Wortlaut und ohne Rückhalt in der Gesetzesbegründung dürfte - unabhängig davon, was man von der Regelung halten mag - kaum vertretbar sein und wurde auch vom OLG Düsseldorf bereits ( siehe dazu Beschluss vom 16.02.2021 - I-20 W 11/21 ) korrigiert.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Für die Entscheidung über den Verfügungsantrag ist das angerufene Landgericht Düsseldorf gemäß §§ 937 Abs. 1, 943 Abs. 1 ZPO zuständig. Vor ihm könnte im ersten Rechtszug die Hauptsacheklage erhoben werden. Daran hat die am 2. Dezember 2020 – und damit vor Eingang des Verfügungsantrags – in Kraft getretene Änderung des UWG durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26. November 2020 nichts geändert.

a) Gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 UWG in der seit dem 2. Dezember 2020 geltenden Fassung ist für ein Hauptsacheverfahren das Landgericht Düsseldorf örtlich zuständig. Die nach Auffassung der Antragstellerin gegebenen und wettbewerbsrechtlich zu sanktionierenden Zuwiderhandlungen sind in seinem Bezirk begangen worden.

Unter dem Begehungsort ist nach dem zu § 32 ZPO entwickelten und für § 14 Abs. 2 S. 1 UWG a.F. gleichermaßen geltenden überkommenen deutschen zivilprozessualen Verständnis ebenso wie nach den für die Auslegung von Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ, Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO, Art. 7 Nr. 2 EuGVVO und Art. 5 Nr. 3 LugܠI bzw. LugܠII anzuwenden Maßstäben (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 16. Juni 2016 – C-12/15 – Universal Music International Holding/Schilling u.a. [Rn. 28]; BGH, Urteil vom 30. März 2006 – I ZR 24/03 – Arzneimittelwerbung im Internet [unter II 1]) sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort gemeint (vgl. auch §§ 9 Abs. 1 StGB; 7 Abs. 1 OWiG). Letzterer ist bei unlauteren Wettbewerbshandlungen überall dort belegen, wo sich die Handlung bestimmungsgemäß (zumindest auch) auswirken soll (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2019 – I ZR 222/17 – Club Hotel Robinson [unter B III 2 a]).

Das ist hier unter anderem jeder im Bezirk des Landgerichts Düsseldorf gelegene Ort. Die Antragsgegnerin spricht mit ihrem Angebot (auch) die dort ansässige (potentielle) Marktgegenseite an und für diese kann sämtliche angegriffenen Werbemaßnahmen dort wahrnehmen.

b) Der danach gegebene Gerichtsstand des Begehungsortes ist nicht nach § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG ausgeschlossen.

aa) Dieser Ausnahmetatbestand umfasst entgegen seinem (insoweit missverständlichen) Wortlaut nicht jegliches unlautere Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien, sondern ist seinem Sinn und Zweck nach beschränkt auf solche Zuwiderhandlungen, bei denen der geltend gemachte Rechtsverstoß tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpft.

Die durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs eingeführte Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands der unerlaubten Handlung sollte durch die letztlich verabschiedete Entwurfsänderung (in der auf die zunächst geplante nahezu vollständige Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands für Inlandsfälle [vgl. § 14 Abs. 2 des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, BT-Drs. 19/12084, S. 10] zugunsten der verabschiedeten Regelung verzichtet wurde) auf die in dem Zusammenhang mit missbräuchlichen Abmahnungen als besonders anfällig angesehenen Verstöße zurückgeführt werden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutzs, BT-Drs. 19/22238 S. 18). Solche (abmahn)missbrauchsanfälligen Zuwiderhandlungen wurden im Gesetzgebungsverfahren in Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten auf Telemedien gesehen. Dieser Befund war gestützt auf die Erwägung, dass im Online-Handel Verstöße durch den Einsatz von Crawlern einfach und automatisiert festgestellt werden könnten und zahlreiche besondere Informationsverpflichtungen bestünden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutzs, BT-Drs. 19/22238 S. 16; Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/12084, S. 32).

Auf diese, von dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs in den Blick genommene Fallgruppe beschränkt sich dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG entsprechend ihr Regelungsbereich. Eine andere Sichtweise wäre nicht nur unzweckmäßig und unpraktikabel, sondern liefe auf die mit der abschließenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs gerade nicht gewollte weitgehende Abschaffung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung hinaus. Dieser käme bei einem am Wortlaut haftenden Verständnis von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG bei sich unter Nutzung moderner Kommunikationstechniken verbreiteten geschäftlichen Handlungen praktisch nicht mehr zum Zuge und führte zu sachlich nicht gerechtfertigten Ergebnissen.

Beispielsweise müsste bei einem gerichtlichen Vorgehen gegen eine nach § 4 Nr. 1 UWG unlautere Verunglimpfung, das nach § 4 Nr. 3 UWG unlautere Angebot einer Nachahmung, eine nach § 7 UWG unzulässige unzumutbare Belästigung, eine nach § 4a UWG unlautere aggressive oder eine nach den §§ 5 bis 6 UWG unlautere irreführende geschäftliche Handlung jeweils danach unterschieden werden, ob die angegriffene geschäftliche Handlung – also konkret etwa die individuelle Ansprache eines Verbrauchers, die Veröffentlichung eines Verkaufsangebots oder einer Werbung – über Telemedien bzw. im elektronischen Geschäftsverkehr an einzelne Verbraucher oder die Öffentlichkeit herangetragen worden ist oder über klassische Medien bzw. im stationären Handel, auf Märkten und im nicht über Telemedien abgewickelten Versandhandel. Eine solche, nach dem anzuwendenden materiellen Recht nicht vorzunehmende Unterscheidung hätte zur Konsequenz, dass gegen einen Mitbewerber verunglimpfenden oder Kunden über Produkteigenschaften irreführenden Werbespot für Bergschuhe bundesweit vorgegangen werden könnte, wenn er als Kinowerbung verbreitet wird, während gegen denselben Spot eines in Hamburg ansässigen Unternehmers, der den Spot über das Internet mittels Geo-Targeting ausschließlich in Bayern ausspielen lässt um speziell dort ansässige Verbraucher zu erreichen, nur in Hamburg vorgegangen werden könnte. Ferner müsste ein in Bayern ansässiger Mitbewerber, der zunächst nur die Kinowerbung bemerkt hat und dagegen in München vorgegangen ist, ein weiteres Verfahren in Hamburg anstrengen, wenn er später im Internet auf eine in Einzelheiten abweichende Version des Werbespots stößt.

Solche Ergebnisse wären offensichtlich regelungszweckwidrig. Entsprochen wird dem Sinn und Zweck des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs hingegen, wenn der Ausschlusstatbestand des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG auf solche Fälle nicht angewandt wird, in denen ein Gesetzesverstoß auch dann vorläge, wenn der Verletzer nicht im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien gehandelt hätte, sondern der Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG auf solche Konstellationen beschränkt wird, in denen die Annahme des Verstoßes zwingend ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien erfordert, mit anderen Worten der Verstoß tatbestandlich an ein solches Handeln anknüpft und bei Nutzung eines anderen Kommunikationskanals nicht verwirklicht werden könnte.

Auf diese Weise verstanden ist die in § 14 Abs. 2 S. 2 und S. 3 Nr. 1 UWG getroffene Regelung praktikabel. Die bei dieser Lesart von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG erfassten Fälle lassen sich (jedenfalls zu einem Großteil) gut voneinander abgrenzen.

Außerdem (und vor allem) erfüllt die Vorschrift bei dieser Auslegung ihren Regelungszweck. Die tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpfenden und in diesem Bereich insbesondere kleineren Unternehme(r)n unterlaufenden Verstöße sind gerade jene, bei denen während des Gesetzgebungsverfahrens eine Missbrauchsanfälligkeit erkannt wurde.

bb) Die von der Antragstellerin angenommenen Zuwiderhandlungen sind, soweit sie in Telemedien stattgefunden haben, keine solchen, die tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpfen. Die Antragstellerin leitet die von ihr angenommenen Rechtsverstöße durch die betreffenden geschäftlichen Handlungen – also das Bereitstellen und Bereithalten der Internetseiten mit den von der Antragstellerin beanstandeten Angaben sowie des auf der Plattform YouTube eingestellten Videos für einen Abruf durch den Nutzer – aus einer Verletzung des Irreführungsverbots (§§ 5, 5a UWG) und damit von Vorschriften her, die tatbestandlich an den von der geschäftlichen Handlung hervorgerufenen Gesamteindruck und nicht an ihren Verbreitungsweg anknüpfen. Das zeigt eine Kontrollüberlegung anhand der (zu bejahenden) Frage, ob der von der Antragstellerin angenommene Rechtsverstoß auch dann vorläge, wenn die Antragsgegnerin ihre Werbemaßnahmen nicht im Internet, sondern in Anzeigen, Katalogen oder im Fernsehen veröffentlicht hätte.

2. Die funktionelle Zuständigkeit der angerufenen Kammer für Handelssachen ergibt sich aus § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG. Daran hat der ersatzlose Wegfall der (nur deklaratorischen) Regelung in § 13 Abs. 1 S. 2 UWG a.F. nichts geändert (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/12084, S. 36).


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EU-Kommission: Bericht zur DSGVO - Die Kommission meint, dass die EU-Datenschutzvorschriften die Rechte der Bürgerinnen und Bürger stärken und zeitgemäß sind

EU-Kommission hat seinen Bericht zur DSGVO vorgelegt. Die Kommission meint, dass die EU-Datenschutzvorschriften die Rechte der Bürgerinnen und Bürger stärken und zeitgemäß sind. Dieses posititive Bild können wir leider nicht bestätigen. Die DSGVO weist erhebliche konzeptionelle Mängel auf. Auch die zahlreichen juristischen Streitfragen zur Auslegung der DSGVO zeigen, dass der Verordnungsgeber schlecht gearbeitet hat.

Die Pressemitteilung der EU-Kommission:

"Kommissionsbericht: Die EU-Datenschutzvorschriften stärken die Rechte der Bürgerinnen und Bürger und sind zeitgemäß

Nach etwas mehr als zwei Jahren seit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat die Europäische Kommission heute einen Bewertungsbericht veröffentlicht. Dem Bericht zufolge hat die DSGVO die meisten ihrer Ziele erreicht, insbesondere aufgrund der leistungsstarken, durchsetzbaren Vorschriften für die Bürgerinnen und Bürger und eines durch die DSGVO neu geschaffenen europäischen Governance- und Durchsetzungssystems. Auch bei der Unterstützung digitaler Lösungen in unvorhersehbaren Situationen wie der COVID-19-Krise hat sich die DSGVO als flexibel erwiesen. Der Bericht kommt auch zu dem Schluss, dass die Harmonisierung in den Mitgliedstaaten zunimmt, auch wenn ein gewisses Maß an Fragmentierung besteht, das ständig überwacht werden muss. Ferner wird festgestellt, dass Unternehmen eine Compliance-Kultur entwickeln und einen starken Datenschutz immer häufiger als Wettbewerbsvorteil nutzen. Im Bericht sind Maßnahmen aufgelistet, die allen Interessenträgern, insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen, die Anwendung der DSGVO weiter erleichtern und somit eine wirklich europäische Datenschutzkultur mit konsequenter Durchsetzung fördern und weiterentwickeln sollen.

Věra Jourová, Vizepräsidentin für Werte und Transparenz: „Inzwischen ist das europäische Datenschutzrecht für uns ein Kompass geworden, der uns im digitalen Wandel, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht, den Weg weist. Es ist eine wichtige Grundlage, auf der wir weitere Strategien, wie z. B. die Datenstrategie oder unser KI-Konzept, aufbauen.Die Datenschutz-Grundverordnung ist das perfekte Beispiel dafür, wie die Europäische Union das Leitmotiv Grundrechte nutzt, um die Rechte der Bürgerinnen und Bürger der EU zu stärken und die Unternehmen dabei zu unterstützen, die digitale Revolution zu meistern. Dennoch ist weiterhin unser aller Engagement gefragt, damit das Potenzial der DSGVO voll ausgeschöpft werden kann.“

„Die DSGVO hat bei allen ihren Zielen Erfolge verzeichnet und ist inzwischen weltweit eine Referenz für Länder, die ihren Bürgerinnen und Bürgern ein hohes Datenschutzniveau bieten wollen“, so Didier Reynders, Kommissar für Justiz. „Der heutige Bericht zeigt aber auch, dass wir noch mehr tun können. So brauchen wir beispielsweise EU-weit mehr Einheitlichkeit bei der Anwendung der Vorschriften: Dies ist für Bürgerinnen und Bürger ebenso wichtig wie für Unternehmen und insbesondere KMU. Wir müssen ferner sicherstellen, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Rechte uneingeschränkt wahrnehmen können. Um dies zu erreichen, wird die Kommission in enger Zusammenarbeit mit dem Europäischen Datenschutzausschuss sowie im regelmäßigen Austausch mit den Mitgliedstaaten Fortschritte genau überwachen, damit sich das volle Potenzial der DSGVO entfalten kann.“

Die wichtigsten Ergebnisse der Überprüfung der Datenschutz-Grundverordnung:

Die Bürgerinnen und Bürger sind in ihren Rechten gestärkt und besser sensibilisiert: Die Datenschutz-Grundverordnung stärkt die Transparenz und verleiht den Einzelnen durchsetzbare Rechte, wie das Recht auf Auskunft, Berichtigung, Löschung, Widerspruch und Datenübertragbarkeit. Aktuell haben 69 % der über 16-Jährigen in der EU von der Datenschutz-Grundverordnung und 71 % der Gesamtbevölkerung von ihrer jeweiligen nationalen Datenschutzbehörde gehört. Dies geht aus einer Umfrage der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte hervor, die letzte Woche veröffentlicht wurde. Allerdings könnten die Bürgerinnen und Bürger bei der Wahrnehmung ihrer Rechte, insbesondere ihres Rechts auf Datenübertragbarkeit, noch besser unterstützt werden.

Die Datenschutzvorschriften sind zeitgemäß: In der heutigen Zeit des digitalen Wandels können die Menschen dank der DSGVO inzwischen aktiver mitbestimmen, was mit ihren Daten geschieht. Die Verordnung trägt ferner zur Entwicklung vertrauenswürdiger Innovationen bei, und zwar durch einen Ansatz, der risikobasiert ist und sich an Grundsätzen wie ‚Datenschutz durch Technik‘ und ‚datenschutzfreundliche Voreinstellungen‘ orientiert.
Datenschutzbehörden nutzen ihre erweiterten Abhilfebefugnisse: Von Verwarnungen und Verweisen bis hin zu Bußgeldern gibt die DSGVO den nationalen Datenschutzbehörden die richtigen Instrumente zur Durchsetzung des Datenschutzrechts an die Hand. Hierzu müssen sie jedoch mit angemessenen personellen, technischen und finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Viele Mitgliedstaaten tun dies bereits, indem sie deutlich höhere Budget- und Personalzuweisungen vornehmen. Zwischen 2016 und 2019 war für alle nationalen Datenschutzbehörden in der EU zusammengenommen ein Anstieg von 42 % beim Personalbestand und von 49 % bei der Mittelausstattung zu verzeichnen. Allerdings gibt es hier bei den Mitgliedstaaten noch große Unterschiede.
Die Zusammenarbeit der Datenschutzbehörden im Europäischen Datenschutzausschuss (EDSA) kann noch besser werden: Mit der Datenschutz-Grundverordnung wurde ein innovatives Governance-System geschaffen, das eine kohärente und wirksame Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung durch die sogenannte einzige Anlaufstelle gewährleisten soll, damit ein Unternehmen, das Daten grenzüberschreitend verarbeitet, nur eine Datenschutzbehörde als Ansprechpartnerin hat, nämlich die Behörde des Mitgliedstaats, in dem sich seine Hauptniederlassung befindet. Zwischen dem 25. Mai 2018 und dem 31. Dezember 2019 gingen bei der zentralen Anlaufstelle 141 Entscheidungsentwürfe ein, von denen 79 in endgültige Entscheidungen mündeten. Dennoch kann noch mehr für eine echte gemeinsame Datenschutzkultur getan werden. Insbesondere die Bearbeitung grenzüberschreitender Fälle erfordert einen effizienteren, einheitlicheren Ansatz und einen wirksamen Einsatz aller in der Datenschutz-Grundverordnung vorgesehenen Mechanismen für die Zusammenarbeit der Datenschutzbehörden.
Datenschutzbehörden – Beratung und Leitlinien: Der EDSA gibt derzeit Leitlinien zu zentralen Aspekten der Verordnung und zu neuen Themen heraus. Mehrere Datenschutzbehörden haben neue Instrumente, wie Beratungsstellen für Einzelpersonen und Unternehmen oder Toolkits für Klein- und Kleinstunternehmen, geschaffen. Die auf nationaler Ebene bereitgestellten Hilfsangebote müssen unbedingt vollständig mit den Leitlinien des Europäischen Datenschutzausschusses in Einklang stehen.
Möglichkeiten der freien und sicheren Datenübermittlung an Drittstaaten und internationale Organisationen optimal nutzen: Das internationale Engagement der Kommission für eine freie und sichere Datenübermittlung in den letzten zwei Jahren hat sich bereits ausgezahlt. So bilden Japan und die EU inzwischen den weltweit größten Raum für einen freien und sicheren Datenverkehr. Die Kommission wird ihre Arbeit zum Thema Angemessenheit mit ihren Partnern in der ganzen Welt fortsetzen. Darüber hinaus prüft die Kommission in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Datenschutzausschuss, wie auch andere Mechanismen für die Datenübermittlung, z. B. Standardvertragsklauseln (das am häufigsten verwendete Datenübertragungsinstrument), modernisiert werden können. Der Europäische Datenschutzausschuss arbeitet derzeit an speziellen Leitlinien für die Zertifizierung und an Verhaltenskodizes für die Datenübermittlung an Drittländer und internationale Organisationen, die so bald als möglich fertiggestellt werden müssen. Da der Europäische Gerichtshof in einem für den 16. Juli erwarteten Urteil Aspekte klarstellen könnte, die möglicherweise für den Angemessenheitsstandard relevant sind‚ wird die Kommission nach der Urteilsverkündung gesondert über die derzeitigen Angemessenheitsbeschlüsse Bericht erstatten.
Internationale Zusammenarbeit fördern: In den letzten zwei Jahren hat die Kommission den bilateralen, regionalen und multilateralen Dialog bereits intensiviert und sich für eine globale Kultur der Achtung der Privatsphäre und der Konvergenz zwischen den verschiedenen Datenschutzsystemen zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen eingesetzt. Die Kommission ist entschlossen, diese Arbeit in all ihrem auswärtigen Handeln fortzusetzen, beispielsweise im Rahmen der Partnerschaft Afrika-EU und bei ihrer Unterstützung für internationale Initiativen wie „Data Free Flow with Trust“. In einer Zeit, in der Verstöße gegen den Datenschutz viele Menschen gleichzeitig in mehreren Teilen der Welt betreffen können, ist es an der Zeit, die internationale Zusammenarbeit der zuständigen Durchsetzungsinstanzen zu intensivieren. Aus diesem Grund wird die Kommission den Rat ersuchen, sie zu ermächtigen, mit bestimmten Drittländern Verhandlungen aufzunehmen, die den Abschluss von Abkommen über gegenseitige Amtshilfe und Zusammenarbeit bei der Durchsetzung ermöglichen werden.
Angleichung des EU-Rechts an die Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung:

Darüber hinaus hat die Kommission heute eine Mitteilung veröffentlicht, in der zehn Rechtsakte zur behördlichen Verarbeitung personenbezogener Daten zwecks Prävention, Ermittlung, Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten genannt werden, die an die Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung angeglichen werden sollten. Die Angleichung wird Rechtssicherheit schaffen und Fragen in Bezug auf den Zweck der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden sowie die Datenarten, die einer solchen Verarbeitung unterliegen können, klären.

Hintergrund

Die Datenschutz-Grundverordnung sieht vor, dass die Kommission erstmals nach zwei Jahren und anschließend alle vier Jahre einen Bericht über die Bewertung und Überprüfung der Verordnung vorlegt.

Die Datenschutz-Grundverordnung ist ein für alle Mitgliedstaaten geltendes Regelwerk des EU-Rechts zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr. Sie stärkt den Datenschutz insgesamt, gewährt dem Einzelnen zusätzliche und stärkere Rechte, erhöht die Transparenz und fordert mehr Rechenschaftspflicht und Verantwortung von denen, die personenbezogene Daten verarbeiten. Sie hat die nationalen Datenschutzbehörden mit umfassenderen und harmonisierten Durchsetzungsbefugnissen ausgestattet und ein neues Governance-System für die Datenschutzbehörden eingerichtet. Außerdem schafft sie gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen, die auf dem EU-Markt tätig sind, unabhängig davon, wo sie niedergelassen sind, gewährleistet den freien Datenverkehr innerhalb der EU, erleichtert eine sichere Datenübermittlung zwischen der EU und Drittstaaten bzw. internationalen Organisationen und dient weltweit als Referenz.

Wie in Artikel 97 Absatz 2 der DSGVO festgelegt, bezieht sich der heute veröffentlichte Bericht insbesondere auf die Datenübermittlung an Drittstaaten bzw. internationale Organisationen und die Kooperations- und Kohärenzverfahren. Um darüber hinaus die in den letzten zwei Jahren von verschiedenen Akteuren aufgeworfenen Fragen zu behandeln, hat die Kommission ihre Überprüfung jedoch auf eine breitere Grundlage gestellt. Der Bericht greift deshalb Beiträge von Rat, Europäischem Parlament, Europäischem Datenschutzausschuss, nationalen Datenschutzbehörden und Interessenträgern auf."

Den Bericht und weitere Informationen der EU-Kommission finden Sie hier:





LG Essen: 3.000 EURO Vertragsstrafe für fehlende Aufsichtsbehörde im Impressum auf Drittplattform - Unternehmen haftet für Fehler der Mitarbeiter nach § 278 BGB

LG Essen
Urteil vom 03.06.2020
44 O 34/19


Das LG Essen hat entschieden, dass ein Unternehmen hinsichtlich der Einhaltung einer zuvor abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung für seine Mitarbeiter nach § 278 BGB haftet. Vorliegend ging es um ein fehlerhaftes Impressum auf einer Drittplattform.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe in Höhe von 3.000,00 € gegen die Beklagte gemäß § 339 S. 1, 2 BGB in Verbindung mit der Unterlassungserklärung, § 311 Abs. 1 BGB. Die Parteien haben einen wirksamen Unterlassungsvertrag mit einer wirksamen Vertragsstrafenvereinbarung geschlossen. Ein entsprechender Vertrag mit Strafversprechen im Sinne der §§ 339 ff. BGB wurde durch die Unterlassungserklärung der Beklagten vom 28.3.2018 und Annahme seitens des Klägers am 29.3.2018 begründet. In diesem verpflichtet sich die Beklagte gegenüber dem Kläger es zu unterlassen, Telemedien im Sinne des § 1 Abs. 1 TMG anzubieten, ohne innerhalb dieser angebotenen Telemedien leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar im Impressum die zuständige Aufsichtsbehörde anzugeben, die die aus der Erteilung der Erlaubnis nach § 34 c GewO resultierenden Verpflichtungen überwacht. Für den Fall der Zuwiderhandlung verpflichtete sich die Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 3.000 Euro an den Kläger.

Dieser Vertrag ist auch entgegen der Ansicht der Beklagten insgesamt wirksam. Insbesondere ergibt sich keine Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 BGB. Die §§ 305 ff. BGB sind auf Unterlassungsverträge mit der Maßgabe anwendbar, dass sich die Inhaltskontrolle im unternehmerischen Verkehr nach den §§ 307, 310 Abs. 1 BGB richtet (Schaub in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Vorbemerkung vor § 339, Rn. 4; ebenda, § 339 BGB, Rn. 1). Es liegt eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB vor. Bei der Vereinbarung, die die Grundlage des geltend gemachten Vertragsstrafenanspruchs darstellt, handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung des Klägers, die dieser, ohne vorher im Sinne von § 305 Abs. 3 BGB ausgehandelt worden zu sein, einseitig stellte. Hierfür spricht, dass die Unterlassungserklärung bereits mit der Abmahnung übersandt wurde. Ferner folgt aus der inhaltlichen Gestaltung („Ich/Wir verpflichte(n) mich/uns“), dass es sich um für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Bedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handelt. Die Inhaltskontrolle ist auch nach § 307 Abs. 3 BGB eröffnet, da es sich nicht um bloß deklaratorische Bestimmungen, sowie nicht Hauptleistungspflichten oder das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung handelt. Es fehlt jedoch an der, von der Beklagten behaupteten, unangemessenen Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben. Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn der Verwender der Klausel missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die des Vertragspartners von vornherein hinreichend zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 77/12 – , Rn. 13). Die Prüfung erfolgt dabei anhand eines generalisierenden, überindividuellen Maßstabs, dem eine von den im Einzelfall bestehenden Besonderheiten abstrakte, typisierende Betrachtung zu Grunde zu legen ist (Beater in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 339 BGB (Stand: 01.02.2020), Rn. 75; BGH, Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 77/12 –, Rn. 13).

Die Unterlassungserklärung verpflichtet die Beklagte im Sinne dieses generalisierenden Maßstabs nicht, eine ihr unmögliche Handlung vorzunehmen. Die Beklagte hat sich in der Unterlassungserklärung lediglich verpflichtet, das Anbieten von Telemedien ohne die Nennung der Aufsichtsbehörde zu unterlassen. Insofern geht die Behauptung der Beklagten fehl, es liege ein Fall der subjektiven Unmöglichkeit vor, da nicht ersichtlich ist, warum die Nennung der richtigen Aufsichtsbehörde generell nicht durch die Beklagte erfolgen kann.

Die Beklagte kann auch nicht mit der Behauptung gehört werden, eine unangemessene Benachteiligung ergebe sich daraus, dass der Kläger mit Schreiben vom 14.5.2018 mitteilte, dass die für die Beklagte zuständige Aufsichtsbehörde der Kreis S sei. Insoweit ist nicht ersichtlich, wie sich die Äußerung am 14.5.2018 auf die Wirksamkeit der zuvor am 28.3.2018 abgegebene Unterlassungserklärung auswirken soll. Denn der Beurteilungszeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 307 Abs. 1 BGB ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2010 - XI ZR 200/09, NJW 2010, 2041 Rn. 30; BGH, Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 77/12 –, Rn. 13).

Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB durch eine erhebliche und in dieser Höhe unübliche Vertragsstrafe liegt ebenso nicht vor. § 348 HGB wirkt sich auf die Inhaltskontrolle der Klausel nicht aus (Steimle/Dornieden in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl. 2019, § 348 HGB, Rn. 18). Die Höhe der Vertragsstrafe von 3.000 EUR ist angemessen, weil die Beklagte wiederholt gegen den Unterlassungsvertrag verstoßen hat. Die Beklagte muss durch eine hohe Vertragsstrafe dazu angehalten werden, es künftig zu unterlassen, Telemedien im Sinne des § 1 Abs. 1 TMG anzubieten, ohne innerhalb dieser angebotenen Telemedien leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar im Impressum die zuständige Aufsichtsbehörde anzugeben, die die aus der Erteilung der Erlaubnis nach § 34c GewO resultierenden Verpflichtungen überwacht. Im kaufmännischen Verkehr ist der Unterlassungsschuldner generell weniger schutzwürdig und es überwiegt die Präventivfunktion der Strafe (Beater in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 339 BGB (Stand: 01.02.2020), Rn. 83). Auch muss die drohende Strafe hoch angesetzt werden, da der Unterlassungsschuldner nicht etwa, wie bei Austauschverträgen, durch vertragsoriginäres Eigeninteresse zur eigenen Vertragstreue angehalten wird.

Die Grenze, die erst dann überschritten sein soll, wenn die Strafe „bereits auf den ersten Blick außer Verhältnis zu dem mit der Vertragsstrafe sanktionierten Verstoß und den Gefahren steht, die mit möglichen zukünftigen Verstößen für den Unterlassungsgläubiger verbunden sind“ (BGH 13. 11. 2013 - I ZR 77/12, NJW 2014, 2180, Rn, 19), ist hier nicht erreicht.

Denn es handelt sich nicht um nicht abmahnfähige Bagatellverstöße. Dies gilt zum einen, da die vertragsstrafengesicherte Unterlassungserklärung ausdrücklich unter Anerkennung der gerügten Wettbewerbsverstöße erfolgte. Mit der vertraglichen Absicherung einer gesetzlichen Pflicht einigen sich die Parteien in aller Regel auch darüber, dass die gesetzliche Pflicht besteht (vgl. Rieble in: Staudinger (2015), Vorbemerkungen zu §§ 339 ff, Rn. 103). Die Vertragsstrafe dient vorliegend zur Durchsetzung einer solchen gesetzlichen Pflicht aus § 5 Abs. 1 Nr.3 TMG. Insoweit kann die Beklagte nicht damit gehört werden, das Unterlassen der Angabe stelle keinen Verstoß dar, da sie doch gerade diesen Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften zuvor anerkannt hat. Auch liegt tatsächlich ein Verstoß gegen § 3 a UWG vor, so dass der Vertragstext der Unterlassungserklärung nicht weiter geht, als es die gesetzlichen Vorschriften des Wettbewerbsrecht verlangen. § 5 TMG enthält Marktverhaltensregeln. Das Vorenthalten der dort festgelegten Informationspflichten ist stets spürbar im Sinne von § 3 a UWG, da die dort enthaltenen Verbraucherschutzvorschriften der Umsetzung von Unionsrecht dienen (vgl. BGH, Urteil vom 25.02.2016 I ZR 238/14, Rn.34).

Zum anderen steht die Vertragsstrafe auch nicht außer Verhältnis zum sanktionierten Verstoß und den, mit einem etwaigen zukünftigen Verstoß verbundenen Gefahren für den Unterlassungsgläubiger. § 5 Abs. 1 Nr. 3 TMG dient dem Verbraucherschutz und der Transparenz (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.07.2017 I – 15 U 100/16, S.7). Hierdurch soll es dem Verbraucher ermöglicht werden, sich bei der angegebenen Aufsichtsbehörde über den Bestand der Genehmigung (etwa der nach § 34 c I Nr.1 GewO) und somit letztlich über die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zu informieren. Angesichts dieser Zielsetzung wird somit ein wichtiges Ziel, die Einhaltung der Verbraucherschutzvorschriften, angestrebt.

Ferner ist der Verstoß gegen die Marktverhaltensregeln des § 5 TMG auch im Zusammenhang mit dem großen wirtschaftlichen Nutzen des Internets für die Beklagte und der dadurch erreichbaren hohen Reichweite des geschäftlichen Verkehrs zu sehen. Soweit die Beklagte im Internet für ihre Dienstleistungen werben will, hat sie auch die entsprechende unternehmerische Sorgfalt walten und sich anderenfalls die Folgen von fehlerhaften oder fehlenden Informationen vorhalten zu lassen.

Gegen diesen Unterlassungsvertrag wurde verstoßen, indem mindestens am 11.6.2018 die Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde im Impressum des Internetauftritts bei der Plattform G entgegen § 5 Abs. 1 Nr. 3 TMG fehlte und somit die Vertragsstrafe verwirkt wurde, § 339 S. 2 BGB.

Diesen Verstoß hat die Beklagte auch zu vertreten. Der Haftungsmaßstab richtet sich nach den §§ 276, 278 BGB, § 347 I HGB. Für das Fehlen des grundsätzlich vermuteten Verschuldens trägt der Schuldner, also die Beklagte, die Beweislast (Beater in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK- BGB, 9. Aufl., § 339 BGB (Stand: 01.02.2020), Rn. 66). Zwar trägt die Beklagte vor, sie sei ihrer aus der Unterlassungserklärungen resultierenden Pflicht nachgekommen, in dem sie alles versucht habe, um auf den ehemaligen Mitarbeiter einzuwirken und bei G die Löschung beantragt habe.

Dies kann jedoch dahinstehen, da ihr auch ein Verschulden des ehemaligen Mitarbeiters nach § 278 Alt. 2 BGB zuzurechnen ist. Denn hiernach hat der Schuldner sich das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen auch bezüglich einer Unterlassung zurechnen zu lassen (Caspers in: Staudinger, 2019, BGB § 278, Rn. 42; Heymann in: Heymann, HGB, 2. Aufl., § 348, Rn. 5). Dieser Gedanke, wie etwa § 8 Abs. 2 UWG zeigt, ist auch dem Wettbewerbsrecht nicht fremd. Verhindert werden sollen gerade solche Konstellationen, in denen sich der Unternehmensinhaber, hinter seinen Arbeitnehmern verstecken will. Auch das zwischenzeitliche Ausscheiden des Mitarbeiters vermag nicht an der Haftung der Unternehmensinhabers zu ändern (Seichter in: Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl., § 8 UWG (Stand: 26.03.2020), Rn. 151). Soweit also die Beklagte vorträgt, der Wettbewerbsverstoß sei nicht von ihr, sondern von einem ehemaligen Mitarbeiter begangen worden, führt dies nicht zu einer Widerlegung der Verschuldensvermutung.

Vielmehr muss sich die Beklagte auch Wettbewerbsverstöße zurechnen lassen (BGH 15.5.1985 - I ZR 25/83, NJW 1986, 127; BGH 30.3.1988 - I ZR 40/86, NJW 1988, 1907, 1908; BGH 22.1.1998 - I ZR 18/96, NJW 1998, 3342, 3343 f.; BGH 30.4.1987 - I ZR 8/85, NJW 1987, 3253 f.; OLG Frankfurt 6.6.1974 - 6 U [Kart] 15/74, NJW 1974, 2239; OLG Jena 5.5.2015 - 2 U 41/15 Rn. 4, WRP 2015, 1016).

Der Verstoß ist auch nicht bereits durch die Zahlung der Beklagten vom 29.5.2018 abgegolten. Denn die Parteien haben in ihrer Strafabrede vereinbart, dass die Vertragsstrafe bei jeder Zuwiderhandlung verwirkt sein soll. Jedenfalls scheint ein Abstand der jeweiligen Mahnung von fast einem Monat nicht dafür zu sprechen, von einem zeitlich einheitlichen Verstoß auszugehen. Ferner spricht der Sinn der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung nicht dafür, von nur einem Verstoß auszugehen. Denn aus der Unterlassungserklärung geht nicht der Wille hervor, nur einen Verstoß mahnen und bestehende oder weitere Verstöße dulden zu wollen.

Auch steht der Geltendmachung der Vertragsstrafe nicht das aus § 242 BGB folgende Gebot „venire contra factum proprium“ entgegen. Der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens wäre gerechtfertigt, wenn im Rahmen einer wertenden Betrachtung der Gläubiger letztlich für den Strafverfall allein verantwortlich ist. Die Beklagte beruft sich hier auf das Schreiben vom 14.5.2018, in dem der Kläger den „Kreis S, L-Allee … in … S1“ als zuständige Aufsichtsbehörde aufführt.

Insoweit mag der Vorwurf, der Kläger habe sich widersprüchlich verhalten, nicht den Ausschluss nach § 242 BGB begründen. Vorliegend könnte ein relevantes widersprüchliches Verhalten nur angenommen werden, wenn ein Verhalten des Klägers für den Verstoß gegen die Unterlassungserklärung ursächlich gewesen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn eine richtige Impressumsangabe unterblieb gänzlich und erfolgte nicht bloß, wegen des benannten Klägerschreibens, unrichtig.

Hier ist jedoch nicht ersichtlich, warum eine gegebenenfalls ungenaue Angabe der Aufsichtsbehörde durch den Kläger dafür ursächlich war, dass eine Angabe bei G gänzlich unterblieb. Letztlich obliegt es auch der Beklagten sicherzustellen, dass die ihr zuzurechnenden Telemedien den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.

Ferner steht der Geltendmachung der Vertragsstrafe unter diesem Gesichtspunkt auch die aus § 8 Abs. 4 UWG folgende Wertung nicht entgegen. Denn ein Missbrauch würde voraussetzen, dass für den Gläubiger rechtsfremde Motive bei der Geltendmachung leitend waren (Seichter in: Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl., § 8 UWG (Stand: 26.03.2020), Rn. 201). Ausschlaggebend bei der Bestimmung eines solchen Missbrauchs muss vorliegend der mit § 8 Abs. 4 UWG intendierte rechtspolitische Zweck, nämlich die Begrenzung eines kommerziellen Abmahnungswesens, sein. Entsprechende Tatsachen, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten, wurden von dem Beklagten nicht vorgetragen.

Bezüglich der vorgebrachten subjektiven Unmöglichkeit ist das Vorbringen der Beklagten widersprüchlich, so dass dieses nicht im Rahmen einer, der Inhaltskontrolle nachgeschalteten, Ausübungskotrolle nach § 242 BGB berücksichtigt werden kann. Zwar lässt sie vortragen, dass sie selber die Zugangsdaten für die G-Seite nicht habe. Andererseits behauptet sie in den vorgerichtlichen Schriftsätzen, sie habe die „systemimmanente Löschfunktion“ veranlasst und zitiert die von G verschickte Bestätigung („Bitte beachte, dass deine Seite erst nach 14 Tagen dauerhaft gelöscht wird“). Insoweit ist dem Gericht nicht ersichtlich, wie ohne Kenntnis der Zugangsdaten überhaupt eine solche systemimmanente Löschung erfolgen konnte, die doch zwangsläufig nur von dem autorisierten Betreiber der Seite nach Bestätigung der Zugangsdaten erfolgen kann. Der Beklagten obliegt es insgesamt, wenn sie eine solche Unterlassungserklärung unterzeichnet, bestmöglich sicherzustellen, dass weitere Verstöße unterbleiben (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 77/12 –, Rn. 26). Dies hätte, abstrakt gesehen, einfach erfordert, die richtigen Angaben entsprechend einzufügen. Wählt die Beklagte hingegen von sich aus die Löschung ihres Accounts, so begründet dies keine Verpflichtung zu einer unmöglichen Handlung, sondern ist lediglich Ausdruck ihres Unvermögens im Sinne der abgegebenen Verpflichtung zu handeln. In diesem Sinne hat die Beklagte durch das Einleiten des Löschvorgangs selbstverschuldet den Einfluss aus der Hand gegeben.

Der Geltendmachung steht auch nicht der Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung im Sinne der Verwirkung entgegen. Erforderlich für die Annahme einer Verwirkung ist das Vorliegen eines Zeit- und ein Umstandsmoments. Der Gläubiger muss ein ihm zustehendes Recht innerhalb eines gewissen Zeitraums nicht ausgeübt haben, so dass sich der Schuldner in schutzwürdiger Weise darauf verlassen durfte, nun nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Looschelders/Olzen in: Staudinger, 2019, BGB § 242, Rn. 300). Die Beklagte beruft sich zu Unrecht darauf, der Umstand, dass der Kläger seit dem 22.6.2018 von der Anspruchsverfolgung abgesehen habe, begründe die Verwirkung des Rechts. Denn gerade in dem Schreiben vom 22.6.2018 behält sich der Kläger die Wahrnehmung seiner Rechte vor, indem er klarstellt, dass das momentane Absehen von gerichtlichen Maßnahmen nicht die Duldung bestehender oder weiterer Zuwiderhandlungen enthalte. Ferner spricht gerade der durch § 5 TMG verfolgte Verbraucherschutz und das Interesse der Allgemeinheit an dessen strikter Durchsetzung gegen eine Verwirkung.

Die geltend gemachte Zinsforderung ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1, 247 BGB. Das Schreiben vom 12.6.2018 hatte verzugsbegründende Wirkung. Die geltend gemachte Vertragsstrafe ist wirksam und durchsetzbar. Nach Fristablauf am 20.6.2018 war die Zahlung fällig, so dass sich die Beklagte am 21.6.2018 im Verzug befand. Die Verschuldensvermutung nach § 286 Abs. 4 BGB wurde nicht widerlegt. Zwar stellt der Kläger in seinem Schreiben vom 15.8.2019 auf das Schreiben vom 14.5.2018 ab, dass den Verzug ab dem 21.06.2018 begründet haben soll. Die in dem Schreiben vom 15.8.2019 geforderte Vertragsstrafe wurde jedoch unstreitig gezahlt, so dass sich die Beklagte mit dieser nicht in Verzug befinden kann. Angesichts des richtig angegeben Verzugsbeginns (21.06.2018) ist das Schreiben der Klägerin jedoch dahingehend auszulegen, dass es sich um das Schreiben vom 12.6.2018 und die darin geforderte erneute Vertragsstrafe handeln soll."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Köln: Vertragsstrafe bei einem kerngleichen Verstoß in der Werbung auch wenn sich Wortlaut der Unterlassungserklärung auf bestimmte Werbung bezieht

OLG Köln
Urteil vom 13.03.2020
6 U 201/19


Das OLG Köln hat entschieden, dass eine Vertragsstrafe bei einem kerngleichen Verstoß in der Werbung auch dann verwirkt ist, wenn sich der Wortlaut der Unterlassungserklärung auf eine bestimmte Werbung bezieht.

Aus den Entscheidungsgründen:

2. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.100 € nebst Zinsen wendet. Entgegen der Ansicht der Beklagten stellt die beanstandete Werbung der Beklagten einen Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtungserklärung dar, so dass die Vertragsstrafe verwirkt ist.

Für die Frage, ob die beanstandete Handlung der Beklagten einen Verstoß darstellt, ist die Unterlassungsvereinbarung zwischen den Parteien auszulegen. Im Rahmen der Auslegung der Unterlassungsvereinbarung ist zu berücksichtigen, dass die Parteien bei der inhaltlichen Ausgestaltung eines Unterlassungsvertrages frei sind, so dass sich dessen Auslegung nach den allgemeinen für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen richtet. Maßgebend für die Reichweite einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), zu dessen Auslegung neben dem Inhalt der Vertragserklärungen auch die beiderseits bekannten Umstände, insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihr Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien und ihre Interessenlage heranzuziehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.2014 – I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 – CT-Paradies; BGH, Urteil vom 17.07.2008 – I ZR 168/05, GRUR 2009, 181 – Kinderwärmekissen; BGH, Urteil vom 25.10.2012 – I ZR 169/10, GRUR 2013, 531 – Einwilligung in Werbeanrufe II; BGH, Urteil vom 17.07.1997 – I ZR 40/95, GRUR 1997, 931 – Sekundenschnell; Kessen in Teplitzky, Wettbewerbliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., 8. Kap. Rn. 13).

Ein unmittelbarer Rückgriff auf die Grundsätze, die für die Auslegung eines in gleicher Weise formulierten Unterlassungstitels gelten, kommt dagegen nicht in Betracht, weil einem Unterlassungsvertrag der Charakter eines vollstreckbaren Titels fehlt (vgl. BGH, GRUR 1997, 931 – Sekundenschnell; Kessen in Teplitzky aaO, Kap. 12 Rn. 13, jeweils mwN).

Der Umstand, dass sich ein Unterlassungsvertrag seinem Wortlaut nach nur auf eine bestimmte Werbung bezieht, bedeutet nicht, dass sich die vertragliche Unterlassungspflicht auf diesen beschränken muss. Zweck eines Unterlassungsvertrages ist es regelmäßig, nach einer Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr durch eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungsverpflichtung auszuräumen und damit die Einleitung oder Fortsetzung eines gerichtlichen Verfahrens entbehrlich zu machen. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr gilt jedoch nicht allein für die genau identische Verletzungsform, sondern umfasst auch alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen. Der regelmäßig anzunehmende Zweck eines Unterlassungsvertrages spricht deshalb erfahrungsgemäß dafür, dass die Vertragsparteien durch ihn auch im Kern gleichartige Verletzungsformen erfassen wollten. Zwingend ist dies aber nicht. Die Auslegung des Unterlassungsvertrages kann auch ergeben, dass dieser bewusst eng auf die bezeichnete konkrete Verletzungsform bezogen ist (vgl. BGH, GRUR 1997, 931 – Sekundenschnell, Kessen in Teplitzky aaO, Kap. 8 Rn. 16, jeweils mwN). Eine besonders eng am Wortlaut orientierte Auslegung des Unterlassungsversprechens kann geboten sein, wenn im Verhältnis zur Bedeutung der Sache eine besonders hohe Vertragsstrafe vereinbart wurde (vgl. BGH, Urteil vom 13.02.2003 – I ZR 281/01, GRUR 2003, 545 – Hotelfoto). Dies gilt nicht, wenn sich der Versprechende zur Zahlung einer vom Kläger nach billigem Ermessen festzusetzenden Vertragsstrafe verpflichtet hat, die im Streitfall auf ihre Angemessenheit zu überprüfen ist (vgl. BGH, GRUR 2015, 258 – CT-Paradies).

Nach dem Wortlaut der Vereinbarung hat sich die Beklagte verpflichtet, es zu unterlassen, für die oben genannten Arzneimittel (B. Direkt, B. Protect und B. N) ohne gem. § 4 Abs. 3 HWG dem jeweils beworbenen Arzneimittel zugeordnet wiederzugeben, insbesondere so, wie in der Anlage erfolgt.

Der Wortlaut bezieht sich auf die Werbung für eines der genannten Arzneimittel ohne die Pflichtangaben mit entsprechender Zuordnung wiederzugeben. Damit macht bereits der Wortlaut deutlich, dass sich die Unterlassungsverpflichtung der Beklagten nicht auf eine Werbung ohne Pflichtangaben bezog, sondern auf eine solche, bei der die Zuordnung der Pflichtangaben nicht hinreichend erfolgte. Die Tatsache, dass sich die Formulierung „insbesondere“ auf eine Anlage bezog, in der eine Werbung vollständig ohne Pflichtangaben erfolgte, steht dem letztlich nicht entgegen. Denn die Bezugnahme durch die Formulierung „insbesondere“ soll das Charakteristische der Verletzungshandlung beispielhaft hervorheben, diese aber nicht beschränken. Es kommt hinzu, dass der Unterlassungserklärung der Beklagten eine Abmahnung des Klägers vom 05.04.2004 vorausgegangen ist. Der Inhalt der Abmahnung kann für die Auslegung der Unterlassungserklärung – jedenfalls im Rahmen der sonstigen zu berücksichtigenden Umstände – ebenfalls betrachtet werden. In der Abmahnung wies der Kläger auf folgendes hin:

Ferner geben Sie nicht die erforderlichen Pflichtangaben bei der jeweiligen Produktwerbung wieder – wie in § 4 Abs. 3 HWG gefordert in deutlicher Form – sondern geben lediglich am Ende dieser Seite den Hinweis an „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.

Vor diesem Hintergrund konnte der Kläger die Unterlassungserklärung der Beklagten allein dahin verstehen, dass diese die abgemahnte Handlung ebenfalls umfassen sollte. Dabei ist – wie dargelegt – auch zu berücksichtigen, dass die Unterlassungserklärung den Sinn hatte, die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Diese bestand indes in Bezug auf eine Werbung, bei der die Pflichtangaben nicht in der Nähe der der Werbung, sondern deutlich unterhalb von dieser positioniert waren.

Die nunmehr vom Kläger beanstandete Handlung fällt unter die Unterlassungsverpflichtung, weil die Beklagte erneut eine Werbung ohne hinreichende Zuordnung der Pflichtangaben nutzte.

Soweit sich die Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht auf Produkte bezog, die Gegenstand der nunmehr angegriffenen Werbung sind, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn Inhalt der Abmahnung und Kern der Verletzungshandlungen war die fehlende Zuordnung zu einem Produkt aus der „B. Familie“. Zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr musste die Beklagte daher eine Unterlassungserklärung abgeben, die sich auch auf den Kernbereich der damaligen Verletzungshandlung bezog. Vor diesem Hintergrund sollte die Unterlassungserklärung auch weitere Produkte der Produktfamilie umfassen.

Soweit die Beklagte beanstandet, das Landgericht habe Vortrag zugrunde gelegt, der erst nach der mündlichen Verhandlung erfolgt sei, kann dem nicht beigetreten werden. Der Kläger hat im Rahmen der Klagebegründung vorgetragen, was Inhalt der Unterlassungsverpflichtung war und diese, wie auch die Abmahnung, mit der Klageschrift vorgelegt.

Die Zuwiderhandlung erfolgte schuldhaft. Das Verschulden wird vermutet (vgl. Schaub in Teplitzky aaO, Kap. 20 Rn. 15, mwN); Anhaltspunkte, die gegen ein Verschulden der Beklagten sprechen würden, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

Die Höhe der Vertragsstrafe, die sich aus der Vereinbarung ergibt, ist nicht zu beanstanden, zumal es sich um eine fest vereinbare Summe und nicht um eine nach billigem Ermessen zu bestimmende Vertragsstrafe handelt.

3. Die Berufung des Klägers hat Erfolg und führt zur Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer weiteren Vertragsstrafe von 5.100 € nebst Zinsen.

Wie unter Ziffer 2 dargelegt ist die Vertragsstrafe durch die beanstandete Verletzungshandlung verwirkt. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Vertragsstrafe auch für zwei Verletzungshandlungen verwirkt. Für mehrere Verletzungshandlungen wird die Vertragsstrafe mehrfach fällig, sofern sie nicht als natürliche Handlungseinheit angesehen werden können (vgl. Schaub in Teplitzky aaO, Kap. 20 Rn. 16). Dabei ist wiederum die Auslegung der Vereinbarung der Vertragsstrafe zu betrachten.

Im Rahmen der Auslegung ist zu berücksichtigen, dass das Sicherungsbedürfnis des Gläubigers mit einfließen kann, der Schuldner aber nicht übermäßig belastet werden soll (vgl. Schaub in Teplitzky aaO, Kap. 20 Rn. 17b). Dies führt im Ausgangspunkt dazu, dass häufig eine einheitliche Handlung anzunehmen ist, wenn dem Schuldner eine Handlung vorgeworfen wird, wie etwa das Einstellen einer Werbung in das Internet. Etwas anderes ist indes dann anzunehmen, wenn die Handlung nach einer Abmahnung andauert. Denn in diesem Fall liegt in der Nichthandlung trotz Kenntnis der Verletzungshandlung ein erneuter Verstoß. Andernfalls wäre die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe nicht geeignet, die Gefahr der Wiederholung dauerhaft auszuräumen. Denn der Schuldner könnte bei einer Dauerhandlung lediglich einmal auf Zahlung der Vertragsstrafe in Anspruch genommen werden, bevor ein erneutes Verfahren erforderlich wäre. Dies entspricht in der Regel nicht dem erkennbaren Willen der Parteien. Anhaltspunkte, dass hier eine andere Auslegung vorzunehmen wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.


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OLG Hamburg: Grundpreis muss nicht in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Gesamtpreis angegeben werden - § 2 Abs. 1 PAngV ist richtlinienkonform auszulegen

OLG Hamburg
Hinweisbeschluss vom 22.04.2020
3 U 154/19

Das OLG Hamburg hat in einem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass der Grundpreis nicht in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Gesamtpreis angegeben werden muss. § 2 Abs. 1 PAngV ist insoweit richtlinienkonform auszulegen, da die deutsche Vorschrift unzulässigerweise über die Vorgaben von Art. 4 Abs. 1 RL 98/6/EG hinausgeht.

BVerfG: Verbot mehrfacher sachgrundloser Befristung von Arbeitsverhältnissen in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG grundsätzlich verfassungsgemäß

BVerfG
Beschluss vom 06.06.2018
1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14


Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das Verbot mehrfacher sachgrundloser Befristung von Arbeitsverhältnissen in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG grundsätzlich verfassungsgemäß. Dabei ist der Wille des Gesetzgebers bei Auslegung zu beachten.

Leitsätze des BverfG:

1. Die gesetzliche Beschränkung befristeter Beschäftigungsformen und die Sicherung der unbefristeten Dauerbeschäftigung als Regelbeschäftigungsform trägt der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Pflicht des Staates zum Schutz der strukturell unterlegenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und dem Sozialstaatsprinzip der Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG Rechnung.

2. Die mit einer Beschränkung der sachgrundlosen Befristung auf die erstmalige Beschäftigung bei dem jeweiligen Arbeitgeber einhergehende Beeinträchtigung der individuellen Berufsfreiheit ist insoweit gerechtfertigt, als dies für den Schutz vor der Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung einer strukturellen Unterlegenheit und zur Sicherung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses als Regelfall bedarf.

3. Richterliche Rechtsfortbildung darf den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen.

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Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:

Verbot mehrfacher sachgrundloser Befristung im Grundsatz verfassungsgemäß - Auslegung darf klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen

Nach der Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) sind sachgrundlose Befristungen zwischen denselben Vertragsparteien auf die erstmalige Begründung eines Arbeitsverhältnisses beschränkt; damit ist jede erneute sachgrundlos befristete Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber verboten. Das ist grundsätzlich mit den verfassungsrechtlichen Maßgaben vereinbar, denn die Verhinderung von Kettenbefristungen und die Sicherung der unbefristeten Dauerbeschäftigung als Regelbeschäftigungsform trägt der Pflicht des Staates zum Schutz der strukturell unterlegenen Beschäftigten im Arbeitsverhältnis und auch dem Sozialstaatsprinzip Rechnung. Allerdings gilt dies nur, soweit die Beschäftigten nach Art und Umfang der Vorbeschäftigung tatsächlich des Schutzes vor Kettenbefristungen bedürfen und andernfalls das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform gefährdet wäre. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss auf die Verfassungsbeschwerde eines Arbeitnehmers und den Vorlagebeschluss eines Arbeitsgerichtes hin entschieden. Der Senat hat gleichzeitig klargestellt, dass eine - vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene - Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, die eine wiederholte sachgrundlose Befristung zwischen denselben Vertragsparteien immer dann gestattet, wenn zwischen den Arbeitsverhältnissen ein Zeitraum von mehr als drei Jahren liegt, mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren ist. Richterliche Rechtsfortbildung darf den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen. Hier hatte sich der Gesetzgeber klar erkennbar gegen eine solche Frist entschieden.

Sachverhalte:

Der Entscheidung liegen Klagen auf Entfristung eines Arbeitsvertrages zugrunde. Die Beschäftigten machten gegenüber ihrem jeweiligen Arbeitgeber geltend, die zuletzt vereinbarte sachgrundlose Befristung ihres Arbeitsverhältnisses sei unwirksam. Sie verstoße gegen § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, weil sie bereits zuvor bei demselben Arbeitgeber beschäftigt waren. In einem Verfahren - 1 BvL 7/14 - hatte das Arbeitsgericht dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Regelung mit den Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, wenn damit eine sachgrundlose Befristung auf die erstmalige Beschäftigung beim jeweiligen Vertragsarbeitgeber beschränkt sei. In dem anderen Verfahren - 1 BvR 1375/14 - wollte der Arbeitnehmer nicht nochmals befristet, sondern nun unbefristet beschäftigt werden. Das Arbeitsgericht ist jedoch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gefolgt und damit davon ausgegangen, dass eine erneute sachgrundlose Befristung nach Ablauf von drei Jahren wieder zulässig sei. Die Entfristungsklage war erfolglos. Dagegen wendet sich der Arbeitnehmer mit der Verfassungsbeschwerde. Die Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG durch das Bundesarbeitsgericht verletze seine Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, denn sie überschreite die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

I. Grundsätzlich ist in der Auslegung des vorlegenden Arbeitsgerichts die Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG mit der Verfassung vereinbar. Sie verletzt im Ergebnis weder die Berufsfreiheit der Beschäftigten noch die berufliche und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Arbeitgeber. Ist es im Einzelfall unzumutbar, eine sachgrundlose Befristung zu verbieten, weil es sich nicht um die Ersteinstellung handelt, können und müssen die Arbeitsgerichte den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zum Schutz der Rechte der Beteiligten allerdings einschränken. Das ist der Fall, wo keine Gefahr einer Kettenbefristung besteht und unbefristete Arbeitsverhältnisse als Regelbeschäftigungsform erhalten bleiben.

1. Das Verbot sachgrundloser Befristung eines Arbeitsvertrags, wenn zuvor bereits einmal ein Beschäftigungsverhältnis vorlag, beeinträchtigt insbesondere die Berufswahlfreiheit von Arbeitssuchenden (Art. 12 Abs. 1 GG) und die berufliche und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit von Arbeitgebern (Art. 12 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG). Dies wiegt zwar schwer. Dem Interesse der Arbeitgeber an Flexibilisierung wird allerdings dadurch Rechnung getragen, dass ihnen Alternativen zur sachgrundlosen Befristung zur Verfügung stehen, wozu auch die vom Gesetzgeber in bestimmten Fällen erlaubte, mit Sachgrund befristete Beschäftigung gehört.

In der Abwägung mit dem Schutz der Beschäftigten im Arbeitsverhältnis und den im Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) verankerten sozial- und beschäftigungspolitischen Zielsetzungen ist dies jedoch grundsätzlich zumutbar. Der Gesetzgeber will mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG die strukturell dem Arbeitgeber unterlegenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Kettenbefristungen schützen und zugleich das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform sichern. Daneben steht die beschäftigungspolitische Zielsetzung, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Hier hat der Gesetzgeber einen großen Spielraum. Wenn er entscheidet, die sachgrundlose Befristung zwar als Brücke in eine Dauerbeschäftigung zuzulassen, dies aber grundsätzlich beschränkt, ist das verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

2. Unzumutbar ist ein generelles Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber allerdings, wenn und soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Das können bestimmte geringfügige Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studienzeit oder der Familienzeit sein, die Tätigkeit von Werkstudierenden oder die lang zurückliegende Beschäftigung von Menschen, die sich später beruflich völlig neu orientieren. Die Fachgerichte können und müssen in solchen Fällen den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einschränken.

II. Die Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG durch das Bundesarbeitsgericht ist allerdings mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht zu vereinbaren. Die Annahme, eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrages sei immer dann zulässig, wenn eine Vorbeschäftigung mehr als drei Jahre zurückliege, überschreitet die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, weil der Gesetzgeber sich hier erkennbar gegen eine solche Befristung entschieden hatte. Die Auslegung der Gesetze durch die Fachgerichte muss die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren. Dazu muss sie auch die Gesetzesmaterialien in Betracht ziehen. In Betracht zu ziehen sind hier die Begründung eines Gesetzentwurfes, der unverändert verabschiedet worden ist, die darauf bezogenen Stellungnahmen von Bundesrat und Bundesregierung und die Stellungnahmen, Beschlussempfehlungen und Berichte der Ausschüsse. Diese zeigten hier deutlich auf, dass eine sachgrundlose Befristung zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich nur einmal und nur bei der erstmaligen Einstellung zulässig sein soll. Das damit klar erkennbare gesetzliche Regelungskonzept darf von den Fachgerichten nicht übergangen und durch ein eigenes Konzept ersetzt werden.


BVerfG: Bei Zweifelsfragen über die Anwendung und Auslegung von Unionsrecht haben die Fachgerichte diese dem EuGH vorzulegen

BVerfG
Beschluss vom 19.12.2017
2 BvR 424/17


Das Bundesverfassungsgericht hat nochmals bekräftigt, dass die Gerichte bei Zweifelsfragen über die Anwendung und Auslegung von Unionsrecht diese dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen haben.

Aus den Entscheidungsgründen:

I. 1. Bei Zweifelsfragen über die Anwendung und Auslegung von Unionsrecht haben die Fachgerichte diese zunächst dem EuGH vorzulegen. Dieser ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 f.>; 82, 159 <192>; 126, 286 <315>; 128, 157 <186 f.>; 129, 78 <105>; 135, 155 <230 Rn. 177>; stRspr). Unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind die nationalen Gerichte von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof anzurufen (vgl. BVerfGE 82, 159 <192 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105>; 135, 155 <230 f. Rn. 177>; stRspr). Kommt ein deutsches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nicht nach oder stellt es ein Vorabentscheidungsersuchen, obwohl eine Zuständigkeit des EuGH nicht gegeben ist (vgl. BVerfGE 133, 277 <316 Rn. 91>), kann dem Rechtsschutzsuchenden des Ausgangsrechtsstreits der gesetzliche Richter entzogen sein (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 126, 286 <315>; 135, 155 <231 Rn. 177>).

38

a) Nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, C.I.L.F.I.T., C-283/81, Slg. 1982, S. 3415 ff. Rn. 21) muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass diese Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den EuGH war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. BVerfGE 82, 159 <193>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105 f.>; 135, 155 <231 Rn. 178>; 140, 317 <376 Rn. 125>).

39

b) Das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung von Normen, die die gerichtliche Zuständigkeitsverteilung regeln, jedoch nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 29, 198 <207>; 82, 159 <194>; 126, 286 <315>; 135, 155 <231 Rn. 179>). Durch die grundrechtsähnliche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird das Bundesverfassungsgericht nicht zu einem Kontrollorgan, das jeden einem Gericht unterlaufenen, die Zuständigkeit des Gerichts berührenden Verfahrensfehler korrigieren müsste. Vielmehr ist das Bundesverfassungsgericht gehalten, seinerseits die Kompetenzregeln zu beachten, die den Fachgerichten die Kontrolle über die Befolgung der Zuständigkeitsordnung übertragen (vgl. BVerfGE 82, 159 <194>; 135, 155 <231 Rn. 179>).

40

2. Diese Grundsätze gelten auch für die unionsrechtliche Zuständigkeitsvorschrift des Art. 267 Abs. 3 AEUV. Daher stellt nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGE 29, 198 <207>; 82, 159 <194>; 126, 286 <315>; 135, 155 <231 f. Rn. 180>). Das Bundesverfassungsgericht überprüft nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 126, 286 <315>; 128, 157 <187>; 129, 78 <106>; 135, 155 <232 Rn. 180>). Durch die zurückgenommene verfassungsrechtliche Prüfung behalten die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung von Unionsrecht einen Spielraum eigener Einschätzung und Beurteilung, der demjenigen bei der Handhabung einfachrechtlicher Bestimmungen der deutschen Rechtsordnung entspricht. Das Bundesverfassungsgericht wacht allein über die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums (vgl. BVerfGE 126, 286 <316> m.w.N.). Ein „oberstes Vorlagenkontrollgericht“ ist es nicht (vgl. BVerfGE 126, 286 <316>; 135, 155 <232 Rn. 180>).

41

a) Die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt und das Unionsrecht somit eigenständig fortbildet (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht; vgl. BVerfGE 82, 159 <195>; 126, 286 <316>; 128, 157 <187>; 129, 78 <106>; 135, 155 <232 Rn. 181>). Dies gilt erst recht, wenn sich das Gericht hinsichtlich des (materiellen) Unionsrechts nicht hinreichend kundig macht. Es verkennt dann regelmäßig die Bedingungen für die Vorlagepflicht (vgl. BVerfGK 8, 401 <405>; 11, 189 <199>; 13, 303 <308>; 17, 108 <112>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Oktober 2017 - 2 BvR 987/16 -, juris, Rn. 7). Dies gilt auch, wenn es offenkundig einschlägige Rechtsprechung des EuGH nicht auswertet. Um eine Kontrolle am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu ermöglichen, hat es die Gründe für seine Entscheidung über die Vorlagepflicht anzugeben (BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Dezember 2014 - 2 BvR 1549/07 -, juris, Rn. 21 und vom 19. Juli 2016 - 2 BvR 470/08 -, juris, Rn. 56; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Oktober 2017 - 2 BvR 987/16 -, juris, Rn. 7).

42

b) Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des EuGH zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft; vgl. BVerfGE 82, 159 <195>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106>; 135, 155 <232 Rn. 182>).

43

c) Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des EuGH hingegen noch nicht vor, hat die bestehende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit (Unvollständigkeit der Rechtsprechung), wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschreitet (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <317>; 128, 157 <188>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232 f. Rn. 183>). Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Fachgerichte das Vorliegen eines „acte clair“ oder eines „acte éclairé“ willkürlich bejahen. Das Gericht muss sich daher hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig machen. Etwaige einschlägige Rechtsprechung des EuGH muss es auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 128, 157 <189>; 135, 155 <233 Rn. 184>). Auf dieser Grundlage muss das Fachgericht unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts (vgl. BVerfGE 135, 155 <233 Rn. 184>) die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig („acte clair“) oder durch Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt („acte éclairé“; vgl. BVerfGE 129, 78 <107>; 135, 155 <233 Rn. 184>). Unvertretbar gehandhabt wird Art. 267 Abs. 3 AEUV im Falle der Unvollständigkeit der Rechtsprechung insbesondere dann, wenn das Fachgericht eine von vornherein eindeutige oder zweifelsfrei geklärte Rechtslage ohne sachliche Begründung bejaht (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 135, 155 <233 Rn. 185>).



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Bedingungen im eBay-Angebot gehen Regelungen in eBay-AGB vor

BGH
Urteil vom 15.12.2017
VIII ZR 59/16 -
BGB § 119, § 133, § 143, § 157


Der BGH hat entschieden, dass Vertragsbedingungen in einem eBay-Angebot den Regelungen in den eBay-AGB vorgehen.

Leitsätze des BGH:

a) Sind bei Verkaufsaktionen auf der eBay-Internetplattform die Erklärungen der Teilnehmer nicht aus sich heraus verständlich oder lückenhaft und bedürfen sie deshalb der Auslegung, ist grundsätzlich zwar der Aussagegehalt der eBay-AGB ergänzend in die Auslegung der abgegebenen Willenserklärungen einzubeziehen. Rückt jedoch einer der Teilnehmer von den Regelungen der eBay-AGB erkennbar in bestimmter Hinsicht ab, kommt deren Heranziehung insoweit zur Bestimmung des Vertragsinhalts nicht mehr in Betracht. Es ist dann vielmehr das individuell Vereinbarte maßgeblich (Fortführung der Senatsurteile vom 7. November 2001 - VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129, 135 f.; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346 Rn. 21; vom 10. Dezember 2014 - VIII ZR 90/14, NJW 2015, 1009 Rn. 19).

b) Zum Vorliegen einer Anfechtungserklärung kann es schon genügen, dass der Anfechtende eine Verpflichtung, die er nach dem objektiven Erklärungswert seiner - gegebenenfalls durch schlüssiges Handeln getätigten - Willensäußerung übernommen hat, bestreitet oder nicht anerkennt oder ihr sonst widerspricht, sofern sich unzweideutig der Wille ergibt, dass er das Geschäft gerade wegen eines Willensmangels nicht bestehenlassen will. Dies ist auch in Form einer Eventualanfechtung möglich, die für den Fall erklärt wird, dass das Rechtsgeschäft nicht den in erster Linie behaupteten Inhalt hat oder nicht ohnehin nichtig ist (Bestätigung von BGH, Urteile vom 15. Mai 1968 - VIII ZR 29/66, NJW 1968, 2099 unter B III mwN; vom 28. September 2006 - I ZR 198/03, NJW-RR 2007, 1282 Rn. 17).

BGH, Urteil vom 15. Februar 2017 - VIII ZR 59/16 - LG Bielefeld - AG Bielefeld

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BGH: Zur Anwendung der Unklarheitenregel nach § 305c Abs. 2 BGB - Im Zweifel Auslegung zu Lasten des Verwenders von AGB

BGH
Urteil vom 20.01.2016
VIII ZR 152/15
BGB § 305c Abs. 2

Leitsätze des BGH:


a) Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB kommt nur zur Anwendung, sofern nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel verbleiben und zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind (Bestätigung von BGH, Urteile vom 5. Mai 2010 - III ZR 209/09, BGHZ 185, 310 Rn. 14 mwN; vom 9. Mai 2012 - VIII ZR 327/11, NJW 2012, 2270 Rn. 28 mwN; vom 3. Dezember 2014 - VIII ZR 224/13, WuM 2015, 80 Rn. 16). Hierbei bleiben Verständnismöglichkeiten unberücksichtigt, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend sind und für die an solchen Geschäften typischerweise Beteiligten nicht ernsthaft in Betracht kommen (Bestätigung von BGH, Urteile vom 5. Mai 2010 - III ZR 209/09, aaO mwN; vom 9. Mai 2012 - VIII ZR 327/11, aaO; vom 18. Juli 2012 - VIII ZR 337/11, BGHZ 194, 121 Rn. 16).

b) Einer unter der Geltung des § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 MHG von einem Vermieter in einem Wohnraummietvertrag gestellten Formularklausel, die bestimmt: "Spätestens am 30. Juni eines jeden Jahres ist über die vorangegangene Heizperiode abzurechnen. […]", ist keine Ausschlusswirkung dahin beizumessen, dass der Vermieter mit Ablauf dieser
Frist gehindert ist, Heizkostennachforderungen geltend zu machen.

BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 - VIII ZR 152/15 - LG Berlin - AG Berlin-Spandau

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Irreführung durch geographische Herkunftsangabe ist wettbewerbswidrig und zur Auslegung eines Unterlassungstenors

BGH
Urteil vom 30.07.2015
I ZR 250/12
Piadina-Rückruf
ZPO § 945; VO (EG) Nr. 178/2002 Art. 18 Abs. 2 Unterabsatz 1; UWG § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1;
BGB § 254 Abs. 2

Leitsätze des BGH:

a) Bestehen nach dem Wortlaut des Verbotstenors einer einstweiligen Verfügung Unklarheiten, bedarf es einer objektiven Auslegung anhand der Antragsschrift und der ihr beigefügten Anlagen.

b) Die Verpflichtung des Lebensmittelunternehmers nach Art. 18 Abs. 2 Satz 1 der VO (EG) Nr. 178/2002 (Lebensmittel-Basis-VO) jede Person festzustellen, von der er ein Lebensmittel erhalten hat, beschränkt sich darauf, den direkten Lieferanten zu ermitteln.

c) Ein bei einem Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO zu berücksichtigendes Mitverschulden nach § 254 Abs. 2 BGB liegt grundsätzlich nicht deshalb vor, weil ein Handelsunternehmen dem durch eine einstweilige Verfügung ausgesprochenen Vertriebsverbot sofort nachkommt und nicht zuwartet, bis schriftliche Informationen oder eine eidesstattliche Versicherung
des Herstellers vorliegen.

d) Eine Irreführung durch eine geographische Herkunftsangabe im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG ist in der Regel wettbewerbsrechtlich relevant, weil es sich um ein wesentliches werbliches Kennzeichnungsmittel handelt.

BGH, Urteil vom 30. Juli 2015 - I ZR 250/12 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

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BGH: Vertragsschluss, Wortlaut, Auslegung und Beweiserhebung über innere Tatsachen - Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesellschaft

BGH
Beschluss vom 21.04.2015
II ZR 126/14
BGB §§ 133, 157; HGB § 161; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 544 Abs. 7

Leitsatz des BGH:


Der Vortrag zu einem übereinstimmenden Willen der an dem Abschluss eines Vertrags (hier: des Gesellschaftsvertrags einer Kommanditgesellschaft) beteiligten Parteien, der dem Vertragswortlaut oder einer anderweitigen Auslegung vorgeht, betrifft eine innere Tatsache, über die nur dann Beweis zu erheben ist, wenn auch schlüssig behauptet wird, dass die Vertragsparteien ihren übereinstimmenden Willen einander zu erkennen gegeben haben, oder entsprechende Indizien benannt werden.

BGH, Beschluss vom 21. April 2015 - II ZR 126/14 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

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OLG Frankfurt: Nicht hinreichend bestimmter Unterlassungstenor kann im Wege der Auslegung mit Hilfe der gerügten Verletzungshandlung gerettet werden

OLG Frankfurt
Beschluss vom 29.01.2015
6 W 3/15


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein nicht hinreichend bestimmter Unterlassungstenor im Wege der Auslegung mit Hilfe der gerügten Verletzungshandlung gerettet werden.

Aus den Enstcheidungsgründen:

"Es ist zweifelhaft, ob der Unterlassungstenor hinreichend bestimmt ist. Insoweit haben die Antragsgegner mit Recht Bedenken angemeldet, so das zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt ihres Schriftsatzes vom 6. Oktober 2014 verwiesen werden kann (Bl. 45 d. A.). Der Verbotsinhalt ist hier jedenfalls im Wege der Auslegung unter Orientierung an der konkreten Verletzungshandlung, die zum Erlass des Titels geführt hat, auf einen vollstreckungsfähigen Inhalt zu begrenzen (st. Rspr. des erkennenden Senats, vgl. Beschl. v. 7.2.2013 - 6 W 116/12 m. w.N.; ähnlich BGH, Beschl. v. 22.11.2012 - I ZB 18/12, juris-Tz. 17, vgl. ferner Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Auflage Kapitel 65 Rdn. 9).

Der nur schwerlich lesbaren Einblendung in Anlage K 2 lässt sich entnehmen, dass die Antragsgegnerin zu 1) bei ihrer Widerrufsbelehrung überhaupt keine Telefonnummer genannt hat, die der Verbraucher als Kontaktadresse ansehen könnte. Genannt sind dort lediglich eine Telefaxnummer und eine E-Mail-Adresse sowie die postalische Anschrift der Antragsgegnerin zu 1).

Anders gestaltet sich das bei der am 12.09.2014 verwendeten Widerrufsbelehrung (Bl. 37/38 d. A.). Hier wird das in Anlage 1 zu Artikel 246a § 1 Abs. 2 EGBGB vom Gesetzgeber bereitgestellte Muster für die Widerrufsbelehrung verwendet, wobei sich die Antragsgegner allerdings nicht an dem Gestaltungshinweis Nr. 2 der Musterwiderrufsbelehrung orientiert und statt dessen die Kontaktdaten der Antragsgegnerin zu 1) einschließlich ihrer Telefon- und Telefaxnummer unmittelbar im Anschluss an das der Belehrung nachgestellte Muster-Widerrufsformular angegeben haben.

Anders als in der ursprünglichen Gestaltung geht es jetzt nicht mehr darum, dass die Antragsgegner in Zusammenhang mit der Widerrufsbelehrung gebotswidrig keine Telefonnummer genannt haben, sondern nur noch darum, ob die Kontaktdaten an geeigneter Stelle angebracht sind (vgl. zu den gesetzlichen Vorgaben: Föhlisch/Stariradeff, K&R 2014, 825, 826). Von dem eingeschränkten Kernbereich des gerichtlichen Verbots wird die jetzige Gestaltung daher nicht erfasst."