Das ausschließliche Verbreitungsrecht des Urhebers umfasst das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten und gegenüber der Öffentlichkeit gezielt für den Erwerb des Originals oder von Vervielfältigungsstücken des Werkes zu werben.
BGH, Urteil vom 5. November 2015 - I ZR 91/11 - OLG Hamburg - LG Hamburg
a) Wer seine Werbung für den Erwerb von Vervielfältigungsstücken eines Werkes auf in einem bestimmten Mitgliedstaat ansässige Mitglieder der Öffentlichkeit ausrichtet und diese Mitglieder der Öffentlichkeit durch ein spezifisches
Lieferungssystem und spezifische Zahlungsmodalitäten in die Lage versetzt, sich Vervielfältigungsstücke des Werkes liefern zu lassen, bringt die an diese Mitglieder der Öffentlichkeit gelieferten Vervielfältigungsstücke des Werkes in diesem Mitgliedstaat im Sinne von § 17 Abs. 1 Fall 2 UrhG in Verkehr.
b) Der Testamentsvollstrecker, dem der Urheber gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 UrhG durch letztwillige Verfügung die Ausübung des Urheberrechts übertragen hat, bleibt neben einem Dritten, dem der Urheber ein ausschließliches urheberrechtliches Nutzungsrecht eingeräumt hat, berechtigt, selbst Ansprüche wegen Rechtsverletzungen geltend zu machen, soweit er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der rechtlichen Verfolgung dieser Ansprüche hat.
BGH, Urteil vom 5. November 2015 - I ZR 76/11 - OLG Hamburg - LG Hamburg
Der BGH hat mit drei Urteilen entschieden, dass die Bewerbung von urheberrechtlich geschützten Werken (hier: Designer Möbel / Designer-Leuchten) in das Urheberrecht eingreift.
Die Pressemitteilung des BGH:
Werbung für den Erwerb eines Werkes greift in das Urheberrecht ein
Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass das urheberrechtliche Verbreitungsrecht das Recht umfasst, das Original oder Vervielfältigungsstücke eines Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten.
Die Klägerin im Verfahren I ZR 91/11 ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Möbeln nach Entwürfen von Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe. Die Beklagte ist eine in Italien ansässige Gesellschaft, die europaweit Designmöbel im Direktvertrieb vermarktet. Sie wirbt auf ihrer in deutscher Sprache abrufbaren Internetseite und in Deutschland erscheinenden Tageszeitungen, Zeitschriften und Werbeprospekten für den Kauf ihrer Möbel mit dem Hinweis: Sie erwerben Ihre Möbel bereits in Italien, bezahlen aber erst bei Abholung oder Anlieferung durch eine inkassoberechtigte Spedition (wird auf Wunsch von uns vermittelt). Zu den Möbeln gehören auch Nachbildungen der von Marcel Breuer entworfenen Möbel. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verletze mit ihrer Werbung das Recht des Urhebers nach § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG*, Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom BGH zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Die Klägerin im Verfahren I ZR 76/11 ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Leuchten nach Entwürfen von Prof. Wilhelm Wagenfeld. Sie produziert und vertreibt die sogenannte Wagenfeld-Leuchte. Bei der Beklagten handelt es sich um das auch im Verfahren I ZR 91/11 beklagte Unternehmen. Sie bringt Nachbildungen der Wagenfeld-Leuchte auf den Markt. Sie wirbt deutschsprachig im Internet und in Printmedien unter wörtlicher oder bildlicher Bezugnahme auf die Wagenfeld-Leuchte mit der Möglichkeit des Bezugs einer derartigen Leuchte in Italien. Die Werbung enthält den Hinweis, dass deutsche Kunden die Leuchte unmittelbar oder zu Händen eines Spediteurs zur Mitnahme nach Deutschland übereignet erhalten können. Die Klägerin ist der Ansicht, die Werbung der Beklagten greife in das Recht des Urhebers zum öffentlichen Anbieten im Sinne von § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG ein. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Die Beklagte im Verfahren I ZR 88/13 betreibt im Internet einen Tonträgerhandel. Am 30. November 2011 war auf der Internetverkaufsseite der Beklagten die DVD "Al Di Meola - In Tokio (Live)" eingestellt. Die auf der DVD befindliche Aufnahme war vom aufführenden Künstler Al Di Meola nicht autorisiert worden (sog. Schwarzpressung). Die Klägerin, eine Rechtsanwaltskanzlei, mahnte die Beklagte im Auftrag des Künstlers ab. Sie ist der Ansicht, das Anbieten der DVD verletze das Verbreitungsrecht des ausübenden Künstlers aus § 77 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 UrhG**. Die Beklagte entfernte zwar das Angebot von ihrer Internetseite und gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab; sie weigerte sich jedoch, die Kosten der Abmahnung zu erstatten. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Der Bundesgerichtshof hat die Revision in allen drei Verfahren zurückgewiesen. Da es sich bei dem Verbreitungsrecht des Urhebers um nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG harmonisiertes Recht handelt, ist die Bestimmungen der § 17 Abs. 1 UrhG richtlinienkonform auszulegen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden, Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG sei dahin auszulegen, dass der Inhaber des ausschließlichen Verbreitungsrechts an einem geschützten Werk Angebote zum Erwerb oder gezielte Werbung in Bezug auf das Original oder auf Vervielfältigungsstücke des Werkes auch dann verbieten könne, wenn nicht erwiesen sein sollte, dass es aufgrund dieser Werbung zu einem Erwerb des Schutzgegenstands durch einen Käufer aus der Union gekommen sei, sofern die Werbung die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Werk urheberrechtlich geschützt sei, zu dessen Erwerb anrege. Entsprechendes gilt für den Inhaber des ausschließlichen Rechts des ausübenden Künstlers nach § 77 Abs. 2 Satz 1 UrhG (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2006/115/EG****), den Bild- oder Tonträger, auf den die Darbietung des ausübenden Künstlers aufgenommen worden ist, zu verbreiten.
Danach verletzt die beanstandete Werbung in den Verfahren I ZR 91/11 und I ZR 76/11 das ausschließliche Recht zur Verbreitung von Vervielfältigungsstücken der in Deutschland als Werke der angewandten Kunst geschützten Modelle der Möbel von Marcel Breuer, Ludwig Mies van der Rohe und der Wagenfeld-Leuchte. Bei der Werbung handelt es sich um eine gezielte Werbung in Bezug auf Vervielfältigungsstücke der Möbelmodelle und des Leuchtenmodells, die die Verbraucher in Deutschland zu deren Erwerb anregt. Sie kann daher auch dann verboten werden, wenn es aufgrund dieser Werbung nicht zu einem Erwerb solcher Möbel durch Käufer aus der Union gekommen sein sollte. Desgleichen stellt im Verfahren I ZR 88/13 das Einstellen der DVD auf einer Internetverkaufsplattform, durch das zum Erwerb des Vervielfältigungsstücks eines Bildtonträgers aufgefordert wird, auf den die Darbietung des ausübenden Künstlers Al Di Meola aufgenommen worden ist, ein das Verbreitungsrecht des ausübenden Künstlers verletzendes Angebot an die Öffentlichkeit dar.
Der ausübende Künstler hat das ausschließliche Recht, den Bild- oder Tonträger, auf den seine Darbietung aufgenommen worden ist, zu vervielfältigen und zu verbreiten.
***Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2001/29/EG
Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern in Bezug auf das Original ihrer Werke oder auf Vervielfältigungsstücke davon das ausschließliche Recht zusteht, die Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten.
****Art. 9 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2006/115/EG
Die Mitgliedstaaten sehen das ausschließliche Recht, die in den Buchstaben a bis d genannten Schutzgegenstände sowie Kopien davon der Öffentlichkeit im Wege der Veräußerung oder auf sonstige Weise zur Verfügung zu stellen (nachstehend "Verbreitungsrecht" genannt), wie folgt vor a) für ausübende Künstler in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen.
BGH
Beschluss vom 11.04.2013 I ZR 91/11
Marcel-Breuer-Möbel
Richtlinie 2001/29/EG Art. 4 Abs. 1
Leitsätze des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Umfasst das Verbreitungsrecht nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten? Falls die erste Frage zu bejahen ist:
2. Umfasst das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten, nicht nur Vertragsangebote, son-dern auch Werbemaßnahmen?
3. Ist das Verbreitungsrecht auch dann verletzt, wenn es aufgrund des Angebots nicht zu einem Erwerb des Originals oder von Vervielfältigungsstücken des Werkes kommt?
BGH, Beschluss vom 11. April 2013 - I ZR 91/11 - OLG Hamburg - LG Hamburg
Der EuGH hat sich in dieser Entscheidung mit dem Import von Bauhaus-Möbel-Nachbauten aus Italien befasst. Die nachgebildeten Bauhaus-Möbel waren in Italien
zwischen 2002 und 2007 nicht urheberrechtlich geschützt. Der EuGH hat nun entschieden, dass die Warenverkehrsfreiheit zum Schutz von Urheberrechten eingeschränkt werden darf. Der Import nach Deutschland war somit verboten.
Tenor der Entscheidung:
1. Ein Händler, der seine Werbung auf in einem bestimmten Mitgliedstaat ansässige Mitglieder der Öffentlichkeit ausrichtet und ein spezifisches Lieferungssystem und spezifische Zahlungsmodalitäten schafft oder für sie zur Verfügung stellt oder dies einem Dritten erlaubt und diese Mitglieder der Öffentlichkeit so in die Lage versetzt, sich Vervielfältigungen von Werken liefern zu lassen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat urheberrechtlich geschützt sind, nimmt in dem Mitgliedstaat, in dem die Lieferung erfolgt, eine „Verbreitung an die Öffentlichkeit“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vor.
2. Die Art. 34 AEUV und 36 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat nicht verbieten, die Beihilfe zum unerlaubten Verbreiten von Vervielfältigungsstücken urheberrechtlich geschützter Werke in Anwendung seiner nationalen Strafvorschriften strafrechtlich zu verfolgen, wenn Vervielfältigungsstücke solcher Werke in dem betreffenden Mitgliedstaat im Rahmen eines Verkaufsgeschäfts an die Öffentlichkeit verbreitet werden, das speziell auf die Öffentlichkeit in diesem Mitgliedstaat ausgerichtet ist und von einem anderen Mitgliedstaat aus abgeschlossen wird, in dem ein urheberrechtlicher Schutz der Werke nicht besteht oder nicht durchsetzbar ist.
BGH
Urteil vom 22.09.2009 I ZR 247/03
Le-Corbusier-Möbel II
UrhG § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 17 Abs. 1, § 96 Abs. 1, § 97 Abs. 1 und 2; InformationsgesellschaftRL Art. 4 Abs. 1
Leitsätze des BGH:
a) Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 der Informationsgesellschafts-Richtlinie über das Verbreitungsrecht begründet nicht nur ein Mindestrecht, hinter dem die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung ihres Schutzniveaus nicht zurückbleiben dürfen, sondern stellt eine verbindliche Regelung des Verbreitungsrechts auch im Sinne eines Maximalschutzes dar.
b) Ein Dritter greift nicht in das ausschließlich dem Urheber zustehende Verbreitungsrecht nach § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 17 UrhG ein, wenn er Nachbildungen urheberrechtlich geschützter Modelle von Möbeln öffentlich aufstellt oder der Öffentlichkeit zum Gebrauch zugänglich macht.
BGH, Urteil vom 22. Januar 2009 - I ZR 247/03 - OLG Frankfurt a.M. - LG Frankfurt a.M.