Skip to content

LG Koblenz: Grundsätzlich kein Wettbewerbsverstoß durch Abwerben von Mitarbeitern durch einen Mitbewerber sofern keine zusätzlichen unlauteren Umstände vorliegen

LG Koblenz
Beschlus vom 17.09.2024
11 O 12/24


Das LG Koblenz hat entschieden, dass grundsätzlich kein Wettbewerbsverstoß durch Abwerben von Mitarbeitern durch einen Mitbewerber vorliegt, sofern keine zusätzlichen unlauteren Umstände hinzutreten.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Der Antrag ist unbegründet, da weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund vorliegen. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Unterlassung gemäß § 8 Abs. 1 UWG i. V. m. §§ 4, 4a UWG gegen die Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin hat keine nach §§ 4, 4a UWG unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen. Zwar liegt zwischen den Parteien ein konkretes Wettbewerbsverhältnis vor. Jedoch hat die Antragsgegnerin mangels gezielter Behinderung der Antragstellerin nicht unlauter gemäß § 4 Nr. 4 UWG gehandelt.

Die Freiheit des Wettbewerbs erstreckt sich auch auf die Nachfrage nach Arbeitnehmern. Unternehmer haben keinen Anspruch auf den Bestand ihrer Mitarbeiter. Die für ein Unternehmen Tätigen sind zudem in der Wahl ihres Arbeitsplatzes frei (Art. 12 GG). Das Abwerben von Mitarbeitern eines Unternehmers, gleichgültig, ob er auf dem Absatzmarkt Mitbewerber ist oder nicht, ist daher lauterkeitsrechtlich grundsätzlich erlaubt (BGH GRUR 1961, 482 – Spritzgussmaschine; BGH GRUR 1966, 263 – Bau-Chemie; BGH GRUR 1984, 129 (130) – shop-in-the-shop I; BGH GRUR 2006, 426 Rn. 18 – Direktansprache am Arbeitsplatz II; OLG Karlsruhe GRUR 2002, 459; OLG Hamm GRUR-RR 2004, 27 (29); OLG Frankfurt WRP 2018, 983 Rn. 6). Dies gilt auch dann, wenn die Abwerbung bewusst und planmäßig erfolgt (BGH GRUR 1966, 263 – Bau-Chemie), insbesondere von einem Mitbewerber im Absatz oder einem von ihm beauftragten berufsmäßigen Abwerber (Headhunter, Personalberater) ausgeht. Grundsätzlich spielt es auch keine Rolle, welche (Schlüsselkräfte) oder wie viele Mitarbeiter abgeworben werden. Der Abwerbende braucht auch sein Vorhaben dem bisherigen Arbeitgeber nicht mitzuteilen, um ihm ein Bleibeangebot zu ermöglichen.

Da Mitarbeiterabwerbung grundsätzlich zulässig ist, müssen zur Begründung der Unlauterkeit besondere Umstände vorliegen. Solche besonderen Umstände sind gegeben, wenn der konkurrierende Unternehmer mit der Abwerbung einen verwerflichen Zweck verfolgt oder bei der Abwerbung selbst verwerfliche Mittel oder Methoden anwendet (BGH GRUR 1966, 263 (265) – Bau-Chemie; GRUR 2006, 482 – Direktansprache am Arbeitsplatz II). Bei der Bewertung, ob die besonderen Umstände wettbewerbswidrig sind, ist stets eine Gesamtabwägung der Interessen des ab- und des anwerbenden Unternehmens, des Mitarbeiters und der Allgemeinheit anzustellen. Für den Fall, dass ein Unternehmen einen abgeworbenen Mitarbeiter rückabwerben will, gelten dieselben Maßstäbe. Allerdings kann dies nur gelten, wenn die Abwerbung an sich schon wettbewerbskonform war. Bei einer wettbewerbswidrigen Abwerbung, sind bei der Rückabwerbung mildere Maßstäbe anzulegen (BGH GRUR 1967, 428 (429) – Anwaltsberatung).

Meist wird mit der Abwerbung eines Mitarbeiters versucht die eigene Leistungsfähigkeit zu steigern oder zu verbessern. Dies allein ist wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein verwerflicher Zweck wird aber verfolgt, wenn der Abwerber nicht sein eigenes unternehmerisches Fortkommen bezweckt, sondern primär die wirtschaftliche Entfaltung des Konkurrenten behindert werden soll (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Omsels UWG § 4 Rn. 328). Eine solche Behinderungsabsicht ist anzunehmen, sobald der Arbeitnehmer vom Abwerbenden nicht benötigt wird oder nur gezielt, von einem ganz bestimmten Unternehmen abgeworben wird, ohne die anderen Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu sondieren (KBF/Köhler UWG § 4 Rn. 4.105).

Es ist unlauter, einen Mitarbeiter abzuwerben, indem man ihn zum Vertragsbruch verleitet (BGH GRUR 1961, 482 (483) – Spritzgussmaschinen; GRUR 2007, 800 Rn. 14 – Außendienstmitarbeiter; Ohly/Sosnitza/Ohly UWG § 4 Rn. 4/28). Hierzu zählen Fälle der Verletzung einer wesentlichen Pflicht aus einem gültigen Vertragsverhältnis (Harte- Bavendamm/Henning-Bodewig/Omsels UWG § 4 Rn. 336). Dies ist beispielsweise zu bejahen im Fall der sofortigen Einstellung der Arbeit, bei einer provozierten Kündigung oder in der Verletzung von Ausschließlichkeitsvereinbarungen oder Wettbewerbsverboten (Ohly/Sosnitza/Ohly UWG § 4 Rn. 4/28). Wer als Abwerber bewusst und gezielt auf den Vertragsbruch eines Mitarbeiters eines Mitbewerbers hinwirkt, verleitet diesen. Das setzt voraus, dass der Abwerbende zumindest Kenntnis von dem geschlossenen Vertrag hat oder sich dieser bewusst verschlossen hat (Ohly/Sosnitza/Ohly UWG § 4 Rn. 4/28). Dagegen reicht fahrlässige Unkenntnis grundsätzlich nicht aus (BGH GRUR 1975, 555 (557) – Speiseeis).

Ferner zulässig ist es dem Arbeitnehmer bei einer rechtmäßigen Kündigung helfend zur Seite zu stehen (Kündigungshilfe) (zur Kündigungshilfe beim Kunden BGH GRUR 2005, 603 (604) – Kündigungshilfe). Ebenso darf das Kündigungsschreiben vom neuen Arbeitgeber übermittelt werden oder für eine rechtmäßige Kündigung eine Prämie ausgelobt werden (Ohly/Sosnitza/Ohly UWG § 4 Rn. 4/30).

Gemessen an den dargelegten Grundsätzen ist für die Kammer kein unlauteres Verhalten der Antragsgegnerin zu erkennen. Besondere Umstände, die bei der grundsätzlich zulässigen Mitarbeiterabwerbung Unlauterkeit begründen würden, liegen nicht vor.

Eine Behinderungsabsicht der Antragsgegnerin ist nicht ersichtlich. Die wechselwilligen Mitarbeiter waren zuvor bei ihr tätig, sodass sie ein erhebliches Eigeninteresse an der Weiterbeschäftigung dieser Mitarbeiter hat und diese benötigt.

Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, dass die Antragsgegnerin die wechselwilligen Mitarbeiter zur Verletzung zum Vertragsbruch verleite, ist dies von der Antragstellerin nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Die Kammer stellt vorab klar, dass die Kündigungen nach eigenem Vortrag der Antragstellerin nicht jeweils kurz vor Arbeitsbeginn erfolgt sind. Lediglich zwei der sechs erklärten Kündigungen erfolgten am 28.08.2024 bzw. am 30.08.2024 und damit kurz vor dem vereinbarten Arbeitsbeginn am 01.09.2024. Alle anderen Kündigungen wurden jeweils mindestens einen Monat vor dem anvisierten Eintrittsdatum erklärt. Allein aus dem Umstand, dass die Kündigungen in Wortlaut, Aufbau und Form identisch sind, folgt nicht, dass diese von der Antragsgegnerin herrühren. Ein dahingehendes konzertiertes und koordiniertes Vorgehen durch die Antragsgegnerin ist weder dargelegt noch bewiesen. Aus den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Frau M. S. (Anlage AS-28) sowie des Herrn Y. E. (Anlage AS-29) folgt weder, dass die Antragsgegnerin für die Kündigungen oder den Nichtantritt der Arbeitsstelle bei der Antragstellerin verantwortlich ist, noch, dass die wechselwilligen Mitarbeiter E., K., W., We., D., U. und Ko. nun wieder bei der Antragsgegnerin beschäftigt sind. Die Zeugin M. S. (Anlage AS-28) versicherte lediglich, dass bei einer Betriebsversammlung am 16.05.2024 angekündigt worden sei, dass jeder, der bis Ende des Jahres bei der Antragsgegnerin arbeite, eine Prämie von bis zu 1.000 € erhalte. Diese sei ihr gegenüber nach Ausscheiden nochmals in Höhe von 3.000 € angeboten worden. Auch der Zeuge E. versicherte lediglich, dass ihm eine Prämienzahlung von 2.000 € für den Wiedereintritt in das Arbeitsverhältnis mit der Antragsgegnerin versprochen worden sei. Die Ankündigung der Prämienzahlung im Rahmen der Betriebsversammlung sollte allen Mitarbeitern und nicht nur den wechselwilligen Mitarbeitern zu Gute kommen. Dass den anderen wechselwilligen Mitarbeitern eine erhöhte Prämienzahlung außerhalb der Betriebsversammlung angeboten worden ist, ist hingegen nicht ersichtlich. Auch soweit sich die Antragstellerin auf die vermeintliche telefonische Einwirkung des Herrn F. auf den wechselwilligen Mitarbeiter Herrn U. beruft, ist dieser Vortrag nicht belegt. Soweit die Zeugin S. und der Zeuge E. versichern, dass den wechselwilligen Mitarbeitern rechtliche Unterstützung, um trotz unterschriebenen Vertrag bei der Antragsgegnerin bleiben zu können, von der Antragsgegnerin zugesichert worden sei, stellt dies nicht schon - wie von der Antragstellerin angenommen - eine kostenfreie Rechtsberatung dar. Dass eine solche tatsächlich durchgeführt wurde, ist hingegen nicht dargetan.

Auch sofern die Lösung des Vertrags durch die wechselwilligen Mitarbeiter einen Vertragsbruch darstellen würde, ist dies allein die Entscheidung des Beschäftigten. Im Falle der Vertragsverletzung kann der Arbeitgeber gegen ihn vorgehen. Eine unlautere Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit der wechselwilligen Mitarbeiter durch eine - als wahr unterstellte - Hilfe bei der Fertigung der Kündigung oder die - vermeintliche - Auszahlung einer Prämie ist nicht gegeben. Unlauterkeit soll nur bei Druck, unangemessenem Einfluss oder Irreführung des Arbeitnehmers vorliegen (vgl. §§ 4a, 4 Nr. 1 und §§ 2, 5, 5a). Ebenso ist von der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin als Abwerbende Kenntnis von den konkret geschlossenen Verträgen der wechselwilligen Mitarbeiter mit der Antragstellerin hatte. Zwar gibt die Zeugin S. in ihrer eidesstattlichen Versicherung an, dass einige Verträge von der Antragsgegnerin gesehen worden seien und diese daraufhin erklärt habe, dass die Verträge einer Rückkehr zur Antragsgegnerin nicht im Weg stünden. Welche Verträge der Antragsgegnerin konkret vorgelegen haben sollen, wird jedoch nicht klar. Angesichts der unterschiedlichen Ausgestaltungen der der Kammer vorliegenden Verträge, kann anhand der Angaben in der eidesstattlichen Versicherung nicht beurteilt werden, von welchen Arbeitsverträgen die Antragsgegnerin Kenntnis gehabt haben soll.

Auch ein Verfügungsgrund liegt nicht vor. Die Vermutung der Dringlichkeit gemäß § 12 Abs. 1 UWG ist widerlegt. Die Antragstellerin hat durch ihr eigenes Verhalten, insbesondere das Zuwarten mit der Antragstellung bis zum 16.09.2024 die erforderliche Dringlichkeit selbst widerlegt (MüKoZPO/Drescher Rn. 19). Eine späte Antragstellung ist dann schädlich, wenn dem Gläubiger die Gefährdung seiner Rechtstellung bekannt war oder aus grober Fahrlässigkeit unbekannt blieb. Wie lange der Antragsteller nach dem so ermittelten Zeitpunkt noch zuwarten darf, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles (OLG Koblenz NJW-RR 2011, 624). Regelmäßig werden ihm aber nicht mehr als ein bis zwei Monate zugebilligt (OLG Koblenz NJW-RR 2011, 624). Die ersten Kündigungen der wechselwilligen Mitarbeiter We., K. und W. erfolgten bereits am 13.06.2024 bzw. am 17.06.2024, mithin drei Monate vor Antragstellung. Die Kündigung des wechselwilligen Mitarbeiters E. erfolgte am 30.07.2024. Dass diese Mitarbeiter nach bereits erklärter Kündigung voraussichtlich nicht zur Arbeitsaufnahme am 01.09.2024 erscheinen würden, war für die Antragstellerin bereits in diesem Zeitpunkt voraussehbar. Spätestens am 01.09.2024, als endgültig klar wurde, dass diese Mitarbeiter ihre Arbeit nicht antreten, hatte die Antragstellerin vollumfänglich Kenntnis von der Gefährdung ihrer Rechtsstellung. Mit dem weiteren Zuwarten mit der Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bis zum 16.09.2024 hat die Antragsgegnerin die Dringlichkeit selbst widerlegt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG München: Anmeldung einer im Ausland bekannten Marke für Schokoriegel als Marke nicht per se bösgläubig - nahezu identische Aufmachung des Produkts unlautere Nachahmung

LG München
Urteil vom 01.06.2021
33 O 12734/19


Das LG München hat entschieden, dass die Anmeldung einer im Ausland bekannten Marke für Schokoriegel als Marke nicht per se bösgläubig ist. Eine nahezu identische Aufmachung des Produkts stellt jedoch eine unlautere Nachahmung dar.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Schokoriegel

Die Anmeldung von im Ausland bekannten Marken für Schokoladenriegel ist nicht per se rechtsmissbräuchlich
Die auf Marken- und Wettbewerbsrecht spezialisierte 33. Zivilkammer das Landgerichts München I hat mit Urteil vom 01.06.2021, Az 33 O 12734/19, über eine Klage der Süßwarenherstellerin FERRERO entschieden, mit der diese u.a. Rechte an den Zeichen „Butterfinger“ und „Baby Ruth“ geltend macht.

Die zur Entscheidung berufene Kammer hat der Klage insoweit stattgegeben, als die Klägerin ein Verbot des Vertriebs eines Schokoladenriegels „Butterfinger“ in einer mit dem US-amerikanischen „Original“ vergleichbaren Aufmachung begehrt. Soweit die Klägerin Löschungsansprüche im Hinblick auf die Marken „Butterfinger“ oder „Baby Ruth“ erhebt, hat die Kammer die Klage weitgehend abgewiesen.

Nach dem Vortrag der Klägerin verfügen die Zeichen „Butterfinger“ und „Baby Ruth“ jedenfalls in den USA über herausragende Bekanntheit. Denn die Firma Nestlé, von der die Klägerin im Jahr 2018 Teile des US-Süßwarengeschäfts erworben hatte, vertrieb unter diesen Zeichen Schokoladenriegel. Die Beklagte, ein Unternehmen aus Brühl, das vorwiegend im Getränkehandel tätig ist, ist Inhaberin von deutschen Markenrechten an den Zeichen „Butterfinger“ und „Baby Ruth“ unter anderem für „Schokoladenwaren“.

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Eintragung dieser Zeichen und begehrt deren Löschung wegen Verfalls und bösgläubiger Markenanmeldung. Sie ist der Ansicht, einziger Zweck der Anmeldungen sei gewesen, ein lukratives Drohpotential gegenüber der Klägerin aufzubauen, um die Markenrechte im Anschluss möglichst gewinnbringend veräußern zu können. Die Klägerin wendet sich ferner mit ihrer Klage u.a. gegen den Vertrieb eines Schokoladenriegels unter dem Zeichen „Butterfinger“ durch die Beklagte, soweit dieser ein nahezu identisches Verpackungsdesign aufweist, wie der seinerzeit von der Firma Nestlé in den USA angebotene Riegel. Ein solches Produkt hatte die Beklagte im hiesigen Verfahren zum Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung ihrer „Butterfinger“-Marke vorgelegt.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die geltend gemachten Ansprüche bestünden nicht. Insbesondere seien die Voraussetzungen einer missbräuchlichen Markenanmeldung nicht gegeben. Die Beklagte habe die Marken nicht in Behinderungsabsicht angemeldet, sondern stets eine eigene Benutzungsabsicht aufgewiesen.

Nach Auffassung der Kammer gelang es der Beklagten zum einen, die ernsthafte rechtserhaltende Benutzung der angegriffenen Bezeichnung „Butterfinger“ jedenfalls für Schokoladenwaren nachzuweisen, indem sie aussagekräftige Unterlagen vorlegte, die Bewerbung und Verkauf eines Schokoladenriegels unter dem Zeichen „Butterfinger“ belegen. Zum anderen lagen nach Ansicht der erkennenden Kammer die Voraussetzungen einer bösgläubigen Markenanmeldung nicht vor. Der Grund hierfür lag unter anderem darin, dass die Firma Nestlé in der Vergangenheit selbst über Markenrechte an den streitgegenständlichen Zeichen in Deutschland verfügte, von diesen aber spätestens ab Ende des Jahres 2010 keinen Gebrauch mehr gemacht hatte. In dem Vertrieb eines Schokoladenriegels „Butterfinger“ in einer dem US-amerikanischen Original nahezu identischen Aufmachung sah die Kammer hingegen eine unlautere Nachahmung.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.


OLG Frankfurt: Direktes Abwerben von Mitarbeitern eines Mitbewerbers nicht wettbewerbswidrig - Unlauterkeit bei beabsichtige Existenzgefährdung des Mitbewerbers

OLG Frankfurt
Beschluss vom 15.05.2018
6 W 39/18


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass das direkte Abwerben von Mitarbeitern eines Mitbewerbers im Regelfall nicht wettbewerbswidrig ist. Vielmehr müssen weitere Umstände vorliegen. So kann eine Unlauterkeit bei beabsichtiger Existenzgefährdung des Mitbewerbers vorliegen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt. In der Sache ist sie jedoch unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Dabei kann dahinstehen, ob die Antragstellerin durch zu langes Zuwarten die Dringlichkeitsvermutung des § 12 II UWG widerlegt hat, da es jedenfalls an einem Verfügungsanspruch fehlt. Der Antragstellerin steht kein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 I, III Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 4 UWG zu.

1.) Auszugehen ist bei Beurteilung der Unlauterkeit der Abwerbung von Mitarbeitern von dem Grundsatz der Abwerbungsfreiheit. Die Freiheit des Wettbewerbs erstreckt sich auch auf die Nachfrage nach Arbeitnehmern. Unternehmer haben keinen Anspruch auf den Bestand ihrer Mitarbeiter. Die für ein Unternehmen Tätigen sind zudem in der Wahl ihres Arbeitsplatzes frei (Art. 12 GG). Das Abwerben von Mitarbeitern (= Ausspannen) eines Unternehmers, gleichgültig, ob er auf dem Absatzmarkt Mitbewerber ist oder nicht, ist daher lauterkeitsrechtlich grundsätzlich erlaubt (BGH GRUR 1961, 482 - Spritzgussmaschine; BGH GRUR 1966, 263 - Bau-Chemie; BGH GRUR 1984, 129 (130) - shop-in-the-shop I; BGH GRUR 2006, 426 [BGH 09.02.2006 - I ZR 73/02] Rnr. 18 - Direktansprache am Arbeitsplatz II; Senat, Urteil vom 01.03.2018, 6 U 165/17). Dies gilt auch dann, wenn die Abwerbung bewusst und planmäßig erfolgt (BGH GRUR 1966, 263 - Bau-Chemie). Grundsätzlich spielt es auch keine Rolle, welche (Schlüsselkräfte) oder wie viele Mitarbeiter abgeworben werden. Will sich ein Unternehmen vor einer Abwerbung seiner Mitarbeiter schützen, so kann es dies durch entsprechende Zugeständnisse oder durch Auferlegung vertraglicher Wettbewerbsverbote (§§ 74 ff., 90a HGB) erreichen (ebenso OLG Brandenburg WRP 2007, 1368 [OLG Brandenburg 06.03.2007 - 6 U 34/06] (1370)).

Eine Unlauterkeit in Form der gezielten Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG kann sich daher erst durch das Hinzutreten weitere Umstände ergeben, nämlich insbesondere durch die Unlauterkeit des Zwecks oder der Methoden der Abwerbung.

2.) Derartige besondere unlauterkeitsbegründende Umstände sind hier jedoch nicht ersichtlich.

a) Soweit die Antragstellerin der Auffassung ist, der Zweck der Abwerbung sei hier als unlauter anzusehen, weil die Abwerbung gezielt erfolge, um eine existenzvernichtende Beeinträchtigung des Wettbewerbers zu erreichen oder diese zumindest in Kauf genommen werde, kann dahinstehen, ob die diese Ansicht begründende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1966 noch unverändert Anwendung findet. Diese hat nämlich in der Folgezeit zunehmend Kritik erfahren, da es eine Ausprägung der Wettbewerbsfreiheit ist, dass der eigene Vorteil auch um den Preis der wirtschaftlichen Gefährdung des Konkurrenten gesucht werden darf. Auch die Gefährdung der Existenz eines Mitbewerbers steht im Einklang mit der dem Wettbewerb innewohnenden Auslesefunktion. Es spricht daher viel dafür, die hiermit verbundene Behinderung (inzwischen) als wettbewerbskonform anzusehen. Dies kann jedoch im Ergebnis dahinstehen, da nicht erkennbar ist, dass eine Existenzgefährdung der Antragstellerin vorliegt oder gar von der Antragsgegnerin beabsichtigt war. Die Antragstellerin hat schon nicht vorgetragen, wie sich konkret die Auswirkungen der Abwerbungen für die Antragstellerin darstellen. Weiterhin ist schon aufgrund des Umfangs der Mitarbeiterwechsel nicht annähernd erkennbar, inwieweit dies zu einer Existenzgefährdung der Antragstellerin führt. Die Antragstellerin spricht hier von 10 % abgeworbener Mitarbeiter, was aber durch ihren Vortrag nicht gestützt wird. Sie spricht selbst von 8 Servicetechnikern, was nach den in Anlage AS 2 eidesstattlich versicherten Mitarbeiterzahlen (202 Mitarbeiter, davon 135 Servicetechniker) 6 % der Servicetechniker ausmacht.

b) Allerdings wird es teilweise bereits als unlauter angesehen, wenn ohne Rücksicht auf andere Möglichkeiten des Arbeitsmarktes gerade Beschäftigte eines bestimmten Mitbewerbers abgeworben werden (Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler, UWG, 36. Aufl., § 4, Rnr. 4.105; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Omsels UWG § 4 Rn. 29-32; Fezer/Büscher/Obergfell, Lauterkeitsrecht, § 4 Nr. 4, Rnr. 56).

Der Unlauterkeitsgrund wird hier darin gesehen, dass ein Unternehmer die Abwerbung von Mitarbeitern einsetzt, um ohne nennenswerte finanzielle oder wirtschaftliche Anstrengungen ganze Geschäftsbereiche, Abteilungen oder Niederlassungen eines konkurrierenden Unternehmens einschließlich der damit verbundenen Kunden zu übernehmen. Der Abwerbende wendet in diesen Fällen nur die Kosten für die zukünftige Tätigkeit der Mitarbeiter in seinem Unternehmen und ein etwaiges Handgeld auf, um eine vom Mitbewerber mit zusätzlichem Zeit- und Kostenaufwand aufgebaute Unternehmenseinheit zu übernehmen und den Mitbewerber selber vom Markt zu verdrängen. Der Mitbewerber ist durch die Übernahme ganzer Unternehmensbereiche außerdem nicht mehr in der Lage, seine Leistungen durch eigene Anstrengungen am Markt in angemessener Weise zur Geltung zu bringen. Allerdings genügt es für die Annahme einer Unlauterkeit noch nicht, dass die Wettbewerbsposition lediglich beeinträchtigt wird. Erschwerend kann andererseits berücksichtigt werden, dass die Übernahme der Mitarbeiter putsch- oder handstreichartig erfolgt und neben Mitarbeitern auch Kunden, Kundendaten, Lieferanten und Produktionsmittel in einer Art und Weise übernommen werden, dass dem Mitbewerber keine ernsthafte Möglichkeit verbleibt, der Übernahme entgegenzusteuern.

Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Es ist schon nicht erkennbar, dass die Antragsgegner tatsächlich nur Mitarbeiter der Antragstellerin abgeworben hat, was im Übrigen dann unschädlich wäre, wenn der Markt so eng wäre, dass nur zwei Wettbewerber existieren, da die Antragsgegnerin dann zur Abwerbung von Mitarbeitern der Antragstellerin gezwungen wäre. Hierzu ist nichts vorgetragen.

Weiterhin erfolgte die Abwerbung nicht "handstreichartig" zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern über einen Zeitraum von einem halben Jahr gestaffelt. Dies lässt den Eingriff in den Betrieb der Antragstellerin als besser kompensierbar erscheinen, da die Möglichkeit für die Antragstellerin besteht, den Personalverlust ihrerseits durch die Anwerbung neuer Mitarbeiter auszugleichen. Bei der Gesamtbetrachtung ist weiterhin zu würdigen, dass nicht komplette Abteilungen zum Wechsel angeleitet worden sind, sondern insbesondere von den insgesamt 135 Servicetechnikern lediglich eine Handvoll zum Wechsel bewegt worden sind. Auch sind weitere unlauterkeitsbegründende Umstände (übertriebene Anreize durch exorbitante Bezahlung o.ä.) nicht ersichtlich.

c) In der Gesamtschau verbleibt daher lediglich die Tatsache, dass die Antragsgegnerin an die Antragstellerin als eine unmittelbare Wettbewerberin herantritt und von ihr Mitarbeiter abwirbt. Dies verlässt den Boden lauteren Wettbewerbsverhaltens nicht, sondern stellt sich als zulässiger Wettbewerb um Arbeitskräfte dar.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: